Freitag, 19. Dezember 2025

Im Schatten der türkischen Konsolidierung: Israelischer Luftwaffenkommandeur besucht zyprische und griechische Luftstreitkräfte

von Helena Bauernfeind

Israels Luftwaffenkommandant Tomer Bar (M.), hier mit Israels Verteidigungsminister Yoav Gallant: Austausch mit Griechenland und Zypern über die Sicherheitslage im östlichen Mittelmeerraum



Von außen betrachtet war es ein routinemäßiger Militärbesuch. Doch der Umstand, dass Generalmajor Tomer Bar, der Kommandeur der israelischen Luftwaffe, in diesen Tagen Gespräche mit hochrangigen Offizieren der zyprischen und griechischen Luftstreitkräfte führte, verleiht der Begegnung ein politisches Gewicht, das weit über protokollarische Höflichkeiten hinausgeht. In einer Region, in der Geschichte nicht vergeht, sondern sich schichtet, werden militärische Kontakte zu Seismographen geopolitischer Verschiebungen. Im Mittelpunkt der Gespräche standen die Vertiefung der militärischen Zusammenarbeit und die Stärkung jener regionalen Koalition Israels mit ausländischen Streitkräften, die sich – so die israelische Darstellung – während der Operation „Amkelavi“ (der erfolgreiche Luftschlag gegen iranische Atomeinrichtungen im Juni dieses Jahres) als belastbar erwiesen habe.

Dass diese Konsultationen ausgerechnet jetzt stattfinden, ist kein Zufall. Sie fallen in eine Phase wachsender türkischer Selbstbehauptung im östlichen Mittelmeerraum, die alte Konfliktlinien neu belebt und vermeintlich stabile Ordnungen infrage stellt. Die Türkei betrachtet Zypern seit Jahrzehnten nicht als souveränen Staat im vollen Sinne, sondern als geteiltes Territorium, dessen nördlicher Teil faktisch unter türkischem Schutz steht. Diese Haltung ist historisch tief verankert und wurde seit der Intervention von 1974 nie aufgegeben. Neu ist jedoch die Schärfe, mit der Ankara seine Ansprüche formuliert und militärisch unterfüttert. Parallel dazu mehren sich türkische Bestrebungen, den eigenen Einfluss auch südlich davon, bis in den Raum Gaza hinein, politisch wie symbolisch auszudehnen. Die türkische Außenpolitik verbindet dabei osmanische Erinnerung mit zeitgenössischem Machtkalkül.

Entstandene Lücken füllen

Für Israel ergibt sich daraus ein strategisches Dilemma. Jahrzehntelang konnte der jüdische Staat im östlichen Mittelmeer auf eine Mischung aus militärischer Überlegenheit, amerikanischer Rückendeckung und regionaler Zersplitterung setzen. Diese Voraussetzungen sind brüchiger geworden. Die Vereinigten Staaten ziehen sich schrittweise aus der Rolle des allgegenwärtigen Ordnungsmacht zurück, während regionale Akteure – allen voran die Türkei – bereit sind, entstandene Lücken zu füllen. Vor diesem Hintergrund gewinnen Kooperationen mit Griechenland und Zypern eine neue Bedeutung. Beide Staaten teilen nicht nur sicherheitspolitische Interessen mit Israel, sondern auch eine gewisse Skepsis gegenüber der türkischen Politik. Gemeinsame Luftwaffenübungen, abgestimmte Einsatzdoktrinen und der Austausch von Aufklärungskapazitäten sind Ausdruck eines stillen Schulterschlusses, der nicht offiziell gegen Ankara gerichtet ist, faktisch aber eine Balance herstellen soll.

Historisch betrachtet ist diese Konstellation bemerkenswert. Noch vor wenigen Jahrzehnten waren Israel und Griechenland kaum mehr als diplomatische Bekannte, während Ankara als wichtiger regionaler Partner Jerusalems galt. Die Verschiebung dieser Achsen verweist auf die Fluidität von Allianzen im Nahen Osten und im östlichen Mittelmeer. Sie zeigt zugleich, wie sehr sicherheitspolitische Entscheidungen von langfristigen historischen Erfahrungen geprägt bleiben – von ungelösten Territorialfragen, religiösen Narrativen und dem Gedächtnis vergangener Kriege.

Vorsichtige Neuaufstellung Israels

Generalmajor Bars Besuch kann daher als Teil einer vorsichtigen Neuaufstellung Israels gelesen werden. Nicht als Abkehr von bestehenden Bündnissen, sondern als Ergänzung, vielleicht auch als Absicherung. Israel sucht Anschluss an jene Staaten, die bereit sind, regionale Stabilität nicht nur zu beschwören, sondern militärisch mitzutragen. Die Lehren aus jüngsten Einsätzen haben gezeigt, dass Interoperabilität und politische Verlässlichkeit im Ernstfall entscheidender sein können als formale Verträge.

Ob diese Strategie ausreicht, um den wachsenden Ambitionen der Türkei zu begegnen, bleibt offen. Sicher ist nur, dass sich Israel nicht mehr darauf verlassen kann, dass alte Konflikte eingefroren bleiben. Zypern, Gaza und das östliche Mittelmeer sind keine getrennten Schauplätze, sondern Teile eines zusammenhängenden geopolitischen Raums. Wer hier handlungsfähig bleiben will, muss Geschichte mitdenken – und bereit sein, seine Position neu zu vermessen.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen