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Sonntag, 21. Juli 2024

50 Jahre türkische Invasion der Republik Zypern...

von Adam Baron von Syburg

Anhaltende Teilung innerhalb Europas auch noch nach 50 Jahren: Türkisch-griechischer Grenzstreifen auf Zypern



Der 20. Juli ist nicht nur ein denkwürdiges Datum der deutschen Geschichte, als 1944 mit dem Stauffenberg-Attentat der heldenmutige Widerstand gegen Hitler zusammenbrach. Auch für Zypern ist das Datum von großer Bedeutung: 1974 griffen türkische Einheiten die Insel Zypern an und besetzten in gewaltsamen Kämpfen mit den hellenischen Zyprioten bis zum August den Nordteil der Insel. Über 162.000 Zyperngriechen wurden in den Süden vertrieben, etwa 1500 Menschen verschwanden spurlos. Auf beiden Seiten gab es große Verluste: Rund 500 türkische Invasoren und über 1.300 zypriotische und griechische Soldaten ließen ihr Leben. Es gab eine Vorgeschichte: Kurz vor dem Angriff (“Operation Atilla“), am 15. Juli 1974, war der Präsident der Republik Zypern, Erzbischof Makarios, durch einen Putsch der zypriotischen Nationalgarde gestürzt worden. Ziel dieses durch die griechische Junta gelenkten Putsches war die Absetzung der demokratischen Regierung Zyperns und der Anschluss Zyperns (Enosis) an Griechenland unter eindeutiger Verletzung der Zürcher und Londoner Abkommen.

Durch die türkische Armee wurden 37 Prozent der Gesamtfläche Zyperns besetzt, auf denen jedoch bis 1974 rund 70 Prozent des gesamten Bruttosozialproduktes der Insel erwirtschaftet worden waren. Im Ergebnis wurde die noch heute durch die UNFICYP und die unter britischer Hoheit stehende souveräne Militärbasis Dekelia des Vereinigten Königreiches kontrollierte „Grüne Linie“ etabliert, die von der türkischen Seite als “Atilla-Linie” bezeichnet wird. Sie erstreckt sich von Erenköy/Kokkina in der Bucht von Morfou über das seit 1964 geteilte Nikosia bis nach Famagusta (siehe Karte unten).

In “bester” osmanischer Tradition…

Im Dezember 1974 erlangte die Republik Zypern mit ihrer alten Regierung ihre volle Souveränität zurück; die Türkei jedoch weigerte sich, ihre Besatzungstruppen abzuziehen. Nord- und Südzypern sind bis heute durch eine hermetisch abgeriegelte Pufferzone getrennt. War der Norden bis 1974 das Zugpferd, konzentrieren sich Fremdenverkehr und Wirtschaft seither auf den Südteil von Zypern. Völkerrechtlich wird spätestens der zweite Teil der “Operation Atilla” als unrechtmäßig angesehen, da es für ihn keine Legitimation nach Artikel IV des Garantievertrages von 1959 findet (“the right to take action with the sole aim of re-establishing the state of affairs created by the present Treaty”).

Im Mai 2014 entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, dass die Türkei an Zypern 90 Millionen Euro an Schmerzensgeld und Entschädigungen für die Folgen der Militärintervention zu zahlen habe. Nicht davon abgedeckt sind jedoch die zahlreichen Enteignungen von Zyperngriechen, die nach der Teilung im Norden der Insel geblieben waren. Die Türkei verhielt sich nach der Invasion in “bester Tradition” ihrer osmanischen Vorgänger nach Eroberungen: In den türkisch besetzten Gebieten wurden mehr als 550 griechisch-orthodoxe Kirchen geplündert, teilweise auch zerstört und anschließend in Moscheen, Militärdepots und Viehställe umgewandelt.

Das geteilte Zypern (Screenshot:Facebook)



Wenn Ihnen also demnächst ein türkischer Mitbürger mit "Free Palestine" kommt, fragen Sie ihn doch mal, wie er zu Zypern steht?

Sonntag, 4. Oktober 2020

Der türkische Völkermord an den Armeniern geht in die zweite Runde...

von Thomas Heck...

Weitestgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit hat die Türkei unter Erdogan den nächsten militärischen Konflikt angeschoben. Nach eine Intervention in Libyen und Provokationen im Gasstreit im Mittelmeer, der Reklamation von Jerusalem als türkische Stadt erst letzte Woche, nun Armenien, der ungeliebte Nachbar im Osten. Widerstand von Seiten der EU sind nicht zu befürchten. Erdogan kann faktisch machen was er will. Die EU wird weiter mit der Türkei verhandeln. Merkel ist zu sehr abhängig von Erdogans Wohlwollen in der Flüchtlingsfrage, doch Europa begreift einfach nicht, was Erdogans Ziele sind.


Am Mittwochabend wurde der Galata-Turm im Zentrum von Istanbul in den Farben der Flagge Aserbaidschans angestrahlt. Es war ein Zeichen der Solidarität an den turksprachigen Bruderstaat, für den Präsident Recep Tayyip Erdogan gern die Parole "Eine Nation, zwei Staaten" verwendet.

Die Hilfe geht weit über Zeichen der Verbundenheit hinaus. Die Türkei engagiere sich militärisch aufseiten Aserbaidschans im Konflikt mit Armenien, das zwischen den beiden Ländern liegt und die Konfliktregion Bergkarabach kontrolliert, die völkerrechtlich zu Aserbaidschan gehört. So lauten Vorwürfe an die Adresse Ankaras.

Am Mittwoch teilte das armenische Verteidigungsministerium mit, ein türkischer Kampfjet F-16 habe ein armenisches Kampfflugzeug SU 25 abgeschossen, der Pilot sei ums Leben gekommen. Auch wenn Aserbaidschan und die Türkei dies dementierten, blieb die armenische Regierung bei der Version und präsentierte Fotos, die Trümmer eines abgestürzten Kampfjets zeigen. Wie er zum Absturz kam, lässt sich daraus allerdings kaum abschätzen.

Die aserbaidschanische Luftwaffe verfügt traditionell über Kampfflugzeuge aus russischer Herstellung. Noch im April besuchte eine Delegation aus Baku Produktionsstätten in Russland, wo SU-25 und MiG-35 gebaut werden. Die Türkei als NATO-Mitglied setzt F-16-Kampfjets aus US-Produktion ein. Laut einer Pressemitteilung des aserbaidschanischen Verteidigungsministeriums landeten F-16 der türkischen Luftwaffe am 31. Juli in Baku, um an der gemeinsamen Militärübung "TurAz Qartali-2020" teilzunehmen.

Beistandsklausel für Armenien

Armenien behauptet, die F-16 der Türkei seien nach Ende der Übungen in Aserbaidschan geblieben und unterstützten dessen Streitkräfte. Mehrfach hätten türkische Kampfjets seitdem den armenischen Luftraum verletzt. Sie seien auch an einem Angriff auf die Region Vardenis in Armenien beteiligt gewesen, bei dem der Kampfjet abgeschossen worden sei.

Diese Aussage ist insofern heikel, als Armenien durch seine Mitgliedschaft "Organisation über den Vertrag der kollektiven Sicherheit" (OVKS) auf Beistand durch Russland setzen könnte - diese mit der NATO vergleichbare Klausel gilt zwar nicht für Bergkarabach, aber für armenisches Territorium. Dennoch sieht die Regierung in Jerewan derzeit davon ab, die OVKS um Beistand zu bitten. Das sagte Armeniens Ministerpräsident Nikol Paschinjan nach einem Telefonat mit Wladimir Putin. Darüber hinaus hatten Russland und Armenien 2010 den Verbleib eines russischen Militärstandorts in Armenien bis 2044 im Gegenzug für Sicherheitsgarantien und die Lieferung russischer Waffen vereinbart.

