von Thomas Heck...
Deutsche Arroganz gegenüber Großbritannien angesichts der Querelen um den Brexit ist nicht angezeigt, verliert doch die EU mit Großbritannien ihr militärisch bestes Pferd im Stall, erfahren, professionell und weltweit im Einsatz und verwurzelt. Der feuchte Traum einer europäischen Armee, und ich meine damit eine kriegstüchtige, funktionierende Armee, ist mit dem Brexit schnell auf den Boden der Tatsachen angekommen. Gegenüber Großbritannien backt der Rest Europas in militärischen Bereichen eher kleine Brötchen. Europa sollte tunlichst darauf achten, nach einem wichtigen EU-Mitglied Großbritannien nicht auch noch einen starken Verbündeten Großbritannien zu verlieren...
Das britische Militär spielt in einer anderen Liga
Als strategischer Akteur spielt Großbritannien in einer gänzlich anderen Liga als die EU. Das Land ist atomar bewaffnet und erneuert mit dem Bau zweier mit Tarnkappenflugzeugen der fünften Generation bestückten Flugzeugträgern in hohem Tempo die Schlagkraft seiner Marine.
Europa hingegen ist bloß eine internationale Organisation ohne eigene militärische Mittel. Großbritannien ist in der Tat mit einigem Abstand die führende Militärmacht Europas. Nach den Vereinigten Staaten hat das Land den größten Wehretat innerhalb der NATO, die Bruttotonnage seiner Marine übersteigt die von Frankreich und Deutschland zusammengenommen. Die britischen Spionagefähigkeiten übersteigen die der anderen europäischen Länder bei weitem und die strategische Kultur des Landes sucht, vielleicht mit der Ausnahme von Frankreich, in Europa ihres gleichen. Mit seinen Militärbasen in Gibraltar und Zypern wacht Großbritannien auch über die Ein- und Ausfahrt ins Mittelmeer und es ist das einzige europäische Land, das eine tatsächlich globale militärische Präsenz hat. Während Großbritannien jetzt die EU verlässt, bleiben diese strategischen Fakten bestehen.
Auch die britischen geostrategischen Ziele in Europa ein Kräfteverhältnis zugunsten eines liberalen Europas zu wahren, werden sich nicht ändern. Auf dieser Grundlage hat Großbritannien eine seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs ununterbrochene militärische Präsenz auf dem europäischen Festland gewahrt. In Deutschland sind 5.000, in Estland 850 und in Polen 150 Soldaten stationiert und Kampfjets der britischen Luftwaffe RAF sind regelmäßig über Rumänien, Litauen und Island im Einsatz.
Großbritannien hat mehr Truppen in anderen Nato Staaten stationiert als alle anderen Verbündeten mit Ausnahme der Vereinigten Staaten. Anders als Frankreich, das nicht Mitglied der Nuklearen Planungsgruppe der Nato ist, dient die nukleare Abschreckung Großbritanniens zudem „unter allen Umständen“ dem Schutz des gesamten Nato-Gebiets.
Für Großbritannien bleibt die Nato der Kern europäischer Geopolitik und allgemeiner Garant des Friedens in Europa. Entsprechend rangiert die EU im weiteren auf britischer und amerikanischer strategischer Stärke beruhenden atlantischen Rahmen nur auf einem untergeordneten Rang. Viele EU-Länder scheinen daher davon überzeugt zu sein, dass es an der Zeit ist, eine EU-„Souveränität“ bzw. -„Autonomie“ zu entwickeln – in Richtung dessen, was EU Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker als „Verteidigungsunion“ bezeichnet hat. Ohne eine substantielle Steigerung der europäischen Verteidigungsausgaben scheint dieses Ziel jedoch kaum verwirklichbar.
Kooperation mit Großbritannien notwendig
Nach jahrelangen Kürzungen seines Militärhaushalts hat Frankreich nicht mehr die Mittel (obwohl das Land Atomwaffen unterhält, ist sein Verteidigungshaushalt mit dem Deutschlands vergleichbar). Deutschland verfügt weder über das volle Spektrum militärischer Fähigkeiten noch hat es den politischen Willen, diese aktiv (militärische Interventionen) oder passiv (Abschreckung) einzusetzen. Daraus folgt, dass die Europäer mehr mit Großbritannien werden kooperieren müssen, wenn sie militärische Mittel und Fähigkeiten bewahren, geschweige denn erweitern wollen. Britische Bedenken in Bezug auf die Richtung, die eine solche Verteidigungsunion nehmen könnte und deren Potential, die Nato zu unterlaufen, könnten solche Partnerschaften schwierig machen.
Für die Verteidigungszusammenarbeit zwischen Großbritannien und der EU könnten sich daher EU-externe Strukturen, in die EU-Staaten eingebunden sind, wie etwa die Interventionsinitiative des französischen Präsidenten Emmanuel Macron und die britisch-französischen Combined Expeditionary Forces als fruchtbarer erweisen. Manche der in diese Initiativen eingebunden Länder sind näher an Großbritanniens aktiver strategischer Kultur, die der EU völlig fehlt.
Britische Truppen bleiben in Deutschland
In ihrem verteidigungspolitischen Strategiepapier aus dem Jahr 2010 (Strategic Defence and Security Review) hatte sich die britische Regierung für einen Abzug der in Deutschland verbleibenden Truppen bis 2020 ausgesprochen. Angesichts des revisionistisch-aggressiven Kurses Russlands ist diese Entscheidung nun zurückgenommen worden. Britische Truppen werden in Deutschland bleiben. Dieses geänderte strategische Engagement Großbritanniens bildet die Basis für eine mögliche Zusammenarbeit zwischen London und Berlin, insbesondere in Hinblick auf das gemeinsame Interesse Russland an der Ostflanke der Nato in Schach zu halten.
Wie auch die Vereinigten Staaten könnte Großbritannien leicht die Geduld verlieren, sollte Deutschland seine Verteidigungsausgaben nicht erhöhen, nicht zuletzt weil Berlin bereits zugesagt hat, diese bis 2024 auf 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts hochzuschrauben. Sollte sich Deutschland nicht voll einbringen, würde dies kein gutes Licht auf Europas wirtschaftlichen Motor werfen, insbesondere wenn ärmere Alliierte wie die baltischen Staaten, Rumänien oder Polen die vereinbarten Sätze bereits beitragen.
In der Tat ist nicht auszuschließen, dass Großbritannien in zunehmend jeder Form europäischer strategischer Zusammenarbeit ablehnend gegenüber stehen wird, sollte der Graben zwischen der EU und Großbritannien größer werden. Dies ist eine Frage, die die EU und die Länder Europas sorgfältig analysieren müssen. Für Europäer könnte das zunehmend wichtig werden, dann nämlich, wenn die Vereinigten Staaten entweder vom Unwillen vieler europäischer Länder ihr volles Gewicht einzubringen müde werden oder ihren Fokus mehr auf Ostasien legen. Dann könnten sich alte Freunde noch immer als die besten Freunde erweisen.
Alan Mendoza ist Gründer und Leiter der Henry Jackson Society und James Rogers ist Leiter des Global Britain Programme der Henry Jackson Society
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