von Thomas Heck...
Es ist eine Hochzeit für Verschwörungstheorien. Nun trifft es die Causa Strache. Zeit und Gelegenheit, mit alten Stereotypen aufzuwarten. Und da was es war nur eine Frage der Zeit, bis man es den Juden in die Schuhe schiebt. Der Cicero mit einem hanebüchenen Text... der mit der unheilsschwangeren Zeile betitelt wird: War es der Mossad?
Und so bestätigt sich der altbewährte Ansatz: Wenn man mal nicht weiter weiß, schiebe es den Juden in die Schuhe. Hat schon immer funktioniert. Der Hinweis auf die angebliche technische Raffinesse der Überwachungsaktion hat mich dagegen nicht überzeugt, den Mossad für verantwortlich zu zeichnen. Viel realistischer ersehe ich da die Option, dass der größenwahnsinnige deutsche GEZ-Scherge Jan Böhmermann da seine schmutzigen Finger im Spiel hat, der die Aufnahme rein technisch auch mit seinem Handy hätte erstellen können.
Im Text dann keinerlei Hinweis auf die aktuell sehr guten und freundschaftlichen Beziehungen zwischen der Regierung Kurz und Israels Premier Netanjahu. Was sollte Israel für ein Interesse haben, wieder in alte sozialdemokratische Zeiten eines judenhassenden Bruno Kreiskys und seiner bis heute antisemitischen SPÖ (analog zur deutschen SPD) zu geraten? Stattdessen selbst für linke Verhältnisse ziemlich üble braune Soße, ein Text voller Klischees, antisemitischer Narrative, die den Hass auf Juden und Israel noch weiter befeuern wird. Wozu sollte Israel genau die stärken wollen, die weiter und ungehemmt arabischen Antisemitismus nach Europa importieren, der die Juden mehr und mehr gefährdet?
Warum wurde das Video, das FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und Johannes Gudenus zu Fall brachte, erst jetzt veröffentlicht? Und wer steckt dahinter? Noch bleibt alles Spekulation. Für Ex-BND-Vize Rudolf Adam deutet aber vieles auf den israelischen Geheimdienst hin– auch der
Antisemitismus der FPÖ
In Österreich werden der zweitmächtigste Mann der Regierung und sein Intimus in einer sorgfältig eingefädelten Falle als raffgierige, machtversessene, gewissen- und skrupellose Gauner enttarnt. Ein heimlich aufgenommenes Video vom Sommer 2017 zeigt die beiden mit einem Verhalten, das halb mafiös, halb landesverräterisch wirkt. Heinz-Christian Strache, bis zum Wochenende noch Vizekanzler, nennt seine Äußerungen selbst „katastrophal und ausgesprochen peinlich” und spricht von „alkoholbedingtem Machogehabe“.
Die Aufregung weltweit ist groß. Das Gehabe der beiden ist abstoßend und dürfte ein juristisches Nachspiel haben. Viel interessanter aber ist die Frage: Wer steckt hinter dieser Intrige? Welche Absichten haben die Initiatoren geleitet? Lassen sich daraus Rückschlüsse auf weitere Angriffe auf westliche Demokratien herleiten?
Strache und Gudenus – eine enge Verbindung
Zunächst ein Blick auf die Protagonisten: Strache hat 2005 Jörg Haider als zu zentristisch von der Spitze der FPÖ verdrängt. Sein Kompagnon im Video, Johannes Gudenus, ist seit gemeinsamen Tagen in der Burschenschaft „Vandalia“ mit Strache eng verbunden und dessen rechte Hand. Strache pflegte enge Beziehungen zu rechtsextremistischen Gruppierungen wie zur Wiking-Jugend und zur deutschen DVU. Er hat 2016 einen Kooperationsvertrag zwischen seiner FPÖ und der russischen Regierungspartei Einheitliches Russland unterschrieben. Gudenus wurde 2017 von Bundespräsident Alexander van der Bellen als Minister abgelehnt. Gudenus hielt stattdessen seither die FPÖ-Fraktion auf Strache-Linie.
Er ist durch hemdsärmelige Auftritte und betonte Russlandfreundlichkeit aufgefallen: Er unterstützte im Wahlkampf die rechtsextreme Jobbik-Partei in Ungarn. Er attestierte dem Referendum, das im März 2014 auf der Krim abgehalten wurde, es sei völlig legitim und ohne Druck und Zwang abgelaufen. Die OSZE hatte zuvor eine Wahlbeobachtung abgelehnt, weil zu offensichtlich war, dass dieses Referendum nachträglich eine Scheinlegitimität für einen völkerrechtswidrigen Gewaltakt schaffen sollte. Dass dieses Referendum beängstigende Parallelen zu der Volksabstimmung aufwies, mit der Hitler 76 Jahre zuvor den „Anschluss“ Österreichs zu legitimieren trachtete, störte Gudenus nicht. Gudenus pflegt freundschaftliche Beziehungen zu Tschetscheniens Herrscher Kadyrow. Er ist verheiratet mit einer Serbin und feiert den (illegitimen) serbischen Nationalfeiertag in der (bosnischen Teil-)Republika Srpska. Bereits sein Vater John Gudenus saß für die FPÖ im National- und im Bundesrat. Er machte sich einen Namen als Verharmloser von KZs, Gaskammern und vom Holocaust.