Hinweise auf Einsatz türkischer Drohnen

Doch gibt es weitere Hinweise auf eine mögliche türkische Beteiligung durch Videomaterial, das Armenien und Aserbaidschan von den Gefechten veröffentlichen. Im Juni kündigte das Verteidigungsministerium in Baku den Kauf türkischer Drohnen vom Typ Bayraktar an. Während es keine offizielle Mitteilung über die Lieferung dieser Drohnen an Aserbaidschan gab, weisen Experten auf Bildmaterial des Verteidigungsministeriums in Baku hin. Es enthalte Aufnahmen, die typisch für Bayraktar-Drohnen seien. Unbestätigt sind Berichte darüber, wonach diese Drohnen von türkischen Piloten gelenkt werden.

Darüber hinaus behauptete das armenische Verteidigungsministerium am Donnerstag, die türkische Luftwaffe habe das Kommando über die Luftangriffe gegen die Region Bergkarabach übernommen.

Die türkische Regierung selbst erklärt immer wieder ihre Unterstützung für Aserbaidschan im Konflikt mit Armenien, macht aber kaum Angaben zu konkreten Maßnahmen. Aserbaidschans Präsident Ilham Alijew wiederum sagte, die Türkei sei keine Konfliktpartei und leiste lediglich moralische Unterstützung.

Ausländische Kämpfer im Konfliktgebiet?

Für heftige Diskussionen sorgen Berichte über ausländische Kämpfer, die in das Konfliktgebiet gebracht worden seien. So hieß es, kurdische Kämpfer seien aus dem Irak nach Bergkarabach gebracht worden, um auf armenischer Seite zu kämpfen. Mangels Belegen sind diese Behauptungen aber kaum haltbar.

Konkreter sind Berichte über Kämpfer aus Syrien, die von einer türkischen Sicherheitsfirma für einen Einsatz in Aserbaidschan angeworben worden sein sollen. Der britische "Guardian", die französische Zeitung "L'Express", die Agentur Reuters sowie die Nahost-Expertin Elizabeth Tsurkov fanden Zeugen, die die Rekrutierung von Söldnern in Syrien bestätigten. Die Rede ist von 300 bis 4000 Männern.

Diese kämpften unter türkischer Führung für die "Syrische Nationalen Armee" (SNA), ihnen sei versprochen worden, nur für den Schutz von Infrastruktur in Aserbaidschan eingesetzt zu werden, schrieb Tsurkov in Tweets. Es gebe aber bereits Informationen über getötete und verletzte Syrer von der Frontlinie in Aserbaidschan.

Russische Regierung "zutiefst besorgt"

Nun teilte auch das russische Außenministerium mit, Informationen über "illegale bewaffnete Gruppen, insbesondere aus Syrien und Libyen" vorliegen zu haben, die sich an den Auseinandersetzungen im Bergkarabach-Konflikt beteiligten.

"Wir sind zutiefst besorgt über diese Prozesse, die nicht nur zu einer noch größeren Eskalation der Spannungen in der Konfliktzone führen, sondern auch langfristige Bedrohungen für die Sicherheit aller Länder in der Region schaffen", heißt es in einer Pressemitteilung. Die betroffenen Staaten sollten den Einsatz ausländischer Terroristen und Söldner verhindern beziehungsweise für ihren sofortigen Rückzug sorgen.

Armeniens Staatschef Nikol Paschinjan erhebt schwere Vorwürfe gegen die Türkei: „Tausende von Terroristen“ seien aus Syrien eingetroffen und kämpften an der Seite der Türken für Aserbaidschan. Auch würden F-16-Kampfjets eingesetzt, um Zivilisten zu töten.

Der Konflikt um Bergkarabach war vor einer Woche wieder offen ausgebrochen. Die überwiegend von Armeniern bewohnte Region mit 150.000 Einwohnern hatte sich 1991 von Aserbaidschan losgesagt. Da das mehrheitlich christliche Armenien mit Russland verbündet ist und das mehrheitlich muslimische Aserbaidschan von der Türkei unterstützt wird, droht eine Ausweitung des Konflikts über die Region hinaus. Durch den Südkaukasus laufen zudem wichtige Erdgas- und Ölpipelines.

Im Interview erhebt Armeniens Staatschef Nikol Paschinjan schwere Vorwürfe gegen die Türkei. 


WELT: Sie beschuldigen Aserbaidschan, Militärhilfen von der Türkei anzunehmen. Welche Beweise haben Sie dafür?

Nikol Paschinjan: Wir haben Beweise. Russland, Frankreich und der Iran haben bereits bestätigt, dass die türkische Armee an der am 27. September gestarteten Großoffensive gegen Artsakh (Bergkarabach, Anm. d. Red.) teilgenommen hat. Hochrangige türkische Beamte gaben ihre Unterstützung für Aserbaidschan öffentlich zu, und zwar nicht nur in politischer und diplomatischer Hinsicht, sondern auch auf dem Schlachtfeld. Sie setzen Drohnen und türkische F-16 ein und bombardieren damit zivile Gebiete in Bergkarabach. 

Die internationale Gemeinschaft, ganz besonders aber die amerikanische Öffentlichkeit, sollte wissen, dass diese in den USA hergestellten F-16 in diesem Konflikt dazu verwendet werden, Armenier zu töten. Es gibt Beweise dafür, dass türkische Militärkommandeure direkt an der Leitung der Offensive beteiligt sind. Ankara hat Baku mit Militärfahrzeugen, Waffen und militärischen Ratgebern versorgt. Wir wissen, dass die Türkei Tausende Söldner und Terroristen ausgebildet und aus den von der Türkei besetzten Gebieten im Norden Syriens hierher gebracht hat. Diese Söldner und Terroristen kämpfen jetzt gegen die Armenier. Viele von ihnen wissen noch nicht einmal, warum die Türkei sie nach Aserbaidschan schickt. Man hat ihnen falsche Versprechungen gemacht, was sie erst nach der Ankunft hier im Land herausfanden. 

Wir wissen auch, dass diese Terroristen Drogen nehmen – in den Taschen ihrer Uniformen wurden Spritzen mit Betäubungsmitteln gefunden, was auch erklären könnte, warum 30 Prozent der aserbaidschanischen Verluste ausländische Söldner sind.

WELT: Ist die Türkei Ihrer Meinung nach dafür verantwortlich, dass die Situation eskaliert ist?

Paschinjan: Absolut. Die gemeinsame Militärübung von Türken und Aserbaidschanern, die schon im August stattfand, ist im Grunde immer noch nicht beendet. Tatsächlich ist dieser Angriff auf Bergkarabach nur die nächste Phase dieser Operation. Nach der Vorbereitung im August entschlossen sie sich, diese Offensive zu starten und müssen somit für die Eskalation zur Verantwortung gezogen werden. Nach einem ersten Angriff und einer darauffolgenden Niederlage an der armenischen Grenze im Juli wandte sich Aserbaidschan an die Türkei, und es ist offensichtlich, dass Ankara in vielen entscheidenden Aspekten der gegenwärtigen Situation die Entscheidungen trifft. Ihr Ziel ist es, das Gleichgewicht der Kräfte in dieser Region zu ihren Gunsten zu verschieben.

WELT: Was meinen Sie damit?

Paschinjan: Die Türkei will ihre Rolle und ihren Einfluss im Südkaukasus verstärken und so den bereits seit einem Jahrhundert geltenden Status quo verändern. Ihr Traum ist es, ein Imperium im Stil eines Sultanats aufzubauen, und sie schlägt dabei einen Weg ein, der die gesamte Region in Brand setzen könnte.

WELT: Wären Sie zu einem Waffenstillstand bereit?

Paschinjan: Die Türkei und Aserbaidschan müssen die Feindseligkeiten beenden, denn sie haben mit dieser Offensive begonnen und töten auch jetzt, in diesem Moment, weitere Armenier. Bergkarabach darf nicht entwaffnet werden, denn das würde zu einem Völkermord führen. Die Menschen, die dort leben, werden in ihrer Existenz bedroht. Und im Moment zeigt die gegnerische Partei nicht das geringste Interesse daran, die Kämpfe zu stoppen. 

