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Mittwoch, 8. März 2023

In Rostock brach die Sabotage-Jacht zu ihrer Nord-Stream-Mission auf

von Thomas Heck...

Überraschende Wendung in Sachen Nord-Stream-Angriff. Anders als im Hersh-Bericht verbreitet waren es nicht die USA, sondern jetzt sollen es die Ukrainer gewesen sein, die eine Jacht in Deutschland charterten, mit Sprengstoff beluden 150 km auf die Ostsee fuhren, um an der richtigen Stelle in geschätzt 90 m Wassertiefe (Sporttaucher tauchen so bis 40 Meter Wassertiefe) an 3 Stellen Sprengsätze anzubringen und per Zeitzünder zur Explosion brachten.

Es hätte eine brilliante Geheimdienstaktion sein können, wenn diese James Bonds nicht zwei Reisepässe zurückgelassen hätten. Aber Fehler können schon mal passieren. 

Will man uns hier für dumm verkaufen? Was hätte die Ukraine davon gehabt, seine engsten Verbündeten zu verprellen, auf deren Hilfe sie dringend angewiesen ist? Würde man uns diesen Plot in Form eines James Bond-Films verkaufen wollen, kämen wir aus dem Kino und würden uns an den Kopf fassen. Für mich riecht das eher nach einer False Flag-Operation russischer Einheiten mit dem Ziel, die Ukraine zu diskreditieren und Unruhe in die NATO zu bringen. Denn hierzulande wird oft vergessen, dass hier nicht ein Krieg gegen die Ukraine läuft, sondern parallel auf ein Informationskrieg auf allen Ebenen. Das Wiederauferstehen einer Friedensbewegung ist kein Zufall. Wir werden es zu Ostern wieder erleben.

Und die Desinformationskampagne gegen die Ukraine ist den Russen auch gut gelungen. Der Tenor auf Twitter war in den letzten Monaten, dass es die USA waren, jetzt wird der Putin-liebende Pöbel die gleiche Mär von der Ukraine als Angreifer verbreiten. Denn eines sollte man sich immer klarmachen: Wir als Bürger werden nie umfassend informiert werden, was da wirklich vorgefallen ist. Jeder wird das glauben, was er glauben will und wird sich auch nicht durch Argumente überzeugen lassen. Und die USA-Hasser werden weiterhin die hanebüchene Geschichte des Hersh-Berichts glauben und weiter verbreiten. Sollen sie... vielleicht können wir es noch den FFF-Terroristen um Luisa Neubauer in die Schuhe schieben.

Auszuschließen ist ja nicht mal eine Option, nach der Deutschland selbst den Anschlag in Auftrag gegeben hat, um das lästige Thema Nordstream endlich vom Hals zu sein. Eines kann man sich jedoch sicher sein. Manuela Schwesig war es mit 100%iger Sicherheit nicht. Die hat sogar ihre politische Zukunft für das Ziel aufs Spiel gesetzt, dass die Pipeline unter Umgehung US-amerikanischer Sanktionen ans Netz ging, und hat das deutsche Gesetz gebrochen und gebeugt, dass sich die Balgen biegen.


Bei der Untersuchung der Sprengung der Nord-Stream-Gaspipelines in der Ostsee im September ist deutschen Ermittlungsbehörden laut Medienberichten offenbar ein Durchbruch gelungen.

Bei dem Sabotageakt führten Spuren in die Ukraine, berichteten „Die Zeit“ und die ARD am Dienstag unter Berufung auf Ermittlungsergebnisse. Die Tätergruppe habe ein Boot genutzt, das von einer Firma im Besitz zweier Ukrainer angemietet worden sei. Die „New York Times“ berichtete über Erkenntnisse über eine „pro-ukrainische Gruppe“.

Mit einer Jacht fahren die Nord-Stream-Saboteure zur Pipeline

Die „Zeit“ berichtete auf ihrer Website, gemeinsame Recherchen mit dem ARD-Hauptstadtstudio, dem ARD-Politikmagazin „Kontraste“ und dem SWR hätten ergeben, dass deutsche Ermittlungsbehörden weitgehend rekonstruiert hätten, wie und wann der Sprengstoffanschlag auf die Pipelines Nord Stream 1 und 2 vorbereitet wurde. Demnach identifizierten sie das Boot, das mutmaßlich für die Geheimoperation in der Nacht zum 26. September 2022 genutzt wurde.

Dem Bericht zufolge soll es sich um eine Jacht handeln, die von einer Firma mit Sitz in Polen angemietet worden sei. Die Firma gehöre offenbar zwei Ukrainern. An der Sprengung seien den Ermittlungen zufolge fünf Männer und eine Frau beteiligt gewesen. Die Gruppe habe sich zusammengesetzt aus einem Kapitän, zwei Tauchern, zwei Tauchassistenten und einer Ärztin.

Auf der Jacht finden die Ermittler Sprengstoffspuren

Das Team verfügte laut „Zeit“ und ARD über professionell gefälschte Reisepässe, die unter anderem für die Anmietung des Bootes genutzt worden sein sollen. Das Kommando sei am 6. September 2022 von Rostock aus in See gestochen. Die Ausrüstung für die Geheimoperation sei vorher mit einem Lieferwagen in den Hafen gebracht worden.

Im weiteren Verlauf gelang es den Ermittlern den Medienrecherchen zufolge, das Boot am folgenden Tag in Wieck am Darß und später an der dänischen Insel Christiansö zu orten. Nachdem die Jacht in ungereinigtem Zustand zurückgegeben worden sei, hätten Ermittler auf dem Tisch in der Kabine Spuren von Sprengstoff nachgewiesen. Die Ermittler fanden den Recherchen zufolge allerdings keine Beweise dafür, wer die Nord-Stream-Zerstörung in Auftrag gegeben hat.

Ermittler schließen auch eine False-Flag-Aktion nicht aus

In der ARD hieß es, in internationalen Sicherheitskreisen werde nicht ausgeschlossen, dass bewusst Spuren gelegt worden sein könnten, um die Ukraine als Urheber hinzustellen. Hinweise auf eine solche sogenannte False-Flag-Aktion lägen den Ermittlern aber offenbar nicht vor.

Die „New York Times“ ("NYT") berichtete am Dienstag, dass nach Erkenntnissen der US-Regierung eine pro-ukrainische Gruppe hinter dem Sprengstoffanschlag stecke. Verantwortlich seien vermutlich ukrainische oder russische Staatsbürger, sagten demnach mehrere anonyme US-Regierungsvertreter unter Berufung auf neue Geheimdienstinformationen. Hinweise auf eine Verwicklung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj oder seines engen Umfelds gebe es nicht.

CIA gibt keine Antwort auf „NYT“-Anfrage

Eine Sprecherin der Bundesregierung erklärte auf Anfrage, die Bundesregierung habe den „NYT“-Bericht zur Kenntnis genommen. Deutschland, Schweden und Dänemark hätten den UN-Sicherheitsrat vor wenigen Tagen darüber informiert, dass ihre „Untersuchungen laufen und es noch kein Ergebnis gebe“.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte US-Präsident Joe Biden am Freitag in Washington getroffen. Ob es dabei auch um die Ermittlungen zu den Nord-Stream-Sprengungen ging, ist nicht bekannt.

Der US-Auslandsgeheimdienst CIA wollte den „NYT“-Bericht nicht kommentieren. Der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates der USA, John Kirby, sagte auf Nachfrage, die Ermittlungen von Deutschland, Schweden und Dänemark seien noch nicht abgeschlossen, und er wolle den Ergebnissen nicht vorgreifen.

Stoltenberg will nicht spekulieren

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg pflichtete bei einem Besuch in Stockholm bei, es sei „nicht richtig zu spekulieren, bis die laufenden Ermittlungen abgeschlossen wurden“.

Die Explosionen hatten im September in den Wirtschaftszonen Schwedens und Dänemarks in der Ostsee mehrere Lecks in die Pipelines Nord Stream 1 und Nord Stream 2 gerissen, die für den Transport von russischem Gas nach Deutschland gebaut worden waren. Die Pipelines waren zum Zeitpunkt der Explosionen nicht in Betrieb, enthielten aber Gas. Nach Angaben Schwedens wurden Sprengstoffreste nachgewiesen.

Russland weist Vorwürfe entschieden zurück

Als Drahtzieher der mutmaßlichen Sabotage wurde unter anderem Russland selbst verdächtigt. Die russische Regierung wies dies entschieden zurück und zeigte mit dem Finger auf Washington.

"Es ist einfach ein Mittel, um den Verdacht von denjenigen in offiziellen Regierungspositionen, die die Angriffe in der Ostsee angeordnet und koordiniert haben, auf irgendwelche abstrakten Personen zu lenken", erklärt die russische Botschaft in den USA auf der Nachrichtenplattform Telegram. „Wir können und wollen nicht an die Unparteilichkeit der Schlussfolgerungen der US-Geheimdienste glauben.“ Die US-Regierung hatte den Bau von Nord Stream 2 als geopolitisches Druckmittel des Kremls verurteilt.

Anfang Februar sorgte dann der bekannte US-Investigativreporter Seymour Hersh mit einem Bericht für Aufsehen, demzufolge US-Marinetaucher bereits im Juni Sprengsätze an den Gaspipelines angebracht haben sollen. Diese seien im September ferngezündet worden.

Die US-Regierung hat dies entschieden zurückgewiesen. Unabhängige Faktenprüfer haben auf Ungereimtheiten in dem Hersh-Bericht hingewiesen.




 

Samstag, 25. Februar 2023

Der russische Kampf gegen die ukrainische Luftverteidigung

von Thomas Heck...

Ich höre immer schon das Internet aufheulen, wenn der ukrainische Präsident Selenskij neue Forderungen an seiner "Unterstützer" im Westen richtet, doch der Krieg wird ohne Unterstützung aus dem Westen nicht gewinnbar sein. Fortlaufende Unterstützung, wohlgemerkt. Ein Schlüssel in diesem Krieg, wie eigentlich in jedem Krieg der Neuzeit, ist das Gewinnen der Lufthoheit. Diese erlangt man, in dem man durch hochwirksame Flugabwehr das eigene Territorium, die eigene Infrastruktur lückenlose überwachen und sichern kann. In einem zweiten Schritt käme es denn zu der Erlangung der Luftüberlegenheit im umkämpften Gebiet, idealerweise auch im Territorium des Angreifers.

Die aktuelle Diskussion um die Lieferung von Kampfflugzeugen ist daher eher nur temporärer Natur, denn diese wird kommen. Je früher desto besser. Russland hat gegen die wirtschaftliche Macht des Westens auf Dauer keine Chance. Besser, man macht es Putin daher frühzeitig klar, damit dieser Krieg schneller enden kann.


Der Krieg in der Ukraine weist eine Besonderheit auf: Der Einsatz der Luftstreitkräfte findet auf beiden Seiten praktisch nur in absoluter Frontnähe statt. Die Gründe dafür liegen in den Luftverteidigungsfähigkeiten beider Parteien. Diese stellen für die jeweiligen Luftstreitkräfte eine derart große Bedrohung dar, dass Angriffe in die Tiefe des gegnerischen Raumes – abgesehen von den ersten Kriegstagen – fast ausschließlich mit Abstandswaffen, die vom eigenen Territorium aus verschossen werden, erfolgen. Grund dafür sind die Luftverteidigungsfähigkeiten der jeweils gegnerischen Seite in Kombination mit schwach ausgeprägten Freund-Feind-Erkennungsfähigkeiten, die zu mehreren Abschüssen eigener Maschinen geführt haben. Dies haben die für die Luftkriegsführung zuständigen Experten des Royal United Services Institute (RUSI) bereits Anfang November im Rahmen der „The Russian Air War and Ukrainian Requirements for Air Defence“ benannten Studie analysiert.

Die Ukraine verfügt kaum über eigene Flieger, um großangelegte Luftoperationen zu starten. Russland hingegen hätte sowohl genügend Kampfbomber als auch strategische Bomber, will diese aber wohl nicht für riskante Operationen aufs Spiel setzen, da diese im Vergleich zu Landsystemen erheblich schwerer nachzubeschaffen wären und man auch über keine Reservebeständen an eingemotteten Flugzeugen verfügt. So schien es seit Monaten, dass der Krieg fast ausschließlich auf dem Boden stattgefunden hätte. In den vergangenen Monaten sind jedoch weitere Aspekte zu beobachten, die bessere Rückschlüsse auf die russische Strategie um die Luftherrschaft in der Ukraine erlauben.

Es vergeht kaum eine Woche, in der kein Luftalarm über den ukrainischen Großstädten ausgelöst wird. Und auch wenn die ukrainische Luftverteidigung – mit Hilfe der bereits zahlreich gelieferten Flugabwehrmittel – die Masse der aus Russland anfliegenden Marschflugkörper und Drohnen abfängt, gelingt es denn Russen immer wieder, empfindliche Treffer zu landen. Ziel der Angriffe sind zumeist Objekte der ukrainischen Energieinfrastruktur. Dies hat vermutlich mehrere Ursachen.

Eine mögliche Strategie hinter den Raketenangriffen

Verfolgt man insbesondere die deutsche Berichterstattung, wird von den Medien, Politikern und Experten fast ausschließlich die Terrorisierung der ukrainischen Bevölkerung als Grund für diese Angriffe aufgeführt. Diese Betrachtungsweise greift vermutlich zu kurz. So hat die Geschichte, beginnend mit den deutschen Luftangriffen auf London, bereits mehrmals gezeigt, dass diese „Strategie des Terrors“ die Wirkung verfehlt und eher das Gegenteil bewirkt: Die Bevölkerung kommt noch näher zusammen und unterstützt die Verteidigungsbemühungen noch entschlossener. In einer nüchternen Betrachtung der Geschehnisse muss man davon ausgehen, dass die Verbreitung von Terror nicht das primäre Ziel solcher Angriffe ist. Auch wenn die russischen Streitkräfte in dem letzten Jahr viele Fehler begangen haben, muss am Ende des Tages doch immer davon ausgegangen werden, dass da nicht nur Amateure am Werk sind. Auch russische Offiziere haben in diesem Krieg für die knappen Präzisionswaffen sicherlich eine bessere Verwendung als die Terrorisierung der ukrainischen Bevölkerung mehrerer hundert Kilometer hinter der Front, während gleichzeitig mehrere tausend Soldaten im Monat fallen, weil nicht genügend Feuerkraft für die Überwindung ukrainischer Verteidigungsstellungen zur Verfügung steht.

Mit diesen Gedanken im Hinterkopf ist es ratsam, die Strategie hinter den Angriffen zu suchen. Und da sind beispielsweise US-Beobachter des Kriegsgeschehens deutlich nüchterner und damit weiter in ihrer Analyse als viele deutsche Beobachter bzw. Kommentatoren des Krieges, die sich darin erschöpfen, Angriffe auf die zivile Infrastruktur moralisch zu verdammen. Michael Kofman, Direktor des Russia Studies Program am CNA, verweist in einer Anfang Januar erschienenen Podcast-Folge von „War on the Rocks“, beispielsweise darauf, dass die Energieinfrastruktur aus russischer Perspektive ein legitimes militärisches Ziel ist, schließlich ist diese wichtig für die ukrainischen Verteidigungsbemühungen. Weiterhin geht der Kofman davon aus, dass Russland die Raketenangriffe dazu nutzt, um die ukrainische Flugabwehr abzunutzen. So nimmt Russland die Abschüsse der eigenen Angriffswaffen billigend in Kauf, mit dem Ziel den ukrainischen Vorrat an Flugabwehrraketen zu erschöpfen und so die Voraussetzung für den Einsatz russischer Kampfflugzeuge über ukrainischem Territorium zu schaffen. Würde dies gelingen, wäre Russland aufgrund seiner zahlenmäßig und qualitativ überlegenen Luftwaffe einseitig in der Lage, die Bodentruppen im Kampf zu unterstützen, was einen klaren Vorteil darstellen würde.

Legt man diese Absicht als die treibende Kraft der russischen Raketenangriffsstrategie aus, versteht man auch recht schnell, wieso insbesondere die Energieinfrastruktur als Ziel der Angriffe ausgewählt wurde.

Es gilt mittlerweile als erwiesen, dass der russische Targeting-Zyklus zu langsam ist. Gemeint ist die Zeit zwischen Formulierung eines Zielaufklärungsbedarfs höherer Stellen, bis zum Erzielen einer Wirkung im Ziel, inklusive Aufklärungsdauer sowie Auswertung und Entschlussfassung. Zudem liegt die Präzision vieler russischer Wirkmittel eher im zwei- als im einstelligen Meterbereich.

Gleichzeitig sind die Ukrainer sehr geschickt darin, militärische Hochwertziele, wozu beispielsweise logistische Einrichtungen oder Führungsstrukturen zählen, vor Aufklärung zu schützen oder stetig zu verlegen.

Eine Beispielrechnung soll hier der Verdeutlichung dienen. Angenommen Russland braucht 24 Stunden, um ein Ziel in der Tiefe des ukrainischen Raumes aufzuklären und zu bekämpfen. Gleichzeitig nehmen wir für dieses Beispiel an, dass ein ukrainisches Hochwertziel im Wirkungsbereich russischer Aufklärung und Wirkmittel nicht länger als zwölf Stunden an einer Stelle bleibt. Dann ist es für Russland schlicht unmöglich diese Ziele mittels der strategischen Raketenangriffe zu bekämpfen.

Nun wird also deutlich welche Zielkategorie überhaupt erfolgversprechend angegriffen werden kann, statische Ziele mit einer Zielgröße von vorzugsweise mindestens mehr als zehn Quadratmetern Zielfläche. Daneben müssen die Ziele wichtig genug sein, dass die Ukraine kostbare Flugabwehrraketen für die Verteidigung dieser Ziele einsetzt, selbst wenn diese nur mit günstigen und vergleichsweise primitiven Drohnen angegriffen werden, damit die russische Strategie aufgeht. Alles das trifft auf die Energieinfrastruktur zu.

Glaubt man jüngsten russischen Ankündigungen, scheint das Ziel bald erreicht. Denn Russland hat letzte Woche angekündigt, die eigene Luftwaffe stärker in die Kämpfe einbinden zu wollen.
Fazit

„War is a test of will and it’s a test of logistics“, führt Generalleutnant a.D. Ben Hodges, ehemaliger Oberkommandierende der US-Streitkräfte in Europa bei seinen Vorträgen und Interviews zum Ukrainekrieg immer wieder an. Dies bedeutet so viel, dass Krieg ein Test der Logistik und Willenskraft ist. Schafft es eine Seite, logistische Überlegenheit zu erlangen, kann sie diese in Erfolge im Kampf umwandeln.

Gelänge es Russland also, die ukrainische Luftverteidigung dauerhaft zu überlasten, wäre der Weg frei für den Einsatz russischer Frontbomber. Damit hätte Russland dann gleichzeitig ein anderes Problem aus der Welt geschafft, nämlich dass der geringen Verfügbarkeit von weitreichenden Präzisionswirkmitteln. Die Kampfbomber könnten dann klassische Bomben zum Einsatz bringen, von denen Russland noch erhebliche Vorräte hat.

Wenn der Westen also nicht möchte, dass Russland die Luftherrschaft über der Ukraine erringt, ist es zwingend erforderlich, weitere Luftverteidigungssysteme und vor allem Nachschub an dafür benötigter Munition an die Ukraine zu liefern. Hierfür werden unter Umständen auch eigene Lagerbestände angezapft werden müssen. Da Russland zudem gezeigt hat, dass es trotz westlicher Sanktionen immer noch in der Lage ist, stetig eine gewisse Anzahl an weitreichenden Angriffswaffen zu produzieren, muss auch die heimische Produktionskapazität von Abwehrraketen so ausgebaut werden, dass man den Munitionsnachschub an die Ukraine dauerhaft über den Verbrauch halten kann. Zudem müssen Alternativen gefunden werden, die den Abschuss billiger Angriffswaffen ermöglichen, ohne dass dafür Flugkörper zum Einsatz kommen müssen, die teilweise das Zehn- oder Hundertfache kosten. Sonst werden auch die Unterstützerstaaten der Ukraine große Herausforderungen haben, den Test der Logistik zu bestehen.




Freitag, 24. Februar 2023

Lehren aus dem Ukrainekrieg: Gepanzerte Kampffahrzeuge

von Thomas Heck...

Wer hätte noch vor einen Jahr gedacht, dass die Ukraine so durchhaltefähig sein würde, einem dermaßen starken Gegner Russland gewachsen zu sein? Ich selbst war der Meinung, dass Russland seine militärischen Ziele schnell erreichen würde. Und Kanzler Scholz hoffte und dachte ebenfalls, dass der Konflikt schnell vorbei wäre, denn der Ukraine-Krieg kam für die Ampel-Koalition zur Unzeit. Fragt sich nur, ob Deutschland seine Lehren daraus ziehen wird und die Bundeswehr wieder zu dem machen wird, was sie in Zeiten des Kalten Krieges war: Eine schlagkräftige Armee.


Seit der Krieg in der Ukraine begonnen hat, gibt es etliche Versuche, Lehren aus diesem Konflikt zu ziehen. Hunderte Videos auf Social-Media-Plattformen geben einen Einblick in das Kriegsgeschehen und machen den Krieg greifbar, was sonst nur schwer möglich ist, wenn man nicht selbst an den Kämpfen teilnimmt.

Dies hat viele Leute zu Analysen angeregt, die sie aus diesem Konflikt ableiten und auf den Krieg als Solches anwenden wollen. Allerdings ist in zweierlei Hinsicht Vorsicht geboten. Erstens gibt es nach vorsichtigen Schätzungen mehr als 200.000 Kriegsteilnehmer, und obwohl eine Menge Videos zur Verfügung steht, zeigt dieses Filmmaterial nicht die gesamte Bandbreite der Ereignisse an der langen Frontlinie. Diese Videos geben nur eine begrenzte Menge an Informationen, denen obendrein der Kontext fehlt und die daher nur einen kleinen Ausschnitt des Kriegsgeschehens zeigen. So können beispielsweise Videos, die zeigen, wie Panzer von Panzerabwehrlenkflugkörper (ATGM) getroffen werden, nicht als Beweis dafür dienen, dass der Panzer auch tatsächlich endgültig zerstört ist.Der zweite Grund liegt in der Besonderheit dieses Krieges. Sowohl Russland als auch die Ukraine haben seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 ihre Streitkräfte modernisiert, aber keiner der beiden Staaten hatte die artilleriezentrierten Doktrinen aus Sowjetzeiten hinter sich gelassen. Russland hat einige spätsowjetische Doktrin verwirklicht, wie das Prinzip, die kritische Infrastruktur des Gegners ins Visier nehmen zu können und gleichzeitig seine Flotte gepanzerter Kampffahrzeuge (AFV) zu modernisieren, aber im Großen und Ganzen blieb die russische Armee eine Artilleriearmee mit vielen Panzern. Analysten des Royal United Services Institute (RUSI), einer Londoner Denkfabrik, die die Ukraine vor und während des Krieges besucht hatten, stellen fest, dass es einige ukrainische Einheiten mit Kommandostrukturen gab, die Gemeinsamkeiten mit denen NATO haben, dass aber die meisten Einheiten nach wie vor ihren sowjetischen Vorgängern sehr ähneln.Hinzu kommt, dass beide Seiten bei Kriegsbeginn über die gleiche Anzahl an Artilleriesystemen verfügten. Nur die Verfügbarkeit von Munition machte den Unterschied. Deshalb ähneln sich die Streitkräfte Russlands und der Ukraine, aber haben mit den meisten Militärs der Welt nur wenig gemeinsam. Daher bieten viele Aspekte des Ukrainekriegs nur wenig Anschauungsmaterial für diejenigen, die Doktrinen und Lehren entwickeln wollen, da sie auf ungewöhnlichen Situationen beruhen und in anderen Kriegen kaum reproduzierbar wären.

Nehmen wir zum Beispiel die enormen Mengen an Artilleriemunition, die Russland verschießt – zeitweise waren es 20.000 Schuss pro Tag. Das zeigt die Notwendigkeit einer großen Lagerhaltung an Artilleriemunition und großer mechanisierter Verbände, die in der Lage sind, eine solche Feuerkraft zu gewährleisten und den damit verbundenen Verschleiß durchzuhalten. Es gibt auf der Welt nur wenige Streitkräfte, die diese Art von Wirkung auf dem Schlachtfeld erzielen können, und noch weniger, die dazu bereit sind. Es ist eine sehr kostspielige Taktik, die enorme Reserven an Munition und Personal erfordert. Für die russischen Streitkräfte funktioniert diese Taktik, weil sie für diese Art der Kriegsführung ausgebildet wurden. Gleichzeitig kompensiert diese Taktik auch den Mangel an taktischem Geschick. Wenn man also die Möglichkeit eines Krieges mit Russland in Betracht zieht, dann ist dies ein wichtiger Aspekt, den man berücksichtigen muss, aber ob sich das auf andere Konflikte anwenden lässt, ist fraglich.

Kann man dennoch aus dem Ukraine-Krieg Lehren für den Einsatz von Schützenpanzern ziehen, die auch für ein breiteres Publikum von Nutzen sind als auch für diejenigen, die sich auf eine Konfrontation mit dem russischen Militär vorbereiten müssen? Einige Aspekte gibt es sicher, aber es ist schwer zu beurteilen, ob diese Lehren wirklich neu sind nur oder Variationen vergangener Konflikte.

Es ist sinnvoll, die Erkenntnisse aus dem Ukrainekrieg in ein breiteres Verständnis der Kriegsführung des 20. und 21. Jahrhunderts einzubetten. Dieser Artikel versucht, eine kontextbezogene Analyse zu liefern, um zu beurteilen, ob die Lehren aus dem Ukrainekrieg grundlegend neu sind. Zuallererst ist es angebracht, ein uraltes Thema durch die Brille des Ukrainekrieges zu betrachten und zu fragen: Hat der Panzer seine beste Zeit hinter sich?

Panzer

Der Panzer ist noch lange nicht am Ende. Diejenigen, die an das Ende des Panzerzeitalters glauben, halten die Zerstörung eines Panzers für den Beweis seiner Sinnlosigkeit. Ein altes Sprichwort besagt: „Ein Panzer ist wie ein Smoking, den man nur selten braucht, aber wenn man ihn braucht, hilft nichts anderes mehr.“

Panzer werden im Ukrainekrieg von beiden Seiten ausgiebig eingesetzt. Auf dem Gefechtsfeld kam eine beeindruckende Mischung aus T-62, T-64, T-72, T-80 und T-90 in verschiedenen Modernisierungsstadien zum Einsatz, einige von ihnen zum ersten Mal. Sie wurden auf verschiedene Weise eingesetzt, woraus man Lehren ziehen kann.

Panzer-gegen-Panzer-Duelle sind relativ häufig, aber wenn beide Seiten Verteidigungspositionen einnehmen, tritt auf dem weitläufigen Gefechtsfeld nur ein einziger Panzer gegen einen anderen an. Dann kommt es zu Gefechten auf sehr kurze Distanz. Es ist interessant, dass die an den Panzern angebrachten explosiv-reaktiven Panzerungen (ERA) häufig zwei Schüsse für ein erfolgreichen Treffer erforderlich machen – der erste Schuss mit einer hochexplosiven Granate, um die Reaktivpanzerung auszuhebeln, und der zweite Schuss mit einer Granate mit kinetischer Energie, um die Panzerung zu durchdringen und die Besatzung zu töten. Daraus lässt sich eine vermeintlich einfache Schlussfolgerung ziehen: Panzer benötigen zwei Schüsse, um einen gegnerischen Panzer auszuschalten.

Doch einige Faktoren dieser Gleichung sind unbekannt. Der erste Faktor ist die Art der Munition, die von den ukrainischen und russischen Panzerbesatzungen verwendet wird.

Frühere sowjetische panzerbrechende Munitionstypen mit flügelstabilisiertem Geschoss (APFSDS) (wie die allgegenwärtige 3VBM-9 „Zakolka“) verwenden ein Stahlprojektil, das hinter einer panzerbrechenden Kappe ein Wolframgeschoss trägt. Monoblockgeschosse mit abgereichertem Uran wie das 3VBM-13 „Vant“ wurden in der Sowjetunion erst spät eingeführt, Vollwolframkarbidgeschosse wie das 3VBM-17 „Mango“ erst 1986. Sie waren oft für Einheiten mit hoher Priorität vorgesehen, die Panzer wie den T-80 einsetzten. Die älteren Geschosse haben eine Mündungsenergie von etwa 6 MJ, während die neueren Geschosse wie Mango eine ähnliche kinetische Energie erreichen, aber aufgrund der größeren Härte und Dichte im Vergleich zu Stahlgeschossen (7,8 g/cm³ gegenüber 17 g/cm³ bei Wolfram) können sie die komplexen Panzerungen leichter durchschlagen. Vergleicht man sie jedoch mit moderner westlicher Munition, so ergibt sich eine interessante Diskrepanz. Dem verstorbenen Professor Ogorkiewicz zufolge haben die 120-mm-Glattrohrkanonen L44 und L55, mit denen die meisten NATO-Panzer ausgerüstet sind, eine Mündungsenergie von 9,8 MJ bzw. 12,5 MJ. Dies ist zwar nicht der einzige ausschlaggebende Faktor für die Letalität der APFSDS, lässt aber darauf schließen, dass westliche Panzer im Panzerduell wesentlich tödlicher sind als ihre russischen Gegenstücke.

ERA zerstört in erster Linie Geschosse mit kinetischer Energie durch Impulsübertragung und erfordert dickere und schwerere vordere Stirnplatten als bei hochexplosiven Panzerabwehrgeschossen (HEAT), da die Geschosse, denen sie entgegenwirken, schwerer und größer sind, so Paul Hazell, Professor für Aufschlagdynamik an der School of Engineering and Information Technology (SEIT) der UNSW Canberra. Das Gewicht und die Härte der Stirnplatte ändern die Flugbahn des APFSDS-Penetrators und können den Penetrator sogar in kleinere Stücke zerplatzen lassen. Die Panzerung hinter der ERA muss jedoch beträchtlich sein, um den Aufprall der Fragmente zu absorbieren. Da die meisten NATO-Panzerkanonen Munition verschießen, die in der Regel länger ist und aufgrund ihres typischerweise höheren Projektilgewichts (und im Falle der L55-Geschütze auch mit höheren Projektilgeschwindigkeiten) eine viel höhere Mündungsenergie erzeugen können, ist es nur logisch, dass der in der Ukraine beobachtete Trend zu zwei Schüssen keine Lehre ist, die sich auf alle Panzerkanonen anwenden lässt. Tests mit NATO-Munition aus den 1980er Jahren haben gezeigt, dass diese meist gegen Kontakt-5 ERA unwirksam war. Es lohnt sich also, zwischen älterer Munition und neuer Munition, die auf dem besseren Verständnis der post-sowjetischen Panzerung beruhen, zu unterscheiden.

Panzer werden auch zur direkten und indirekten Feuerunterstützung gegen Infanterieverbände eingesetzt. Ukrainische Panzer sind für diesen Zweck sogar mit einem Visier ausgestattet, und russische Panzerbesatzungen haben diese Kunst mit Orlan-10-Panzern geübt. Es ist also keine neue Fähigkeit, aber ihre Anwendung in der Ukraine ist interessant – und sei es nur wegen der Gefahr, die sie für Infanteristen darstellt. In einem Bericht der New York Times über die Kämpfe in der Nähe von Izyum heißt es Folgendes:

„Vor allem Panzer sind zu einer ernsthaften Bedrohung geworden, so die Kämpfer, weil sich die Panzer den Stellungen des Bataillons oft bis auf eine Meile nähern und schweren Schaden anrichten. In diesem Monat sind bereits 13 Soldaten des Bataillons getötet und mehr als 60 verwundet worden.“

Aus einem RUSI-Bericht über erste Erkenntnisse aus dem Krieg geht hervor, dass die Ukraine ihre Panzer als mobile Reserve einsetzen konnte. Ihr indirektes Feuer ermöglichte es ihnen, gleichzeitig als Artillerie und Panzer zu agieren und die russischen Streitkräfte in günstigen Momenten anzugreifen. Sie waren Berichten zufolge bis zu einer Entfernung von zehn km genau und benötigten nur wenig Zeit für die Anpassung ihres Feuers.

Ein Mangel an eigenen Panzern und die begrenzte Reichweite von Panzerabwehrwaffen bedeuten, dass Panzer unter den richtigen Umständen sehr tödlich sein können. Syrische Panzer haben an einem einzigen Nachmittag Hunderte Opfer verursacht, weil es keine Panzerabwehrwaffen gab. Das Fehlen von Panzern hat sich auch in anderen Konflikten bemerkbar gemacht. Die Koalitionstruppen in Afghanistan wurden oft durch die Feuerkraft der Taliban in die Enge getrieben, so dass sie auf Kampfhubschrauber und Luftunterstützung angewiesen waren, um sich aus dem Feuergefecht zu befreien. Ein einziger Panzer in dieser Situation – wie auch andere AFVs mit mittelkalibrigen Kanonen – würde dieses Ungleichgewicht in der Feuerkraft aufheben. In „Panzer Ace“, den veröffentlichten Memoiren von Richard von Rosen, einem deutschen Panzerkommandanten im Zweiten Weltkrieg, berichtet Rosen von Gelegenheiten, bei denen sowjetische Panzerabwehrkanonen schnell zum Schweigen gebracht wurden und die Infanterie den gepanzerten Verbänden ausgeliefert war, was zu schweren feindlichen Verlusten führte.

Panzer sind auch entscheidend bei Offensivoperationen, und es ist völlig klar, dass sie ohne Unterstützung durch Infanterie und Schützenpanzer (IFV) isoliert und zerstört werden. Als Element einer Offensivoperation gegen Infanterieverbände sind sie jedoch aufgrund des Schutzes, den sie bieten, absolut entscheidend, weil Infanteristen spezielle Mittel benötigen, um sie außer Gefecht zu setzen. Dies macht sie zu einem zentralen Element effektiver Offensivoperationen, da sie nur mit Mühe auszuschalten sind und häufig mehr als einen Treffer erfordern. Ungeachtet der vielen Videos von zerstörten Panzern sind sie schwer zu stoppen und können für Infanteristen ohne geeignete Abwehrwaffen katastrophale Folgen haben.

Daraus folgt, dass die Vorherrschaft der Panzer ein relativ konstanter Aspekt der Kriegsführung ist. Wenn ein Infanterieverband von unterstützenden Wirkmitteln abgeschnitten und von Panzern angegriffen wird, kann er schwere Verluste erleiden. Der Einsatz von Panzern zur indirekten Feuerunterstützung gegen Stellungen in der Ukraine mag also etwas Neues sein, die Überlegenheit von Panzern in Abwesenheit von Panzerabwehrwaffen ist es nicht. Was ist also von ATGM und ihrem Einsatz in der Ukraine zu halten?

Panzerabwehrlenkflugkörper – ATGM

ATGM haben sich auch innerhalb der russischen Streitkräfte rasch verbreitet. Sie haben sich von einem extrem teuren Gerät für Kommandeure der Sowjetarmee zu einer Waffe entwickelt, das in fast jeder Einheit zu finden ist. Die Ukrainer begannen den Krieg mit einem reichlichen Arsenal an im Inland entwickelten ATGM wie der Stugna-P des Luch Design Büros. Westliche Waffen wie die FGM-148 Javelin und NLAW lenkten den Blick von ukrainischen Fähigkeiten ab, erwiesen sich aber trotz minimaler Ausbildung als wertvoll. Es ist bekannt, dass ATGM für gepanzerte Fahrzeuge auf dem modernen Gefechtsfeld tödlich sind. Die hochexplosiven Panzerabwehrsprengköpfe (HEAT), mit denen die meisten ATGM bestückt sind, lassen sich nur schwer abwehren. Die Spitze eines HEAT-Strahls kann Geschwindigkeiten von 10 km/s erreichen, obwohl sie nur einen Durchmesser von zwei bis drei Millimeter hat, und je nach Gesamtdurchmesser des Gefechtskopfes können viele moderne HEAT-Gefechtsköpfe mehr als 1.000 mm festen Stahl durchschlagen. Trotz dieser Fähigkeiten führen selbst erfolgreiche Treffer nicht immer zur Zerstörung des Fahrzeugs. Israelische Streitkräfte, die mit Merkava-Panzern operieren, wurden 2006 in den Libanon entsandt und waren dort mehreren erfolgreichen ATGM-Treffern ausgesetzt, wobei mehr als 50 Panzer getroffen wurden. Von den 50 Treffern wurden 21 Panzer durchschlagen, wobei zehn Fahrzeuge Verluste erlitten. Moderne Panzer können also ATGM-Angriffen standhalten, ohne dass die Besatzung oder das Fahrzeug außer Gefecht gesetzt werden. Dies ist vor allem der Verbesserung der Überlebensfähigkeit zu verdanken, wie z. B. dem Austausch von auf brennbarer Hydraulikflüssigkeit basierenden Turmsteuerungssystemen gegen Elektromotoren, einer sichereren Munitionslagerung und anderen Modifikationen.

Was können wir aus dem Ukrainekrieg über ATGM lernen?

Wenn man den Krieg in der Ukraine mit anderen Konflikten vergleicht, wird deutlich, dass sich die Durchschlagskraft moderner HEAT-Sprengköpfe bei schwer gepanzerten Fahrzeugen nicht ohne Weiteres zur eindeutigen Zerstörung führt. Der Ukrainekrieg zeigt, dass Panzer überlebensfähig sind und dass manche Panzer überlebensfähiger sind als andere. Ein Merkmal des Ukrainekrieges ist jedoch die große Menge an ATGM. Es gibt so viele davon, dass Soldaten sie einsetzen, um Bunker, LKWs, leicht gepanzerte Fahrzeuge, Soldaten und andere Ziele zu bekämpfen. Dieser flächendeckende Einsatz von ATGM ist nicht neu: In Afghanistan war es üblich, dass Soldaten Javelin als eine Art Präzisionswaffe mit großer Reichweite einsetzten, im Gegensatz zur Luftnahunterstützung oder Artillerie. Darin spiegelt sich eine Binsenweisheit des Krieges wider: Soldaten werden höchstwahrscheinlich das wirksamste und sicherste Mittel einsetzen, das ihnen zur Verfügung steht, und nicht das billigste oder wirkungsstärkste. Die Masse der ATGM und ihre Auswirkungen auf gepanzerte Operationen sind jedoch eine Lehre, die es zu beachten gilt.

ATGM wurden zum ersten Mal während des Jom-Kippur-Krieges 1973 in großer Anzahl eingesetzt. Dieser oft untersuchte Konflikt hatte erhebliche Auswirkungen auf die USA und andere Streitkräfte. Die ägyptischen und syrischen Streitkräfte setzten 9M14 Malyutka ‚AT-3 Sagger‘-Raketen ein und erreichten bei einem erfolgreichen Treffer eine Durchschlagskraft von 60 Prozent. Dies führte zu durchschnittlich zwei Todesopfern pro Fahrzeug. Als Reaktion darauf verbesserte Israel die Überlebensfähigkeit seiner Fahrzeuge, was zu einer geringeren Zahl von Opfern pro Treffer führte. Ägypten hatte seine Malyutkas in Erwartung eines israelischen Panzerangriffs als Reaktion auf die Überquerung des Sinai zusammengezogen, sie aus den Reserveeinheiten herausgelöst und der Infanterie an der Front zugeteilt. Die Malyutka-Besatzungen hatten außerdem drei Jahre lang mit ihren Waffen geübt, um sicherzustellen, dass sie so leistungsfähig wie möglich waren. Die israelischen Streitkräfte setzten ihre Panzer bereitwillig in „Penny Packets“ (kleinen Gruppen) ohne Infanterieunterstützung ein, was den ägyptischen Generalstabschef zu der Bemerkung veranlasste, er habe nicht erwartet, dass die israelischen Streitkräfte so kooperativ sein würden. Der Jom-Kippur-Krieg diente also zur Veranschaulichung der Tatsache, dass ein massiver ATGM-Einsatz einen Panzervorstoß zunichte machen kann, bestätigte aber auch die aus dem Zweiten Weltkrieg bekannte Lehre, dass gepanzerte Fahrzeuge allein verwundbar sind.

Beweist der massenhafte Einsatz von ATGM in der Ukraine also etwas grundlegend Neues? In den Veröffentlichungen der U.S. Army über Manöver mit verbundenen Waffen wird darauf hingewiesen, dass „keine einzelne Waffe kriegsentscheidend ist“ und Operationen mit verbundenen Waffen für den Sieg unerlässlich sind. Es liegt auf der Hand, dass Beobachtungen über die Wirksamkeit von ATGM – oder einer beliebigen Kombination von Waffen und Taktiken – gegen Verbände, die nur aus Panzern bestehen, wenig hilfreich sind und unser Verständnis der modernen Kriegsführung nicht erweitern.

Die Wirksamkeit von ATGM gilt seit 1973 unverändert. Ein Vorstoß mit nur einem oder zwei Panzern und wenigen Infanteristen gegen einen Gegner mit ATGM wird erfolglos sein, vor allem, weil die Verteidiger mit ihren vielen ATGM das bedrohlichste Element dieser Streitkräfte ausschalten können. Gleichzeitig müssen wir aber auch das ukrainische Gefechtsfeld berücksichtigen. Keine der beiden Seiten ist in der Lage oder willens, mehr als eine Kampfgruppe in Kompaniegröße für Offensivoperationen aufzustellen. In jedem anderen Szenario käme dies einem „Penny-Packet“-Einsatz gleich, doch in der Ukraine könnte dies sowohl auf Zermürbung als auch auf die enorme Länge der umkämpften Front zurückzuführen sein. Das bedeutet, dass der Verteidiger möglicherweise nur einige wenige Fahrzeuge zerstören oder außer Gefecht setzen muss, um den Angreifer vom weiteren Vorgehen abzuhalten, was wiederum die Wirkung von ATGM verstärkt.

Während gepanzerte Streitkräfte nach einer Taktik suchen müssen, um wirksame Maßnahmen gegen ATGM zu finden, stellt sich die Frage nach dem Umfang. Wenn der Angreifer mehr Kräfte aufbringt, muss der Verteidiger mehr ATGM aufbringen, um wirksam zu sein. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass ATGM im gesamten Konfliktspektrum die gleiche Art und den gleichen Grad an Bedrohung darstellen. Aktive Schutzsysteme (APS) wie Trophy und Iron Fist verleihen Kampfpanzern ein hohes Maß an Überlebensfähigkeit in ebenbürtigen Konflikten. Bei solchen Szenarien handelt es sich häufig um einen Krieg in den Städten, der kombinierte Waffenmanöver aufgrund von Platzmangel oder mangelnden Möglichkeiten schwierig machen kann. Der Einsatz von ATGM in diesen Konflikten beschränkt sich jedoch in der Regel auf ein oder zwei pro Einsatz, neben schultergeführten Waffen wie der RPG-7. In Konflikten auf Augenhöhe helfen APS den Panzern, ihre Überlebensfähigkeit aufrechtzuerhalten, aber die Bekämpfung von massiven ATGM-Angriffen hängt von der Fähigkeit der Streitkräfte ab, ATGM-Teams und unterstützende Panzer mit Infanterie zu unterdrücken oder umgekehrt.

Alles in allem zeigt der Ukrainekrieg, dass ATGM weiterhin tödlich gegen Panzer sind, was das große Interesse an APS erklärt. Der Einsatz verbundenener Waffen ist nach wie vor entscheidend für die Überlebensfähigkeit gegen diese Bedrohungen, und ihr massiver Einsatz ist für gepanzerte Verbände riskant. Der Ukrainekrieg wirft die Frage auf, wie sich der Umfang des ATGM-Einsatzes auf eine Formation auswirkt. Dabei geht es weniger um die Tödlichkeit – diese ist bereits gut bekannt -, sondern vielmehr um die Frage, wie sich ATGM, die in einem kleinen Gebiet konzentriert sind, auf eine Formation auswirken können und wie man dieser Gefahr begegnen kann. Des Weiteren steht die Frage im Raum, wie repräsentativ die Kämpfe in der Ukraine für das moderne Schlachtfeld sind.

Kanonen, überall Kanonen

Diese Beispiele zeigen, dass sich der Status des Panzers durch den Krieg in der Ukraine nicht grundlegend geändert hat und ATGM weiterhin ein Problem sind, wenn auch kein unüberwindbares.

Es gibt jedoch einen Aspekt des Krieges, der näher beleuchtet werden sollte, weil er in früheren Kriegen weniger Beachtung fand als z.B. die Luftverteidigung oder der Nutzen der Luftwaffe, nämlich die Rolle der mittelkalibrigen Kanone. Beide Seiten setzen die 30-mm-Kanone 2A42 Shipunov ein, mit der die BMP-2 und BMD-2 bewaffnet sind, sowie die 2A72, eine leichtere Variante, die auf den BTR-82A und den russischen BMP-3 und BMD-4M Fahrzeugen zu finden ist. Auch die Ukraine setzt eine lokal hergestellte Version auf ihren Rad-Schützenpanzern BTR-3 und BTR-4 ein. Diese Kanonen sind weit verbreitet und haben das Kampfgeschehen auf beiden Seiten geprägt, siehe zum Beispiel diesen Bericht eines ukrainischen Kämpfers:

„Meiner Meinung nach sind russische BTR gefährlicher als Panzer. Ihre Kanone feuert schneller und diese Fahrzeuge transportieren Soldaten. Wenn wir einen BTR sehen, wissen wir, dass auch Soldaten in der Nähe sind. Wenn wir aber einen Panzer sehen, ist er manchmal allein und leichter zu zerstören. Die Verletzungen durch diese Kanonen sind furchtbar. Ein Treffer in den Körper lässt jemanden fast explodieren. Sie sind leicht zu zerstören, aber im direkten Kampf sehr gefährlich.“

Die Leistung der Kanone ist gewaltig. Die 2A72 kann 500 Schuss pro Minute abfeuern und ist im BMP-3 in beiden Achsen stabilisiert und mit einem Feuerleitsystem verbunden, das eine hohe Zielgenauigkeit auf Distanz ermöglicht. Die hohe Feuerrate ist zum Teil darauf zurückzuführen, dass die Waffen gasbetrieben sind. Die Feuerrate kann sich sogar noch erhöhen, wenn sich das Rohr erwärmt, da der Wärmeverlust der Treibgase verringert wird, was zu einem höheren Druck führt, der wiederum die Funktionsmechanismen der Waffe schneller in Gang setzt.

Die Feuerkraft dieser Kanonen ermöglicht es, Infanterieverbände aus der Ferne zu überwältigen, und sie sind so wirkungsstark, dass sie unter Umständen auch einem Panzer Schaden zufügen können. Beide Verwendungszwecke der mittelkalibrigen Kanone wurden in der Ukraine beobachtet, und es hat sich gezeigt, dass diese Kanonen für Infanterieverbände sehr gefährlich sind, wenn die Infanteristen nicht unterstützt werden. Sie spielen auch eine wichtige Rolle bei der Kriegsführung im städtischen Raum, da sie Stellungen aus Entfernungen unterdrücken, die außerhalb der Reichweite der von Infanterieverbänden mitgeführten Standard-Schulterfeuerwaffen gegen Panzer liegen.

Auch das ist kein neuer Trend. Die US-Streitkräfte setzten 1991 und 2003 im Irak das 25-mm-M242-Geschütz ein, mit dem der Schützenpanzer M2/M3 Bradley bewaffnet war, und erzielten damit große Erfolge, indem sie sogar eingegrabene T-62 mit Schüssen durch das Turmdach außer Gefecht setzten. Sie waren im Stadtkampf von unschätzbarem Wert, da sie schnelles und demoralisierendes direktes Feuer gegen Infanterie in Gebäuden und, falls erforderlich, durch Mauern hindurch lieferten. Das Vereinigte Königreich setzte seine 30-mm-RARDEN-Kanonen während des Falkland-Krieges 1982 ebenfalls mit gutem Erfolg ein. Kanonen wurden auch als eine Form des direkten Präzisionsfeuers in Afghanistan eingesetzt, wo sie dazu dienten, Taliban-Kräfte schnell zu unterdrücken, und ähnliche Ergebnisse wurden von den französischen Streitkräften in Mali berichtet. Die Ukraine zeigt jedoch den entscheidenden Nutzen dieser Waffen in einem Konflikt unter Ebenbürtigen. Früher wurden diese Waffen häufig in Konflikten ungleicher Gegner eingesetzt, wo die eine Seite besser ausgerüstet war als die andere. Der Einsatz dieser Kanonen in der Ukraine zeigt, dass sie eine äußerst tödliche und nützliche Waffe sind, was auch erklärt, warum die meisten AFVs der NATO diese Waffe jetzt tragen.

Wichtig ist, dass man sich über das Risiko im Klaren ist, das entsteht, wenn Fahrzeuge, die keine Kanonen tragen, auf Fahrzeuge mit Kanonen treffen. Wie wird sich beispielsweise die britische Boxer-Flotte in einem ebenbürtigen Konflikt schlagen, wenn sie nicht mit mittelkalibrigen Waffen ausgerüstet ist?

Die mittelkalibrige Kanone ist eine äußerst nützliche Waffe. Sie kann zur Bekämpfung einer Vielzahl von Zielen eingesetzt werden und verleiht Infanterieverbänden eine große Tödlichkeit. Diese Lehre war bereits bekannt, aber der Krieg in der Ukraine hat bewiesen, dass sie sich in einem hochintensiven Gefecht unter ebenbürtigen Gegnern bewahrheitet.

Schlussfolgerung

Obwohl der Krieg in der Ukraine zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels bereits fast ein Jahr andauert, ist noch immer nicht klar, ob es eindeutige Lehren für Luftplattformen gibt. Gegenwärtig kann man mit Fug und Recht behaupten, dass die Ukraine Analysematerial liefert, um daraus Erkenntnisse zu gewinnen. Aber es ist noch nicht der Punkt erreicht, an dem das Wissen als Information oder Weisheit betrachtet werden kann. Die obigen Ausführungen zeigen, dass sorgfältige Überlegungen erforderlich sind, um sicherzustellen, dass „neue“ Erkenntnisse nicht einfach ein Aufguss alter Lehren sind.

Natürlich lassen sich aus der Ukraine einige Lehren ziehen. So sind beispielsweise die Auswirkungen von Drohnen auf dem Schlachtfeld weitreichend. Aber auch hier gilt es zu unterscheiden, was an dem Krieg in der Ukraine grundlegend neu ist und was bereits bekannt ist. Cyberkrieger können daraus lernen, wie viel Aufwand und Ressourcen erforderlich sind, um nationale Daten vor entschlossenen und gezielten Cyberangriffen zu schützen. Auch in Bezug auf die Abschreckung und die Art des zwischenstaatlichen Wettbewerbs sowie die Rolle, die Streitkräfte letztlich spielen, müssen neue Lehren gezogen werden. Was gepanzerte Fahrzeuge betrifft, so hat der Ukrainekrieg nach Ansicht des Autors keine grundsätzlich neuen Lehren hervorgebracht, die für die Welt der gepanzerten Kriegsführung grundlegend neu sind. Wie so oft im Krieg haben sich neue und einfallsreiche Taktiken unter Verwendung vorhandener Systeme als fruchtbar erwiesen, und einfallslose Taktiken wurden bestraft, aber nicht jede Taktik der Ukraine oder jede Erfahrung einer russischen Panzergruppe ist auch anwendbar auf andere Konflikte. Nichtsdestotrotz sollte der Ukrainekrieg an den Aufwand erinnern, der nötig ist, um gepanzerte Streitkräfte zu unterhalten und sie in den Krieg zu schicken, sowie an die absolut zentrale Rolle, die sie im Krieg spielen.




Mittwoch, 22. Februar 2023

Munition: Die hohe Kunst der Logistik...

von Thomas Heck...

Deutschland hat die nationale Verteidigung seit Jahren extrem vernachlässigt. Die Befähigungslücken sind so klaffend, dass man sich fragen muss, was haben die mit den unzähligen Milliarden Euros angestellt, dass wenig substanzielles vorhanden ist? Denn Verteidigungsfähigkeit ist nicht ausschließlich die Bereitstellung moderner Waffensysteme, an denen es im Westen weiß Gott nicht fehlt, wie die Erfahrungen im Ukraine-Krieg gezeigt haben. Denn Russland fürchtet sehr wohl die direkte Konfrontation mit westlichen Kampf- und Schützenpanzern, die sich bislang in allen Konflikten weltweit den russischen Modellen als überlegen erwiesen haben.

Nein, es sind Fragen der Logistik, die schon immer kriegsentscheidend waren. Deutschland hat den 2. Weltkrieg (Gottseidank) nicht verloren, weil seine Waffensystem nicht überlegen waren, denn das waren sie, sondern weil Deutschland in Sachen Massenproduktion und vor allem Logistik unterlagen war. Und das trotz Umstellung der Wirtschaft auf eine Kriegswirtschaft.

Nun sind wir davon sicher noch weit entfernt, müssen aber realisieren, dass Kriege in Europa wieder wahrscheinlicher geworden sind. Und dies hat Auswirkungen auf logistische Anforderungen. In der Ukraine verschiesst die Artillerie die Munition schneller, als sie geliefert werden kann.

Der Einmarsch Russlands in die Ukraine am 24. Februar 2022 war für einen großen Teil der Welt, nicht zuletzt für Westeuropa, ein Weckruf und die Erkenntnis, dass ein hochintensiver Krieg in Europa weniger unwahrscheinlich ist, als man bisher angenommen hatte. Diese Erkenntnis hat zu einem intensiven Nachdenken über die Finanzierung von Streitkräften und die militärische Einsatzbereitschaft geführt. Ein erheblicher Teil dieser Diskussion galt der Logistik. Konkret der Munitionsproduktion und -versorgung im Krieg, worauf auch dieser Beitrag eingehen. Dabei gilt zu bedenken, dass die im Beitrag aufgeführten Argumente auch auf allen anderen Versorgungsgüter – von Ersatzteilen für Gefechtsfahrzeuge bis zum Toilettenpapier für die Truppe – übertragbar sind, auch wenn sich der vorliegende Artikel auf die Thematik der Munitionslogistik konzentriert.

"Game"-Changer HIMARS


Ein Großteil der vergangenen und aktuellen Diskussionen über die Munitionslogistik beschränkt sich auf Lagerbestände. Häufig anzutreffende Fragen sind: Wie viel von welcher Art von Munition benötigen die NATO und die Staaten, um für einen möglichen Krieg in Europa gerüstet zu sein? Und wie sieht es mit der Versorgungssicherheit aus, d.h. wie kann diese Munition unter Berücksichtigung der europäischen (und weltweiten) Kapazitäten der Verteidigungsindustrie und der Lagerbestände der verbündeten Staaten nachbeschafft werden?

Zur Beantwortung dieser Fragen spielen drei Faktoren eine wesentliche Rolle: Die vorhandenen Bestände (wie viel haben wir derzeit auf Lager), die erwartete Verbrauchsrate im Kriegsfall (wie viel brauchen wir pro Tag/Woche/Monat) und in welchem Tempo können wir mit Nachschub aus der Industrie oder von verbündeten Nationen rechnen?

Wie in einem vorhergehenden Artikel („Munitionsproduktion für Handwaffen im postnuklearen Zeitalter“ von Scott E. Willason und Thomas L. Nielsen, veröffentlicht im Wehrtechnischen Report Soldat & Technik 2023) dargelegt, haben viele Nationen nach dem Ende des Kalten Krieges die nationale Munitionsproduktion aufgegeben, da der erheblich geringere Bedarf an Munition eine nationale Produktion als unwirtschaftlich erscheinen ließ. Der „Trickle-Down“-Effekt für die europäische Munitionsindustrie war ein Mangel an Entwicklung, Erweiterung und Aufrechterhaltung von Fähigkeiten aufgrund des reduzierten Kundenstamms (zum Teil auch aufgrund relativ restriktiver europäischer Exportkontrollgesetze, die den Export beschränkten). Wenn die europäische Munitionsproduktion nicht wiederbelebt wird, und zwar sowohl in Bezug auf die Kapazitäten als auch auf die Fähigkeiten, wird dies den dritten oben genannten Faktor (Nachschub aus der Industrie) ernsthaft beeinträchtigen. Gleichzeitig und aus denselben Gründen wird die Versorgung durch verbündete Staaten immer unwahrscheinlicher, insbesondere im Falle eines größeren Krieges, da die genannten verbündeten Staaten a) ihre nationalen Bestände ebenfalls reduziert haben und b) diese Bestände nun selbst dringend benötigen. Damit gewinnt die Frage nach dem aktuellen Umfang und dem künftigen Bedarf an nationalen Beständen an Bedeutung.

Die NATO selbst hat sich bereits seit Jahren vor der Invasion in der Ukraine darum bemüht, die Frage der Lagerbestände durch die Arbeit ihres „Stockpile Planning Committee“ (SPC) in einen formelleren Rahmen zu stellen. Das SPC hat sich um die Formalisierung und Harmonisierung der Versorgungs- und Vorratsplanung bemüht, um zumindest ein gewisses Maß an Übereinstimmung in der Frage zu erzielen, wie zu bestimmen ist, was eine „ausreichende“ Vorratsmenge ist, wie diese Menge aussieht und wie sie am besten erreicht werden kann.

Die Höhe der Lagerbestände ist zwar ein wesentlicher Bestandteil jeglicher Diskussionen und Planungen im Bereich der Munitionslogistik, aber sie ist nicht das A und O. Man könnte sogar argumentieren, wie es in diesem Artikel getan wird, dass die oben genannten Fragen der Lagerbestände und der Versorgungssicherheit die letzten Fragen sind, die wir stellen müssen, so wichtig sie auch sind.

Das Argument ist, dass ein Großteil der vergangenen und aktuellen logistischen Planung das Thema sozusagen „vom falschen Ende her“ betrachtet hat. Wir sollten dort ansetzen, wo die Munition gebraucht wird: An der Front.

Die Front

Es dürfte niemanden überraschen, dass an der vordersten Front Munition für Artillerie, Infanterie, Panzer, Flugabwehr und eine Vielzahl anderer Waffensysteme benötigt wird. Die Erfahrungen aus dem Krieg in der Ukraine haben die Bedeutung der Rohr- und Raketenartillerie noch einmal deutlich gemacht, so dass wir sie im Folgenden als Beispiel heranziehen werden.

Aus ukrainischen Daten geht hervor, dass der Verbrauch von Rohrartilleriemunition während schwerer, schneller Kämpfe bei etwa 300-400 Schuss pro Rohr und Tag lag.

Im Gegensatz dazu enthält der alte US-amerikanische Vorschrift FM 101-10-1/2 „STAFF OFFICERS‘ FIELD MANUAL; ORGANIZATIONAL, TECHNICAL, AND LOGISTICAL DATA PLANNING FACTORS“ andere Planungsdaten für Munitionsmengen, wobei zu betonen ist, dass dieses Feldhandbuch von den US-Streitkräften nicht mehr für die Logistikplanung verwendet wird. Abgesehen davon enthält die Tabelle P-16 des Handbuchs Munitionsmengen pro Waffe (Plattform) und Tag für Planungszwecke. Für die 155-mm-Haubitze M109, die Teil einer mechanisierten Division ist, beträgt die Basismenge in der Operationsart Verteidigung 203 Schuss pro Haubitze für den ersten Kampftag und 207 Schuss pro Tag für die darauffolgenden Tage.

Obwohl die US-Mengen niedriger sind als die in der Ukraine beobachteten, sollte berücksichtigt werden, dass die sowjetische (und vermutlich auch die heutige russische und ukrainische) Militärdoktrin extrem „artillerielastig“ war und ist. In der sowjetischen Doktrin war die Artillerie das wichtigste Mittel zur Vernichtung des Feindes, wobei Infanterie und Panzer die Artillerie bei dieser Aufgabe unterstützten, indem sie feindliche Einheiten angriffen und „festsetzten“, so dass sie von der Raketen- und Rohrartillerie angegriffen und zerstört werden konnten. Dies ist in vielerlei Hinsicht das Gegenteil der westlichen/NATO-Doktrin, bei der die Artillerie zur Unterstützung von Infanterie und Panzern eingesetzt wird, während letztere den Feind bekämpfen und vernichten. Naturgemäß wird die sowjetische/russische/ukrainische Doktrin daher zu einem höheren Verbrauch an Artilleriemunition führen.

Die hier vorgelegten Zahlen sollten daher nur als Mittel zur Veranschaulichung der in diesem Artikel dargelegten Punkte betrachtet werden – nicht als realistischer Versuch, den tatsächlichen Verbrauch oder den Bedarf an Lagerbeständen zu berechnen oder vorherzusagen. Auch wenn westliche/NATO-Waffensysteme ihren russischen Pendants in Bezug auf Reichweite, Genauigkeit und Wirkung im Allgemeinen qualitativ überlegen sind, kann davon ausgegangen werden, dass die von einer westlichen/NATO-Streitmacht nicht verbrauchte Artilleriemunition trotzdem verbraucht wird, nur in Form einer anderen Munitionsart (Flugzeugbomben, Panzergeschosse oder andere), so dass der logistische Aufwand mehr oder weniger gleich bleibt.

Außerdem beziehen sich die Zahlen aus dem Ukraine-Krieg speziell auf schwere und hochintensive Gefechte, was nicht jeden Tag und an jedem Frontabschnitt der Fall sein wird.

Nebenbei bemerkt und als zweiter Kontrapunkt zeigen die Erfahrungen der USA mit den Munitionsverbräuchen während der Operationen „Desert Storm“ und „Iraqi Freedom“, dass die Munitionsverbräuche deutlich unter dem liegen, was gemäß FM 101-10-1/2 vorgesehen war (dies ist einer der Gründe, warum der FM nicht mehr für die logistische Planung verwendet wird).

Aber selbst unter Berücksichtigung dieser Vorbehalte hat der Krieg in der Ukraine zwischen zwei nahezu gleichwertigen Gegnern deutlich gezeigt, dass erhebliche Mengen an Munition benötigt werden. Und diese Munition muss irgendwoher kommen.

Die dänische Regierung hat beschlossen, die erst im Zulauf befindlichen 8×8-Radhaubitzen vom Typ CAESAR nicht weiter wie geplant in die dänischen Streitkräfte einzuführen, sondern alle bereits ausgelieferten und noch anstehenden Systeme an die Ukraine zu spenden. 


Am Beispiel eines der kleineren NATO-Staaten hat Dänemark vor wenigen Jahren 19 CAESAR-Haubitzen des französischen Rüstungskonzerns Nexter erworben, die mittlerweile alle an die Ukraine verschenkt wurden. Wenn wir den niedrigeren Verbrauchswert der Ukraine zugrunde legen, benötigt jede Haubitze bei schweren Kämpfen 300 Schuss pro Tag, was insgesamt 5.700 Schuss Artilleriemunition (Granaten, Treibladungen, Zünder und Zündmittel) pro Tag ausmacht. Wiederholen wir das einfach: Fünftausendsiebenhundert vollständige Schüsse. Pro Tag. Und das ist nur die Berechnung für eine der kleineren NATO-Nationen.

Frontnahe Munitionsversorgung

Die Versorgung der Front mit Munition erfolgt in der Regel von temporären oder semi-permanenten Versorgungspunkten im rückwärtigen Bereich, oder einer Reihe von ihnen. Wie die Erfahrungen in der Ukraine gezeigt haben, müssen diese nahe genug an der Frontlinie liegen, um die dortigen Waffensysteme und Soldaten zuverlässig und rechtzeitig versorgen zu können, gleichzeitig aber weit genug von der Frontlinie entfernt sein, um hoffentlich nicht für den Großteil der feindlichen Waffensysteme erreichbar zu sein.

Diese Situation deutet auch stark darauf hin, dass der Transport der Munition von diesen rückwärtigen Versorgungspunkten zu den Waffensystemen, die sie benötigen, zumindest teilweise Gebiete durchqueren muss, die in Reichweite feindlicher Waffen liegen, sowohl unter direktem als auch indirektem Beschuss. Dies kann nicht nur eine unmittelbare Gefahr für die Transporte selbst darstellen, sondern auch bedeuten, dass ein Großteil der Infrastruktur in diesem Gebiet teilweise oder vollständig zerstört wurde. Dies bedeutet auch, dass die Transportmittel geschützt (gepanzert) und geländegängig sein müssen.

Wechselladersysteme wie der MULTI erleichtern die frontnahe Munitionsversorgung. 


Eine schnelle Überschlagsrechnung zeigt, dass ein geschützter geländegängiger Lkw mit einer Kapazität von 15 t ca. 225 komplette Geschosse für 155-mm-Haubitzen (Granaten, Treibladungen, Zünder und Zündkapseln) transportieren kann. Um beim Beispiel der dänischen Artillerie zu bleiben, bedeutet dies, dass wir bei schweren Kämpfen 25 LKW-Ladungen Artilleriemunition pro Tag benötigen. Verfügt die Nation(en) über diese Transportkapazität und -fähigkeit, die ausschließlich der Artillerie zur Verfügung stehen? Wenn nicht, ist es zumindest für den akuten Gefechtstag unerheblich, wie viel Munition in den nationalen Lagerbeständen vorhanden ist.

Nachschub für die rückwärtigen Versorgungspunkte

Damit die rückwärtigen Versorgungspunkte die an der Front kämpfende Truppe mit je 20 LKW-Ladungen Rohrartilleriemunition pro Tag versorgen können, muss diese Munition natürlich dort vorhanden sein. Das bedeutet, dass die erforderlichen Munitionsmengen zu den rückwärtigen Versorgungspunkten transportiert werden müssen, in der Regel aus nationalen Lagereinrichtungen und Depots.

Der Transport der Munition aus den nationalen Lagern zu dem/den rückwärtigen Versorgungspunkt(en) wird in den meisten Fällen mit „nichtmilitärischen“ Transportmitteln durchgeführt, d. h. selbst wenn die Transporte von den Streitkräften durchgeführt werden, werden die eigentlichen Transportmittel höchstwahrscheinlich zivile Lastwagen oder Züge und bei größeren Mengen über längere Entfernungen auch Containerschiffe sein. In vielen Situationen wird dieser Teil des logistischen Transports außerhalb der Reichweite feindlicher Waffen stattfinden. Dennoch kann er durch feindliche Luftangriffe oder – beim Seetransport – durch feindliche Kriegsschiffe, einschließlich U-Boote, gefährdet werden. In den letzten beiden großen Kriegen in Europa erforderte der Versuch, feindliche Lieferungen während des Seetransports (über den Atlantik oder den Ärmelkanal) abzufangen und zu verhindern, dass sie abgefangen werden, erhebliche Anstrengungen auf allen Seiten des Konflikts (im Zweiten Weltkrieg gingen beispielsweise 3.500 alliierte Handelsschiffe, 175 alliierte Kriegsschiffe, 783 deutsche U-Boote und 47 deutsche Kriegsschiffe direkt oder indirekt durch diese Anstrengungen verloren).

Obwohl sich die heutige Kriegsführung in vielerlei Hinsicht von der des Zweiten Weltkriegs unterscheidet, insbesondere im Hinblick auf die Verbreitung von Präzisionswaffen mit großer Reichweite, können dennoch einige Parallelen gezogen werden, einschließlich der Frage, ob die oben genannten Transporte von den nationalen Lagern zu den Nachschubstellen im rückwärtigen Bereich eskortiert werden müssen, sei es auf See, in der Luft oder an Land.

Wie bereits erwähnt, ist es unerheblich, wie viel Munition in den nationalen Beständen vorhanden ist, wenn die betreffende(n) Nation(en) nicht über die Fähigkeit und Kapazität verfügt (verfügen), die Versorgung der Versorgungspunkte im rückwärtigen Bereich aus den nationalen Lagern aufrechtzuerhalten, gegebenenfalls einschließlich der Fähigkeit und Kapazität, diese Versorgungstransporte zu eskortieren.

Für den Transport vom Depot an die Versorgungspunkte im rückwertigen Raum des Kampfgebietes ist oftmals der Rückgriff auf zivile Transportkapazitäten notwendig. 


Um beim Beispiel Dänemarks zu bleiben: Die dänische Marine verfügt derzeit nur über ein einziges spezielles Transportschiff, die HDMS Sleipner (benannt nach dem achtbeinigen Pferd des nordischen Gottes Odin). Die Sleipner hat eine Ladekapazität von 150 Tonnen. Eine grobe Berechnung zeigt, dass dies etwa 2.300 kompletten 155-mm-Artilleriegeschossen entspricht (wenn diese in den Frachtraum der Sleipner passen würden, was nicht bekannt ist). Wie unsere obigen Berechnungen zeigen, entspricht dies etwa 40 Prozent des geschätzten Tagesbedarfs an 155-mm-Munition! Die HDMS Absalon und Esbern Snare, die ursprünglich als „Flexible Support Ships“ in Dienst gestellt wurden, verfügen zweifellos über eine größere Ladekapazität sowie über Selbstverteidigungsfähigkeiten, doch wurden beide Schiffe im Jahr 2020 zu U-Boot-Fregatten umklassifiziert, und es ist höchst unwahrscheinlich, dass die dänische Marine eines oder beide dieser Schiffe von der U-Boot-Jagd abziehen würde, um sie als Transportschiffe einzusetzen. Die dänische Marine und andere haben natürlich die Möglichkeit, zusätzliche Transportkapazitäten von zivilen Schifffahrtsunternehmen zu mieten, und in vielen Fällen bestehen bereits Vereinbarungen für diesen Fall, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass die Kapazitäten für diese Transporte vorhanden sein müssen, einschließlich der Kapazität, sie bei Bedarf zu eskortieren.

Der Platzbedarf

Nachdem wir nun die logistische Kette von der Front zurückverfolgt haben, befinden wir uns wieder zu Hause, bei den nationalen Lagereinrichtungen, sofern diese überhaupt existieren.

Im Rahmen des allgemeinen Truppenabbaus am Ende des Kalten Krieges haben viele Staaten ihre nationalen Munitionsbestände erheblich reduziert, entweder durch Demilitarisierung und Entsorgung oder durch Verwendung für Ausbildungszwecke. Infolgedessen standen viele Lagereinrichtungen leer, und um keine Haushaltsmittel für die Instandhaltung leerer Strukturen auszugeben, wurden viele dieser Einrichtungen stillgelegt. Im konkreten Fall der Munitionslager bedeutete dies auch, dass die um die Lager herum eingerichteten Sicherheitszonen, in denen das Bauen verboten war, um Mindestabstände zu den Munitionslagern einzuhalten, für die Bebauung geöffnet wurden und neue zivile Gebäude entstanden.

Das bedeutet, dass in vielen Fällen, selbst wenn die Infrastruktur des Lagers (Bunker, Bürogebäude, Straßen usw.) noch in brauchbarem Zustand vorhanden ist, es nicht einfach als Munitionslager wieder in Betrieb genommen werden kann, da die zivile Infrastruktur im Laufe der Jahre zugewachsen ist und die Sicherheitsabstände zur zivilen Infrastruktur folglich nicht eingehalten werden können.

Um ausreichend Munition lagern zu können (was natürlich stark von der Definition des Begriffs „ausreichend“ abhängt), müssen daher mit ziemlicher Sicherheit neue nationale Lagereinrichtungen mehr oder weniger von Grund auf gebaut werden.

In der „guten alten Zeit“ wurde als Richtwert für die Vorräte regelmäßig ein Vorrat von 30 Tagen genannt. Am Beispiel Dänemarks haben wir oben errechnet, dass für schwere Kämpfe etwa 5.700 Schuss Rohrartilleriemunition pro Tag benötigt würden. Wie bereits erwähnt, wird nicht jeder der 30 Tage ein „hochintensiver Kampf“ sein, aber dies sollte dennoch berücksichtigt werden.

Nehmen wir als Rechenbeispiel an, dass von den oben genannten 30 Tagen 10 Tage mit schweren Kampfhandlungen verbunden sind und für die restlichen 20 Tage nur 10 Prozent (570 Schuss pro Tag) der „schweren Kampftage“ benötigt werden, so ergibt sich für 30 Tage ein Gesamtbedarf an Artilleriemunition (Granaten, Treibladungen, Zünder und Zündhütchen) von 68.400 Schuss.

In einem Munitionslagerhaus der Bundeswehr werden die Artilleriegeschosse vor dem Weitertransport sicher gelagert. Insgesamt passen in so ein geschütztes Lagerhaus über 300 Geschosse mit einer Gesamtmasse von über 240 Tonnen.