Verhalten grenzt an Landesverrat
Beide Protagonisten stehen jetzt vor dem abrupten Ende ihrer politischen Karrieren. Strache verlor nicht nur sein Ministeramt, sondern auch den Parteivorsitz. Gudenus legte alle Parteiämter nieder und gab seinen Parlamentssitz auf.
Es blieb ihnen keine Wahl: Denn zwei sich nationalistisch gebende Politiker haben sich als skrupellose Manipulateure entlarvt, die mit ausländischen Geldgebern die demokratische Willensbildung ihres Landes zu ihren eigenen parteipolitischen Gunsten beeinflussen wollten. Sie waren bereit, den Geldgebern dafür Staatsaufträge mit entsprechenden Profitmargen auf Kosten der Steuerzahler den Geldgebern zuzuschanzen. Das Ganze grenzt an Landesverrat.
Der verhängnisvolle Abend auf Ibiza
Doch was ist auf Ibiza eigentlich passiert? Was bislang bekannt ist, bleibt dürftig. Strache hat in seiner Rücktrittsrede Folgendes verraten: Schon Monate vor dem Sommer 2017 sei eine Frau, die sich als lettische Staatsbürgerin und als Nichte eines Putin nahestehenden russischen Oligarchen ausgab, an Gudenus herangetreten. Sie behauptete, mit ihrer Tochter nach Wien übersiedeln zu wollen, dazu Investitionsmöglichkeiten in Österreich zu suchen und eine Jagd pachten zu wollen, die Gudenus besaß. Das war kurz nach dem Tod seines Vaters (14. September 2016). Über Monate habe sich ein Vertrauensverhältnis entwickelt. Hier liegt die erste Ungereimtheit. Wenn ich über Monate mit jemandem über Geschäftsbeziehungen rede, ziehe ich Erkundigungen über Umfeld und Hintergrund dieser Person ein. Die Dame muss also einen Namen haben. Sie wird auch den Namen ihres vorgeblichen Onkels fallen gelassen haben, denn dessen Nähe zu Putin und dessen Geld scheinen die Türöffner für die Beziehung gewesen zu sein und das Interesse der Österreicher geweckt zu haben.
Die Dame hat Strache und Gudenus dann zu einer Besprechung in eine Finca auf Ibiza eingeladen. Wohnzimmer, Terrasse und Küche des Gebäudes waren vorher systematisch für eine Abhör- und Videoüberwachung vorbereitet worden. Die Ausschnitte dieser Videos kursieren im Internet. Insgesamt waren im Wohnzimmer mindestens zwei Kameras versteckt. Beide ließen sich ein wenig bewegen. Bildausschnitt, Fokussierung und Brennweiten werden angepasst. Es muss also ein Kameramann von außen die Aufnahmen im Inneren mitverfolgt und gesteuert haben.
Diese Aufnahmen wurden vor mehr als einem Monat einigen deutschen Journalisten angeboten, unter abenteuerlichen Umständen übergeben, eingehend geprüft und vergangene Woche publiziert. An der Echtheit der Aufnahmen besteht kein Zweifel. Selbst die beiden Hauptdarsteller räumen ein, dass sie echt sind.
Warum taucht das Video jetzt auf?
Doch weshalb macht jemand solche Aufnahmen, hält sie dann fast zwei Jahre zurück und gibt sie erst jetzt an die Öffentlichkeit? Weshalb sind diese Aufnahmen nicht bereits vor den Nationalratswahlen publiziert worden, die am 15. Oktober 2017 (also drei Monate später) stattfanden und die FPÖ und Strache überhaupt erst in die Regierung gebracht haben?