Ich bin mir noch nicht einmal sicher, ob Aserbaidschan die an ihrer Seite kämpfenden Terroristen irgendwie kontrolliert. Laut unseren Geheimdienstinformationen gehen die Söldner in einigen Dörfern Aserbaidschans einfach in die Läden, verbieten den Verkauf von Alkohol und verlangen, dass die Scharia eingehalten wird.

WELT: Sollten die Verhandlungen über die OSZE-Minsk-Gruppe laufen?

Paschinjan: Es ist das einzig mögliche Format. Die Präsidenten aus Russland und Frankreich haben einen starken Appell an die Angreifer gerichtet. Wir erwarten, dass sich die internationale Gemeinschaft aktiv für ein Ende der Feindseligkeiten¨engagiert. Die Mitgliedschaft der Türkei in der OSZE-Minsk-Gruppe sollte übrigens suspendiert werden, da sich das Land parteiisch und kriegerisch verhält. Aus diesem Grund kann es nicht mehr als Vermittler auftreten.

WELT: Ist diese Krise schlimmer als die im Jahr 2016?

Paschinjan: Sie ist viel schlimmer. Man kann sie höchstens mit dem vergleichen, was 1915 passiert ist, als mehr als 1,5 Millionen Armenier während des ersten Völkermords des 20. Jahrhunderts massakriert wurden. Der türkische Staat, der die Vergangenheit nach wie vor leugnet, ist hier erneut auf dem Weg Richtung Völkermord. Die Welt muss erfahren, was hier passiert. Die internationale Gemeinschaft muss schnell eingreifen und so verhindern, dass sich die Gewalt weiter ausbreitet, denn tut sie dies nicht, wird der ganze Südkaukasus die Folgen dieses Konflikts zu spüren bekommen.



Sonntag, 9. August 2020

Erdogan... der "Sultan"

von Thomas Heck...

In der Türkei beginnt der Stern des Sultans langsam aber sicher zu sinken. Erdogans Maßnahmen der letzten Monate lassen darauf schließen. Nur in Deutschland hat er noch die Anhänger, die ihm nachhecheln, aus Gründen, die hier in Deutschland sowieso keiner versteht. Es zeigt nur, dass die Integration der Türken der 3. und 4. Generation krachend gescheitert ist, bei denen die Polizei ohne verstärkende Hunderschaften nicht mal ein Parkverbot ungestraft ahnden kann. Dabei sollten gerade die hier sozialisierten Türken froh sein, hier leben zu dürfen. Der FOCIS berichtet über die Zustände in der Türkei unter Erdogan.


Die Corona-Krise treibt die Türkei in den wirtschaftlichen Abgrund. Präsident Recep Tayyip Erdogan greift zu immer radikaleren Mitteln, um die Landsleute dennoch bei Laune zu halten. Seine Methoden könnten auf die komplette Abschaffung der modernen Türkei hinauslaufen.

Als der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan Ende Juli die legendäre Hagia Sophia in Istanbul wieder zur Moschee umwidmete und 350.000 Türken vor dem 15 Jahrhunderte alten Gebäude zum Gebet niederknieten, kam es zum Moment, in dem sich die Türkei von der Moderne verabschiedete. Ali Erbas, Chef des türkischen Religionsamtes Diyanet, schritt die Kanzel der Hagia Sophia empor. Mit einem Schwert in der Hand, dem langen Gewand und dem schleppenden Gang erinnerte er fast an den Chef der Terrormiliz Islamischer Staat, Abu Bakr al-Baghdadi, als dieser in Mossul 2014 das Kalifat ausrief.

Erbas bediente sich sogar des Tonfalls fanatischer Islamisten, als er in seiner Predigt dunkle Drohungen gegen den türkischen Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk ausstieß. Dieser hatte das Land 1923 in die säkulare Moderne geführt und die Hagia Sophia von einer Moschee in ein Museum umgewandelt. Bereits zuvor hatte Präsident Erdogan die Zeremonie zum Triumph des Islam und zum nationalen Sieg über den Westen erklärt.

Zur gleichen Zeit herrschte Gefechtsalarm in der Ägäis. Von Kampfjets begleitet, ließ Erdogan bis zu 18 Kriegsschiffe auslaufen, um nahe der griechischen Insel Kastellorizo nach Erdgas suchen zu lassen. Griechenland antwortete mit der Mobilisierung seiner Flotte. Es fehlte nicht viel, und die Nato-Länder hätten aufeinander geschossen. Bundeskanzlerin Angela Merkel vermittelte. Doch erst als die US Navy einen Flugzeugträger ins östliche Mittelmeer schickte, zog Erdogan seine Schiffe zurück.

Kampf gegen den eigenen Machtverlust

Beide Ereignisse haben den Blick der Welt auf die Türkei gelenkt - und die Kritik an Ankara im Westen massiv verstärkt. Doch solchen Aufruhr im Ausland zu provozieren, sei dem Autokraten hochwillkommen, weil er sie „als Feindseligkeit gegenüber dem türkischen Volk darstellen” und damit die öffentliche Meinung hinter sich einen könne, meint der Chefredakteur des exiltürkischen Nachrichtenportals Ahvalnews, Yavuz Baydar. „Erdogan ist zurzeit klar in der Defensive, aber in äußerst aggressiver Weise. Alles dreht sich darum, seine bröckelnde Macht zu stabilisieren.”

Eigentlich ist der Staatschef dafür bekannt, sich gegen alle denkbaren Bedrohungen zu wappnen. Vor drei Jahren ließ er per Referendum ein Präsidialsystem einführen, weil ihm sein Machterhalt in einer parlamentarischen Demokratie nicht mehr sicher genug erschien. Nur einen Gegner konnte er damals natürlich nicht erahnen: das Coronavirus, das die ohnehin taumelnde türkische Wirtschaft an den Rand des Abgrunds brachte. Die Lage ist ernst.

Corona stürzt die AKP in die Krise

Die Pandemie traf die Türkei hart, auch weil Erdogan lange zögerte, bis er Ausgangssperren verhängte. Die Krise hatte für den Autokraten, seine seit 18 Jahren regierende AKP und deren rechtsextremen Bündnispartner MHP einen beispiellosen Verlust der Wählergunst zur Folge. Laut seriösen Umfragen würde die AKP derzeit kaum 30 Prozent der Stimmen bekommen - ein Absturz von mehr als zehn Prozentpunkten im Vergleich zur Parlamentswahl vor zwei Jahren.

Zwar gilt Erdogan noch immer als der populärste Politiker im Land, aber auch seine Werte verschlechtern sich kontinuierlich. Im direkten Vergleich liegen die möglichen Herausforderer von der oppositionellen sozialdemokratischen CHP, die Bürgermeister Ekrem Imamoglu aus Istanbul und Mansur Yavas aus Ankara, fast gleichauf oder sogar vor ihm.

Wie volatil die Lage ist, hatte Erdogan Ende Juni erfahren müssen. Da brach sein Medienteam eine Livedebatte mit ausgewählten Jugendlichen auf YouTube abrupt ab, nachdem junge Zuschauer den „Gefällt mir- nicht”-Knopf hunderttausendfach angeklickt hatten. Tatsächlich zeigen Meinungsumfragen, dass der Staatschef bei der jungen, internetaffinen Generation Z dramatisch an Zustimmung verliert, weil er für ihre Probleme wie die hohe Jugendarbeitslosigkeit keine Antworten hat.

Auch wenn Erdogans smarter Schwiegersohn und Finanzminister Berat Albayrak ständig vor die Kameras tritt und positives Wirtschaftswachstum verspricht, beweisen die Fakten das exakte Gegenteil: Die Industrieproduktion ist um 31 Prozent eingebrochen. Die Lira fiel zu Wochenbeginn auf den historisch tiefsten Stand gegenüber dem Euro. Der lebenswichtige Tourismus liegt am Boden.

"Heimtückisches" Ausland ist Schuld am Wirtschaftstief

Die Arbeitslosigkeit betrug im April 12,8 Prozent und betraf 3,8 Millionen Menschen - offiziell. Der Gewerkschaftsverbund Disk schätzt die tatsächliche Zahl auf 17,7 Millionen. Manche Ökonomen glauben gar, dass die Türkei kurz vorm Staatsbankrott steht.

In der Not startet der Populist wie stets, wenn er unter Druck steht, multiple Ablenkungsmanöver. Seine Regierung steigert die öffentlichen Ausgaben und macht das „heimtückische” Ausland für den Lira-Absturz verantwortlich.

Die Hagia-Sophia-Inszenierung ist sein bisher massivster Befreiungsschlag. Er soll die religiös-nationalistische Wählerschaft der AKP mobilisieren. Aber es geht um noch mehr. Bewusst hatte Erdogan die Umwandlungsshow auf den Jahrestag des Lausanner Friedensvertrags von 1923 terminiert, mit dem Staatsgründer Atatürk die Grenzen des Landes nach dem Untergang des Osmanischen Reiches sicherte. Erdogan möchte das von den Ultranationalisten als „Zwangsjacke” bezeichnete Abkommen revidieren. Vor einer Expansion nach außen, soll das wohl bedeuten, macht das türkische Regime keinen Halt mehr.

Antiwestliche Kriegsrhetorik

In den nächsten Monaten breche eine Debatte über den Lausanner Vertrag aus, die den Nationalismus ankurbeln und die gesellschaftliche Polarisierung verschärfen werde, prognostiziert der Journalist Baydar. „Die Infragestellung dieses Vertrages und antiwestliche Kriegsrhetorik sollten die Welt alarmieren. Das ist ein radikaler Paradigmenwechsel des politischen Koordinatensystems der Türkei”, sagt er. Doch bisher haben sich weder die EU noch die USA strategisch auf die Gefahr eingestellt.

Erdogans Propagandamaschine läuft seit dem Hagia-Sophia-Event heiß. Wie zur Bestätigung der IS-Analogie forderte das regierungsnahe Magazin „Gercek Hayat” einen Tag nach dem nationalistischen Hochamt auf seiner Titelseite die Rückkehr des Kalifats. Regierungsnahe Kommentatoren verlangen die Wiedereinführung des islamischen Kalenders und des Scharia-Rechtssystems sowie die Verlegung der Hauptstadt zurück nach Istanbul. Vertreter ethnischer und religiöser Minderheiten wie Kurden, Armenier oder Aleviten befürchten bereits eine Welle von Gewalt.

"Freiwillig wird Erdogan nicht gehen" 

In einer Blut-und-Boden-Rede erklärte Erdogan, die Türkei werde von der „gesamten Welt attackiert”. Die Wiedereröffnung der Hagia Sophia als Moschee sei nur der Anfang der Gefechte, „mit der Hilfe Gottes” werde die „mächtige Türkei alle Herausforderungen bewältigen”. Er versprach, „den Job zu Ende zu bringen”.

Gleichzeitig verschärft der Autokrat die Unterdrückung von Medien und Opposition. Seit einigen Wochen verhaften die Sicherheitskräfte wieder deutlich mehr Menschen, vor allem Politiker, Journalisten und Militärs. Um die Verbreitung unabhängiger Informationen zu verhindern, drangsalierte Erdogan am Mittwoch auch die sozialen Medien: Facebook, Twitter und Co. werden zensiert und sollen bei Unbotmäßigkeit mit massiven Geldstrafen belegt werden. Türkische Kommentatoren betrachten die Maßnahmen als Vorbereitungen für vorgezogene Neuwahlen.

Was aber, wenn all das nicht wirkt? Der Krisen-Tsunami macht nun selbst dem erfahrenen Konfliktmanager Erdogan zu schaffen. Offenbar bereitet er sich zu Hause auf neue Unruhen vor. Die Regierungsmehrheit im Parlament beschloss Mitte Juni, bis zu 30 000 Hilfspolizisten mit Schusswaffen auszurüsten. Von einer „paramilitärischen Privatmiliz” spricht die Opposition. „Freiwillig wird Erdogan nicht gehen”, meint der Essener Türkei-Experte Burak Copur. „Falls ihm doch das Heft aus der Hand gleitet, wird dieser Meister der Krisengenerierung das Land weiter polarisieren und destabilisieren, damit ihn die Menschen wiederwählen.”

Und wenn das nicht funktioniert, gibt es immer noch Plan C. Die CHP-Opposition enthüllte jüngst, dass der Clan des Staatschefs offenbar öffentliche Vermögenswerte an die ihm nahestehende Turken-Stiftung in den USA verschiebt. Mehr als 90 Millionen US-Dollar sollen bereits geflossen sein, um einen Wolkenkratzer in New Yorkzu finanzieren und ein Grundstück der Boxlegende Muhammad Ali zu kaufen. „Sie haben Muhammad Alis Farm in Michigan gekauft, weil sie wissen, dass sie in die USA gehen werden, falls sich die Zeiten ändern”, sagte Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu. „Dort konzentrieren sie ihr Vermögen."

Dienstag, 22. Oktober 2019

AKK will in Syrien aufräumen... das wird ihr Krieg...

von Thomas Heck...

AKK brauchte keine 100 Tage, um "ihren" Krieg zu fordern. Die Tinte unter ihrer Ernennungsurkunde zur Bundesverteidigungsministerin ist noch nicht getrocknet, da will sie jetzt ihren eigenen Krieg. Jetzt soll die Bundeswehr unter der Führung eines militärischen Amateurs das militärische Vakuum füllen, welches die USA mit dem Abzug ihrer Truppen in Syrien hinterlassen haben. Ein militärischer Amateur, der mit Sicherheit noch nicht mal die Dienstgrade ihrer Bundeswehr durchgehend benennen kann. 

Fragt sich immer nur, mit welchem Material, mit welchem Personal die Bundeswehr das stemmen will. Die Frage ist aber auch, warum jetzt? Denn der Vorstoß kommt 10 Jahre und 200.000 massakrierter Zivilisten zu spät, entspricht aber dem typisch deutschen Timing: Am falschen Ort zur falschen Zeit. Während sich in den USA die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass es nicht den Tod eines einzelnen US-Soldaten mehr wert ist, worum es in Syrien geht, sollen künftig die Knochen pommerscher Grenadiere herhalten. Man kann nur hoffen, dass die beratenden Generäle AKK zurufen: "Lass es, Annegret, lass es"...



Die Aufregung war Annegret Kramp-Karrenbauer bei ihrem Auftritt im „Heute-journal“ des ZDF am Montagabend anzumerken. Gleich zu Beginn ihres Gesprächs mit Moderator Claus Kleber machte die Verteidigungsministerin und CDU-Parteivorsitzende aus Nordsyrien den Nordirak. Danach blickte sie über weite Strecken hochkonzentriert an der Kamera vorbei.

Die Abzüge bei der B-Note dürften in den kommenden Tagen in Vergessenheit geraten, angesichts der sicherheitspolitischen Pflöcke, die Annegret Kramp-Karrenbauer gerade offenbar einzuschlagen sucht und in der Sendung mit Aussagen auf den Punkt brachte, die in den Ohren der meisten Deutschen geradezu forsch klingen dürften.

Ein unausgesprochenes Agreement

Zwar haben sich die Deutschen in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend damit arrangiert, dass führende Politiker die Übernahme mehr internationaler Verantwortung fordern und die Bundeswehr in Auslandseinsätze den Verbündeten nachfolgt, wenn deren Rufe laut genug erklingen. Doch galt bis dato das unausgesprochene Agreement, dass Deutschland zum einen nicht mehr als unbedingt erforderlich zu solchen Missionen beisteuert und zum anderen schon gar nicht selbst zu solchen Einsätzen aufruft, ohne sich mit den europäischen Partnern oder gar innerhalb der eigenen Regierung abgestimmt zu haben.

Das war am Montag offenkundig anders. Mit Rückendeckung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) aber Vernachlässigung des SPD-geführten Auswärtigen Amtes schritt Kramp-Karrenbauer am Montagabend voran. Der Kampf gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“ in Nordsyrien sei angesichts der Militäroffensive der Türken und des Abzugs der Amerikaner quasi eingestellt worden. Sie wolle eine international kontrollierte Schutzzone in Nordsyrien unter Einbeziehung der Türkei und Russlands, um den Kampf gegen die Terroristen fortzusetzen und Wiederaufbauarbeit leisten zu können. Warum die Initiative dazu aus Europa kommen müsse, dazu lieferte sie den Grund gleich mit: „Europa könne nicht nur beklagen, was in der Region geschehe und keine Antworten geben.“




Damit brach Kramp-Karrenbauer mit der zurückhaltenden Linie der deutschen Syrienpolitik. Wer wollte, konnte diesen Schritt auch als Spitze gegen Außenminister Heiko Maas (SPD) werten, den Kramp-Karrenbauer laut eigener Aussage nur per Kurznachricht informierte. Maas hatte zuletzt noch einmal geäußert, dass es zu früh für solche Überlegungen sei. Kramp-Karrenbauer sieht das offenkundig anders. Dafür machte die Verteidigungsministerin in erster Linie die eigenen Interessen geltend. Der Kampf gegen die Terroristen müsste fortgesetzt werden, um ihr Wiedererstarken zu verhindern. Das gelte auch für neue Flüchtlingsströme.

Zum etwaigen Einsatz deutscher Soldaten verwies Kramp-Karrenbauer auf den Deutschen Bundestag, der darüber befinden müsse. Die Bundeswehr werde aber immer das zur Verfügung stellen, was die Politik von ihr verlange. Bislang sind die deutschen Streitkräfte nur phasenweise mit Aufklärungsflugzeugen und einem Tanker im syrischen Luftraum im Rahmen der Operation „Inherent Resolve“ aktiv.

Weitere Details ihres Vorschlags will Kramp-Karrenbauer beim Treffen der Nato-Verteidigungsminister am Donnerstag und Freitag in Brüssel vorstellen. Im ZDF ließ sie bereits erkennen, dass sie ein gemeinsames Vorgehen mit den Briten und Franzosen für essentiell hält. Sie verwies zudem auf den Deutsch-Französischen Verteidigungsrat. Zudem plane Kanzlerin Merkel, sich mit dem britischen Premierminister Boris Johnson, dem französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron und dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan zu treffen.

Die Kritik am Vorstoß der CDU-Parteivorsitzenden ließ nicht lange auf sich warten. Das Auswärtige Amt sehe Diskussionsbedarf, berichtete die Deutsche-Presse-Agentur am Dienstagmorgen unter Verweis auf Informationen aus dem Ressort. Der SPD-Obmann im Verteidigungsausschuss Fritz Felgentreu sagte im Deutschlandfunk, dass der Vorschlag mit den Sozialdemokraten nicht abgestimmt gewesen sei. Der außenpolitische Sprecher der Grünen, Omid Nouripour, warf Kramp-Karrenbauer vor, Maas zu widersprechen. So desavouiere sie mit nicht abgesprochenen Ansagen die Verlässlichkeit Deutschlands in seinen Bündnissen und verfestige den Eindruck, dass der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan Deutschland erpressen könne.


Die Spitze der Unionsfraktion stellte sich indes hinter Kramp-Karrenbauer. Es sei oft beklagt worden, dass Deutschland bei internationalen Krisen nur zuschaue, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Michael Grosse-Brömer. Nun gelte es abzuwarten, was die Briten und die Franzosen zu dem Vorschlag sagen würden.



Samstag, 6. Juli 2019

Gruppenvergewaltigung durch Deutsche... aber was für Deutsche?

von Thomas Heck...

Weil sie eine 18-Jährige vergewaltigt beziehungsweise Beihilfe geleistet und die Tat verschleiert haben sollen, wurden vier Deutsche Urlauber auf Mallorca festgenommen. Nun werden sie einem Haftrichter vorgeführt, schreibt die WELT und verschweigt dabei lauthals die Herkunft der Täter.

Vier Urlauber aus Deutschland werden auf Mallorca der Gruppenvergewaltigung beziehungsweise der Verschleierung und Beihilfe beschuldigt. Die Männer wurden am Donnerstagmorgen auf dem Flughafen von Palma de Mallorca festgenommen, bevor sie für den Rückflug nach Deutschland einchecken konnten. Auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur bestätigte die Polizeieinheit Guardia Civil entsprechende Medienberichte. Die Festgenommenen seien von einer 18 Jahre alten Deutschen angezeigt worden, hieß es.

Am Freitag bestätigte eine Polizeisprecherin der spanischen Ferieninsel der dpa, die Verdächtigen werden einem Haftrichter vorgeführt. Der Termin für die Anhörung stehe aber noch nicht fest.

Das mutmaßliche Opfer, eine junge Frau habe ausgesagt, sie sei am Mittwochabend auf einem Zimmer im Hotel der Gruppe im Badeort Cala Rajada im Nordosten der spanischen Urlaubsinsel von zweien der Männer im Beisein der zwei anderen vergewaltigt worden, wurden Polizeisprecher von den Regionalzeitungen „Diario de Mallorca“ und „Ultima Hora“ zitiert.

Die Deutsche habe ihren Angaben zufolge die Männer beim Feiern in Cala Rajada kennengelernt und sei freiwillig mit ihnen auf das Hotelzimmer gegangen.

Nach der mutmaßlichen Tat habe die junge Frau sofort die Wache der Guardia Civil in Cala Rajada aufgesucht und Anzeige erstattet. Die Deutsche sei in einem Krankenhaus untersucht worden. Die Experten hätten Indizien dafür gefunden, dass sie Opfer sexueller Gewalt geworden sei, hieß es.

Die Festgenommenen wurden in Gewahrsam genommen. Zum Alter und zur Identität der Verdächtigen wurde noch nichts mitgeteilt. Woher sie aus Deutschland stammen, blieb ebenso unbekannt.

Tja, liebe WELT, da war die BILD-Zeitung schon etwas besser informiert. Aber auch ohne des spanischen mächtig zu sein, hätte man in spanischen Zeitungen den Terminus turco durchaus als Türke identifizieren können. Und auch der SPIEGEL wäre nicht der SPIEGEL, würde auch er nicht die Herkunft verschleiern. Und so liest sich übrigens der gleiche Sachverhalt in der BILD-Zeitung, ohne krampfhaft die Herkunft der Täter leugnen zu wollen.


Am Donnerstag wurde eine Gruppe deutscher Touristen am Flughafen von Mallorca festgenommen. Der Vorwurf: Vergewaltigung! Die Tatverdächtigen wurden am Samstagmorgen gegen 9.30 Uhr dem Haftrichter vorgeführt.

Neben den drei ursprünglich Verhafteten wurde eine vierte Person aus dem Wagen der Polizei gebracht. Es soll sich um einen neuen Verdächtigen handeln, er soll der Bruder eines der ursprünglich Verhafteten sein. Am Freitag wurden außerdem zehn Zeugen bei Gericht vernommen.

Der schreckliche Fall: Die Tat geschah in der Nacht zu Donnerstag, in einem Hotelzimmer des „Club Cala Ratjada“. Die Männergruppe soll eine deutsche Touristin (18) dorthin gelockt und missbraucht haben. Zwei der Männer gelten als Hauptverdächtige, der dritte wird den amtlichen Angaben zufolge der Verschleierung beschuldigt.

