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Dienstag, 26. März 2024

Das neue Leben des KSK-Soldaten Philipp Schaaf, der Munition im Garten hortete und zu Unrecht beschuldigt wurde, den Hitlergruss gezeigt zu haben

von Marco Seliger...

Er diente in Deutschlands Eliteeinheit «Kommando Spezialkräfte» und war vier Mal in Afghanistan. Vor drei Jahren wurde er zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Heute ist Philipp Schaaf ein freier Mann. Ein Besuch bei ihm in Sachsen, der Überraschendes zutage fördert.

Der frühere Kommando-Soldat Philipp Schaaf, fotografiert im vergangenen Jahr.



In der Gästetoilette des angeblich rechtsextremistischen Kommando-Soldaten, auf dessen Grundstück die Polizei vor vier Jahren Munition und Sprengstoff ausgrub, steht ein gerahmter Spruch: «Alles, was man braucht, ist Liebe und eine Katze.» Im Flur hängen Kinderfotos, vor der Haustür steht eine Schubkarre mit Kaminholz. Ein Garten mit Sitzecke und Hochbeet zieht sich um das Gebäude. Deutsche Einfamilienhausidylle, wenn da nicht der erdbraune Fleck im Rasen wäre. «Da hatte ich den Kram vergraben», sagt Philipp Schaaf.

Er klingt dabei, als sei das nicht mehr von Belang, als stamme es aus einem anderen Leben. Einem geheimnisumwobenen Leben als Elitesoldat der Bundeswehr, das am 13. Mai 2020 abrupt endete. An diesem Tag wurde Oberstabsfeldwebel Schaaf, damals 45 Jahre alt, in der Graf-Zeppelin-Kaserne des Kommandos Spezialkräfte (KSK) in Calw verhaftet, während die sächsische Polizei 530 Kilometer entfernt 7000 Schuss Munition, zwei Kilogramm Sprengstoff und eine schrottreifes Sturmgewehr auf seinem Grundstück fand.

Ein halbes Jahr sass er in Dresden in Untersuchungshaft, Einzelzelle, verschärfte Sicherungsverwahrung. In der Begründung dafür hiess es zunächst, er sei suizidgefährdet und eine Gefahr für sich, dann, er sei im lautlosen Töten geschult und eine Gefahr für andere. Vor gut drei Jahren verurteilte ihn das Landgericht Leipzig wegen Verstosses gegen das Munitions-, Sprengstoff- und Kriegswaffenkontrollgesetz zu zwei Jahren Haft auf Bewährung. Es folgten die unehrenhafte Entlassung bei der Bundeswehr und die Kritik von Medien wie der «taz» an der ihrer Ansicht nach zu geringen Strafe.

Schaaf hatte der zweiten Kompanie des KSK angehört. Eine Untersuchungskommission der Bundeswehr attestierte dieser Einheit vor vier Jahren eine «toxische Führungskultur», ein fehlgeleitetes Eliteverständnis und extremistische Tendenzen. Die Kompanie war 2017 in das Visier von Ermittlungen geraten, nachdem bei einer Feier nationalsozialistische Symbole gezeigt und Rechtsrock gespielt worden sein sollen.

Schaaf ist einer der vier Soldaten, die auf jener «Schweinekopfparty» den Hitlergruss gezeigt haben sollen. Eine Zeugin nannte ihn den «glatzköpfigen Nazi-Opa». Die damalige Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer kündigte nach seiner Festnahme an, das KSK entweder abzuschaffen oder mit «eisernem Besen» durchzufegen. Im Juli 2020 verfügte sie, die zweite Kompanie aufzulösen.

Sein nächster Auftrag führt in die Alpen

Gut vier Jahre später steht Philipp Schaaf am Bahnhof von Oschatz. Er trägt Bergschuhe, eine schwarze Hose und eine blaue Regenjacke. Sein gut 1 Meter 80 grosser Körper wirkt athletisch, nicht aufgepumpt. Die Glatze ist mit einer Basecap aus Camouflage bedeckt. In seinem braunen VW-Bus sind die Rücksitze umgelegt, darauf zwei Matten und zwei Schlafsäcke. «Mein Nachtlager, wenn ich meine Touren mache», sagt er.

Schaaf steuert seinen Wagen aus Oschatz hinaus, einer Kleinstadt zwischen Leipzig und Dresden. Es sehe gerade mau aus mit Aufträgen, setzt er fort und gibt Gas. Der Winter in den Bergen sei fast vorbei, die Sommersaison habe noch nicht begonnen. Im April gehe es aber wieder los. Wanderer hätten ihn für eine Hüttentour in der Silvretta gebucht. Schaaf lächelt. Seine Aufträge führen ihn nicht mehr nach Afghanistan, sondern in die österreichischen Alpen. Der frühere Kommando-Soldat arbeitet jetzt als Berg- und Gletscherführer.

«Ich habe ein verdammt tolles Leben für das, was war», sagt er und steuert gut zehn Minuten nach der Abfahrt vom Bahnhof seinen Bus die schmale Strasse nach Collm hinein. Die meisten Deutschen dürften von diesem 250-Seelen-Ort das erste Mal gehört haben, als die Polizei dort im Mai 2020 Schaafs Garten umgrub und Medien über mögliche Umsturzpläne in der sächsischen Provinz orakelten. Der Bus biegt auf ein Grundstück ein, umgrenzt von Thujen und Koniferen, von aussen kaum einsehbar. «Hoffentlich hat Frauchen eingeheizt», sagt Schaaf.

Soldaten des Kommandos Spezialkräfte der Bundeswehr bei einer Vorführung im Juni 2019 in Süddeutschland. Zu diesem Zeitpunkt gehörte Philipp Schaaf der Eliteeinheit noch an.



Seine Frau sagt, sie sei Soldat, nicht Soldatin

Seine Frau heisst Anna, sie sei Soldat, sagt sie, nicht Soldatin. Brainy, die Katze, springt aufgeregt vorbei, als Schaaf seine Schuhe auszieht. Er setzt sich aufs Sofa im Wohnzimmer, im Kamin knacken die Holzscheite. Ein Boxsack baumelt von der Decke, auf dem Boden steht eine Hantelbank. An der Wand hängt ein Kunststich, zwei deutsche Soldaten im Graben, einer von ihnen gefallen, den Uniformen nach im Ersten Weltkrieg. Vor der Couch steht ein Sideboard mit Fernseher, daneben ein Stapel Bücher, auf dem Cover ein Bild von Schaaf in Uniform.

«Inside KSK – Ein Ex-Kommando-Soldat über das verborgene Innenleben der Eliteeinheit und ihre Skandale», so lautet der Titel des Buches, seines Buches, geschrieben mit einem Co-Autor. Es ist im November 2023 erschienen und ist sein Versuch, gut 20 Jahre im KSK aufzuarbeiten. Das ist durchaus interessant, denn wenn es etwas gibt, womit die Eliteeinheit der Bundeswehr verbunden ist, dann sind es weniger die angeblichen Geheimmissionen in Afghanistan oder in anderen Teilen der Welt. Es sind vielmehr die Skandale, für die das Kommando immer wieder gesorgt hat. Philipp Schaaf ist einer ihrer Kronzeugen. Doch ist er auch ein «Nazi» oder ein Rechtsextremist, wie es immer wieder heisst?