Grund könnten die bevorstehenden Wahlen zum EU-Parlament sein. Hier zeichnet sich ein beispielloser Erfolg rechtsnationaler Parteien und deren europaweiten Bündnissen ab. Umfragen sehen diesen Block bei 30 Prozent. Strache hat in diesem Block mit seiner FPÖ eine zentrale Rolle gespielt. Er hat zwischen den nordischen Rechten (AfD, PVV von Geert Wilders in den Niederlanden, Schwedendemokraten) und den populistisch-nationalistischen Parteien am Mittelmeer und auf dem Balkan (Salvinis Lega in Italien, Orbans Fidesz in Ungarn, Le Pens Rassemblement National in Frankreich, Santiago Abascals Vox in Spanien) vermittelt. Wer diesem sich anbahnenden EU-weiten Bündnis rechtsnationaler Kräfte entgegen treten wollte, musste jetzt handeln. Das Video ist ein Schuss vor den Bug dieser Bewegung und ein Schuss in Herz der FPÖ. Dass dieses Video so lange zurückgehalten wurde, deutet darauf hin, dass sich hier jemand mit weiter Voraussicht Kompromate beschaffen wollte. Vermutlich ist dieses Video nicht das einzige belastende Material dieser Art. Seine jetzige Veröffentlichung ist gleichzeitig eine Warnung an alle, die sich in ähnlicher Weise exponiert haben könnten. Natürlich wirft so ein Video die Frage auf, ob vielleicht auch das ominöse Treffen von Donald Trump Jr, Paul Manafort und Jared Kushner mit der rätselhaften Natalja Veselnitzkaja in New York am 9. Juni 2016 illegal dokumentiert worden ist und somit als Kompromat zur Erpressung taugt.
Alles deutet auf Geheimdienste hin
Die Herstellung dieses Videos deutet darauf hin, dass es sich nicht um die Arbeit von Journalisten handelt, sondern professionelle Geheimdienstler am Werk waren. Die Aktion ist mit großem finanziellen und organisatorischen Aufwand vorbereitet und durchgeführt worden. Zunächst musste Gudenus „angefüttert“ werden. Er hat den Köder sofort geschluckt. Auch Strache scheint in völliger Ahnungslosigkeit in die Falle hineingetappt zu sein. Wenn er sich mit Alkohol und Imponiergehabe zu entschuldigen versucht, zeigt das nur, dass er jegliche Vorsicht, Kontrolle und jeglichen Verdacht beiseite geschoben hat. Und das bei einer Frau, die er angeblich zum ersten und letzten Mal dort gesehen hat. Er muss durch Hinweise aus dem Umfeld vertrauensselig gemacht worden sein.
Die Operation Ibiza war also von langer Hand sorgfältig geplant, mit höchster Professionalität vorbereitet – vermutlich auch eingeübt – und dann durchgeführt. Es ist kaum anzunehmen, dass Journalisten oder Redaktionen für eine derartige Operation die Erfahrung und das Geld haben. Vor allem aber kann sich keine Redaktion leisten, bei einer solchen Aktion in flagranti erwischt zu werden. Es ist also wahrscheinlich, dass professionelle Geheimdienstler dahinter stecken, die in der Kunst bewandert sind, sich zu verstellen, Quellen zu ködern und dann in Sicherheit zu wiegen, und die Zugang zur notwendigen Technik haben.
Doch wer kann sie beauftragt haben? Es kommen nur staatliche Geheimdienste oder eine Gruppe von ehemaligen Geheimdienstlern in Frage, die sich von einem Privatmann haben anheuern lassen. Die letzere Hypothese ist jedoch extrem unwahrscheinlich. Kein Privatmann kann riskieren, dass eine solche Operation mit seinem Namen verbunden wird, vor allem, wenn sie schief gehen sollte. Zudem wird ein bunt zusammen gewürfelter Haufen von ex-geheimdienstlichen „Landsknechten“ nicht die notwendige Teamarbeit und den langen Atem aufbringen, der für diese Operation notwendig ist. Es wäre auch ein Wunder, wenn eine solche privat initiierte Operation im Zeitalter umfassender Terrorüberwachung unentdeckt bliebe.
Welcher Staat könnte dahinter stecken?
Kein europäischer Dienst dürfte und könnte so etwas durchführen. Die amerikanischen Dienste sind vollauf mit Korea, Iran und China beschäftigt. Zudem dürften die politischen Sympathien von Präsident Donald Trump eher bei Strache und der FPÖ als bei ihren Gegnern liegen. Russland? Dafür spricht, dass Russland in letzter Zeit immer wieder versucht hat, demokratische Willensbildung in westlichen Staaten zu beeinflussen, und dass russische Sicherheitsdienste sich seit Jahrzehnten auf die Kunst des Kompromats verstehen. Das Kompromat ist sozusagen der Kitt, der die russische politische Elite zusammenhält. Dagegen spricht, dass Strache und Gudenus seit Jahren Fürsprecher Russlands waren. Strache hat wiederholt und insistent ein Ende der Sanktionen gefordert. Beide verkörpern in perfekter Weise die eigenartige Affinität zwischen rechtsnational-autoritären Strömungen und dem autoritär herrschenden Putin. Beide Politiker waren aus Moskauer Sicht vielleicht Idioten, aber eben höchst nützliche Idioten.