Eine weitere grobe Berechnung ergibt, dass dafür etwa 2.000 m² Lagerfläche benötigt werden; dabei ist der Sicherheitsbereich um das Depot noch nicht berücksichtigt, in dem für hochexplosive Munition leicht ein Radius von 600 bis 1.000 m oder mehr erforderlich sein könnte.

Sind die Kapazitäten auf nationaler Ebene vorhanden, um die erforderlichen Munitionsmengen zu lagern? Und wenn nicht, wie schnell und zu welchen Kosten kann sie entwickelt werden?

Selbst wenn eine kleine NATO-Nation wie Dänemark die Mittel aufbrächte, um 68.400 komplette Schuss 155-mm-Artilleriemunition in Auftrag zu geben, würde dies nicht viel nützen, wenn keine Munitionslager zur Verfügung stünden, die diese Munition aufnehmen könnten. Und wir haben an dieser Stelle noch gar nicht über die Ressourcen gesprochen, die für die Wartung der Munition, die regelmäßige Entnahme von Proben der Treibladungen zur Überprüfung der Alterung, das Röntgen von Proben der HE-Granaten zur Überprüfung auf Risse und Hohlräume im Sprengstoff oder die Durchführung regelmäßiger Testschüsse erforderlich sind.

Schlussfolgerung

Um auf den ersten Absatz zurückzukommen: Bei den gegenwärtigen Diskussionen in der NATO und in den Staaten über die militärische Einsatzbereitschaft und die militärischen Fähigkeiten geht es bei der Erörterung von Munition in erster Linie um Lagerbestände und erforderliche Mengen. In diesem Artikel wird darauf hingewiesen, dass Diskussionen und Berechnungen von Munitionsmengen und Lagerbeständen durchaus relevant sind, aber sie müssen von einer Planung begleitet werden, die sicherstellt, dass die NATO und die Staaten auch über folgende Voraussetzungen verfügen:die erforderlichen Kapazitäten zur Lagerung der Munition auf nationaler Ebene die erforderlichen Kapazitäten für den Transport der Munition von den nationalen Lagern zu den Versorgungspunkten in den rückwärtigen Kampfgebieten die erforderlichen Kapazitäten für den Transport der Munition von den rückwärtigen Versorgungspunkten zu den Soldaten und Waffensystemen, die sie benötigen.

Samstag, 21. Januar 2023

Wählen Sie die SPD... besser nicht...



 

Dienstag, 10. Januar 2023

Darf's noch ein bisschen mehr sein?

von Mirjam Lübke...

"Hey, Marie-Agnes, als ihr die alten Marder-Panzer abgestaubt habt, lagen da zufällig noch ein paar gebrauchte U-Boote und Kampfjets in der Ecke? Wir nehmen auch B-Ware, unsere Ansprüche sind nicht so hoch." Nein, das hat Herr Melnyk natürlich nicht zu Frau Strack-Zimmermann gesagt, als sie wieder einmal ein gemütliches Plauderstündchen bei einer Tasse Tee eingelegt haben. Denn die Ukraine hat recht genaue Vorstellungen davon, was sie von Deutschland haben will, vor allem, seitdem Kanzler Scholz in der Panzerfrage weichgeklopft wurde. Nun gut, zunächst einmal handelt es sich um Altbestände, die nun geliefert werden sollen, denn der Marder ist der Veteran unter den deutschen Nachkriegspanzern. Aber wer weiß, was der nächste Schritt sein wird? Dann doch der Leopard? Wäre ich Bundeswehroffizier, würde ich längst nachts ins Kissen weinen - oder mir einen Plan austüfteln, wie ich der Ampelkoalition ebenfalls eine Lieferung des begehrten Kampfgeräts abringen könnte.


Als Privatperson allerdings wäre es mir lieber, einen objektiven Lagebericht aus der Ukraine zu bekommen. In meiner Vorstellung wird das Land von Tag zu Tag größer, denn die russischen Truppen werden in der Darstellung von Tagesschau & Co. seit Wochen erfolgreich zurückgeschlagen, sie müssten sich meiner Einschätzung nach längst östlich des Urals befinden. Zumal Putin offenbar Mühe hat, Kämpfernachschub für seine Sache zu rekrutieren. Ganz egal, wie man zu der Schuldfrage im Ukraine-Krieg steht, es gestaltet sich alles sehr undurchsichtig. Das Vertrauen in die Berichterstattung ist verloren, denn vieles passt nicht zusammen. Die Propagandaschlacht tobt auf beiden Seiten, während gleichzeitig auch von Kriegsverbrechen beider Parteien die Rede ist. Jedes Mal, wenn die Russen aus einem Gebiet abgezogen und Tote in der Zivilbevölkerung zu beklagen sind, startet die "Wer war es?"-Diskussion. Massaker oder Racheakt der ukrainischen Truppen? Hinzu kommt die schwankende Drohkulisse: Steht Putin schon morgen unter dem Brandenburger Tor oder ist seine Armee schon mit den ukrainischen Truppen komplett überfordert? Die widersprüchlichen Medienmeldungen lassen beide Schlüsse zu. Für den Normalbürger ist es fast unmöglich, sich ein objektives Bild des Geschehens zu machen, bei mir sagt lediglich der Bauch: "Hier stimmt etwas nicht!"

Die Ampel-Regierung verfügt sicherlich über genauere Informationen als wir, trotzdem sollten gerade diese Unklarheiten zu Zurückhaltung führen. Aber bekanntlich lässt sich die Bundesregierung auf stets neue Zugeständnisse jenseits von humanitärer Hilfe ein. Dies nur auf den äußeren Druck durch den großen Bruder USA zurückzuführen, scheint mir zu kurz zu greifen, denn als Deutschland unter Kanzler Schröder die Gefolgschaft im Irak-Krieg verweigerte, hatte das außer einer Abkühlung der "Freundschaft" keinerlei weitreichende Konsequenzen für unser Land, sogar die New Yorker ließen sich trotz Handelskrieg den deutschen Riesling weiter schmecken. Betrachtet man Deutschlands Abstimmungsverhalten gegenüber Israel in der UN, so dürfte auch dieses nicht im Sinne der USA liegen, sondern vielmehr dem Erhalt der Wirtschaftsbeziehungen mit der arabischen Welt geschuldet sein. Mit dieser wollte es sich die deutsche Industrie schon zu Adenauers Zeiten nicht verscherzen.

Auch wenn deutsche Regierungen also nicht so frei vom Einfluss der USA in ihren Entscheidungen sind, wie sie es sein sollten: Es geht in der Ukraine-Frage wieder einmal darum, der Weltgemeinschaft gefallen zu wollen und "das Richtige" zu tun. Während Russland droht, weiß die ukrainische Führung sehr gut, welche Knöpfe bei den Deutschen zu drücken sind, um sich deren Unterstützung zu sichern. Das Dilemma dabei: Während einige ukrainische Gruppen sich gern an die Zusammenarbeit mit Deutschland im zweiten Weltkrieg erinnern - auch Andrij Melnyk ist bekanntlich ein Anhänger Stepan Banderas - will man diese Zeit gleichzeitig als Druckmittel einsetzen: "Wer jetzt Russland unterstützt, hätte auch Nazi-Deutschland unterstützt", stand in einem ukrainischen Meme am gestrigen Tag. Man könnte es auch böse formulieren: Um nicht zu sein wie Hitler, soll Deutschland das gleiche Bündnis eingehen wie er, im zweiten Durchlauf passt es dann moralisch. Gepaart mit den Forderungen nach immer mehr Waffen sollte das eigentlich ein Signal sein, schon aus gesunder Sturheit auf Vorsicht und Mäßigung zu drängen, aber stattdessen schaltet die Ampel wunschgemäß in den Gebermodus.
 
Stolz verweist man dabei immer wieder auf die neu errungene wirtschaftliche Unabhängigkeit von Russland, die uns bekanntlich allerdings erhebliche Mehrkosten bei der Gasversorgung beschert und in neue Abhängigkeiten geführt hat, bei denen ebenfalls nicht immer deutlich wird, worin wenigstens der moralische Vorteil liegen soll. Auch aus Russland wird weiterhin Gas bezogen, nur eben in flüssiger Form und mehrfach teurer - das erinnert ein wenig daran, dass Grüne an Greenpeace spenden, wenn sie in den Urlaub fliegen, der Ablass beruhigt das Gewissen. Einzig Rheinmetall dürfte sich über finanzielle Profite freuen und schafft darüber hinaus noch Platz in den Lagerhallen für Neues. Zwei Fliegen mit einer Klappe.
 
Man wünscht sich angesichts dieser Irrwege dringend mehr Pragmatismus zurück und weniger wohlfeile Feindbilder. Das Gut-Böse-Schema taugt in diesem Falle nichts, da keine beteiligte Partei als unschuldiges Opferlamm taugt. Warum sollte also ausgerechnet Deutschland in einem Spiel, in jeder seine eigenen Interessen verfolgt, seinen Retterkomplex ausleben und sich damit selbst in Gefahr bringen? Mit der Lieferung schweren Kriegsgeräts erklären wir uns selbst zur Kriegspartei. Selbst wenn es eher unwahrscheinlich ist, dass Russland deshalb auch hier einmarschiert, heizt dies den Konflikt weiter an. Ein Konflikt, in dem wir im übrigen recht wehrlos dastehen, sollte Putin es sich wider alle Vernunft doch überlegen, es Deutschland heimzuzahlen. Zum Glück müsste er dazu erst an den besser ausgerüsteten Armeen unserer Nachbarländer vorbei, und das mit jetzt schon erschöpften eigenen Streitkräften. Denn nur wenige Länder sind so dumm, erst die Armee eines anderen Staates aufzurüsten, bevor sie sich um die eigene kümmern.
 
Ist das der neue deutsche Pazifismus? Das grüne Wahlversprechen "Keine Waffen in Krisengebiete!" ist längst vergessen - und damit den Weg der meisten Wahlversprechen gegangen. Wir erinnern uns auch an die Empörung, als Ex-Präsident Trump forderte, Deutschland müsse mehr in seinen Verteidigungshaushalt investieren. Stattdessen lassen wir jetzt kämpfen, denn das scheint moralisch hochwertiger zu sein. Auf den ersten Blick ist es auch mit weniger Risiko verbunden - führt aber dennoch dazu, dass wir wirtschaftlich weiter in den Abgrund rutschen. Man könnte fast glauben, den Verantwortlichen sei das egal.