Anna stellt ihm eine Tasse Kaffee hin und setzt sich neben ihn aufs Sofa. Ja, die Sache mit der «Schweinekopfparty», sagt Schaaf, da müsse er einiges richtigstellen. Das beginne schon bei dem Kompaniechef, für den sie die Feier veranstaltet hätten. Medien hätten von ihm das Bild einer tätowierten Kampfmaschine mit zweifelhafter Gesinnung gezeichnet, sagt er. «Nur: Wer kannte ihn besser: die Journalisten oder wir, die ihn jeden Tag erlebten?» Ein grossartiger taktischer Führer, der sich immer vor seine Leute gestellt habe, das sei er gewesen, der Kompaniechef. Nur darauf sei es angekommen, wenn es im Einsatz um Leben oder Tod gegangen sei.

Der Tag der Party, es war der 27. April 2017, Schaaf sei Grillmeister gewesen. Das «Festkomitee» habe ihn beauftragt, neben einem Spanferkel auch drei Schweinsköpfe zu besorgen. Sie sollten Teil des Abschiedsparcours sein, den der Kompaniechef unter steter Einnahme von Alkohol absolvieren sollte. Dabei musste er zwei der Köpfe in eine Tonne werfen. Nicht der geschmackvollste Einfall, meint Schaaf. Aber: «Wir alle kannten Krieg und Leid und Tod, die Abgründe des Lebens, seine rauen Seiten – und mussten manchmal selbst auch rau sein, um unseren Job zu erfüllen.»

Soldaten seilen sich von einem Helikopter ab. Übungen wie diese gehörten knapp 20 Jahre zum Leben von Philipp Schaaf.



Eine Party als Beleg rechten Ungeistes im KSK

Ein Kommando-Soldat kann keine zartbesaitete Seele sein, das leuchtet ein. Viele Medien wollten damals in der «Schweinekopfparty» den Beleg dafür gesehen haben, dass das KSK ausser Kontrolle geraten sei und ein rechter Ungeist dort herrsche. Schaaf selbst wirkt nicht wie der harte, rechte Typ. Wenn er von den Leichen erzählt, die er bei einem Anschlag in Afghanistan gesehen habe, von den Resten eines «pulverisierten» deutschen Soldaten nach der Explosion, dann bricht seine Stimme, und seine Frau greift seine Hand. Doch die «Schweinekopfparty», mit der das Unheil begann, sie scheint ihn nach wie vor am meisten zu beschäftigen.

Es gibt bei dieser Party ein Detail, das in der gesamten Berichterstattung bisher keine Rolle spielte. Es nützt Schaaf nichts mehr. Es wurde einige Wochen nach seiner Verurteilung bekannt und hat mit den eigentlichen Straftaten, dem Verstoss gegen das Waffen-, Sprengstoff- und Kriegswaffenkontrollgesetz, nichts zu tun. Doch es lässt einige Aussagen über ihn in einem anderen Licht erscheinen.

Bekannt ist, dass «Diane», die Tinder-Bekanntschaft eines Kameraden aus Hamburg, an dem Abend auftauchte. Sie habe, sagt Schaaf, auf grosse, starke, tätowierte Männer gestanden, Sex gewollt und sich als «Trophäe» für den Chef dargeboten. Der sei aber viel zu betrunken gewesen, und auch sonst habe sich niemand auf sie einlassen wollen. «Weggeschädelt» hätten sie sich alle, sagt Schaaf, so dass «Diane» unverrichteter Dinge wieder abgezogen sei.

Während er von dem Saufgelage spricht, geht seine Frau in die Küche und schält Kartoffeln. Knapp vier Monate später taucht der erste Bericht auf: Auf einer KSK-Party sei rechtsradikale Musik gespielt worden, vier Soldaten hätten den Hitlergruss gezeigt. Es gebe eine Zeugin, heisst es, eine Frau, die zur Party eingeflogen worden sei. Sie wirft Schaaf vor, einer der Soldaten zu sein, die den Nazi-Gruss gezeigt hätten, und bezeichnete ihn als «glatzköpfigen Nazi-Opa», weil er ihr sichtlich älter schien als die anderen Soldaten.

KSK-Soldaten vor einem Fahrzeug, mit dem auch Philipp Schaaf wiederholt in Afghanistan im Einsatz war.



Unberechtigte Anschuldigungen

Nun zum bisher unbekannten Detail: Es geht dabei um den Vorwurf, er habe auf der «Schweinekopfparty» den Hitlergruss gezeigt. Doch das stimmt nicht. «Diane», die diese Anschuldigung vor gut sieben Jahren erhoben hat, widerrief sie vier Jahre später gegenüber der Polizei in Wiesbaden. Trotzdem hält sich bis heute der Vorwurf, Schaaf habe damals den Hitlergruss gezeigt.

Das entsprechende Protokoll datiert vom 9. Juni 2021 und liegt der NZZ vor. Darin heisst es, «Diane» (deren Klarname in dem Protokoll steht, hier aber aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nicht genannt wird; Anm. d. Red.) habe am 31. Mai 2021 fernmündlich klarstellen wollen, dass «sie zwar den Herrn Oberstabsfeldwebel Schaaf erkannt habe, ihn aber keiner Straftat bezichtigt habe, er also nicht derjenige gewesen sei, der den Hitlergruss gezeigt habe». In einem Schreiben vom 3. Juni 2021 an die Polizei, so heisst es in dem Protokoll weiter, habe sie dies bekräftigt.

Schaaf erzählt eher nebenbei davon. Das ist erstaunlich, denn die Bundeswehr hat insbesondere wegen des Vorwurfs, er habe verfassungsfeindliche Symbole gezeigt, jahrelang gegen ihn ermittelt. Auch alles Weitere in der Folge, der «Crash seines Lebens», wie er es nennt, hat mit diesen Anschuldigungen zu tun.

Doch zunächst ruft seine Frau zum Mittagessen. Es gibt Spiegeleier, Kartoffeln und Gurkensalat. Am Tisch kommt die Rede auf ihre Hochzeit vor einem Jahr, auf einen Gast, der gezeichnet gewesen sei von einer posttraumatischen Belastungsstörung. «Er war einer der Besten und ist nicht wiederzuerkennen gewesen», sagt Schaaf leise. Seine Frau legt ihre Hand auf seinen Arm und erwidert: «Auch du hast etwas mitgekriegt, lässt es aber nicht zu.» Schaaf steht schweigend auf und schlägt noch ein paar Eier in die Pfanne.

Nie für das eingesetzt, was er am besten konnte

Dann erzählt er von Afghanistan. Viermal sei er dort gewesen, aber nie für das, wofür er sich vor 23 Jahren beim KSK beworben habe. Deutsche Staatsbürger aus Geiselhaft im Ausland zu befreien, das sei für ihn der Grund gewesen, Kommando-Soldat zu werden. «Wie oft dachten wir, dieses Mal endlich zum Zug zu kommen», sagt er. Doch die Politiker hätten sich seiner Ansicht nach vor den Konsequenzen gefürchtet, falls bei einem solchen Einsatz die Geiseln oder einer der Soldaten getötet worden wären – und lieber Lösegeld gezahlt.

Nach dem Mittagessen legt Schaaf Holz nach und setzt sich wieder aufs Sofa. Ihn fröstele, sagt er lächelnd und bemüht einen Vergleich, um seine Motivation zu erklären. Wie ein Sportler einen Teil seines Antriebs daraus schöpfe, eines Tages siegen zu wollen, so hätten er und die anderen Soldaten ihre Motivation daraus gezogen, etwas Wichtiges für Deutschland und seine Menschen zu leisten.

Doch statt Geiseln zu befreien, seien sie immer wieder nach Afghanistan in mehr oder weniger sinnlose Einsätze geschickt worden. Die Frustration darüber, sein Können aus jahrelanger Ausbildung in allen Klimazonen bei der Ausbildung afghanischer Polizisten verschwendet zu haben, spricht noch immer aus ihm. «Das hätten normale Soldaten gekonnt, dafür bin ich nicht Kommando-Soldat geworden.»

Wie muss das sein, wenn man nie das tun kann, wofür man sich am besten geeignet fühlt? Wenn man ein Leben führt, in das andere geheime Missionen hineininterpretieren, die aber oft so banal und, wie Schaaf in seinem Buch andeutet, wohl auch erfolglos waren, dass man darüber tatsächlich lieber schweigt, um den eigenen Mythos zu bewahren? Wenn man andere von Elite reden hört, aber erkennt, dass es bei vielen Soldaten mit diesem Anspruch nicht wirklich weit her ist?

Niedertracht in der Eliteeinheit

Schaaf berichtet von Kameraden, die Buch über die Fehler anderer geführt hätten, um sich selbst einen Vorteil zu verschaffen. Von Kommandeuren, die in der Truppe keinerlei Vertrauen genossen hätten, weil sie dort als «Politiker in Uniform» betrachtet worden seien. Und er erzählt von Engpässen bei der Munition, bei Sprengstoff, bei der Ausrüstung generell. Das Gespräch ist dennoch keine Abrechnung mit dem Kommando, sondern eher eine mit sich selbst.

Schaaf war Ausbilder und hatte seit Jahren Munition und Sprengstoff gehortet, weil es für Übungen immer zu wenig gegeben habe. Das hätten auch andere Soldaten so gemacht, sagt er. Es sei illegal, aber akzeptiert gewesen. Als im Sommer 2017 die internen Ermittlungen wegen der «Schweinekopfparty» angelaufen seien, habe er befürchtet, dass ihm die im Kompaniekeller gesammelte Munition negativ ausgelegt werden könnte. Schaaf brachte sie im Privatwagen nach Collm und vergrub sie im Garten. Drei Jahre später bot der damalige KSK-Kommandeur Markus Kreitmayr den Soldaten Straffreiheit an, wenn sie illegal gebunkertes Material innerhalb eines Monats zurückgäben.

Hier ist der Zusammenhang zwischen den falschen Anschuldigungen von «Diane» und dem Anlegen von Munitionsverstecken im heimischen Garten. Hätte Schaaf nicht mit verschärften Ermittlungen gegen sich rechnen müssen, hätte er die «grösste Dummheit seines Lebens» wahrscheinlich nicht begangen. Doch zugleich ist er auch nicht schuldlos in die rechtsextreme Ecke geraten. Die Polizei hatte in seinem Haus Nazi-Lektüre, ein SS-Liederbuch und Postkarten mit NS-Symbolen gefunden.

Warum in aller Welt hat man so etwas zu Hause? Schaaf redet von Interesse an Einsatztaktiken der Wehrmacht, an Kriegsgeschichte. Aber schlüssig erklären kann er es nicht. Ja, sagt er, man habe dadurch sicher Rückschlüsse auf eine eventuelle politische Gesinnung ziehen können.

Doch er sei kein Nazi und lehne jegliche Form von Extremismus ab. Vielmehr sei er «ein konservativer Patriot», der einen Eid auf Deutschland geleistet habe. Wie sonst solle man bereit sein, das eigene Leben für dieses Land zu geben, wenn man nicht stolz auf sein Land sei, sagt er. Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Sauberkeit und Ordnung – das seien für ihn wichtige Werte, für die Deutschland stehe. Sie gäben Orientierung, setzten Grenzen. «So ist das Leben. Es funktioniert nicht, wenn jeder macht, was er will.»

Seine Ex-Frau verriet das Munitionsversteck

Anna bringt Kaffee und legt Schaaf ein Waffeleis neben die Tasse. «Megalecker», sagt er, wickelt das Konfekt aus dem Papier, legt es aber wieder hin. Er habe dem damaligen Kommandeur nicht getraut, sagt er. Er habe erlebt, wie Kreitmayr Kameraden dazu aufgerufen habe, andere anzuschwärzen. «So was geht nicht in meiner Wertewelt.» Er habe daher warten wollen, bis sich alles beruhigt habe, bis die Vorwürfe mit dem Hitlergruss aus der Welt seien. Er brachte die Munition nicht nach Calw zurück, sondern liess sie in seinem Garten. Seine Ex-Frau verriet das Versteck dem Militärnachrichtendienst.

Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz besuchte vor einigen Tagen die KSK-Kaserne in Calw und liess sich mit dem heutigen Kommandeur Ansgar Meyer vor einem Denkmal für im Dienst getötete Kommando-Soldaten fotografieren.



Man kann die Erklärung für sein Handeln glauben oder nicht. Man kann es Naivität nennen oder Dummheit. Wenn man einen Vormittag und einen Nachmittag mit ihm verbringt, dann bekommt man nicht den Eindruck eines naiven oder dummen Menschen. Schaaf ist vielleicht eher ein Beispiel dafür, dass die Vorstellung, ein Mensch sei nur gut oder böse, falsch ist. Doch ein halber Tag reicht eben auch nicht, um einschätzen zu können, ob er das ist, was ihm damals vorgeworfen wurde: ein Rechtsextremist mit Umsturzabsichten.

In seinem Urteil am 20. März 2021 sagte der Richter in Leipzig, es gebe «genügend Anhaltspunkte für eine rechtsnationale Einstellung». Ein rechtsextremer Gefährder aber sei Schaaf nicht. Er habe glaubhaft Reue gezeigt und werde wohl kaum noch einmal eine Straftat begehen.

Vorgesetzte nannten Philipp Schaaf einen «Vorzeige-Kommando-Feldwebel». Sein Spitzname in der Kompanie war «Schäfchen». Früher, sagt er, habe er sich ein Leben ausserhalb des KSK nicht vorstellen können. Er habe dort «die schönste Zeit seines Lebens» gehabt. Jetzt führe er Menschen auf Hütten und Berge, habe ein Familienleben und Freunde und habe erkannt, dass auch «draussen» zünftig gefeiert werden könne. «Ich bin glücklich und zufrieden.»

Philipp Schaaf mit Fred Sellin: Inside KSK – Ein Ex-Kommando-Soldat über das verborgene Innenleben der Eliteeinheit und ihre Skandale. Yes Publishing, München, November 2023.


Dienstag, 19. Juli 2022

Die Bundeswehr kapituliert, noch bevor der Feind angegriffen hat...

von Thomas Heck...

Es ist schon ein Treppenwitz der Geschichte, dass ausgerechnet eine CDU-Kanzlerin mit CDU oder CSU-Verteidigungsministern mit der Bundeswehr das gemacht hat, was Merkel schon seit Jahren mit ihrem Mann nicht mehr gemacht hatte: nämlich fix und fertig gemacht. Dabei war Geld nicht das eigentliche Problem der Truppe, eher Mißmanagement, eine unfähige Führung, vor allem seitens der Verteidigungsminister, die den Job eher als Karriereschritt denn als Berufung gesehen haben. 

Nach drei Frauen als Verteidigungsminister, die fachfremder nicht sein konnten, steht die Truppe vor dem Nichts. Keiner hat auch nur im Ansatz die Expertise, die nötig wäre, die Truppe aus der Krise zu führen. Doch hier wurde ganze Arbeit geleistet. Offensichtlich besteht gar kein Interesse, eine schlagkräftige Truppe aufzustellen. Scholz Ankündigung, die schlagkräftogste Armee Europas aufzubauen, reine Lippenbekenntnisse bestenfalls, faktisch eine dreiste Lüge.

Viel Geld reicht nicht: Deutschland bleibt auch nach der «Zeitenwende» ein militärisches Vakuum mitten in Europa

Die Bundeswehr erhält zusätzliche 100 Milliarden, doch dies reicht nur für eine Minimalsanierung. Die Bodentruppen werden kaum verstärkt. Deutschland ist weit davon entfernt, die «schlagkräftigste Armee Europas» aufzubauen.

Mit den zusätzlichen 100 Milliarden Euro können bei der Bundeswehr bloss längst erkannte Lücken geschlossen werden.


Der Auftrag war umfassend, die Zeit knapp und die Anzahl Soldaten zu klein: Der erste mechanisierte Vorstoss deutscher Truppen seit dem Zweiten Weltkrieg war eine Herkulesaufgabe. Brigadegeneral Fritz von Korff rückte am 12. Juni 1999 von Süden her nach Kosovo ein. Einerseits sollte er den Abzug der serbischen Verbände im Raum Prizren durchsetzen, andererseits sofort für ein Minimum an Sicherheit in seinem Sektor sorgen.

Von Korff stand unter gewaltigem Erfolgsdruck. Trotz einem Abkommen der serbischen Generalität mit der Nato hätte es jederzeit zu Kämpfen kommen können. Die Lage war unübersichtlich, teilweise chaotisch. Flüchtlinge strömten zurück ins Land, andere mussten ihre Heimat verlassen. Der konventionelle Teil der Aktion, die Koordination von Panzerverbänden und einer taktischen Luftlandung, glückte von Korff und seinen Bataillonskommandanten ziemlich nach Plan.

Die Stabilisierung der Stadt Prizren und von deren Umfeld gestaltete sich allerdings schwieriger als erwartet, wie eine niederländische Studie ausführt. Zunächst geriet der Zeitplan aus dem Ruder, dann fehlten die Kräfte, um überall gleichzeitig zu sein. Im weiteren Verlauf des Kosovo-Einsatzes erwies sich die schwere Bewaffnung eher als Nachteil. Gefragt war eine verstärkte Polizeitruppe, vergleichbar mit der Gendarmerie in Frankreich oder den Carabinieri in Italien. Die Soldaten, die primär für Kampfaufträge ausgebildet waren, mussten schützende Aufgaben übernehmen.

Abrüstung bis über die Schmerzgrenze hinaus

Spätestens mit dem Einsatz in Kosovo begann für die Bundeswehr eine sukzessive Transformation. Der Primärauftrag, die Landesverteidigung und der robuste Teil der Bündnisverpflichtung für die Nato, rückte in den Hintergrund. Die deutschen Streitkräfte wurden auf Auslandseinsätze ausgerichtet, akzentuiert nach den Anschlägen vom 11. September 2001: Die USA brauchten ihre Verbündeten für den «war on terror». Die deutschen Streitkräfte verlagerten ihr Zentrum der Kraftentfaltung nach Afghanistan.

Das Hauptaugenmerk lag bis zum Abzug aus Kabul vor einem Jahr auf dem Kampf gegen Aufständische. Ein Krieg gegen einen ebenbürtigen Gegner in Europa wurde in der Ausbildung zu einer theoretischen Grösse aus der fernen Vergangenheit.

Ein Leopard 2 der Bundeswehr: Kampfpanzer sind im gegenwärtigen Krieg wieder zu einer Art militärischen Währung geworden.


Das Handwerk, das von Korff bei seinem Vorstoss nach Prizren noch im Schlaf beherrscht hatte, ist unterdessen verkümmert. Die Bundeswehr hat ihren harten Kern bis über die Schmerzgrenze hinaus reduziert. Die deutschen Bodentruppen, das Heer, verfügen nur noch über zwei Grossverbände, die dem Namen nach etwas mit Krieg zu tun haben: Von den einst sechs deutschen Panzerdivisionen der Heeresstruktur 4 im Kalten Krieg sind nur noch die erste und die zehnte Panzerdivision übrig geblieben.

Die Namen entstammen der Tradition der Bundeswehr. Doch eigentlich ist die Bezeichnung der beiden Grossverbände ein Etikettenschwindel. Die Kampfpanzer, die harte Währung der Bodentruppen, wurden so weit zusammengestrichen, dass sie innerhalb der zwei deutschen Panzerdivisionen fast schon Seltenheitswert haben. Dem deutschen Heer fehlt die Kampfkraft, um in einem konventionellen Krieg bestehen zu können. Erst mit starken Panzerverbänden kann ein Angreifer am Boden auch wirklich vertrieben werden.

Selbst die Kampfpanzer, über die das Heer verfügen sollte, sind zurzeit nicht alle einsatzbereit: Zwischen dem Soll- und dem Ist-Bestand besteht eine beträchtliche Lücke. Ähnlich dürfte es sich mit anderen Waffensystemen wie der Artillerie verhalten: Schauergeschichten über den militärischen Lotterbetrieb gibt es viele, aber harte Fakten kaum. Das Bundesministerium für Verteidigung hält die konkreten Zahlen unter Verschluss. Den Gegnern der Nato soll die Schwäche der Bundeswehr nicht unter die Nase gerieben werden.

Die NZZ hat deshalb bei den Kampfpanzern die Probe aufs Exempel gemacht. Ausgangspunkt ist die «ordre de bataille» der beiden Panzerdivisionen. Dieses taktische Organigramm lässt sich über die Angaben auf der Homepage der Bundeswehr nachzeichnen. Daraus wird klar, wie weit die deutsche Abrüstung wirklich gegangen ist. Dazu gelang es, ein vertrauliches Papier mit den gegenwärtigen Beständen an Leopard-2-Kampfpanzern zu beschaffen. Natürlich funktionieren moderne Streitkräfte im Verbund. Der Fokus auf die Kampfpanzer illustriert indes das grundsätzliche Malaise.

Ein Viertel der Kampfpanzer Leopard 2 zu wenig?

Innerhalb der beiden erwähnten Panzerdivisionen verfügt die Bundeswehr noch über fünf aktive Panzerbataillone. Davon ist eines ein niederländisch-deutscher Mischverband. Im Organigramm stehen noch zwei weitere Bataillone, doch beim Gebirgspanzerbataillon 8 handelt es sich um einen Reserververband. Ein zusätzlicher Truppenkörper wird als «Panzerlehrbataillon» geführt.

Um alle Verbände auszurüsten, benötigt die Bundeswehr 264 Leopard-2-Panzer

Panzerverbände der 1. und 10. Panzerdivision


Das Hauptkampfmittel der deutschen Panzerverbände ist der Kampfpanzer Leopard 2. Jedes Bataillon hat 44 Stück davon. Abweichungen sind möglich, können aber für das Gesamtbild über die Einsatzfähigkeit der deutschen Leopard-Flotte vernachlässigt werden.

Berücksichtigt man nur die fünf aktiven Panzerbataillone, besteht ein Soll-Bestand von 220 Leopard 2. Dazu kommen mindestens 44 weitere Kampfpanzer für die Ausbildung. Das Panzerlehrbataillon 93 kann überdies ebenfalls in den Einsatz geschickt werden. Minimal benötigt die Bundeswehr gemäss dieser Rechnung also 264 Leopard 2, damit alle Verbände vollständig ausgerüstet sind.

Doch selbst dem abgerüsteten Heer fehlen zurzeit einsatzbereite Panzer: Ein aktuelles, intern klassifiziertes Dokument, das der NZZ vorliegt, listet die Anzahl Leopard-Panzer der Bundeswehr detailliert auf:

Aktive Leopard-2-Kampfpanzer der Bundeswehr Typ A7V (ausgerüstet für den Kampf im überbauten Gebiet): 53
Typ A6 (Programm «Erhalt der Einsatzbereitschaft»): 110
Typ A6M (besonderer Minenschutz): 30
Im Umbau: 99 (44 A6, 20 A6M, 18 A7, 17 A7V)
Typ A5 zur Zieldarstellung: 19

Relevant für die Panzerbataillone sind die Typen A7V, A6M und A6. Davon hat die Bundeswehr gemäss dieser Übersicht Stand Mai dieses Jahres 193 Stück. Damit fehlt gegenwärtig wohl rund ein Viertel der minimal benötigten 264 Leopard-Panzer. Kommen später die 99 Panzer dazu, die zurzeit umgebaut werden, erreicht die Bundeswehr wieder den Soll-Bestand. Bei den Leopard-Panzern versucht das deutsche Heer also das Image einer Papierarmee loszuwerden.

Die Bundeswehr hat zurzeit nicht die nötigen Panzer, um ihre Truppen auszurüsten

Soll- und Ist-Bestand Leopard 2


Zum Vergleich: Die ebenfalls bis aufs Gerippe abgerüstete Schweizer Armee hat heute 134 Leopard 2 im Einsatz, die einer Fitnesskur zum «Werterhalt» unterzogen worden sind. Dazu stehen 96 weitere Exemplare in einer Lagerhalle als Reserve bereit, mit denen bei Bedarf mindestens zwei weitere Panzerbataillone ausgerüstet werden könnten. Die Ausgangslage der Schweiz für den Wiederaufbau ihrer Armee ist also deutlich komfortabler als im zehnmal grösseren Nachbarland Deutschland.

«Die Bundeswehr steht mehr oder weniger blank da»

Der Nachholbedarf der Bundeswehr ist gewaltig: Drei Tage nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine rief der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz am 27. Februar eine «Zeitenwende» im Bundestag aus. Mit einem «Sondervermögen» von 100 Milliarden Euro sollte die Bundeswehr in wenigen Jahren zur schlagkräftigsten konventionellen Truppe in Europa ausgebaut werden. Das Ziel sei eine leistungsfähige, hochmoderne und fortschrittliche Bundeswehr, wie sie «für ein Land unserer Grösse und Bedeutung in Europa» angemessen sei.

Schon drei Tage zuvor hatte der Inspekteur des Heeres, Alfons Mais, seinem Ärger Luft gemacht. Auf seiner Linkedin-Seite schrieb der Generalleutnant: «Ich hätte in meinem 41. Dienstjahr im Frieden nicht geglaubt, noch einen Krieg erleben zu müssen. Und die Bundeswehr, das Heer, das ich führen darf, steht mehr oder weniger blank da.» Auch acht Jahre nach der Krim-Annexion, so Mais, habe Deutschland nicht die Konsequenzen gezogen und in die eigene Verteidigungsbereitschaft investiert. Dieser Offenbarungseid des ranghöchsten Soldaten des deutschen Heeres sorgte intern für Ärger, war aber für die Politik ein Anstoss zum Handeln.

Laut einem Thesenpapier des deutschen Heeres von 2017 ist das Ambitionsniveau klar: «Nehmen, Halten, Kontrollieren und Beherrschen von Räumen bleiben als Kernanforderungen für Landstreitkräfte bestehen.»


Über Nacht stieg das Verteidigungsministerium wieder in die höchste Polit-Liga auf. Noch Monate zuvor hatte es die Ampelkoalition mit einer Verlegenheitskandidatin ohne vertieftes militärisches Fachwissen besetzt: Christine Lambrecht, Anwältin und Spezialistin für rechtspolitische Fragen, soll die Bundeswehr wieder zu einer ernstzunehmenden Armee transformieren.

Inhaltlich kann die Ministerin auf solide Grundlagen ihrer Vorgängerinnen zurückgreifen. Bereits 2016 gab die Bundesregierung ein Weissbuch zur Zukunft der deutschen Sicherheitspolitik heraus. Die Überlegungen standen unter dem Eindruck von Russlands völkerrechtswidriger Annexion der Krim. Die Essenz des Weissbuchs geht vor lauter abstrakten Begriffen beinahe unter: Deutschland muss endlich seine militärische Verantwortung in der Mitte Europas wahrnehmen.

Stringente Prioritäten des Wirtschaftsplans

Ein Jahr später veröffentlichte das deutsche Heer ein Thesenpapier mit dem Titel «Wie kämpfen Landstreitkräfte künftig?». Darin werden in bemerkenswerter Klarheit die wesentlichen Trends aufgezeigt, die heute den Kriegsverlauf in der Ukraine prägen. So wird etwa auf die russische Taktik der Feuerwalze hingewiesen, also auf den massiven Einsatz von Artillerie zur Abnützung des Gegners. Genau so versuchen die Truppen des Kremls jetzt der ukrainischen Armee wichtige Geländeteile im Donbass zu entreissen.

Weiter werden «schnellere Entscheidungs- und Bekämpfungszyklen» als wesentliche Herausforderungen für die Landstreitkräfte genannt. Die Zeit zwischen der Meldung eines möglichen Ziels, dem Entscheid, dieses zu bekämpfen, und dem Einsatz einer Waffe wurde mit der Digitalisierung der Führungssysteme erheblich verkürzt. Auch dies zeigt sich im jetzigen Krieg: Der technische Fortschritt ermöglicht es der ukrainischen Armee, ihre Kräfte wesentlich agiler einzusetzen, als dies die russischen Angreifer mit ihrer Führung per Sprechfunk können.

Kurzfristig will Deutschland bis 2025 eine Division für die Bündnisverpflichtung zur Verfügung stellen können. Ein A400M-Transportflugzeug der deutschen Luftwaffe.


Die digitale Aufrüstung des «Sensor-Führungs-Wirkungsverbunds» ist deshalb bei der Modernisierung der Bundeswehr ein zentrales Thema. Dies zeigen die Prioritäten im Wirtschaftsplan 2022 zum Sondervermögen von 100 Milliarden Euro, das Scholz in seiner Rede über die Zeitenwende angekündigt hatte. Für Beschaffungen in der «Dimension Führungsfähigkeit / Digitalisierung» wird mehr Geld ausgegeben als für die Erneuerung der Bodentruppen. Etwas salopp ausgedrückt: Statt zusätzlicher Kampfpanzer werden militärische Tablet-Computer angeschafft.

Die Gewichtung der einzelnen Budgetposten im Wirtschaftsplan des Sondervermögens folgt konsequent der Konzeption der Bundeswehr von 2018. Dieses dritte Grundlagenpapier, eine Art Dachphilosophie, fokussierte auf Entwicklung von Fähigkeiten zum Operieren im Verbund.

Verwendung des Sondervermögens Bundeswehr20,7 Milliarden für die Dimension Führungsfähigkeit / Digitalisierung. Dazu gehören ein Verbund von Rechenzentren, modernen Funkgeräten, Satellitenkommunikation und ein taktisches Informationsnetzwerk für die Bodentruppen.

1,9 Milliarden für Bekleidung und persönliche Ausrüstung. Erwähnt wird das Soldatensystem «Infanterist der Zukunft», damit die deutschen Soldaten dem Standard der Nato-Einsatzgruppe mit hoher Bereitschaft entsprechen.

16,6 Milliarden für die Bodentruppen. Ein Schwergewicht bilden die Puma-Schützenpanzer. Aufgeführt wird auch das Main Ground Combat System. Dieses deutsch-französische Projekt soll ab 2035 den Leopard 2 ablösen. Auch hier steht die Vernetzung im Vordergrund. Doch die Entwicklung kommt nicht voran.
 
8,8 Milliarden für die Marine.

33,4 Milliarden für die Luftwaffe. Das markanteste Projekt ist die Beschaffung des F-35 als Tornado-Ersatz für die nukleare Teilhabe. Der amerikanische Jet der fünften Generation dürfte in Deutschland wie in anderen europäischen Ländern zum neuen Standard werden. Der F-35 ist ein fliegender Datenstaubsauger, der im Sensor-Führungs-Wirkungsverbund eine zentrale Rolle spielt.

0,4 Milliarden Euro für Forschung und Technologie, darunter Überwachung und Sicherung grosser Räume mittels künstlicher Intelligenz. Die fehlende Masse an Mensch und Material («lack of mass») soll mit der technischen Überlegenheit kompensiert werden.

Die Bundeswehr wird mit dem Technologieschub ihre Fähigkeiten wirkungsvoller als zuvor in den Nato-Verbund einbringen können. Die physische Kampfkraft insbesondere der Bodentruppen wird aber nicht signifikant erhöht.

Zu wenig Kraft, um selbständig zu kämpfen

Bereits nach der Krim-Annexion 2014 wurde vollmundig eine «Trendwende» angekündigt. Das Verteidigungsministerium sah für den Zeitraum 2016 bis 2030 einen Investitionsbedarf von 130 Milliarden Euro vor. Offensichtlich liess aber erst der russische Angriff auf die Ukraine den Worten auch Taten folgen.

Mit dem Sondervermögen «ausserhalb des regulären Verteidigungshaushaltes» soll die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr nun schnell erhöht werden. Oder anders ausgedrückt: Der längst erkannte Investitionsbedarf wird nun tatsächlich finanziert.

Damit Deutschland auch wirklich über «die schlagkräftigste Armee in Europa» verfügt, braucht es allerdings mehr als die 100 Milliarden des Sondervermögens. Anfang Juni sagte es die Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl, in einem Interview klipp und klar: «Der Bedarf der Bundeswehr geht weit über das Sondervermögen hinaus.»

Das tatsächliche Ambitionsniveau der Bodentruppen steht im Thesenpapier des Heeres von 2017: «Nehmen, Halten, Kontrollieren und Beherrschen von Räumen bleiben als Kernanforderungen für Landstreitkräfte bestehen.» Was dies gegen einen Gegner wie die russische Armee bedeutet, belegt der Kriegsverlauf in der Ukraine: Kiew kann zwar Gebiete halten und kleine Geländeteile zurückgewinnen. Um aber wirklich die Initiative ergreifen zu können, ist die ukrainische Armee auf moderne, schwere Waffen aus dem Westen angewiesen, ganz zu schweigen von hinreichendem Nachschub an Treibstoff und Munition.

Zwei Scharfschützen des deutschen Heeres. Das Sondervermögen sieht gemäss Haushaltsplan 1,93 Milliarden Euro für Bekleidung und persönliche Ausrüstung der Soldatinnen und Soldaten vor.


Mit Blick auf die «ordre de bataille» des deutschen Heeres sind allerdings Zweifel angebracht, welche Gefechtsleistung die deutschen Bodentruppen im Alleingang wirklich erbringen können. Auch eine mit viel Geld ertüchtigte Bundeswehr dürfte nicht in der Lage sein, mit Gegenangriffen grössere Gebiete wieder in Besitz zu nehmen und einen Gegner entscheidend zu schlagen. Dafür reichen fünf aktive Panzerbataillone nicht aus.

Auch ist fraglich, ob für die künftig knapp 300 deutschen Leopard-Panzer auch wirklich genug Panzergranaten vorhanden sind. In einer Rede sagte Verteidigungsministerin Lambrecht, der Bundeswehr fehle Munition im Wert von 20 Milliarden Euro. Ein zweites Indiz: Die Ukraine erhält nur drei deutsche Mars-Raketenwerfer. Es fehlen die benötigten Raketen. In einem Echteinsatz müssten die deutschen Kampftruppen wohl nach kurzer Zeit das Feuer einstellen.

Natürlich ist die Bundeswehr nicht allein, sondern in die Strukturen der Nato integriert. Doch bis vor kurzem konnte sie nicht einmal der Bündnisverpflichtung nachkommen, wie die Episode der «Besenstiel-Armee» vom September 2014 zeigt. Bei der Nato-Übung «Noble Ledger» in Norwegen montierten die deutschen Soldaten schwarz angestrichene Besenstiele an ihre gepanzerten Fahrzeuge, um das Problem fehlender Kanonenrohre auszugleichen.

Zu wenig Mittel für die Landesverteidigung

Der ehemalige Nato-General Harald Kujat sprach in einem Interview Anfang 2015 von einer Situation, die an Peinlichkeit nicht zu überbieten sei. Kujat gehört zu den Gründungsvätern der Nato Response Force (NRF), einer Eingreiftruppe, die im Kriegsfall besonders schnell marschbereit sein soll. «Noble Ledger» bereitete die Truppen damals auf ihre Aufgaben als NRF vor. Genau dieses Element will die Nato nun auf 300 000 Soldatinnen und Soldaten aufstocken, wie die Bündnispartner bei ihrem Gipfeltreffen in Madrid beschlossen haben.

Die Bundeswehr wird damit noch mehr in die Pflicht genommen als bisher. Die Bodentruppen müssen in der Lage sein, Truppen, Material und Munition für folgende Nato-Formate zur Verfügung zu stellen.

Ein Panzerbataillon steht als Kern einer multinationalen Kampftruppe in Litauen (Enhanced Forward Presence).

Mindestens eine Brigade soll sich in erhöhter Bereitschaft für die Nato Response Force bereithalten.

Eine weitere Brigade bereitet sich darauf vor, die schnelle Eingreiftruppe (Very High Readiness Joint Task Force) der NRF zu ergänzen.

Kurzfristig will Deutschland bis 2025 eine Division für die Bündnisverpflichtung zur Verfügung stellen können, wie das Verteidigungsministerium seit 2016 in verschiedenen Papieren versprochen hat. Mit den vorhandenen Kräften plus dem Sondervermögen dürfte dies klappen. Das Gefecht der verbundenen Waffen, wie es von Brigadegeneral von Korff bei seinem Vorstoss praktiziert worden ist, wird wieder das Kerngeschäft der Bundeswehr. Hoch im Kurs sind die deutschen Leopard. Auf die fünf deutschen Panzerbataillone kommt eine strenge Zeit zu.

Die robusten Kräfte des Heeres sind somit bis auf weiteres im Osten Europas gebunden. Die Bundeswehr kann entweder der Bündnisverpflichtung nachkommen oder für die Landesverteidigung eingesetzt werden. Beides zusammen geht nicht. Selbst wenn bis 2031 neben der 1. und der 10. Panzerdivision eine weitere Division aufgestellt wird, kann sich Deutschland nicht selbständig verteidigen.

Das mag in der Bündnislogik zunächst niemanden erschrecken. Verteidigung ist in der Nato eine Gemeinschaftsaufgabe. Deutschland, seit 1990 wieder ein vollständig souveräner Staat, verlässt sich weiterhin auf die starke Präsenz von Truppen der USA. Doch dies ist nicht in Stein gemeisselt. Unter Präsident Donald Trump wurde das Engagement der amerikanischen Steuerzahler für die deutsche Sicherheit offen infrage gestellt.

Doch ganz unabhängig von Mensch, Material und Munition: Selbst wenn Deutschland den Beschaffungsrückstand aufholen kann, ändert dies nichts am verkrampften Verhältnis zwischen der Bundeswehr und der Bevölkerung. In einem demokratischen Staatswesen liegt der eigentliche Schwerpunkt der militärischen Kraft bei den Bürgerinnen und Bürgern. Ohne deren Unterstützung helfen weder Milliarden noch modernste Technologie.

So wurde von Korffs wahres Verdienst im Kosovo-Einsatz von 1999 in Deutschland kaum honoriert. Trotz chaotischen Zuständen gelang es ihm, in seinem Raum dank kluger Vorbereitung die Minderheiten einer multiethnischen Stadt vor der Vertreibung zu retten. Gefragt wäre ein gesundes Mass an Respekt der Öffentlichkeit gegenüber der militärischen Leistung – ob in Afghanistan, auf dem Westbalkan oder jetzt im Baltikum.

Noch immer assoziiert ein guter Teil der deutschen Bevölkerung seine Streitkräfte mit der Vergangenheit in der Nazizeit. Solange sich dies nicht ändert, bleibt Deutschland ein militärisches Vakuum mitten in Europa.





Dienstag, 7. Dezember 2021

Die dritte Null in Folge ins Verteidigungsministerium...

von Thomas Heck...

Hat das die Bundeswehr, haben das unsere Soldaten verdient? Die dritte Null in Folge als Bundesverteidigungsminister?

Darf ich vorstellen. Die neue Bundesverteidigungsministerin Christine "Omi" Lambrecht...

Ihre Vorgängerin Annegret Kramp-Karrenbauer...

Und deren Amtsvorgängerin Ursula von der Leyen...


Irgendwas macht Deutschland falsch...






Samstag, 21. August 2021

Das ungeliebte KSK, die "Nazis" retten jetzt Menschen in Afghanistan...

von Thomas Heck...

Das KSK der Bundeswehr, das Kommando Spezialkräfte, stand schon kurz vor Auflösung. Der Grund? Angeblich verschwundene Munition, als würde sich das KSK insgeheim auf einen Putsch vorbereiten, als gäbe es nur Nazis innerhalb der Truppe. So der kolportierte Vorwurf aus der vornehmlich linken Seite des Parteienspektrums, befeuert von einer linken Journaille, die mit Soldaten, die sich tatsächlich auf einen Krieg vorbereiten, so gar nichts anfangen kann. Da geht es schon um das Unverständnis, dass Soldaten einer Spezialeinheit, die vermutlich tagtäglich im scharfen Schuss trainieren, sicher nicht mit einer Schulschießkladde jeden Schuss abrechnen. 

Als ehemaliger Panzergrenadierzugführer, Schießlehrer, Kompaniechef einer Transportkompanie und Oberstleutnant a.D. kann ich Ihnen aus eigener Erfahrung sagen, dass spätestens beim Gefechtsschießen Munition für eine ganze Gruppe, einen ganzen Zug ausgegeben und in einer sogenannten Einheitsschießkladde verbucht wird. Hier ist gar nicht mehr nachvollziehbar, wer welche Munition verschossen hat. Nun ist der Schwund von 40.000 Schuß Munition und 62 kg Sprengstoff sicher keine Lappalie und eine Menge, die nicht mehr in den Kofferraum eines SUV passt, wenn aber hier per se einer Truppe unterstellt wird, sie würde eine solche Menge beiseite schaffen und ein Motiv des Rechtsextremismus annimmt, dann ist das an Lächerlichkeit kaum zu überbieten. und ehrabschneidend. 

Oder man löst den Laden gleich ganz auf, so wie man das SEK Frankfurt mal so nebenbei auflöste und heute hofft, dass es in Frankfurt zu keinen Geiselnahmen kommt. Froh müsste heute Annegret Kramp-Karrenbauer sein, dass sie das KSK nicht aufgelöst hatte, denn wer würde heute wohl unsere Landsleute aus Afghanistan rausholen? Das THW sicher nicht. Und Margot Käßmann sicher auch nicht, die der Taliban mit Liebe begegnen wollte.

Auch Annalena Baerbock wird nie begreifen, worum es bei der Bundeswehr im Einsatz geht. Bei Maybrit Illner sagte sie: "Ich erwarte von einer Verteidigungsministerin, dass sie nach Usbekistan fährt und die Soldaten, die vor Ort diesen Kriseneinsatz leiten, unterstützt." Was für ein Unsinn. Was soll sie da machen? Flammkuchen backen? Uniformen nähen, Flugzeuge betanken? Als einsatzerfahrener Offizier sage ich Ihnen, Politiker, die im Schlepptau eine Heerschar von Journalisten und Bücklingen mit sich führen, kosten Zeit, Nerven und stören. Baerbock beweist, dass sie von Führung rein gar nichts versteht...

Treffend beschreibt Tichys Einblick ein Dilemma, welches deutsche Politiker umtreibt, wenn es im Soldaten im Einsatz geht. Wasch mich, aber mach mich nicht nass, so das unehrliche Credo:

Zu Zeiten Friedrich Wilhelms I., auch „Soldatenkönig“ genannt, in den zwanziger Jahren des 18. Jahrhunderts, pflegten die Offiziere des preußischen Heeres zu den „leichten Mädchen“ der Berliner Gassen zu sagen: „Komm’ heut nacht zu mir, aber grüße mich bitte nicht am Tage Unter den Linden.“ So wie die Damen des Vergnügens müssen sich heute unsere Elite-Soldaten der KSK genannten Spezialeinheiten fühlen.