China oder Dienste aus der arabischen Welt dürften kein Interesse an österreichischer Innenpolitik haben.
Bleibt nur ein Staat, der die menschlichen und technischen Fähigkeiten zu einer derartigen Operation und ein eindeutiges Motiv hat: Israel. Dort und in den jüdischen Gemeinden in Europa wächst die Angst vor einem anschwellenden Antisemitismus, der den Nationalsozialismus schönfärberisch bemäntelt und den Holocaust verharmlost, wenn nicht leugnet. Wenn derartige Strömungen im Parlament der EU einen institutionellen Rahmen und einen weithin tönenden Resonanzboden erhalten, dürften diese Gefahren weiter anwachsen. Israel hat ein Überlebensinteresse daran, dass die EU eine Israel-freundliche Politik verfolgt. Diese Linie war schon bislang unter den EU-Mitgliedern umstritten. Ein Triumph von politischen Parteien, die der FPÖ nahe stehen, könnte hier einen Umschwung einleiten und die EU insgesamt auf eine eher Israel-kritische Linie bringen. Dies ist zu sehen vor der steigenden Wahrscheinlichkeit eines Konflikts Israels mit dem Iran, der gegenwärtig vor allem aus der EU und aus Russland Sympathie erfährt. Eine Spaltung zwischen den USA und der EU über den Iran hätte unweigerlich Auswirkungen auf deren Verhältnis zu Israel.
Was für Israel als Auftraggeber spricht
Getroffen hat es die FPÖ und zwei ihrer markantesten Köpfe. Beide verkörpern einen Kurs, der tiefsitzenden Antisemitismus mit einer Bagatellisierung nationalsozialistischer Untaten verbindet. Die jüdische Kultusgemeinde Österreichs und die Regierung Israels lehnen jegliche Kontakte zur FPÖ ab. Antisemitische Ausfälle und deutliche Sympathien für Hitler und seine völkische Politik sind für die FPÖ tägliches Brot: Es sei nur an das unsägliche Rattengedicht von Christian Schilcher aus Braunau oder an die Ungeheuerlichkeiten eines Udo Landbauer erinnert, der Hitler-Bilder verteilte und meinte, auch „die siebte Million sei noch zu schaffen.“ Gudenus hat mehrfach angedeutet, dass Juden und insbesondere George Soros hinter den anschwellenden Migrantenströmen stecken könnten. Soros habe „mit viel Kapitalmacht versucht, alle möglichen Umwälzungstendenzen in Osteuropa zu finanzieren.” Insassen des KZ Mauthausen nannte er „Landplage“ und „Kriminelle”.
Dem Mossad ist eine solche Operation zuzutrauen. In Israel finden sich viele Staatsbürger, die Russisch als Muttersprache sprechen und enge Beziehungen zu russischsprachigen Gemeinden in der ehemaligen Sowjetunion unterhalten. Viele russische Oligarchen entstammen jüdischen Familien und unterhalten enge Beziehungen zu Israel.
Hoffnung auf Aufklärung
Vielleicht werden Strache und Gudenus noch nähere Einzelheiten zu dem bizarren Vorgang enthüllen. Solange allerdings mit Herbert Kickl ihr Parteifreund das Innenministerium kontrolliert, wird der Aufklärungseifer sich in Grenzen halten. Wichtig wären jetzt ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss und ein Gerichtsverfahren. Nur so lassen sich die Beteiligten zu Aussagen zwingen. Entscheidend wird sein, ob sich die Identität der ominösen Russisch sprechenden Nichte eines Oligarchen aus Lettland und der Name dieses Onkels feststellen lässt. Ohne deren Identifizierung dürften Aufklärungsbemühungen bald an ihre Grenzen stossen.
Nach dem Novichok-Attentat auf Sergej Skripal in Salisbury vom 4. März 2018 tappte man monatelang im Dunkeln. Dann aber gelang es, zwei Verdächtige zu identifizieren. Vielleicht ist Ähnliches ja auch in diesem Fall möglich. Wie viel Videoüberwachung öffentlicher Plätze gibt es auf Ibiza? Gibt es noch Zugriff auf die Namen der Flugreisenden im fraglichen Zeitraum und deren Unterlagen? Wer hat die Finca, wer die Autos angemietet? Welche Dokumente wurden vorgelegt? Wurden diese fotokopiert? Es gibt viele Spuren, denen nachzugehen sich lohnt.
Gegenwärtig bleiben jedoch alle Überlegungen, die über das, was bislang bekannt ist, hinausgehen, pure Spekulation und sollten als solche mit äußerster Vorsicht aufgenommen werden – also auch dieser Beitrag.