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Donnerstag, 29. Februar 2024

Verteidigungsexperten werfen Pistorius Vertuschung vor!

von Thomas Heck...

Das geht ja wieder gut los. Der jüngst begonnene Einsatz der Fregatte "Hessen" im Roten Meer steht unter keinem guten Stern. Vorgestern wohl erstmals der Abschuss von Drohnen der Huthi-Rebellen. Dann ein Beschuß einer weiteren Drohne, einer US-amerikanischen, gottlob ohne Abschuß. Es weckt aber Zweifel an der Einsatzfähigkeit der betagten Fregatte. Und auch mit dem Nachschub an Munition sieht es wohl nicht ganz so rosig aus. Hinzu kommen Mängel in der Kommunikation. Nicht technisch bedingt, sondern zwischen Minister und Parlament. Vorwurf: Wenn Pannen passieren, soll es vertuscht werden.

Verteidigungsminister Boris Pistorius und Fregattenkapitän Volker Kübsch letzte Woche bei einem Besuch an Bord der Fregatte „Hessen“, die sich inzwischen im Roten Meer befindet



Schwere Vertuschungsvorwürfe gegen Verteidigungsminister Boris Pistorius (63, SPD)!

Es geht um den gefährlichen Einsatz der Fregatte „Hessen“ im Roten Meer gegen die Raketen-Angriffe auf Handelsschiffe.

Verteidigungsexperten des Bundestags fühlen sich nicht richtig informiert. Sie sprechen von Vertuschung und einem Egotrip des Verteidigungsministers!

Auslöser: In einer vertraulich eingestuften Meldung an die Obleute des Vereidigungsausschusses berichtete die Bundeswehr am Dienstag im Detail über den Abschuss zweier Drohnen der Huthi-Rebellen. Kurz nach dem Vorfall ging das Schreiben raus.

ABER: Einen mindestens ebenso dramatischen Vorgang erwähnte die Bundeswehr mit keinem Wort.


Bereits am Montag hatte die Fregatte zwei Fehlschüsse auf eine US-Drohne abgefeuert. Doppelt peinlich für die Marine, weil sie nicht nur auf einen Verbündeten gezielt hatte, sondern auch noch mit zwei Raketen daneben geschossen hatte. Das alles hatte das Pistorius-Haus den Abgeordneten aber lieber verschwiegen.

Union: „Wenn Pannen passieren, soll alles vertuscht werden“

Florian Hahn (49, CSU), verteidigungspolitischer Sprecher der Union, zu BILD: „Hurra-Meldungen werden sofort verteilt, schlechte Nachrichten unter den Teppich gekehrt. Das zeigt, wie Pistorius das Wort Parlamentsarmee tatsächlich ausbuchstabiert: Egotrip statt verantwortungsvolle Unterrichtung des Parlaments.“

Auch der CDU-Verteidigungsexperte Ingo Gädechens (63) ist empört, sagt BILD: „Jubelbotschaften sofort verkünden – aber wenn Pannen passieren, soll alles vertuscht werden. So eine Informationspolitik des Hauses von Boris Pistorius ist eine Unverschämtheit gegenüber dem Parlament!“

Die Abgeordneten entschieden über die Einsätze der Bundeswehr und müssten dann auch über alle Ereignisse voll umfassend informiert werden.


Alarmiert zeigt sich Gädechens über die dramatische Munitionssituation der Marine: „Jeder unnötige Schuss ist ein Problem und beeinflusst unmittelbar die weitere Einsatzfähigkeit unserer Fregatte. Umso verrückter, dass das Verteidigungsministerium entschieden hat, die Abgeordneten nicht zu informieren. Es ist inakzeptabel, solche Informationen aus der Zeitung zu erfahren.“


Hintergrund: Die Abfangraketen vom Typ SM2 der Fregatte Hessen werden nicht mehr produziert, können deshalb nicht mehr nachbeschafft werden. Flottillenadmiral Axel Schulz, Befehlshaber des größten maritimen Kampfverbandes der Bundeswehr, hat bereits im NDR gewarnt: „Irgendwann wird uns gerade die Hochwert-Munition ausgehen. Wenn wir alles verschossen haben, dann wird der Einsatz sowieso beendet sein für uns.“

Doch Marine-Inspekteur Jan Christian Kaack (62) redete das Munitionsproblem klein. Er betonte, dass für den Einsatz ausreichend Munition vorhanden sei. „Wir werden zeitnah Munition nachführen“, so der Marine-Chef.

Allerdings: Er hatte im Januar bei einer Tagung noch vor Munitions-Problemen gewarnt: „Im Bereich der Beschaffung von Munition sind wir leider noch nicht da, wo wir hinmüssen.“ Wenn er auf den aktuellen Munitionsverbrauch der Partner-Nationen im Roten Meer blicke, „mache ich mir große Sorgen um die Durchhaltefähigkeit unserer Einheiten“.


Sonntag, 22. Oktober 2023

Ein General und Grabscher?

von Thomas Heck...

Die Bundeswehr war nie frei von sexuell begründeten Skandalen. Die Kießling-Affäre mit dem damaligen Verteidigungsminister Manfred Wörner, führte zu allgemeiner Erheiterung in der Truppe. 1984 wurde er mit einem Großen Zapfenstreich ehrenhaft entlassen. Die Umstände werden für ihn nicht so ehrenhaft gewesen sein. Soll er doch Kneipengänger in der Schwulenszene gewesen sein. Ein Vorwurf, der keinerlei Substanz beinhaltete. Später stellte sich raus, dass der Verdacht von einem MAD-Mitarbeiter dem Minister zugetragen wurde, der zugleich in Diensten der Stasi war. 

Nun war es damals eine andere Bundesrepublik. Heute ist es ganz normal, dass in der Bundeswehr auch Schwule und Lesben dienen. Das war noch zu meiner Zeit als Kompaniechef 1996 nicht üblich, kam aber dennoch vor und war auch für mich nie ein Problem. Heutzutage kann sogar ein Transsexueller Kommandeur werden, ein ausschweifendes Sexualleben in den Öffentlichkeit ist dennoch nicht angezeigt, hat doch ein Offizier in der Öffentlichkeit Zurückhaltung zu wahren. Oberstleutnant Biefang hatte es damit dann doch etwas übertrieben und wurde diszipliniert. Kommentiert wurde das alles von Generalmajor Markus Kurczyk in einer Weise, die der Organisation QueerBw gar nicht gefallen konnte. Musste deswegen den General gehe, fragt sich die NZZ und legt interessante Verbindungen offen.

Ein General und Grabscher? «Das Verteidigungsministerium hat mich zum Spielball von verantwortungslosen Hinweisgebern und skandalsuchenden Redakteuren gemacht»

Der deutsche Generalmajor Markus Kurczyk soll einen Soldaten sexuell belästigt haben. Vor wenigen Tagen hat ihn Verteidigungsminister Boris Pistorius entlassen. Nun bricht der Offizier sein Schweigen – und übt massive Kritik an seinem Dienstherrn.

«Das ist alles ein Albtraum»: 
Der geschasste Generalmajor Markus Kurczyk.



Markus Kurczyk sitzt in einer Hotelbar in Frankfurt am Main, er trägt einen hellbraunen Wollpullover, Jeans und Laufschuhe. Vor ihm steht ein Gedeck mit Kaffee, Keksen und einem Glas Wasser. Er erhebt sich zur Begrüssung, gut 1 Meter 90 gross, schlank, an der rechten Hand ein schwarzer Siegelring. Dies sei das einzige Gespräch, das er mit einem Journalisten in der gegenwärtigen Lage führen werde, sagt er. Aber er müsse das tun, es gehe jetzt um alles. Der Verteidigungsminister habe ihm und seiner Familie den Boden unter den Füssen weggezogen – mit einer Entscheidung, die auf Lügen und infamer Medienberichterstattung beruhe.

Generalmajor Markus Kurczyk war bis vor kurzem Kommandeur des Zentrums Innere Führung der Bundeswehr in Koblenz. Die Einrichtung soll eine Denkfabrik für die Führungskultur der deutschen Streitkräfte sein. Am Dienstag wurde er vom Ministerium in Berlin darüber informiert, dass ihn Verteidigungsminister Boris Pistorius wohl wegen des Vorwurfs der sexuellen Belästigung in den einstweiligen Ruhestand versetzen lassen wolle. Doch es sind Zweifel erlaubt, ob das richtig war und ob die Anschuldigungen stimmen.

Kurczyk, ein 59 Jahre alter Luftwaffenoffizier, hat in vierzig Dienstjahren drei Einsätze in Mazar-e Sharif und in Kabul absolviert. Er war insgesamt zweieinhalb Jahre in Afghanistan, trägt mehrere in- und ausländische Militärorden und galt als untadelig – bis zu einem Samstag Mitte September, an dem das Verteidigungsministerium eine knappe Pressemitteilung herausgab. «Generalinspekteur Carsten Breuer hat heute den Kommandeur des Zentrums Innere Führung Generalmajor Marcus (sic) Kurczyk vorläufig von seinen Aufgaben entbunden», hiess es darin. Eine Erklärung gab es nicht.

Zwei Tage später veröffentlicht der «Spiegel» die vermeintlichen Hintergründe. Kurczyk soll laut Informationen «aus dem Wehrressort» am Rande der Invictus Games in Düsseldorf versucht haben, einen Soldaten gegen dessen Willen auf den Mund zu küssen; die Invictus Games sind ein internationaler Sportwettbewerb für Soldaten, die an Leib und Seele verwundet wurden. Eine weitere Woche später schreibt «Bild», Kurczyk solle dem Soldaten zudem an den Po gefasst haben. Andere Medien berichten, Kurczyk sei laut Augenzeugen an jenem Abend angetrunken gewesen.

Das Bild eines übergriffigen, betrunkenen Generals

Es sind schwere Verdächtigungen, die hier anonym erhoben werden. Gezeichnet wird das Bild eines übergriffigen, betrunkenen Generals. Doch schon ein Schreiben der «Wehrdisziplinaranwaltschaft für den Bereich des Generalinspekteurs der Bundeswehr» – so heisst die für den Fall zuständige Rechtsbehörde – an Kurczyk vermittelt den Eindruck, dass die medial verbreiteten Vorwürfe mindestens überzogen sind.

Die Nachricht, mit der Kurczyk am 6. Oktober über «disziplinare Vorermittlungen» gegen ihn informiert wird, liegt der NZZ vor. Darin heisst es: «Sie gaben dem Oberleutnant Sven B. (Name aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes abgekürzt; Anm. d. Red.) am 16. September 2023 gegen 22.10 Uhr im Rahmen der Abschlussfeier zu den Invictus Games in der Business-Lounge der Merkur-Spiel-Arena in Düsseldorf ohne dessen ausdrückliches Einverständnis und gegen dessen Willen einen Kuss auf die Wange sowie zwei leichte Schläge auf das Gesäss sowie ca. 20 Minuten nach dem ersten Kuss am gleichen Ort einen weiteren Kuss auf die Wange.»

