von Thomas Heck...
Nach der steilen These von Margot Käßmann zur Bestimmung von Nazis, wonach es deutschen Eltern und deutschen Großeltern bedarf, schreit es nach einer rechtlichen Klarstellung. Wir haben uns daher eng an die Nürnberger Gesetze gehalten und im Sinne Margot Käßmanns leicht angepasst. Ich jedoch weise daraufhin, dass die Einstufung Margot Käßmanns weit über die Nürnberger Gesetze der Nationalsozialisten hinausgehen. Es fehlt hier noch die deutsche Klarheit, vermutlich dem nächtlichen Rotweinkonsum der Protagonistin geschuldet.
Die Erste Verordnung zum Bundesbürgergesetz definierte, wer als „Nazi-Mischling“ Bundesbürger bleiben könne und wer als „Nazi“ davon ausgeschlossen sei:
- Personen mit mindestens drei Nazi-Großeltern galten als (Voll-)„Nazi“.
- Personen mit einem Nazi-Elternteil oder zwei Nazi-Großeltern galten als „Mischling ersten Grades“.
- Personen mit einem Nazi-Großeltern-Teil wurden als „Mischling zweiten Grades“ eingestuft.
„Mischlinge ersten Grades“, die der Nazi-Kultusgemeinde angehörten oder mit einem Nazi verheiratet waren, wurden als „Nazis“ eingestuft. Für sie kam später der Begriff „Geltungsnazis“ auf. Alle anderen „Halbnazis“ und „Viertelnazis“ wurden amtlich als „Nazi-Mischlinge“ bezeichnet.
Zum Vergleich das Original:
Die Erste Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 14. November 1935 definierte, wer als „jüdischer Mischling“ Reichsbürger bleiben könne und wer als „Jude“ davon ausgeschlossen sei:
- Personen mit mindestens drei jüdischen Großeltern galten als (Voll-)„Jude“.
- Personen mit einem jüdischen Elternteil oder zwei jüdischen Großeltern galten als „Mischling ersten Grades“.
- Personen mit einem jüdischen Großeltern-Teil wurden als „Mischling zweiten Grades“ eingestuft.
„Mischlinge ersten Grades“, die der jüdischen Kultusgemeinde angehörten oder mit einem Juden verheiratet waren, wurden als „Juden“ eingestuft. Für sie kam später der Begriff „Geltungsjude“ auf. Alle anderen „Halbjuden“ und „Vierteljuden“ wurden amtlich als „jüdische Mischlinge“ bezeichnet.
Anmerkung:
Die Theologin Margot Käßmann erwägt nach heftiger Kritik an Teilen einer von ihr gehaltenen Rede auf dem Kirchentag in Berlin rechtliche Schritte. Sie beklagt eine falsche Darstellung ihrer Aussagen über die AfD in sozialen Netzwerken.
Es gebe Inhalte, die einfach gelöscht werden sollten, sagte die ehemalige hannoversche Landesbischöfin dem Evangelischen Pressedienst und berief sich auf einen kürzlich gehörten Experten. "Manche Inhalte sollte man demnach aber auch rechtlich verfolgen", sagte sie und ergänzte: "Das überlege ich mir in diesem Fall."
Käßmann hatte am Donnerstag in einer Bibelarbeit beim Kirchentag in Berlin die Forderung der AfD nach einer höheren Geburtenrate kritisiert. Sie sagte, diese entspreche dem "kleinen Arierparagrafen der Nationalsozialisten": "Zwei deutsche Eltern, vier deutsche Großeltern" - und setzte mit Blick auf die AfD nach: "Da weiß man, woher der braune Wind wirklich weht."
"Du fühlst dich hilflos, weil du es nicht geraderücken kannst"
Im Kurznachrichtendienst Twitter wurden vielfach nur die beiden letzten Sätze ohne den Zusammenhang zum Arierparagrafen zitiert und dadurch der Eindruck erweckt, Käßmann habe quasi alle Bürger mit deutschen Ahnen zu Neonazis erklärt. Unter anderem stieg die kürzlich aus der CDU ausgetretene Politikerin Erika Steinbach in die Empörungswelle ein und postete ein Bild, auf dem von "linksfaschistischen Ergüssen" die Rede war.
Käßmann selbst nannte diese durch Falschdarstellung erweckte Unterstellung "lächerlich und absurd": "Dann gehörte ich ja selbst auch dazu." Sie habe zwar schon erlebt, dass Äußerungen von ihr entstellt oder aus dem Zusammenhang gerissen wiedergegeben worden seien. "Die Erfahrung, dass etwas bewusst falsch dargestellt wird, mache ich aber zum ersten Mal", sagte Käßmann. Es mache zornig, und "du fühlst dich auch hilflos, weil du es nicht geraderücken kannst".
Käßmann selbst will nicht in 140 Zeichen kommunizieren
Die Zitate stammen aus einer Bibelarbeit Käßmanns beim Kirchentag, die sie in den folgenden Tagen auch noch bei "Kirchentagen auf dem Weg" in mitteldeutschen Städten gehalten hatte. Die Empörungswelle bei Twitter folgte aber erst am Samstag - an dem Tag, an dem Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei dem Protestantentreffen vor den Folgen von Fake News im Netz warnte und von einer "Zersetzung der Demokratie" sprach.
"In einer Demokratie ist es wichtig, dass jeder sich eine Meinung bildet", sagte Käßmann. Das könne anstrengend sein, "weil du dafür alle Fakten recherchieren musst". Wenn die Bereitschaft zu dieser Information nicht da sei, sei das eine Gefahr für die Gesellschaft. "Da hat Bundespräsident Steinmeier mit seiner Aussage auf dem Kirchentag Recht", sagte die ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Käßmann selbst hat keinen Twitter-Account und will sich auch keinen zulegen. Sie wolle nicht nur in 140 Zeichen kommunizieren, sagte sie.