Nur wenige Stunden nach dem Überfall reisten die Verdächtigen Serhat K.(23), Azad K. (22), Yakub (21) und Baran D. (19) ab – wurden jedoch kurz vorm Abflug am Flughafen Palma von Zivilfahndern der Guardia Civil festgenommen.

„Sie haben sich auf dem Flughafen getrennt, um uns zu verwirren. Das haben sie allerdings nicht geschafft“, erklärte ein Polizeisprecher am Freitag. Drei sitzen in U-Haft, einer von ihnen wurde wieder freigelassen – er soll zur Tatzeit mit einem anderen Mädchen in einem anderen Hotelzimmer gewesen sein.

Nach Berichten von Regionalmedien, die sich auf Behördenquellen berufen, haben die Verdächtigen in einem ersten Polizeiverhör die Tat bestritten. Sie hätten eingeräumt, es habe Geschlechtsverkehr gegeben, der sei aber „einvernehmlich“ gewesen. Den Verdächtigen droht bei Verurteilung eine harte Strafe: bis zu 15 Jahre Gefängnis!

Unklar ist allerdings noch, welches Gericht für den Fall zuständig ist: 

▶︎ Das Gericht in Manacor hat den Fall dem Gericht in Palma überstellt. In der Hauptstadt der Insel waren die Männer festgenommen worden. 

▶︎ Das Gericht in Palma hält sich aber ebenfalls für nicht zuständig, da das Hotel der Verhafteten in der Gemeinde Capdepera liegt, die Manacor untersteht.

Sogar die Hürriyet berichtete über Vorfall wahrheitsgemäßer als deutsche Gazetten. Und mit einem klaren Statement. Lesen Sie hier.



Dienstag, 5. März 2019

Das Märchen von den Türken, die Deutschland aufbauten...

von Thomas Heck...

Das Verhältnis zwischen Deutschland und der Türkei ist seit Erdogans Präsidentschaft seit Mitte der 2010er Jahre weitestgehend zerrüttet, was fatal ist, stellen doch die Türken die größte Gruppe der Ausländer in Deutschland. Umso erstaunlicher, dass die hier lebenden Türken ihr Land vergöttern. Viele Deutschtürken fühlen sich hier noch immer zu wenig angenommen. Auch deshalb identifizieren sie sich mit Erdogan und seiner Erzählung von Stolz und Stärke. Meint auch Lamya Kaddor in ihrem beachtenswerten Artikel "Die Türkei ist das beste Land der Welt" in der Zeit.


Und die Türkei tut auch wenig, an der verfahrenen Situation etwas zu ändern. So will die Türkei mutmaßliche Regierungsgegner bei Einreise festnehmen: Die Türkei will künftig Urlauber aus Deutschland, die als mutmaßliche Regierungsgegner gelten, gleich bei der Einreise festnehmen lassen. Das kündigte der türkische Innenminister Süleyman Soylu an. Die Äußerung des Ministers legt nahe, dass Ankara die Teilnehmer von Türkei-kritischen Kundgebungen in der Bundesrepublik und anderen europäischen Staaten beobachten und Namenslisten von Verdächtigen erstellen lässt. Kurz nach dem Entzug der Arbeitsgenehmigung für drei deutsche Korrespondenten in der Türkei hat Soylus Drohung die Spannungen in den Beziehungen zwischen der Türkei und Deutschland weiter angefacht. Eine Sprecherin des Auswärtigen Amts sagte, die Nicht-Akkreditierung der drei Journalisten sei nicht nachvollziehbar. Nach Gesprächen mit dem türkischen Botschafter und einem SMS-Kontakt von Außenminister Heiko Maas mit seinem türkischen Amtskollegen erhoffe sich Berlin von der türkischen Seite eine zeitnahe Rückmeldung. Die Regierung forderte auch die rasche Erteilung von Arbeitsgenehmigungen für mehr als ein Dutzend deutscher Reporter, die noch auf ihre Akkreditierungen warten. Da wir die deutsche Regierung lange warten können, denn die Druckmittel, die Deutschland hätte, werden nicht eingesetzt. Ganz im Gegenteil, denn mit dem Flüchtlingsdeal hat man sich in eine gefährliche Abhängigkeit von Erdogan begeben.



Untauglich ist die Geschichte als die Rechtfertigung für die aktuelle Flüchtlingslage allemal. Auch wenn die die Regierung Müttern mit Migrationshintergrund dabei helfen will, Arbeit zu finden. Deutschlandweit sollen 90 Kontaktstellen gefördert werden, welche die Frauen beraten und ihre Jobsuche begleiten. Gerade Mütter, die mit ihren Familien und teils noch kleinen Kindern eingewandert seien, bräuchten ein gutes Angebot, um künftig auf eigenen Beinen zu stehen und ihr eigenes Geld zu verdienen, sagte Familienministerin Franziska Giffey. In Zusammenarbeit mit der Bundesagentur für Arbeit sollen ihnen gezielt Sprachförderung und Kinderbetreuung, aber auch direkt Praktika, Ausbildungs- und Arbeitsplätze vermittelt werden. Flüchtlingen in Bayern wird ab sofort der Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtert. Die bayerische Staatsregierung reagiert damit auch auf Kritik aus der Wirtschaft: Viele Unternehmen hatten in den vergangenen Jahren – auch wegen des Fachkräftemangels – die hohen Hürden für Flüchtlinge auf dem Weg in eine Ausbildung kritisiert.

Da ist nun an der Zeit, den hier lebenden Türken einmal den Zahn zu ziehen und z.B. mit dem Märchen aufzuräumen, dass die Türken Deutschland nach dem Krieg wieder aufgebaut haben. Eine Mär, die gerne von Linken, Grünen und den Türken selbst verbreitet wird.


Die Anwerbung türkischer Arbeitnehmer und ihre Folgen


1961 schloss die Bundesrepublik mit der Türkei ein Abkommen über die Anwerbung von Gastarbeitern. Deutschland brauchte Arbeitskräfte, die Türkische Republik litt unter hoher Arbeitslosigkeit und profitierte von den Devisen, die türkische Arbeiter nach Hause schickten. In 12 Jahren kamen fast 900.000 Menschen. Jene, die geblieben sind und ihre Nachkommen, die in Deutschland leben, prägen die heutige Bundesrepublik - gesellschaftlich, kulturell und wirtschaftlich.


Der Tabakzüchter Mehmet Ali aus dem kleinen Dorf Bademli, 36 km von Izmir entfernt, fährt im Februar 1966 als letzter Mann seines Dorfes nach Deutschland, um dort zu arbeiten. Zurück lässt er seine 26jährige Ehefrau in einem nun männerlosen Dorf.Mit dem Zug ins Ruhrgebiet: Der Tabakzüchter Mehmet Ali aus Bademli, einem kleinen Ort bei Izmir, fährt im Februar 1966 als letzter Mann seines Dorfes nach Deutschland, um dort zu arbeiten. Zurück lässt er seine Familie in einem nun männerlosen Dorf. (© picture-alliance, Beynelmilel)

Rund drei Millionen türkisch-stämmige Personen leben heute in Deutschland. Sie bilden damit die größte Gruppe sowohl unter den ausländischen Staatsangehörigen als auch bei den Personen mit Migrationshintergrund. Unter den "Gastarbeitern", die auch aus Italien, Portugal oder Spanien kamen, und ihren Nachkommen weisen sie dabei die schwächsten Integrationsindikatoren auf. Seit den 1960er-Jahren bestehen rege Wanderungsbeziehungen zwischen der Türkei und der Bundesrepublik Deutschland. Drei Viertel aller Türken innerhalb der Europäischen Union haben sich in Deutschland niedergelassen. Bis Mitte der 1970er-Jahre war der wichtigste Zuwanderungspfad die Arbeitsmigration: Bis 1973 reisten alleine 867.000 Arbeitnehmer aus der Türkei nach Westdeutschland. Rund 500.000 Rückwanderungen wurden im gleichen Zeitraum registriert, was auf eine starke Pendelmigration hindeutet. Nach dem Anwerbestopp im November 1973 gewann der Familiennachzug immer stärker an Bedeutung – 53 Prozent der türkischstämmigen Einwohner sind auf diesem Weg nach Deutschland gekommen. 

An der Anwerbung ausländischer Arbeitnehmer ("Gastarbeiter") seit Mitte der 1950er-Jahre durch westeuropäische Industriestaaten waren Akteure mit unterschiedlichen Interessen und Erwartungen beteiligt. Geplant als befristete Arbeitsmigration entwickelte sie eine Eigendynamik und führte zu einer dauerhaften Zuwanderung, weitgehend losgelöst vom Bedarf des Arbeitsmarktes. Die türkischen Arbeitnehmer und ihre Familien konzentrierten sich in zahlreichen Städten in einzelnen Stadtteilen. 


Das "Wirtschaftswunder" – Auslöser der Anwerbung


In der boomenden Nachkriegswirtschaft stieg auch die Nachfrage nach Arbeitskräften. Bei konstantem Angebot konnte dies zu "höheren Preisen" auf dem Arbeitsmarkt führen, also höheren Löhnen und besseren Arbeitsbedingungen. Um diesen drohenden Kostenanstieg zu vermeiden sollte das Arbeitskräftereservoir durch Arbeitnehmer aus dem Ausland erweitert werden. Ausländische Arbeitskräfte sollten aus strukturschwächeren Regionen einfach "importiert" werden. Die deutsche Bundesregierung – insbesondere das Wirtschaftsministerium – hatte sich diese Sichtweise weitgehend zu Eigen gemacht. 

Durch die Anwerbeabkommen sollte die staatliche Regulierung der Arbeitsmigration gewährleistet werden – und zwar sowohl auf Seiten der Abgabeländer (hinsichtlich Anzahl und Qualifikationsstrukturen der Arbeitsmigranten) als auch auf Seiten der deutschen Bundesregierung (die die Auswirkungen auf den heimischen Arbeitsmarkt begrenzen wollte). Dies sollte durch eine weitgehende Kanalisierung der Arbeitsvermittlung durch die "Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung" erreicht werden. Die Unternehmen sollten so daran gehindert werden, in größerem Umfang ausländische Arbeitskräfte anzuwerben, die nicht den geltenden Tarifverträgen unterlagen. 


Anwerbung im Interesse der Herkunftsländer


Die Herkunftsländer übten erheblichen Druck auf die westdeutschen Bundesregierungen aus, Anwerbeabkommen mit ihnen abzuschließen. Auf Drängen Italiens wurde nach langwierigen Verhandlungen das erste Anwerbeabkommen 1955 geschlossen, obwohl damals in Westdeutschland noch knapp eine Millionen Menschen als arbeitslos registriert waren (bei rund 200.000 offenen Stellen). Trotz einer längeren und kontroversen öffentlichen Diskussion (mit Dominanz ablehnender Stimmen, einschließlich der Gewerkschaften) blieb die Unterzeichnung des Abkommens dann ohne jegliche innenpolitische Resonanz. 1960 überstieg die Zahl der offenen Stellen in Westdeutschland erstmals die Zahl der Arbeitslosen. Der Aufbau der Bundeswehr und die Abriegelung der DDR durch den Bau der Mauer (1961) taten ein Übriges, die Anwerbepolitik in größerem Umfang anlaufen zu lassen. Es folgten Übereinkommen mit Spanien und Griechenland (1960), der Türkei (1961), Portugal (1964), Marokko (1963), Tunesien (1965) und Jugoslawien (1968). Die angeworbenen "Gastarbeiter" erhielten stets zunächst Aufenthalts- und Arbeitserlaubnisse für ein Jahr. 


"Herkunftsland Türkei"


Aus der Türkei stammt der größte Teil der "Gastarbeiter" und nachgezogenen Familienangehörigen in der Bundesrepublik Deutschland. Hier werden sowohl die Motive der beteiligten Seiten besonders deutlich als auch die Relevanz der Verhältnisse im Herkunftsland. 

Die Initiative für das deutsch-türkische Anwerbeabkommen 1961 ging von der Türkei aus. Sie hatte ein erhebliches Interesse daran, einen Teil der rasch anwachsenden Bevölkerung befristet als "Gastarbeiter" ins Ausland zu schicken. Gesellschaftliche und wirtschaftliche Umbrüche, hohes Bevölkerungswachstum und starke Unterbeschäftigung sorgten für einen hohen "Auswanderungsdruck". Neben der Entlastung des eigenen Arbeitsmarktes versprach sich die türkische Regierung dringend benötigte Deviseneinnahmen sowie einen Modernisierungsschub durch zurückkehrende "Gastarbeiter", die sich entsprechende Qualifikationen angeeignet haben würden (rund 77 Prozent der Erwerbstätigen in der Türkei waren damals in der Landwirtschaft tätig, nur etwa zehn Prozent in der Industrie). Die erwarteten und eingeplanten Deviseneinnahmen trafen tatsächlich ein: Alleine 1972 überwiesen die türkischen Arbeitnehmer 2,1 Milliarden DM in ihr Heimatland, womit das Handelsbilanzdefizit der Türkei von 1,8 Milliarden DM überkompensiert wurde. Auch 1973 überstiegen die Devisentransfers die Außenhandelsdefizite der Türkei.

Der türkische Arbeitsminister Ali Naili Erdem besucht Gastarbeiter in Deutschland.Der türkische Arbeitsminister Ali Naili Erdem besucht 1966 Gastarbeiter in Deutschland. (© picture-alliance/dpa)


Stärkste Gruppe ab 1972

Die westdeutschen Bundesregierungen hatten zunächst keine Notwendigkeit gesehen, auch mit der Türkei ein Anwerbeabkommen zu schließen. Aus außenpolitischen Gründen – die Türkei sicherte die Südost-Flanke der NATO – entschied man sich anders. Im Anwerbeabkommen des Jahres 1961 war eine ausdrückliche Befristung des Aufenthalts auf maximal zwei Jahre vorgesehen und der Nachzug von Familienangehörigen fand keine Erwähnung. Auf Drängen der deutschen Arbeitgeberverbände und der türkischen Regierung wurde 1964 eine revidierte Fassung unterzeichnet, in der die Befristung nicht mehr enthalten war. 

Die Anwerbung der türkischen "Gastarbeiter" setzte erst relativ spät – Ende der 1960er-Jahre – mit vollem Tempo ein. Von 1968 bis 1971 verdreifachte sich die Zahl der türkischen Arbeitnehmer (von 152.900 auf 453.100). Anfang 1972 lösten die türkischen "Gastarbeiter" die Italiener als stärkste Gruppe ab. 

Rund 80 Prozent der ausländischen Arbeitnehmer waren im produzierenden Gewerbe und in der Bauwirtschaft tätig, 20 Prozent im Dienstleistungsgewerbe. Dabei übten sie überwiegend Tätigkeiten als Angelernte oder als Hilfsarbeiter aus. Im November 1973 wurde der "Anwerbestopp" für "Gastarbeiter" aus Nicht-EG-Staaten verhängt. Der nachlassende Bedarf der Industrie und sich verbessernde Verhältnisse in den Heimatländern führten unter anderem dazu, dass rund 42 Prozent der griechischen und spanischen Arbeiter das Land verließen – die Anzahl der türkischen "Gastarbeiter" ging allerdings nur geringfügig zurück – von 605.000 Personen 1973 auf 578.000 im Jahr 1980. 


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Infobox

Zwischen 1961 und 1973 kamen ca. 867.000 Personen aus der Türkei nach Deutschland, rund 500.000 kehrten wieder zurück.

1978 waren 1,2 Millionen türkische Staatsangehörige in Deutschland registriert, 1980 waren es 1,5 Millionen, 1998 waren es 2,1 Millionen.

In Deutschland leben zur Zeit rund 3 Millionen Menschen mit Zuwanderungshintergrund Türkei. Davon sind 1,6 Millionen türkische Staatsangehörige. Selbst zugewandert sind 1,5 Millionen (60 Prozent). 490.000 Personen sind in Deutschland geboren.
Die drei großen Pfade der Zuwanderung waren die Arbeitsmigration, der Familiennachzug und das Asyl. 

Bei den Arbeitskräften aus der Türkei verstärkte der Anwerbestopp die Tendenz zur Niederlassung und zum Nachzug von Familienangehörigen. Waren sie einmal ausgereist, hatten sie kaum mehr eine Chance zur Rückkehr. Die Rechtslage nach dem Anwerbestopp machte eine erneute Arbeitsaufnahme nach Beendigung eines früheren Arbeitsverhältnisses nahezu unmöglich. Die Gruppe der türkischen Staatsangehörigen war auch daher die einzige, die in den Jahren nach dem Anwerbestopp bis 1980 anwuchs – von 1,0 Millionen im Jahr 1974 auf 1,4 Millionen im Jahr 1980. Der Anteil der Frauen nahm von 1974 bis 1979 um rund 21 Prozent zu, die Zahl der unter 15-Jährigen aus der Türkei verdoppelte sich im gleichen Zeitraum auf rund 420.000. 

Die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse entwickelten sich vor allem in der Türkei zunehmend negativ – Bürgerkrieg, Militärputsch und Hyperinflation kennzeichneten die Lage Ende der 1970er- und Anfang der 1980er-Jahre. Verbunden mit hoher Arbeitslosigkeit – insbesondere unter der türkischen Landbevölkerung – verstärkte dies die Zweifel an den Chancen, die sich bei einer möglichen Rückkehr in die Heimat bieten würden. Die Reintegration in den heimischen Arbeitsmarkt wurde zusätzlich durch das hohe Bevölkerungswachstum erschwert. Auch die Nachrichten von Kollegen, die in ihre Heimat zurückgekehrt waren, klangen nicht ermutigend. Oftmals waren die Erwartungen zu hoch gesteckt und wurden entsprechend enttäuscht. Jene, die nach Jahren in Deutschland zurückkehren wollten, sahen sich vor zahlreiche psychologische Barrieren gestellt – zu denen hohe Erwartungen der verbliebenen Verwandten und Freunde ebenso gehörten wie Fremdheitserfahrungen in der eigenen Heimat. 


"Ethnische Kolonien"

Verkäufer vor dem kölnisch-türkischen Lebensmittelgeschäft "Alibaba", 1987.Verkäufer vor dem kölnisch-türkischen Lebensmittelgeschäft "Alibaba", 1987. (© Bundesarchiv (B 145 Bild-F075977-0027))

Insbesondere türkische Arbeitnehmer, die von allen Gastarbeitergruppen am ehesten als "fremd" wahrgenommen wurden und deshalb auch relativ häufig Diskriminierungserfahrungen machen mussten, ließen sich von Beginn an in Stadtteilen mit hohem Anteil sozial schwacher Wohnbevölkerung nieder. Vor allem Filtermechanismen des Wohnungsmarktes (billiger Wohnraum, Schneeballsystem durch Mund-zu-Mund-Propaganda, Benachteiligungen durch Vermieter) trugen dazu bei. An allen Schularten (vor allem aber an den Grund- und Hauptschulen) ist dabei seit Jahrzehnten eine besonders ausgeprägte Konzentration türkischstämmiger Schülerinnen und Schüler empirisch nachweisbar. Bis heute unterscheidet sich die räumliche Verteilung der türkischen Bevölkerungsgruppe deutlich von jenen anderer Gruppen aus den ehemaligen Anwerbestaaten. So ist die Konzentration in einzelnen Stadtteilen bei Italienern und Griechen zurückgegangen, bei der türkischen Gruppe auf hohem Niveau weitgehend stabil geblieben: Nur 7,9 Prozent aller Haushalte mit türkischen Haushaltsmitgliedern haben keinen türkischen Haupteinkommensbezieher, so der Mikrozensus 2012. Die türkischstämmige Gruppe weist unterdurchschnittliche Integrationsindikatoren unter den ehemaligen "Gastarbeiter"-Gruppen auf (Spracherwerb, interethnische Kontakte, Bildung, Arbeitsmarkt). Bei den in Deutschland geborenen Personen türkischer Abstammung steigt der Anteil derjenigen mit Hochschulreife. Bei den türkischstämmigen Frauen hat sich dieser Anteil innerhalb einer Generation verdoppelt. Dies zeigt, dass der Aufstieg möglich ist und immer häufiger auch erfolgt. Gleichzeitig vergrößert sich aber die Kluft zwischen den Aufsteigern und jenen, die zurückgelassen werden. 


Gründe

Zu den Gründen gehören Aspekte der Migrationsgeschichte – die türkische Gruppe kam als eine der letzten großen "Gastarbeiter"-Gruppen in die Bundesrepublik und konnte deshalb nur auf jene Arbeitsplätze und Wohnungen zugreifen, die von den zuvor Gekommenen noch nicht belegt worden waren. Hinzu kommt die Gruppengröße als solche; Solange die Zahl der Zuwanderer noch sehr gering ist, ist eine Angleichung an die Mehrheitsgesellschaft (vor allem hinsichtlich der Sprache) nahezu unvermeidlich.
Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer begrüßt im November 2011 in München den Erinnerungszug "50 Jahre Migration" aus Istanbul.Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer begrüßt im November 2011 in München den Erinnerungszug "50 Jahre Migration" aus Istanbul. (© picture-alliance/dpa)

Eine gewisse Gruppengröße ist sowohl in sozialer als auch in wirtschaftlicher Hinsicht Voraussetzung für die Entstehung "ethnischer Kolonien". Sie wirken sich dann auf die Integration negativ aus, wenn die Personen, die dort leben, nur über einen niedrigen sozialen Status verfügen. 


Brückenbauer


Wanderungen von einem Herkunftsland in ein Aufnahmeland, wohin Migranten sich entweder dauerhaft oder zum Zweck des Geldverdienens zeitlich befristet begeben, werden in Zeiten globaler Vernetzungen ergänzt durch Mobilität zwischen Herkunfts- und Zielland. Die Rückwanderung türkischstämmiger Hochqualifizierter aus der Bundesrepublik Deutschland in die Türkei ist in diesem Zusammenhang zu verstehen: Sie wirken als Brückenbauer zwischen beiden Ländern. In der medialen Wahrnehmung wurden vor allem die abstoßenden Faktoren in Deutschland thematisiert. Mindestens gleichwertig müssen aber auch die ökonomischen, gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen im Zielland bewertet werden. Hier hat die Türkei an Attraktivität gewonnen. Bei der Rückwanderung handelt es sich allerdings um ein Eliten- und nicht um ein Massenphänomen – auch wenn Umfragen hohe Abwanderungs- oder Rückwanderungswünsche zutage treten lassen. 

Mehr als 80.000 Unternehmen, die von Türkischstämmigen in Deutschland betrieben werden mit mehr als 400.000 Beschäftigten und 36 Milliarden Euro Umsatz (mit zunehmender Tendenz), lassen deutlich werden, wie hoch die wirtschaftliche Bedeutung dieser Zuwanderergruppe heute ist. Schriftsteller wie Zafer Şenocak und Emine Sevgi Özdamar, der Regisseur Fatih Akin, der Grünen-Politiker Cem Özdemir oder Aydan Özoğuz (SPD), Staatsministerin bei der Bundeskanzlerin und Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Fußballer wie Mesut Özil oder Ömer Toprak zeigen, dass Personen mit türkischem Migrationshintergrund heute in allen Bereich des gesellschaftlichen Lebens wichtige Funktionen einnehmen. Sie tragen auch zum Bild Deutschlands in der Türkei bei.