War ihm der eigene Ruf wichtiger als ein faires Verfahren für seinen Offizier? Deutschlands sozialdemokratischer Verteidigungsminister Boris Pistorius.



Vom angeblichen Versuch, den Soldaten auf den Mund zu küssen, steht da nichts. Auch der Vorwurf, Kurczyk sei angetrunken gewesen, wird nicht erhoben. Er werde zu gegebener Zeit Gelegenheit bekommen, sich zu den Anschuldigungen zu äussern, schliesst der Wehrdisziplinaranwalt sein Schreiben.

Kurczyk legt sein Handy auf den Tisch der Hotelbar in Frankfurt, wischt über das Display und stoppt bei einem Bild. Es zeigt drei Personen vor einer Wand, auf der «Invictus Games» steht: eine lachende Frau mit Sonnenbrille im Gesicht, ein Kind mit einem «VIP-Ausweis» um den Hals und dazwischen Kurczyk in blauer Luftwaffenuniform. Es ist der Moment, in dem der Offizier die Fassung verliert. «Das ist meine Familie», sagt er, und seine Stimme bricht. «Wie glücklich wir da waren.» Er dreht den Kopf zur Seite. «Das ist alles ein Albtraum», sagt er. Als Kurczyk sich gefangen hat, schüttelt er den Kopf. «Wie kann man ernsthaft glauben, ich würde einen Oberleutnant sexuell belästigen?»

Umarmt, wie sich Männer eben umarmen?

Was genau in Düsseldorf geschehen ist, dazu gibt es unterschiedliche Angaben. Kurczyk schildert es so: Nach der Abschlussveranstaltung sei er gegen 22 Uhr, von der feierlichen Stimmung in der Arena aufgewühlt und emotional ergriffen, in die VIP-Lounge gekommen. Dort hätten sich etwa fünfzig bis sechzig Personen aufgehalten, unter ihnen die Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestags, Eva Högl, der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, Andre Wüstner, mehrere Generale und ausländische Offiziere. Er sei mit seinem elfjährigen Sohn umhergegangen und habe Bekannte begrüsst. Sie hätten sich umarmt, wie sich Männer eben umarmten.

Kurczyk holt ein Blatt hervor und schiebt es über den Tisch. Auf dem Ausdruck steht «Erwachsene Männer, freundliche Umarmung, warme Umarmung, die Kameradschaft und Respekt vermittelt». Darunter befindet sich eine Illustration, die zwei Männer zeigt, die sich umarmen, die Köpfe mit etwas Abstand aneinander vorbei, eine Hand auf den oberen Rücken des anderen gelegt. «Genau so verliefen die Umarmungen», sagt Kurczyk.

Das Redaktionsnetzwerk Deutschland schreibt am 27. September, Augenzeugen hätten berichtet, Kurczyk sei an dem Abend «ziemlich überdreht» gewesen und habe sich «weder wie ein Vorgesetzter noch wie ein General benommen». Kurczyk widerspricht. Er sei von der Stimmung an dem Abend ergriffen gewesen, von den Begegnungen mit den vielen Versehrten. Er habe sich an seine Einsätze in Afghanistan erinnert, an schlimme Erlebnisse, er habe geweint, so wie viele andere Soldaten auch.

Wie viel körperliche Distanz muss ein hochrangiger Offizier gegenüber anderen Soldaten wahren? Vor kurzem erliess das Verteidigungsministerium eine neue Regelung zum «Umgang mit sexualisiertem Fehlverhalten» in der Truppe. Kurczyk war an der Erarbeitung massgeblich beteiligt. Darin heisst es unter anderem, der Dienst in der Bundeswehr sei «frei von unerwünschten Berührungen und bedrängender körperlicher Nähe».

Das vermeintliche Opfer will sich nicht äussern

Nach der Begrüssung in der VIP-Lounge, so berichtet es Kurczyk weiter, habe er sich mit seinem Sohn an einen Tisch gesetzt, ein paar Meter entfernt von einer Gruppe von sieben bis acht Personen. Unter ihnen habe sich Sven B. befunden. Jemand aus der Gruppe habe auf ihn gezeigt, erinnert sich Kurczyk. Sven B. und er kennen sich; dazu gleich mehr.

Kurczyk sagt, er sei hinübergegangen und habe B. mit einer Umarmung begrüsst, so wie andere an diesem Abend auch. Er habe ihn weder auf die Wange geküsst, noch habe er ihm an den Po gefasst. Danach sei er zu seinem Sohn zurückgegangen. Eine weitere Begegnung mit Sven B., von der im Schreiben des Wehrdisziplinaranwalts die Rede ist, habe es an dem Abend definitiv nicht gegeben.

Die NZZ hätte gern auch von Sven B. gewusst, was aus seiner Sicht an jenem Abend genau geschehen ist. Der Oberleutnant ist Vorsitzender von QueerBw, eines vor 21 Jahren gegründeten Vereins mit rund 400 Mitgliedern, der sich als die «Interessenvertretung der lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans-, inter- und andersgeschlechtlichen Angehörigen der Bundeswehr» beschreibt. QueerBw hat auch an der Erarbeitung der Neuregelung «Umgang mit sexualisiertem Fehlverhalten» mitgewirkt. Kurczyk und Sven B. sind zudem beide regelmässige Gäste im Beirat Innere Führung. Sie kennen sich also, weil sie dienstlich miteinander zu tun haben.

Er sei der Überzeugung, dass ein Disziplinarverfahren von dem Disziplinarvorgesetzten geführt werde und nicht in der Presse, sagt B. am Telefon mit ruhiger Stimme. Woher auch immer der Reporter seine Daten habe: Er sei das Opfer und werde sich nicht weiter äussern. Er wolle auch kein weiteres Mal angerufen werden. Dann legt er auf.

«Raus aus unseren Betten, BMVg!»

QueerBw ist ein Verein, der offensiv die Öffentlichkeit sucht, damit, wie es in der Selbstbeschreibung heisst, «Diskriminierung und feindselige Gesinnung gegenüber homo- und bisexuellen sowie trans- und intergeschlechtlichen Personen in der Bundeswehr weiter abgebaut werden». Im vergangenen Jahr veröffentlichte der Verein unter der Überschrift «Sex ist Privatsache – Raus aus unseren Betten, BMVg!» die Profile zahlreicher Soldaten auf Dating-Plattformen. BMVg ist das Kürzel fürs Bundesministerium der Verteidigung.

Die Aktion sollte Protest ausdrücken gegen ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, wonach Militärangehörige «wegen ihrer repräsentativen Stellung» disziplinar belangt werden können, wenn sie öffentlich sexuelle Kontakte suchen. Hintergrund war die Klage des Oberstleutnants Anastasia Biefang, die in einem Dating-Profil «All genders welcome» angegeben und dafür eine Disziplinarstrafe erhalten hatte. Biefang ist stellvertretende Vorsitzende von QueerBw.

Es gab zu diesem Fall ein Interview mit Markus Kurczyk in der Bundeswehr-Zeitschrift «Innere Führung». Auf das Urteil gegen Biefang angesprochen, sagte der Generalmajor darin, dass Streitkräfte eine Ordnung brauchten, wie miteinander umzugehen sei. Diese Ordnung gäben das Soldatengesetz und weitere Vorschriften. Als Kommandeurin eines Bataillons mit einer Verantwortung für mehr als 1200 Menschen habe sich Biefang in der Öffentlichkeit entsprechend zu verhalten. Bei QueerBw dürfte sich Kurczyk mit dieser Äusserung keine Freunde gemacht haben.

Auch in der Politik dürfte der Generalmajor mit früheren Äusserungen den einen oder anderen irritiert haben. So sagte er in einem Interview mit dem «Spiegel» im vergangenen April, die Bundeswehr brauche einen bestimmten Anteil sehr robuster Menschen, die bereit seien, zu töten und notfalls auch getötet zu werden. Diese wiederum müsse man aber aus einer Gesellschaft bekommen, die vom Kindergarten an jegliche Gewalt unterbinde. Und weiter: «Wie bringe ich jemandem bei, Scharfschütze zu werden? Wie trainieren Sie den für den Krieg? Für den Moment, wo der Kopf des Gegners platzt?» Mit solchen Aussagen schreckt man im friedensverwöhnten Deutschland viele auf.

Ein vermeintlicher Zeuge widerspricht

Kurczyk hat sich auf das Gespräch mit dieser Zeitung vorbereitet. Er hat alle Berichte über sich gesammelt und legt Briefe von Unterstützern daneben. Im Schreiben eines Sportverbandes heisst es, man könne sich die Vorwürfe «aufgrund der persönlichen Erfahrungen einfach nicht vorstellen». Der Offizier wirkt äusserlich ruhig, doch er wiederholt mehrmals seine Aussage, er habe vierzig Jahre lang gedient, ohne dass er sich etwas zuschulden habe kommen lassen. Statt ihm Rückendeckung zu geben, habe man ihn in Berlin fallengelassen: «Das Verteidigungsministerium hat mich zum Spielball von verantwortungslosen Hinweisgebern und skandalsuchenden Redakteuren gemacht.»

An jenem Abend der «unheilvollen Umarmung», wie Kurczyk es formuliert, sassen dem Vernehmen nach etliche Personen in unmittelbarer Nähe. Diese Zeitung hat versucht, mehrere von ihnen zu erreichen. Nur einer der vermeintlichen Zeugen war bereit, unter Wahrung seiner Anonymität zu reden. Was da in einigen Medien beschrieben worden sei, habe er nicht wahrgenommen, sagt er. Und er habe alles beobachtet. Weder habe Kurczyk Sven B. geküsst, noch habe er ihm an den Po gefasst. Angetrunken habe der Generalmajor auch nicht gewirkt.

Wer ist hier Täter, wer Opfer? Und was bleibt am Ende dieser unappetitlichen Geschichte? Vielleicht die Frage, auf welcher Basis Verteidigungsminister Pistorius eigentlich entschieden hat, Kurczyk in den einstweiligen Ruhestand zu versetzen. Mögliche Hinweise darauf gibt ein Gedächtnisprotokoll, das der Offizier nach einem Telefonat mit dem Minister am 5. Oktober angelegt hat. Es liegt dieser Zeitung vor. Sollten die darin notierten angeblichen Äusserungen des Ministers so gefallen sein, dann hätte dieser schon zu Beginn des Gesprächs die Absicht gehabt, Kurczyk zu feuern – obwohl er, wie der General in seinem Protokoll schreibt, selbst Zweifel geäussert haben soll.

Die Vorwürfe stünden nun einmal im Raum, habe ihm Pistorius gesagt. Die Entscheidung, Kurczyk in den einstweiligen Ruhestand zu versetzen, sei zu dessen eigenem, aber auch zum Schutz der ministeriellen Leitung notwendig, heisst es in dem Protokoll weiter. Es gebe Zeugenaussagen. Ihm, also dem Minister, fehle daher das Vertrauen in Kurczyk.

Sollte so ein Vorwurf nicht besonders streng geprüft werden?

Falls das Gespräch zwischen dem Minister und seinem General tatsächlich so abgelaufen sein sollte, wäre es eine fragwürdige Form der Personalführung. Sollte ein Vorwurf der sexuellen Belästigung nicht besonders sorgfältig untersucht werden? Und sollte ein Beschuldiger nicht so lange als unschuldig gelten, bis ihm das Gegenteil nachgewiesen werden kann? Der Sozialdemokrat Pistorius ist ein beliebter Politiker. Waren ihm die Sorge um den eigenen Ruf und der Wunsch, nicht selbst ins mediale Kreuzfeuer zu geraten, womöglich wichtiger als ein faires Verfahren?

Das Verteidigungsministerium wollte sich auf Anfrage nicht dazu äussern, ob die Äusserungen, die Pistorius laut dem Gesprächsprotokoll von Kurczyk zugeschrieben werden, so gefallen sind. Eine Sprecherin teilte mit, sie könne zu internen Vorgängen keine Stellung nehmen. Sie weise aber ausdrücklich darauf hin, dass diese Antwort weder eine Bestätigung noch eine Zurückweisung des infrage stehenden Sachverhalts darstelle.

Generalmajor Kurczyk ist bis auf weiteres im einstweiligen Ruhestand, sechs Jahre vor der eigentlichen Pensionierung. Und nun? Über seine nächsten Schritte habe er noch gar nicht richtig nachdenken können, sagt er. Sein Disziplinarverfahren läuft weiter, aber die militärische Karriere ist zerstört.




Samstag, 14. Oktober 2023

Wie schwer kann es sein, deutsche Staatsbürger aus Israel auszufliegen?

von Thomas Heck...

Deutschland versagt schon wieder auf breiter Front. Weil sich unsere allseits beliebte, aber auch ziemlich unfähige Außenministerin Annalena Baerbock die Lorbeeren für die Evakuierung unserer Landsleute aus Israel alleine für sich und das Außenamt verdienen wollte, lehnte sie die Unterstützung der Bundeswehr ab. Annalena Baerbock hätte die Bundeswehr sofort um Amtshilfe nach Art. 35 (1) Grundgesetz ersuchen können. Eine offensichtliche Dringlichkeit ergab sich aus dem Lagebild aus Israel, eine sofortiger Anruf beim Ministerkollegen Pistorius hätte eine schnelle Entscheidung auf Ministerebene herbeiführen können. Bei Uneinigkeit hätte auch Kanzler Scholz über seine Richtlinienkompetenz seinen Verteidigungsminister und/oder Außenministerin anweisen können. All das das blieb aus. Dann kam der grandiose Vorschlag, unsere Landsleute sollen sich irgendwie mit Bus nach Amman in Jordanien durchschlagen. Unverantwortlich, wenn Führungsschwäche auf Inkompetenz trifft. Helmut Schmidt würde im Grabe rotieren.


Im heute-Journal redete sich Baerbock um Kopf um Kragen. Erschreckt musste der Zuschauer feststellen, dass wir von Nullen regiert werden, Baerbock in dieser Phase sichtlich überfordert wirkte. 
Später wurde das Gestammel von Annalena Baerbock durch die Online-Redaktion von ZDFheute entfernt, doch das Netz vergisst gottlob nichts. Sehen Sie hier ein grandioses Scheitern.


Wir erkennen hier das bereits bekannte Versagen eines gescheiterten Staates, der schon im Normalbetrieb an seine Grenzen kommt und normalste Verwaltungsdienstleistungen nicht in ausreichender Form darstellen kann. Vergleicht man das mit dem jetzt angegriffenen Staat Israel, der, bei aller Kritik an gemachten Fehlern, nach einem Überraschungsangrff aus dem Stehgreif 300.000 Reservisten mobilisiert und binnen 24h zum Gegenangriff übergeht, können wir uns auch nur annähernd vorstellen, wie Deutschland mit 1.500 bewaffneten Terroristen allein in der Hauptstadt Berlin fertig werden würde? 

Gelegenheit, sich einmal grundsätzlich mit Evakuierungen von Staatsbürgern aus dem Ausland zu beschäftigen. Die Bundeswehr beschreibt das Verfahren auf ihrer Homepage wie folgt. 

Es gibt zwei Formen der Evakuierung: die diplomatische Evakuierung und die militärische Evakuierungsoperation. In Deutschland ist das Auswärtige Amt für diplomatische Evakuierungen verantwortlich. Diese erfolgen grundsätzlich unbewaffnet und oft über zivile Transportunternehmen – beispielsweise Fluggesellschaften.

Verschärft sich allerdings die Lage in einem Krisengebiet so weit, dass die an einer Evakuierung beteiligten Personen geschützt werden müssen, unterstützt die Bundeswehr. Bei einer militärischen Evakuierungsoperation werden Waffen mitgeführt, um den Schutz der zu Evakuierenden, aber auch den Schutz der eingesetzten Soldatinnen und Soldaten zu gewährleisten.

Sollte die Entscheidung für eine militärische Evakuierungsoperation fallen, wechselt die Verantwortung vom Auswärtigen Amt in das Verteidigungsministerium. Der Einsatz bewaffneter Kräfte zur Evakuierung deutscher Staatsangehöriger muss grundsätzlich durch den Bundestag genehmigt werden, sofern nicht Gefahr im Verzug vorliegt. In diesem Fall muss gegebenenfalls eine nachträgliche Zustimmung eingeholt werden. Militärische Evakuierungsoperationen werden in „schnelle“ und „robuste“ Evakuierungen unterschieden.
 

Schnelle Evakuierung

Bei der schnellen Evakuierung können deutsche Staatsbürgerinnen und -bürger über den See- oder den Luftweg gerettet werden. Wie der Name verrät, geht es vor allem um Geschwindigkeit. Schnell rein, schnell raus. Voraussetzung ist ein Evakuierungspunkt in einem möglichst sicheren Umfeld im Krisengebiet. Bei der schnellen Luftevakuierung wäre dies zum Beispiel ein Flughafen. Je nach Entfernung zum Krisenland starten Flugzeuge entweder direkt aus Deutschland oder von einem nahegelegenen Gastland aus zur Rettung der Menschen.

Im Idealfall erreichen die zu Evakuierenden den Evakuierungspunkt im Krisengebiet eigenständig. Zur Unterstützung der deutschen Auslandsvertretung im Krisenland werden vor Ort Krisenunterstützungsteams, kurz KUTKrisenunterstützungsteam, eingesetzt. Hierbei handelt es sich um Soldatinnen, Soldaten, zivile Experten und Expertinnen, die speziell für diese Aufgabe ausgebildet sind und regelmäßig Evakuierungsszenarien üben.

Der Verband zur Durchführung einer schnellen Evakuierung besteht aus Fallschirmjägern, Feldjägern und Sanitätern. Fallschirmjäger sichern nach der Landung den Flughafen und verhindern, dass potenzielle Störer das Flugzeug beschädigen oder sich unerlaubt Zugang verschaffen. Feldjäger registrieren die zu evakuierenden Personen. Sanitäter versorgen Patienten. Sind alle sicher an Bord, geht es entweder direkt oder über einen Zwischenstopp im Gastland zurück nach Deutschland.

Wenn sich eine Küste in der Nähe befindet, kann auch eine schnelle See-Evakuierung durchgeführt werden. Dies hängt davon ab, ob ein Schiff der Marine oder eines NATO/EU-Verbandes in der Nähe ist. Ein Transit von Deutschland zum Krisenland dauert in der Regel zu lange.

Der aus Scharfschützen, Feldjägern und Sanitätern bestehende Verband zur schnellen See-Evakuierung wird von der Küsteneinsatzkompanie des Seebataillons in Eckernförde gebildet. Mit dem Flugzeug gelangen die Soldaten und Soldatinnen in ein Gastland mit einem sicheren Hafen nahe des Krisenlandes. Dort gehen sie an Bord des Schiffes.

Gibt es im Krisenland einen sicheren Hafen als Evakuierungspunkt, fahren die Marinesoldatinnen und -soldaten diesen an, um die zu evakuierenden Personen an Bord zu nehmen. Ist dies nicht der Fall, ankert das Schiff in sicherer Entfernung. Mit Booten werden dann die Menschen von Land zum Schiff gebracht. Die Sicherung des Schiffes und der Menschen übernehmen dann die Marinekräfte.

Robuste Evakuierung

Ist die Lage im Krisenland so gefährlich, dass die zu evakuierenden Personen nicht mehr eigenständig zum Evakuierungspunkt kommen können, kommen die Soldaten und Soldatinnen der Bundeswehr zu ihnen. In diesem Fall spricht man von einer robusten Evakuierung. Robust bezieht sich auf die Durchsetzungsfähigkeit der Truppe. Das bedeutet, dass sie sich im extremsten Fall den Weg bis zu den zu Evakuierenden freikämpft, um diese aus dem Krisengebiet zu bringen. Hierzu haben die Soldaten und Soldatinnen zusätzliche Fahrzeuge sowie Waffen dabei.

Der Einsatzverband setzt sich aus Kräften des Heeres, der Luftwaffe, der Marine und des Sanitätsdienstes zusammen. In einem Gastland nahe des Krisenlandes wird eine Militärbasis aufgebaut, die auch ein medizinisches Rettungszentrum beherbergt. Je nach Entfernung fliegen oder fahren die Soldaten und Soldatinnen von dort aus in das Krisengebiet und sammeln die zu Evakuierenden an vereinbarten Treffpunkten ein.

Auf Evakuierungsrouten bringen sie die Personen zu Evakuierungspunkten wie Flughäfen oder Häfen, von wo aus sie außer Landes gebracht werden. Lässt die Bedrohungslage oder auch die geographische Lage eine Evakuierung per Flugzeug oder Schiff nicht zu, ist es möglich eine Landevakuierung durchzuführen. Per Fahrzeug geht es in ein sicheres Nachbarland. Wichtig ist dabei, dass ab dem Grenzübertritt die Verantwortung für die Evakuierung und die weitere Rückführung an das Auswärtige Amt zurückgeht und nicht mehr beim Verteidigungsministerium liegt.


Wie die Realität ausschieht, schildert ein Tagebuch, veröffentlicht auf der Achse des Guten...

Kurzes Tagebuch einer vom Auswärtigen Amt organisierten Rückkehr aus Israel.

Wenn plötzlich in einem Urlaubsland ein Krieg ausbricht, gehört es in der zivilisierten Welt zu den Aufgaben eines Staates, sich darum zu kümmern, seine Bürger, die sich gerade dort aufhalten, wieder heil nach Hause zu bringen. Das haben nach dem barbarischen Angriff der Hamas auf Israel auch einige Staaten gemacht. Und was tat die deutsche Regierung, also das zuständige Auswärtige Amt? Erst nichts und gab dann den Rücktransport bei der Lufthansa in Auftrag und überließ der Airline und ihrer Buchungshotline die Organisation, offenbar ohne sich weiter darum zu kümmern. Heraus kam ein Chaos, an das man sich in Deutschland mittlerweile vielleicht schon leidlich gewöhnt haben mag, aber in Krisenzeiten nicht hinnehmbar ist. Ein paar Flüge gab es bekanntlich, inzwischen ist das Rückflugprogramm wieder ausgesetzt. Vielen Reisenden und ihren Angehörigen ging es so wie unserem Leser Frank Heisig, dessen Tochter in Israel vom Krieg überrascht wurde. Hier ist sein kurzes Tagebuch einer Rückkehr:

5. Oktober 2023

Unsere Tochter bricht mit meinem Vater zu einer Reise an die Wirkungsstätten von Jesus Christus nach Israel auf. Er hat ihr diese Reise zu ihrer Firmung geschenkt.

7. Oktober 2023

Die Hamas hat Israel überfallen. Das ganze Ausmaß der Barbarei ist noch nicht bekannt, aber die Tagesreisen der Touristen werden abgebrochen. Die Mitteilungen unserer Tochter sind nicht angsterfüllt, bis dahin, so scheint es, ist es noch so eine Art business us usual. Der Reiseleiter gibt den Zugang zum ELEFAND-System an die Reisegruppe aus, damit sich alle dort anmelden. Er kann die Gruppe nicht als ganzes melden, jeder muss sich einzeln anmelden. Das System ist schnell überlastet.

8. Oktober 2023

Es ist inzwischen (auch uns) klar, das diesmal alles anders ist. Tochter und Vater müssen im Hotel bleiben – Israel ruft den Kriegszustand aus. Die Bilder und Berichte aus Israel sprengen den Rahmen des Vorstellbaren. Der Rückflug ist für den 12.10. gebucht und noch nicht gecancelt. Erste Länder beginnen mit der Evakuierung. Unsere Tochter meldet sich bei ELEFAND an, und gibt meinen Vater als Begleitperson an. Trotzdem muss mein Vater selbst auch noch angemeldet werden. Beim ersten Versuch funktioniert das Captcha nicht, ein zweiter Anmeldeversuch wird mit dem Hinweis abgebrochen, dass die E-Mail-Adresse schon vergeben ist. (Wie machen das Familien mit kleinen Kindern, die auch alle einzeln gemeldet werden müssen, wenn jede E-Mail-Adresse nur einmal benutzt werden kann? Und überhaupt, was soll diese dämliche Einschränkung?) Gut, die E-Mail-Adresse ist schon vergeben = er ist irgendwie im System.

9. Oktober 2023

Das auswärtige Amt schreibt alle im ELEFAND-System gemeldeten Personen per E-Mail an, und gibt Hinweise zu Ausreisemöglichkeiten über Drittstaaten. Das Reisebüro versucht, die Gruppe in einen früheren Flug zu bekommen – ein aussichtsloses Unterfangen. Es gibt nur noch vereinzelt Plätze in einigen wenigen Verbindungen. Die Airlines (allen voran die Lufthansa) beginnen ihre Flüge von und nach Israel einzustellen, was die Situation weiter verschärft. Auf den Seiten des Auswärtigen Amtes wird unverdrossen darauf hingewiesen, dass „Allein heute [] über 100 Flüge vom Flughafen Ben Gurion abgefertigt worden [sind].“ – man quasi ja nur einen Flug buchen muss, um heraus zu kommen. Und ganz wichtig: „Sollten Sie zwischenzeitlich Israel verlassen haben, löschen Sie bitte Ihre Daten in ELEFAND, damit wir uns nicht länger um Sie sorgen müssen.“ – Loriot: Ach!

Immerhin ist der Rückflug der Reisegruppe noch nicht gecancelt. Wir wenden uns per E-Mail an das Auswärtige Amt und die Sächsische Staatskanzlei mit der Bitte um Hilfe. Im ganzen Trouble fällt nicht auf, dass mein Vater die Mails vom Auswärtigen Amt nicht bekommt.

10. Oktober 2023

Die Sächsische Staatskanzlei antwortet: Sie können leider nicht helfen, das sei Aufgabe des Auswärtigen Amtes. Von dort kommt keine Antwort auf unsere Mail.

Am Nachmittag schreibt das Auswärtige Amt erneut an die Reisenden und gibt Hinweise, wie man über Jordanien ausreisen kann, man hätte einen Bustransfer von Tel Aviv nach Amman organisiert. Die Landsleute müssen nur ein Visum beantragen und die Einreisegebühr in bar mitnehmen. In Amman angekommen, kann man dann privat einen Flug nach Hause buchen. Klar, stimmt, von da fliegen ja auch noch Maschinen – bestimmt halbleer.

Meine Frau setzt per Whats-App Status einen Hilferuf ab: Jeder, der einen kennt, der einen kennt – irgendwie – egal, wir nehmen jede Hilfe. Eine Bekannte, die in der Sächsischen Staatskanzlei arbeitet, meldet sich bei meiner Frau – sie soll ihr alles zuschicken, was wir haben – sie versucht etwas zu erreichen.

Der Rückflug der Gruppe wird gecancelt – unsere Tochter, bis dahin einigermaßen optimistisch, kann vor Verzweiflung nicht einschlafen.

11. Oktober 2023

Das Auswärtige Amt antwortet auf unseren Hilferuf mit einer automatisch generierten Mail in der erklärt wird, wie man Angehörige im ELEFAND-System meldet. Okay, besten Dank.
Das Reisebüro ist verzweifelt. Nach Anfragen bei 40 Airlines ist das Ergebnis: Buchbare Einzelflüge sind ab 23. Oktober zu haben. Mein Vater ruft bei seinem Bruder in Görlitz an, der gute Kontakte in die sächsische Politik hat, und bittet ihn um Hilfe.

Die Presse meldet, dass eine Schülergruppe aus Stuttgart mit Hilfe der isländischen Regierung aus Israel ausgeflogen wurde. Der Druck auf das Auswärtige Amt erhöht sich, und dort scheint man sich endlich der Lage bewusst zu werden. Es werden Evakuierungsflüge ab 12. Oktober über Lufthansa organisiert. Wieder können keine Gruppen gemeldet werden, sondern nur Einzelpersonen. Jeder der Reisegruppe muss sich einzeln für einen Rückflug per Hotline registrieren. 18:00:00 Uhr wird die Hotline zur Anmeldung freigeschaltet, 18:00:01 Uhr ist sie hoffnungslos überlastet. Wir sind mit unserer Tochter im Kontakt – in der Reisegruppe macht sich Panik breit – kein einziger kommt bei der Hotline durch.

20:00 Uhr: Unsere Nachbarn sind herübergekommen, und wir beraten, was man tun könnte. Bei mir und meiner Frau liegen die Nerven blank. Der Nachbar schlägt vor, dass wir alle dort anrufen, bis wir durchkommen. Wir lassen uns die Hotline-Daten und Fotos von den Pässen schicken. Im Schreiben des Auswärtigen Amtes steht, dass die Hotline-Daten nicht weitergegeben werden dürfen. Ich bin unsicher, aber mein Nachbar beruhigt mich auf seine Art: „Spinnst Du? Wir rufen da jetzt an!“ Dauerfeuer von vier Telefonen auf die Hotline. Die Nachbarn gehen zurück in ihr Haus und versuchen es von dort weiter. Gegen 21:00 Uhr: Das Telefon der Nachbarin rastet in der Warteschleife der Hotline ein. Wir eilen zum Nachbarhaus – konnten ja nicht ahnen, dass wir zwei Stunden warten müssen.

Gegen 23:00 Uhr: Wir haben einen Mitarbeiter in der Leitung, der allerdings nur Englisch spricht. Die Anmeldung unserer Tochter dauert etwa 20 Minuten, da einiges an Daten zu übermitteln ist: Name, Telefonnummer und E-Mail-Adresse des Reisenden – stand das nicht im ELEFAND-System drin? Ja, aber der Mitarbeiter sieht nur den Namen. Eine Kreditkartennummer für die Flugkosten wird gebraucht, und – super wichtig – eine Rechnungsadresse. Alles in Englisch hin- und zur Kontrolle zurück-buchstabiert von zwei Nicht-Muttersprachlern. Es stellt sich heraus, dass mein Vater nicht auf der ELEFAND-Liste steht. Begleitperson hin oder her, er muss in der Liste sein, sonst geht nix. Ich buche den späteren der beiden Flüge nach Frankfurt in der Hoffnung, den Vater da noch rein zu bekommen. Wir reden mit der Tochter, dass sie eventuell alleine fliegen muss. Verzweiflung auf der anderen Seite – auf der hiesigen Seite so langsam auch.

Meine Frau hat inzwischen den Vater am Computer des Nachbarn bei ELEFAND gemeldet, aber die Daten sind bei der Hotline nicht direkt verfügbar – auch nicht nach mehreren Versuchen des Hotline-Mitarbeiters. Ich muss aus der Leitung raus – also von vorn.

Ab 23:30 Uhr: Parallele Einwahlversuche von drei Telefonen – die Nachbarin muss früh raus und ist schon im Bett.

Gegen 0:00 Uhr: Wieder in der Warteschleife angekommen. Wir gehen zurück in unser Haus, warten, und versuchen unsere Tochter zu beruhigen.

02:00 Uhr: Wir bekommen diesmal eine Mitarbeiterin – englischsprachig – mit der wir feststellen müssen, dass der Vater immer noch nicht in der ELEFAND-Liste sichtbar ist. Wir erklären ihr die Situation mit unserer Tochter und meinem Vater als Begleitperson. Sie hat Erbarmen und registriert meinen Vater – aber sie kann den Flug nicht festlegen, nur den Tag und den Zielflughafen. Gut, es gehen zwei Flüge pro Tag nach Frankfurt, vielleicht klappt es ja, die Chancen stehen 50/50. Das Buchstabier-Spiel fängt wieder an.

03:00 Uhr – Die Buchungsdaten sind da, Vater und Tochter sind im selben Flug. Einigermaßen beruhigt gehen wir ins Bett – Vater und Tochter haben ihre Buchungsinformationen bekommen.

12. Oktober 2023

8:00 Uhr: Die Tochter ruft (natürlich vollkommen verzweifelt) vom Flughafen an: Ihre Buchungsnummer ist nicht gültig. So langsam wird es Zeit für Digitalis. Die Hotline braucht diesmal nur eine knappe Stunde, um uns eine – englischsprachige – Mitarbeiterin zuzuteilen. Sie erklärt mir, dass der Registrierungs-Prozess aufgrund fehlerhafter Daten gestoppt wurde. Warum bekommen wir keine Information darüber? Warum muss das meine Tochter erst am Flughafen feststellen? Die Hotline-Mitarbeiterin und ich gehen die Registrierungsdaten meiner Tochter durch – da stimmt einiges nicht – der wahrscheinliche Grund: die Sprachbarriere. Sie bietet mir freundlicherweise an, dass ich in der Leitung warten kann, bis die Registrierung erledigt ist. Buchungsnummer und Flug bleiben – Gott sei Dank.

10:00 Uhr: Es wird bekannt, dass die Reisegruppe auch eine Reservierung in einem Flug nach München bekommen hat, weil sich der Ministerpräsident von Sachsen dafür eingesetzt hat. Er hatte offenbar einen Hilferuf aus Görlitz bekommen.

14:00 Es wird Zeit, nach Frankfurt aufzubrechen. Der Flug soll planmäßig 19:00 Uhr landen.

Wenn man alles so Revue passieren lässt, stellen sich etliche Fragen: Warum kommt das Auswärtige Amt erst nach vier Tagen zu dem Schluss, dass eine Evakuierung organisiert werden muss, wenn viele andere Länder bereits am Tag der Ausrufung des Kriegszustandes mit der Evakuierung begonnen haben? Die Empfehlungen seitens des Auswärtigen waren völlig nutzlos, und jedem, der halbwegs bei Trost ist, erschließt sich sofort, dass man in einer solchen Situation nicht einfach einen Flug nach Hause buchen kann. Wie kann man allen Ernstes eine Hotline zur Flugbuchung schalten, wenn man weiß, dass 5.000 Menschen sich registrieren wollen? Warum ist die Hotline eine kostenpflichtige Nummer in Deutschland, wenn ich weiß, dass die Leute in Israel sitzen, von denen viele vielleicht nur Prepaid-Verträge haben? Wieso sind da nur englischsprachige Mitarbeiter im Call-Center? Viele Urlauber sind Rentner mit begrenzten Englisch-Kenntnissen. Wieso sind bei der Registrierung nur die Namen aus dem ELEFAND-System verfügbar? Die Übermittlung von (E-Mail-) Adressen in Englisch ist eine riesige Hürde, zumal für höhere Semester – man denke nur an die Umlaute, die im System nicht funktionieren. Warum ist der Bezahl-Prozess, inklusive Rechnungsadresse (in Englisch buchstabiert) so wichtig und im Fehlerfall ein Show-Stopper, obwohl man das doch problemlos im Nachgang in der Heimat hätte klären können? Hat irgendjemand darüber nachgedacht, dass manche vielleicht gar keine Kreditkarte haben? Warum können Reiseunternehmen ihre Gruppen nicht im System anmelden? Man muss sich vergegenwärtigen, dass all diese unnötigen Hürden vor Leuten aufgebaut wurden, die im Stress sind, die ggf. älteren Semesters sind, die mit ihren Familien dort sind.

Man kann sich kaum vorstellen, wie sich ein 75-Jähriger fühlt, der seine Enkelin einfach nur gesund nach Hause bringen möchte und mit solchen (unnötigen) Hindernissen konfrontiert wird, die er nicht bewältigen kann. Ich darf meinen Vater gar nicht danach fragen.

Und wir sind noch der gute Fall in diesem Desaster.


Donnerstag, 28. September 2023

Kein Anschluss unter dieser Nummer: Die Bundeswehr gibt Milliarden für Funkgeräte aus und kann sie nicht benutzen

von Thomas Heck...

Wer dachte, mit dem Wechsel an der Spitze des Bundesverteidigungsministeriums von der Null Christine Lambrecht zu Boris Pistorius sei alles in Butter, muss jetzt ernüchtert konstatieren, dass da in der Bundeswehr ein Problem schlummert, welches viel tiefer sitzt. 

Den Soldaten ist wenig vorzuwerfen, machen sie doch einen guten Job, wenn sie Aufträge erfüllen. Das Material, welches jetzt in der Ukraine im Einsatz ist, ist robust, zuverlässig und durchhaltefähig. Vom Schützenpanzer Marder, dem Flugabwehrkanonenpanzer Gepard über den Leopard 2A6 bis hin zur Panzerhaubitze 2000: Deutsche Technik macht der russischen Armee sichtlich das Leben schwer.

Doch der Feind der Bundeswehr scheint im Innern zu sitzen. In den Amtsstuben der Bundeswehrverwaltung. Das war schon vor gut 25 Jahren so, als ich selber als Kompaniechef mit den Widerständen in den zivilen Verwaltungen zu kämpfen hatte, dass war auch vor 10 Jahren so, als wir uns beim Heck Ticker mit Problemen in der Truppe beschäftigen mussten. Ein Blick zurück lässt erahnen, dass sich seitdem nicht viel geändert hat. Manches scheint sich nie zu ändern. Na, dann siegt mal schön, sagte bei der Gründung der damalige Kanzler Konrad Adenauer. Die Bundeswehr ist davon weiter denn je entfernt.

Deutschland hat der Nato für 2025 eine voll ausgerüstete Division für die Ostflanke zugesagt. Nun ist absehbar, dass diese nicht rechtzeitig mit modernen Funkgeräten ausgestattet sein wird. Der peinliche Vorgang bringt auch Verteidigungsminister Pistorius in Erklärungsnot.

Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius auf einem Kampfpanzer Leopard 2A6.


Es ist Frühjahr 2018, als das deutsche Heer in Berlin ein Konzept vorstellt, das den Namen «Rüstung digitalisierter Landstreitkräfte» trägt. Darin zeigen die Autoren um den damaligen Generalleutnant Frank Leidenberger auf, dass die Funkgeräte des Heeres «hoffnungslos veraltet» seien. Im Ernstfall könnte das zu «kriegsentscheidenden» Nachteilen führen.

Schon damals war klar, dass es sich um ein dringliches und milliardenschweres Projekt handelt, bei dem nicht nur die Beschaffung der Funkgeräte betrachtet werden müsse. Genauso wichtig, äusserten Fachleute, sei es, parallel dazu den Einbau dieser Geräte in die etwa 34.000 Fahrzeuge des Heeres auszuschreiben. Schliesslich nutzten die besten Apparate nichts, wenn sie im Depot lägen.

Gut fünf Jahre später ist genau das eingetreten. Die Bundeswehr hat nagelneue Digitalfunkgeräte auf Lager, kann sie aber nicht in ihre Panzer, Transportfahrzeuge und Geländewagen einbauen. Für diese Installationsarbeiten gibt es bis anhin weder eine Ausschreibung noch einen Auftrag.

In Anbetracht der frühzeitigen Hinweise und Warnungen aus Fachkreisen wirft die Affäre ein schlechtes Licht auf das deutsche Verteidigungsministerium. Doch der Vorgang hat darüber hinaus auch massive sicherheitspolitische Folgen – Deutschland könnte seine Bündnisverpflichtungen nicht erfüllen.

Die Sparpläne des Beschaffungsamtes rächen sich

Berlin steht bei der Nato im Wort, ab 2025 eine voll ausgerüstete und einsatzfähige Heeresdivision für die Ostflanke vorzuhalten. Diese Zusage ist heute bereits absehbar Makulatur, weil die dringend notwendigen Digitalfunkgeräte nicht rechtzeitig eingebaut sein werden.

Im Einsatzfall würde das Heer daher mutmasslich mit analogen Funkgeräten aus den 1980er Jahren kämpfen müssen. Sie sind so leicht abzuhören, dass die Soldaten ihre Pläne dem Gegner auch direkt mitteilen könnten. Für die deutsche Regierung ist das ein ausserordentlich peinlicher Vorgang.

Es ist September 2021, als das Beschaffungsamt der Bundeswehr in Koblenz eine europaweite Ausschreibung für Führungsfunkgeräte vornahm. Diese Geräte werden gebraucht, damit Trupps, Gruppen, Züge, Kompanien und Bataillone miteinander kommunizieren können. Ohne sie kommen die Befehle von oben nicht bei den Soldaten an, egal ob mündlich oder schriftlich.

Eines der wichtigsten Kriterien lautet, dass diese Geräte Nachrichten verschlüsseln können, damit sie der Gegner nicht abhören oder mitlesen kann. Insgesamt 34.000 Stück sollten in nahezu alle Heeresfahrzeuge eingebaut werden.

Im September 2021 nahm sich die Bundeswehr für Ausschreibungen noch sehr viel Zeit. Es bewarben sich mehrere Unternehmen um den lukrativen Auftrag, darunter der bayrische Mittelständler Rohde und Schwarz sowie der französische Thales-Konzern. Parallel zu diesem auf mehr als ein Jahr angelegten «Teilnahmewettbewerb» hätte das Beschaffungsamt nach Überzeugung von Fachleuten auch den Einbau der Geräte ausschreiben müssen.

Doch das tat es nicht. Den Grund dafür meinen Verteidigungspolitiker aus dem Bundestag zu kennen: «Die Beschaffer hatten angenommen, dass sie durch eine zeitlich gestaffelte Ausschreibung der Geräte und ihres Einbaus Geld sparen», vermutet einer von ihnen. Das Amt in Koblenz habe befürchtet, dass die Rüstungsindustrie sonst die Zwangslage des Bundes ausnutze und überhöhte Preise aufrufe.

Wurde die Ausschreibung schlicht vergessen?

Dann kamen der russische Überfall auf die Ukraine und zwei Ansagen des deutschen Kanzlers Olaf Scholz. Erstens: Die Bundeswehr solle verstärkt auf marktverfügbare Produkte setzen, um schnell wieder einsatzfähig zu werden. Zweitens: In sicherheitssensitiven Bereichen seien deutsche Schlüsseltechnologien vorzuziehen.

Das Verteidigungsministerium entschied daraufhin, das Ergebnis der Funkgeräte-Ausschreibung nicht abzuwarten, sondern verhandelte direkt mit Rohde und Schwarz über einen Auftrag für mehrere zehntausend Digitalfunkgeräte. Der Vertrag hat zunächst ein Volumen von 1,3 Milliarden Euro.

Rohde und Schwarz war bisher eher für seine Nachrichtentechnik, nicht aber für Digitalfunkgeräte bekannt. Die Firma versprach der Bundeswehr, eine Produktionslinie für die Funkgeräte zu bauen. Damit liege von Anfang bis Ende alles in einer Hand.

In Anbetracht der hohen Sicherheitsrelevanz verschlüsselungsfähiger Digitalfunktechnik war das offensichtlich ein entscheidender Aspekt, der die Bundeswehr von ihrer bisherigen Praxis bei Ausschreibungen dieser Grössenordnung abrücken liess.

Ein wichtiges Kriterium bei Bundeswehr-Aufträgen ist es bisher gewesen, allen Bietern gleiche Chancen zu geben. Durch die Vergabe ausserhalb der Ausschreibung an Rohde und Schwarz sieht der Thales-Konzern seine Rechte verletzt und klagt seit dem vorigen Jahr gegen den Bund.

Bisher hat er in zwei Instanzen verloren. Die abschliessende Verhandlung findet im November vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf statt. Über dieses juristische Tauziehen und die hohe zeitliche Belastung durch weitere milliardenschwere Beschaffungsvorhaben («Sondervermögen») hätten Ministerium und Beschaffungsamt, so vermuten Verteidigungspolitiker, schlicht vergessen, den Auftrag für den Einbau der Geräte rechtzeitig auszuschreiben.

Vertragsunterzeichnung frühestens in einem Jahr

Diese Vermutung findet sich indirekt in einem internen Papier des Verteidigungsministeriums bestätigt, aus dem der «Spiegel» zitierte. So hätten sich die Planer der Bundeswehr bei der Entscheidung für Rohde und Schwarz «offenbar keine Gedanken gemacht», wie man die Geräte in die vielen verschiedenen Fahrzeugtypen des Heeres einbaue. Das Ministerium, so das Nachrichtenmagazin, gestehe nun ein, dass «deutliche technische Eingriffe in einzelne Systeme» nötig seien.

Diese Formulierung ist allerdings irreführend. Es bedarf keines Eingeständnisses, dass neue Funkgeräte in Fahrzeuge eingebaut werden müssen. Das ist der Bundeswehr seit langem klar, auch dem Verteidigungsministerium und dem Beschaffungsamt.

In der Koblenzer Behörde soll es nach Aussagen von Verteidigungspolitikern seit Jahren zwei Abteilungen geben, die sich mit dem Thema Funkgeräte befassen. Die eine organisiere den Kauf der Geräte, die andere ihren Einbau.

Doch während die Funkapparate seit Jahresbeginn vertragsgemäss von Rohde und Schwarz geliefert werden, ist der Auftrag für ihre Installation in den Fahrzeugen bis heute nicht ausgeschrieben. «Ich gehe davon aus, dass es erst in der zweiten Hälfte 2024 zu einer Vertragsunterzeichnung kommt», sagt Andreas Schwarz, Haushalts- und Verteidigungsexperte der Sozialdemokraten.

Pistorius muss sich unangenehmen Fragen stellen

Bis die etwa 13.000 Panzer und Fahrzeuge der deutschen Nato-Division umgerüstet sind, dürfte das Jahr 2025 vorübergegangen sein. Um die Peinlichkeit gegenüber den Verbündeten noch abzuwenden, müsste die Bundeswehr den Einbau selber vornehmen.

Dann würde aber der Garantieanspruch des Herstellers erlöschen, heisst es in Fachkreisen. Zudem habe sich bei der testweisen Installation einiger Geräte gezeigt, dass ihre Batteriekapazitäten zu gering seien und die Lichtmaschinen der Fahrzeuge mit dem zusätzlichen Strombedarf überfordert seien.

Verteidigungsminister Boris Pistorius, zu Wochenbeginn auf einer Reise im Baltikum, hat in Anbetracht der desaströsen Nachrichten ungewohnt unwirsch reagiert. Am Dienstag sagte der SPD-Politiker auf dem estnischen Militärflugplatz Ämari: «Das wird sich aufklären in den nächsten Wochen und Monaten. Ich bin darüber einigermassen verärgert.»

Zugleich hatte sein Ministerium aber eingeräumt, die Komplexität der Beschaffung unterschätzt zu haben, was nun zu erheblichen Verzögerungen führe. Es solle nun versucht werden, zumindest Teile der «Division 2025» noch rechtzeitig mit anderen Digitalfunkgeräten auszustatten.

Pistorius verwies am Dienstag darauf, dass der Auftrag für die Funkgeräte im Dezember erteilt worden sei, bevor er das Amt des Verteidigungsministers übernommen habe. «Ich wäre davon ausgegangen, dass man sich vor der Bestellung, aber mindestens mit der Bestellung darüber Gedanken macht, wie die Integration erfolgt.» Er kläre nun ab, warum das nicht passiert sei. Pistorius versucht nun «zu heilen, was zu heilen ist».

Für die gereizte Reaktion von Pistorius, nach wie vor beliebtester Politiker in Deutschland, gibt es eine Erklärung. Die Verantwortung für die Versäumnisse rund um den Digitalfunk liegt hauptsächlich in der Rüstungsabteilung seines Ministeriums und im Beschaffungsamt der Bundeswehr. Pistorius muss sich die Frage gefallen lassen, ob er dort die richtigen Personalentscheidungen getroffen hat.

Der Rüstungsstaatssekretär Benedikt Zimmer, seit April 2018 auf dem Posten, befindet sich trotz massiver Kritik aus Fachkreisen an seiner Arbeit noch immer im Amt. Und die Präsidentin des Beschaffungsamtes in Koblenz, Annette Lehnigk-Emden, war vor ihrer Ernennung im April dieses Jahres durch Pistorius die Stellvertreterin ihrer Vorgängerin. Sie war also schon bisher Teil des Apparats und damit des Problems.



Dienstag, 25. April 2023

Kampfschwimmer bekommen keine neuen Schlauchboote

von Thomas Heck...

Neun neue Einsatzboote sollte das Kommando Spezialkräfte der Marine erhalten. Doch nach SPIEGEL-Informationen ist das Beschaffungsprojekt gescheitert – die Sonderwünsche der Bundeswehr sind nicht realisierbar. Hier stellt sich wieder einmal die Frage, warum die Bundeswehr nicht Material und Ausrüstung am Markt beschafft, sondern immer darauf drängt, maßgeschneiderte Lösungen konstruieren zu lassen, was die Kosten treibt und auch unnötige Risiken bedeuten, von Fragen der Realisierbarkeit, zeitliche Verzögerungen und eben Kostensteigerungen. Ich nenne da als Beispiele den Schützenpanzer Puma, den Kampfhubschrauber Tiger und den Transporthubschrauber NH90.

Kampfschwimmer des Kommandos Spezialkräfte der Marine im überalterten Schlauchboot RHIB H1010



Das Kampfschimmer sind die älteste Spezialeinheit der Bundeswehr. Auf den 1966 gegründeten Verband kommt es an, wenn wichtige Informationen in Krisen- und Konfliktgebieten zu beschaffen, Geiseln oder gekaperte Schiffe zu befreien sind. 2014 gingen die Kampfschwimmer in das Kommando Spezialkräfte Marine (KSM) auf. 

Die Einheit versteht sich auf verdeckte Operationen. Folglich wurden die Kampfschwimmer dieser Tage auch für eventuelle Notfälle bei der Sudan-Evakuierungsmission der Bundeswehr ins Einsatzgebiet geflogen. Zu den Kernkompetenzen zählt allerdings auch Geduld beim Warten auf moderne Ausrüstung.

Seit vielen Jahren hoffen die Kampfschwimmer im Marinestützpunkt Eckernförde auf neue Einsatzboote, die ihre in die Jahre gekommenen Schlauchboote vom Typ RHIB H1010 ersetzen sollen. Im Juni vergangenen Jahres gab es eine gute Nachricht: Der Bundestag gab grünes Licht, und das Verteidigungsministerium bestellte neun Einsatzboote nebst Zubehör beim finnischen Unternehmen Boomeranger. Der Rahmenvertrag sah die Option auf zwölf weitere hoch spezialisierte Schlauchboote vor. Gesamtkosten: 34,4 Millionen Euro, zu entrichten aus dem 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Bundeswehr.

Firma kann Wünsche der Bundeswehr nicht umsetzen

Doch daraus wird nichts, es gibt keine neuen Schlauchboote für die Kampfschwimmer. Nach SPIEGEL-Informationen hat das Verteidigungsministerium das Beschaffungsprojekt am 6. April gestoppt. Dem Vernehmen nach konnte der finnische Hersteller die Ansprüche der Bundeswehr nicht in die Tat umsetzen und zog die Reißleine.

Im Haushaltsausschuss des Bundestags sorgt die Nachricht kaum für Überraschung. Schließlich hatten die Haushälter ihre Zweifel an dem Projekt im vergangenen Jahr mehrfach gegenüber dem Wehrressort deutlich gemacht. Die Leistungsanforderungen seien technisch unmöglich, hieß es. Im Kern geht es um die hohe Geschwindigkeit der Boote, die von den Beschaffern der Truppe eingefordert wurde. Deutsche Werften sollen sich angesichts der hohen Erwartungen im Vergabeverfahren vornehm zurückgehalten haben.

Die Parlamentarier kritisierten überdies, dass das Ministerium Abstriche bei Umweltvorschriften akzeptierte: Weil die neuen Boote die geltenden internationalen Abgasnormen nicht einhalten würden, hätten sie nur mit Sondergenehmigung in küstennahen Gewässern genutzt werden dürfen. Ich bin dagegen der Meinung, dass Abgasnormen gegenüber den Einsatzanforderungen zurückstehen müssen, auf keinen Fall Projekte zum scheitern bringen dürfen.


Den Parlamentariern sei früh zugetragen worden, dass namhafte deutsche Werften und auch die Schiffbauexperten der Bundeswehr von Anfang an massive Probleme in diesem Beschaffungsvorhaben gesehen hätten. »Der Forderungskatalog der Bundeswehr – so die Feststellung – war so umfangreich, dass er nach allen Regeln der technischen Kunst unmöglich in ein Bootsdesign umsetzbar war und ist«.

Das Ministerium habe jedoch wiederholt behauptet, dass die Konstruktion des Bootes möglich sei. Der CDU-Haushälter Gädechens bat, direkt mit einem zuständigen Schiffbauingenieur sprechen zu können. »Das Verteidigungsministerium hat auch jemanden aus dem Beschaffungsamt in Koblenz nach Berlin geschickt – nur keinen Schiffbauingenieur, sondern den Projektleiter«, beklagt Gädechens. Dieser habe die Bedenken der Abgeordneten nicht ausräumen können.

Kürzlich habe er die Information erhalten, dass die finnische Firma die Boote nicht bauen könne, so Gädechens. Er wirft dem Ministerium vor, seine Auskunftspflicht gegenüber dem Parlament zu missachten: Das Haus von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) habe die Abgeordneten nicht von sich aus über das Scheitern des Projekts informiert. Zudem sei die Antwort auf eine entsprechende schriftliche Frage des Abgeordneten Gädechens als vertraulich eingestuft worden, »sodass ich darüber nicht berichten darf«, moniert er.

»Begründet wird dies damit, dass sonst ›Rückschlüsse auf die Ausstattungssituation‹ der Spezialkräfte möglich wären. Was eine absurde Aussage«, sagt Gädechens und merkt an, dass das Ministerium bei der Vertragsunterschrift offenbar keinen Wert auf Geheimhaltung gelegt habe – damals ging eine Pressemitteilung raus.

Das Schlauchboot-Fiasko ist laut Gädechens ein Musterbeispiel für die eklatanten Schwächen im Beschaffungswesen der Bundeswehr. »Das Verteidigungsministerium hat sich absolut beratungsresistent gezeigt, obwohl so viele Warnhinweise vorlagen«, sagt er. »Letztlich war wieder einmal ein juristisch sauberes Vergabeverfahren die oberste Zielsetzung – nicht aber, dass die Truppe schnellstmöglich einsatzbereites Material erhält.«

Schluss mit »Goldrandlösungen«

Verteidigungsminister Pistorius weiß um die Mängel in seinem Apparat; er stellt ein radikal vereinfachtes und beschleunigtes Beschaffungsverfahren in Aussicht. Das absurde Beispiel der Schlauchboote für die Kampfschwimmer hat den Neuen im Bendlerblock bereits kurz nach Amtsantritt erreicht. Warum bestellt die Bundeswehr nicht Schlauchboote, die auch von anderen maritimen Spezialkräften genutzt werden? Eine Frage, die sich der Minister stellte – und die ihm die Experten aus dem Beschaffungsapparat bisher nicht beantworten konnten. Und so scheitert ein an sich kleines Projekt und lässt die Truppe mit älteren Material alleine. Wie man dann erwarten kann, dass Großprojekte problemlos realisierbar seinen, hat die Rechnung ohne den Wort gemacht. Bei der Beschaffung von Kampfhubschraubern wird sich ein ähnliches Debakel anbahnen, wo zivile Hubschrauber umgerüstet werden sollen. Wir hatten drüber berichtet.

Das Schlauchboot-Desaster ist ein Musterbeispiel dafür, wie sich die Bundeswehr selbst behindert. Statt auf dem Markt nach verfügbaren und erprobten Waffensystemen oder eben Schlauchbooten zu suchen, setzt man immer wieder auf speziell für die Bundeswehr entwickelte Modelle. In Bundeswehrkreisen werden diese teuren Projekte gern als »Goldrandlösungen« bezeichnet.

Pistorius will diese Praxis nun abschaffen. Wie der SPIEGEL enthüllte, ließ er dazu zwei grundlegende Anordnungen erarbeiten, die im Mai in Kraft treten sollen. Der Einkauf von neuem Material müsse mit sofortiger Wirkung »deutlich schneller, effektiver und unbürokratischer« erfolgen als bisher, heißt es in einem Entwurf. Und weiter: Alle bundeswehrinternen »Regelwerke, die gesetzliche Regelungen verschärfen, sind hiermit ausgesetzt«.

Fortan sollen keine Sonderanfertigungen mehr das Maß der Dinge bei der Truppe sein. Stattdessen heißt es im Entwurfspapier: »Marktverfügbarkeit ist die grundsätzlich vorzusehende Lösung.«

Die Kampfschwimmer werden sich jedoch noch eine Weile in Geduld üben müssen. Bis eine neue, diesmal umsetzbare Ausschreibung für Einsatzboote startet, dürfte es dauern. Ob die Kampfschwimmer übrigens wieder eine eigene Schwimmhalle für den Ausbildungsbetrieb haben?

Was allerdings weiterhin fehlt, ist eine Schwimmhalle für die Marinetaucher. Der Flughafen BER bekam für die 14 Jahren Bauzeit viel Häme, war aber zumindest ein Neubau. Die Schwimmhalle der Marinetaucher braucht denselben Zeitraum für die Sanierung. So ist im aktuellen Wehrreport zu lesen: „Die im Juli 2010 begonnenen und damit über zwölf Jahre währenden Sanierungsarbeiten fanden bis Ende des Berichtsjahres immer noch kein Ende. Zumindest soll auch in Eckernförde, so das Verteidigungsministerium, das Tauchen im Jahr 2024 wieder möglich sein.“



Dienstag, 4. April 2023

Zeitenwende bei der Bundeswehr: Die nächste Nullnummer der Ampel

von Sven Korte...

Seit über einem Jahr, seit dem 24. Februar 2022, tobt in der Ukraine der Krieg; ein Krieg, in dem beide Seiten inzwischen eine „Sieg oder Tod“-Haltung eingenommen haben. Beide Seiten werfen Menschenleben und Material in die erbittert geführten Kämpfe, deren Ausmaß und Verlauf an ähnliche Schlachten in der Region erinnern, die vor über achtzig Jahren geführt wurden. Sowohl die personellen als auch die materiellen Verluste beider Konfliktgegner haben astronomische Höhen erreicht, und es bleibt zu wünschen, dass dieser schreckliche Konflikt so schnell wie möglich sein Ende findet.

Flickschusterei und Ausbessern statt Modernisierung


Mit Kriegsausbruch fuhr dem friedensverwöhnten Europa fuhr ein gehöriger Schrecken in die Glieder und führte speziell der deutschen Regierung schmerzlich vor Augen, dass und wie sehr Finanzierung, Ausbildung und Ausrüstung der Bundeswehr seit Jahrzehnten sträflich vernachlässigt worden sind. So kündigte Bundeskanzler Olaf Scholz, in seiner ersten Reaktion zum russischen Angriff auf die Ukraine, am 27. Februar 2022 eine „Zeitenwende“ an: Der Bundeshaushalt sollte über ein "Sondervermögen” (sprich Sonderschulden) 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr enthalten, um diese zur „am besten ausgestatteten Streitkraft in Europa“ zu machen. Hochtrabende Worte, wie man sie von dieser Ampelregierung nur zu gut kennt. Doch was ist nach mehr als einem Jahr aus dieser groß angekündigten Zeitenwende geworden?

Nicht ein Schuss Munition nachbestellt

Die Antwort auf diese Frage ist ebenso einfach wie erschreckend: Die Zeitenwende ist eine Nullnummer. Die Bundeswehr wurde seitdem regelrecht ausgeplündert, musste ihre Munition, Schutzausrüstung, Kampf- und Schützenpanzer sowie selbstfahrende Artilleriegeschütze an die Ukraine abgeben. Stand März 2023 wurde nicht ein Schuss Munition, nicht ein Panzer, nicht eine Panzerhaubitze bei der Industrie nachbestellt.

Wenn man die derzeitige Entwicklung verfolgt, wird es wohl auch nicht mehr lange dauern, bis Deutschland seine letzten einsatzfähigen Kampfflugzeuge an Kiew abgibt. Diese Voraussage ist nicht unmöglich. Die Theorie des Overton-Fensters besagt, dass Themen eine Zeitlang politisch umsetzbar sind und dass man diesen Prozess lenken kann. Dabei durchläuft ein Thema verschiedene „Fenster“, in denen eine Maßnahme zunächst als „undenkbar“ und dann als „radikal“ angesehen wird, dann „akzeptabel“ wird, um anschließend als „sinnvoll“ und dann als „populär“ zu erscheinen, um dann zur „Staatspolitik“ zu werden.

Kommt Ihnen das bekannt vor? Wenn wir an die Debatte um die Lieferung schwerer Waffen (wie etwa der Schützenpanzer Marder oder der Kampfpanzer Leopard 2) denken, erleben wir im Hinblick auf die Overton-Theorie geradezu ein Déjà-vu. Kiew fordert - es bittet nicht, es verlangt (!) - ja schon seit längerem Kampfflugzeuge, U-Boote und Kriegsschiffe von Deutschland. Wir werden erleben, das auch diese Rüstungsgüter in Kürze in die Debatte aufgenommen werden und man uns wieder einmal erklären wird, selbst bei Überschreiten dieser nächsten roten Linie sei Deutschland noch keine Kriegspartei. Es wäre interessant zu erfahren, ab wann Deutschland nach Ansicht der Ampel-Regierung Kriegspartei wird - vielleicht erst, wenn deutsche Panzer auf den Roten Platz rollen?

Wer widerspricht, wird entlassen

Jedenfalls verfügt die Bundeswehr auch über ein Jahr nach Kriegsausbruch weder über ausreichend Soldaten, Waffen oder Munition, um ihren Hauptauftrag, die Verteidigung unserer Heimat, auch nur hinreichend erfüllen zu können. Doch wie bei so vielen "Baustellen" in Deutschland sind auch hier die meisten Probleme hausgemacht - denn das sogenannte „Sondervermögen“ für die Bundeswehr wird gerade mehr oder weniger sinnlos verbrannt. Die Misswirtschaft in den Streitkräften führt zu finanziellen Schäden in zweistelliger Milliardenhöhe - was auch erklärt, warum selbst noch mehr Gelder für die Bundeswehr keines ihrer Probleme lösen können.

Das deutsche Verteidigungsministerium in Berlin ist, wie inzwischen so viele andere staatliche Institutionen im Land, zu einem Hort der Misswirtschaft verkommen. Dieser Umstand wird sofort ersichtlich, wenn man einmal die Schwierigkeiten der Bundeswehr mit ihrer unzulänglichen Ausrüstung, mit nicht vorhandenen Ersatzteilen und der fehlenden Munition Revue passieren lässt. Themenkomplexe wie diese beherrschen schon seit Jahren die Schlagzeilen, ohne dass sich daran etwas unter vier Verteidigungsministern geändert hätte. Auch die nun neu aufgenommenen Staatsschulden in Höhe von 100 Milliarden - etwas anderes ist das so deklarierte „Sondervermögen der Bundeswehr“ nämlich nicht - vermag an dieser Lage nichts zu verändern, denn die Probleme sind strukturbedingt.

Vorwürfe allein gegen die Führungsebene

Um nicht missverstanden zu werden: Die Vorwürfe richten sich nicht gegen die einfachen Soldaten, die tagtäglich all diese Mängel erleben und trotzdem noch über die Motivation und den Willen verfügen, ihre Pflicht zu erfüllen. Sie trifft keine Schuld an der Misere; im Gegenteil. Für ihr Engagement und ihren Einsatz gebührt den Männern und Frauen, die die Uniform unseres Landes tragen, höchster Respekt und Anerkennung. Nein: Die Vorwürfe richten allein gegen die Führungsebene. Gemeint sind hier die ranghohen Offiziere, die der teils irrwitzigen Politik aus Angst um den Fortbestand ihrer Karriere nicht widersprechen, sowie die politischen Vorgesetzten der Bundeswehr, die sich seit vielen Jahren nicht ausreichend um die Streitkräfte, um die Soldaten und um deren Belange kümmern.

Und wenn tatsächlich einmal ein solcher Offizier den Mund aufmacht, wird er sogleich entlassen. An dieser Stelle sei nur an Vizeadmiral Kay-Achim Schönbach erinnert, der als Gast des Manohar Parrikar Institute for Defence Studies and Analyses (MP-IDSA) in Indiens Hauptstadt Neu-Delhi vor laufender Kamera unter anderem zum Russland-Ukraine-Konflikt eine andere Ansicht vertrat als die offizielle Position der Bundesregierung. Natürlich kann man auf diese Weise kritische Stimmen aus den Reihen des Militärs mundtot machen; allerdings haben solche Verfahrensweisen dann nur noch wenig mit einer Demokratie gemein und sind einer Parlamentsarmee, als die sich die Bundeswehr definiert, gänzlich unwürdig.

Aufschlussreiche Vergleiche mit dem französischen Nachbarn

Um einmal ein reales Bild vor Augen zu bekommen, vergleichen wir die Streitkräfte unseres Nachbarn Frankreichs mit der Bundeswehr. Natürlich hinkt dieser Vergleich ein wenig, denn wir verfügen - aus gutem Grund - über keine aktuellen Zahlen zur Einsatzbereitschaft der Bundeswehr (diese wurden seit 2020 für "geheim” erklärt), und Frankreich ist eine Atommacht; aber wenn wir nur die konventionellen Streitkräfte betrachten - also Armee, Marine und Luftwaffe -, können wir uns ein brauchbares Bild machen. Deutschland und Frankreich haben für ihre Streitkräfte in etwa identische Summen ausgegeben und verfügen auch über vergleichbare Hauptwaffensysteme, also Kampfpanzer, Kampfflugzeuge und Schiffe. Frankreich unterhält 254 Kampfpanzer vom Typ Leclerc und Deutschland 244 Kampfpanzer vom Typ Leopard. Von den Stückzahlen her nehmen sich beiden Länder also nicht viel. Allerdings musste das deutsche Verteilungsministerium vor kurzem einräumen, man müsse die vorhandenen Panzer erst einmal zählen, um zu wissen, wie viele davon eigentlich noch bei der Bundeswehr zu finden sind. Wie soll man diesen Kommentar verstehen? Das zuständige Ministerium weiß nicht, wie viele Panzer unsere Armee überhaupt hat? Das ist wohl ein Armutszeugnis sondergleichen.

Bei den Luftstreitkräften sehen die absoluten Stückzahlen für Deutschland nicht sehr gut aus. Frankreich kann etwas mehr als 500 Kampfflugzeuge sein eigen nennen; Deutschland kommt auf rund 200, davon sind 140 Eurofighter Typhoon, von denen wiederum weniger als 25 Prozent - in absoluten Zahlen: weniger als 35 - überhaupt einsatzbereit sind. Und dieses „einsatzbereit“ ist dabei noch stark geschönt, denn "einsatzbereit” heißt nicht gleich "kampfbereit”; von der Fähigkeit also, zu starten, Waffensysteme zum Einsatz zu bringen und wieder zur Basis zurückzukehren, sind diese Jets weit entfernt. „Kampfbereit“ sind nach dieser Definition tatsächlich nur zehn bis zwölf unserer Eurofighter - was an den verschiedenen Upgrades liegt. Die ältesten Maschinen der zuerst ausgelieferten Tranchen müssen an die aktuelle Version angeglichen werden, und wenn neue Waffen, Sensoren oder Fähigkeiten integriert werden sollen, sind sie während dieser Zeit natürlich nicht kampfbereit, sondern müssen die „Hangar-Königin“ spielen.

Das Problem ist die Misswirtschaft

Bei der Marine wird der Unterschied unserer Streitkräfte zum westlichen Nachbarn besonders deutlich: Frankreich hat 10 Atom-U-Boote, mehrere konventionelle U-Boote, einen atomgetriebenen Flugzeugträger und noch etwa 55 weitere Kriegsschiffe im Dienst. Deutschland hingegen verfügt nur noch über 6 konventionelle U-Boote und insgesamt 14 Fregatten und Korvetten, und natürlich keine Atom-U-Boote oder gar Flugzeugträger. Von den genannten Einheiten sollen zudem nur ein oder zwei U-Boote sowie zwei, maximal drei Schiffe insgesamt einsatzbereit sein. Das alles ist schon dramatisch genug; der wichtigste Unterschied zwischen den beiden Streitkräften ist jedoch der, dass die französischen Panzer, Flugzeuge, Hubschrauber und so weiter praktisch ohne Ausnahme einsatzfähig sind - während das bei der Bundeswehr bekanntlich nicht der Fall ist. Dass die französische Truppenstärke rund 230.000 aktive, hochmodern ausgerüstete und bewaffnete Soldaten umfasst, gegenüber etwa 185.000 Mann leidlich ausgerüsteten Soldaten in Deutschland, sei hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt.

Man kann also festhalten, dass der Bundeswehr nicht unbedingt zu wenig Geld zur Verfügung steht, sondern dass es ein sehr ernstes Problem mit Misswirtschaft, Verschwendung und teilweise sogar massiver Korruption geben muss. Wenn sich die Gelder für die Bundeswehr ständig irgendwie in Luft auflösen - angefangen von Gerätebestellungen über Beraterhonorare bis hin zur Gorch-Fock-Sanierung, wird auch mehr Geld dieses Problem nicht lösen, sondern es versickert in den gleichen Löchern wie bisher. Bevor also fröhlich weitere Milliarden verteilt werden, müssen zuerst einmal diese strukturellen Missstände behoben werden, muss im Verteidigungsministerium erst einmal wieder Ordnung geschaffen und geklärt werden, wohin die Unsummen überhaupt fließen und wo sie versickern. Das gleiche gilt für das Beschaffungswesen der Bundeswehr: Auch hier müssen Verträge und Angebote verglichen und überprüft werden, bevor man irgendein Waffensystem bestellt.

Überteuerte Pannenflieger

Da die einzelnen Problembereiche ganze Bücher füllen könnten, beschränken wir uns hier nur auf Einzelaspekte und nehmen einmal die unglückliche F-35 von Lockheed Martin als Beispiel: Im Dezember 2022 hat die Ampelregierung beschlossen, 35 Lightnings zu bestellen. Das Problem dabei ist jedoch, dass die F-35 noch immer nicht technisch ganz ausgereift ist, von Pannen geplagt wird und ganz nebenbei den Titel des teuersten Kampfflugzeugs der Welt trägt. Die Bundesregierung darf für die 35 Exemplare nun fast 300 Millionen Euro pro Flugzeug auf den Tisch legen – ein Rekordpreis! -, während unsere Schweizer Nachbarn für ihre 36 Maschinen gut ein Drittel weniger bezahlen müssen. In der freien Wirtschaft würde niemand einen Kaufvertrag unterschreiben, bei dem er für dieselbe Ware ein gutes Drittel mehr bezahlen muss als sein Nachbarn. Unser Verteidigungsministerium hat damit aber offensichtlich kein Problem.

Hinzu kommt, dass noch nicht einmal klar benannt werden kann, wann die neuen F-35-Exemplare in Dienst genommen werden können - denn für den Einsatz der Lightnings müssen zuerst die dafür vorgesehenen deutschen Luftwaffenstützpunkte umgebaut werden. Nach aktuellen Planungen wird die deutsche Luftwaffe ab 2026 insgesamt 35 Stück F-35A im Rahmen des Programms Block 4 erhalten. Dieses Programm für die F-35 schlägt laut Schätzungen mit insgesamt rund 15 Milliarden US-Dollar zu Buche und umfasst mehr als 75 Veränderungen – vorrangig im Bereich elektronischer Hard- und Software, aber auch bei der Triebwerksfrage. Das alles sind Dinge, die auf ungute Weise an die F-104 "Starfighter" erinnern, die ebenfalls von Lockheed stammte und über lange Jahre als „Witwenmacher“ traurigen Ruhm erntete.

Technische Laien und Parteiapparatschiks statt Profis

Die Bundeswehr benötigt auch dringend neue Transporthubschrauber, die ebenfalls in den USA gekauft werden sollen. Die Rede ist vom CH-47 Chinook, ein sehr guter, verlässlicher und einsatzerprobter Helikopter. Für die angestrebten 60 Exemplare waren rund 6 Milliarden Euro veranschlagt worden; nun hat sich der Kaufpreis auf 12 Milliarden Euro glatt verdoppelt! Laut "Business Insider” haben die USA Deutschland gegenüber erklärt, dass die von der Bundeswehr gewünschte Spezialausrüstung die Helikopter verteuere, weil einige der gewünschten Komponenten noch nicht einmal entwickelt sind. Dabei ist die Rede von Zusatztanks und der Möglichkeit zur Luftbetankung – alles Dinge, die jedoch in bisherigen Modellen des CH-47 bereits erfolgreich integriert und erfolgreich im Einsatz eingesetzt worden sind. Der wahre Grund für eine Verdoppelung des Kaufpreises erschließt sich dem Außenstehenden so also nicht; aber man darf vermuten, dass auch hier wieder für Deutschland ungünstige Konditionen in die Verträge eingeflossen sind. Das könnte den neuen deutschen Verteidigungsminister Boris Pistorius in eine unangenehme Lage bringen, und der Staatssekretär im deutschen Verteidigungsministerium für Rüstung, Informationstechnologie und Planung, Benedikt Zimmer, könnte sogar seinen Job verlieren, mutmaßt "Business Insider”.

Tja: So etwas passiert eben, wenn man den wichtigen Schaltstellen im Beschaffungs- und Planungswesen der Streitkräfte technische Laien positioniert, die fachlich wenig oder gar keine Eignung vorweisen können, jedoch über die richtigen Beziehungen und das korrekte Parteibuch verfügen. Die sachlichen Eingaben unserer Soldaten an das Verteidigungsministerium, die fachlich nicht zu beanstanden sind, werden aus Mangel an Fachwissen, Einsicht und ideologischer Blindheit verworfen und der Truppe wird teilweise sogar mit Konsequenzen gedroht, weil sie es gewagt hat, auf Missstände hinzuweisen. So kann man ein Ministerium nicht führen.

Der Fisch stinkt vom Kopf

Wie sagt der Volksmund doch so treffend: Der Fisch stinkt immer vom Kopf, und so verhält es sich auch im Falle der Bundeswehr. Wenn auf der Führungsebene und in den für die Beschaffung zuständigen Ämtern nicht sehr rasch ein radikales Umdenken erfolgt, wird auch der 100 Milliarden-Kredit vulgo „Sondervermögen“ irgendwo versickern - und unsere Soldaten stehen am Ende noch schlechter da, als es bereits jetzt schon der Fall ist.

Ebenso muss das Ansehen unserer Soldaten in der Bevölkerung wieder steigen. Jahrzehntelang wurde das Bild der "rechten”, "rechtsradikalen” und "rechtsextremen” Bundeswehr von Politik und Medien gefördert; so sehr, dass sich unsere Soldaten heute nicht einmal in Uniform in die Öffentlichkeit wagen können, ohne dafür beschimpft, bespuckt oder angegriffen zu werden. Die Männer und Frauen unserer Bundeswehr sind bereit, jeden Tag ihr Leben dafür einzusetzen, um unserer Land und unsere Bürger zu beschützen. Sie verdienen dafür nicht nur die beste verfügbare Ausrüstung, sondern verdienen und benötigen auch unseren Respekt, unsere Anerkennung und vor allem eine kompetente und fachlich gebildete militärische und politische Führung, die alles Notwendige und Mögliche unternimmt, um die Truppe zu unterstützen. Zum Abschluss noch ein Wort an die Kameraden der Bundeswehr: Wir denken an euch. Wir unterstützen euch. Und wir danken euch für euren Dienst an unserem Land. Mit kameradschaftlichem Gruß!