Als Werkzeuge, die man benutzt und ansonsten beschämt verschweigt. Nicht nur Bundesverteidigungsministerium weiß jetzt jeder, dass in diesen Stunden die besten Vertreter der Bundeswehr in Afghanistan unter Einsatz ihres Lebens unschuldige Menschen vor der Ermordung durch islamische Fundamentalisten bewahren. Laut Spiegel-Bericht werden noch heute zwei kleine Hubschrauber nach Kabul gebracht, mit denen die KSK-Soldaten auf ihre heikle Rettungsmission gehen werden.


Ihre oberste Dienstherrin sieht sich aber nicht in der Lage, bei ihren zahlreichen öffentlichen Auftritten den Namen KSK auch nur anzudeuten. Da ist verbrämt von Fallschirmjägern oder Kommandos zur Geiselbefreiung die Rede. Man weiß nicht so genau, wofür sie sich mehr schämt. Für die Existenz dieser Elite-Truppe oder dafür, dass sie noch nie ein Wort des Lobes für diese Soldaten gefunden hat, sondern sie stets der Nähe zum Rechtsradikalismus verdächtigte und damit die Identität der Truppe beschädigte. Vorläufiger Höhepunkt ist die Absetzung des bewährten Kommandeurs dieser Einheiten. Nichts mehr als ein Bauernopfer, das dem linken Zeitgeist, speziell in den öffentlich-rechtlichen Medien, vorgeworfen wurde. Worin bestand sein Verbrechen? Der hohe Offizier hatte Soldaten, die sich unerlaubt Munition angeeignet hatten, bei kompletter Zurückgabe Anonymität und Straffreiheit versprochen. So etwas passiert im Rahmen der Kronzeugenregelung vor deutschen Gerichten jeden Tag. Ohne diese hätten schon die Prozesse gegen die Linksterroristen der „Rote Armee Fraktion“ in den 70er und 80er Jahren nicht durchgeführt werden können. Aber wie so oft ist das Gleiche eben doch nicht das Gleiche.

Während der Balkankriege zu Beginn des Jahrtausends war ich selbst mehrere Male „embedded“ mit Einheiten der US-Army im Kosovo, in Kroatien und Bosnien-Herzegowina unterwegs. Nicht nur einmal wurde ich von amerikanischen Generälen gefragt, warum man in Deutschland so wenig über die professionelle und äußerst tapfere Kampfweise der deutschen Soldaten höre. Ich konnte immer nur antworten, wir sind eben ein Land der Pazifisten, in dem man Soldaten nach höchstrichterlichem Entscheid sogar ungestraft „Mörder“ nennen darf. Mit einer Mischung aus Unglauben und Fassungslosigkeit schüttelten die Amerikaner die Köpfe.

Jahre später interviewte der damalige Chefredakteur der Bild-Gruppe, Kai Dieckmann, vor Ort den Oberbefehlshaber der US-Truppen in Afghanistan. General Petraeus sagte damals: „Ihre, die deutschen Soldaten des KSK, sind das Beste, was wir hier an der Front haben. Sie haben ganz einfach die Soldaten-Gene ihrer Väter und Großväter.“ Dieckmann bat mich damals um Rat, ob man das so veröffentlichen könne. Ich empfahl ihm, besonders diesen Punkt in Washington durch das Pentagon noch einmal autorisieren zu lassen. Von dort kam prompt das Ok, und es wurde gedruckt. Zweifellos hatte Petraeus mit seiner Äußerung nicht die Nazi-Verbrechen während des Krieges entschuldigen oder gar beschönigen wollen. Er bezog sich schlicht auf den Kampfgeist und den Heldenmut von Angehörigen der deutschen Wehrmacht. Hierzulande wäre der 4-Sterne-General danach höchstens noch in der Reinigungsbrigade des Heeres tätig gewesen.

In einer Gesellschaft, in der die Tugend der Männlichkeit nur gemeinsam mit der Eigenschaft toxisch ausgesprochen werden darf und Macho noch als das harmloseste Schimpfwort für die Träger dieser Eigenschaft übrig blieb, ist es offenbar nach der political correctness unzulässig, die Retter in der äußersten Not auch nur positiv zu erwähnen.

Wenn sich Annegret Kramp-Karrenbauer wirklich als oberste Dienstherrin der Truppe versteht, sollte sie sich bei der KSK für die Demütigungen und Verdächtigungen der Vergangenheit entschuldigen und den besten unserer Soldaten Dank und Anerkennung aussprechen.



Dienstag, 17. August 2021

Evakuierungseinsatz der Bundeswehr wie Flasche leer...

von Thomas Heck...

Auch wenn jetzt die Republik über alle Parteien hinweg so tut, als müsse die Bundeswehr die gesamte afghanische Bevölkerung evakuieren, sollte man mal nicht vergessen, dass eine große Mehrheit der Afghanen für die strikte Anwendung der Scharia ist. Nichtsdestoweniger ist es beschämend, wie die Bundesregierung diese Krise handhabt. Von einer falschen Lagebeurteilung einmal abgesehen, beschuldigen sich jetzt Außenamt und Verteidigungsministerium gegenseitig. So warf das Außenamt den Amtskollegen des BMVg vor, auf ein Mandat bestanden zu haben, was die Evakuierung wohl verzögert habe. Umgekehrt hieß es aus dem BMVg richtigstellend, ein Mandat hätte auch nachträglich erteilt werden können, dass Außenamt hätte gemauert, weil SPD-geführt, sowieso einsatzkritisch eingestellt. Hier fehlt natürlich die einheitliche Führung unter einer Bundeskanzlerin, die anstatt den Krisenstab zu führen lieber ins Kino ging.

Es stellte sich unterdessen auch die Frage, ob Bundesinnenminister Horst Seehofer nicht den Ansturm  auf den Kabuler Flughafen erst auslöste, weil sich in Sozialen Medien seine Mitteilung auf Twitter wie ein Lauffeuer verbreitete, Deutschland werde auch ohne Sicherheitsüberpüfung ausfliegen. Eine Einladung, der gerne gefolgt wurde. Mit den erschreckenden Bildern, die uns heute beschäftigen.

Und so nimmt die Peinlicheit immer weiter ihren Lauf, mit Bildern, die ein eklatantes Versagen der Bundeswehr erahnen lassen, die im ersten Flug nur 7 Afghanen die Evakuierung ermöglichten, während amerikanische Kameraden mal eben 640 Afghanen mit einem (!!!) Flug transportierten. Wenn Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer dann noch von einem extrem gefährlichen Einsatz fabuliert, ballt sich einem ehemaligen Stabsoffizier doch die Faust in der Tasche. Weniger quatschen, sondern machen, möchte man sie anschreien, ist doch die Gefährlichkeit des Einsatz dem Umstand geschuldet, dass die Bundesregierung die rechtzeitige Evakuierung schlichtweg verschlafen hatte. Andere Länder hatten ihre Botschaftsangehörigen bereits zu Hause, als die A400m der Bundesluftwaffe noch in Deutschland ihre Triebwerke aufwärmten, bevor sie übrigens ohne Selbstschutzaustattung nach Afghanistan flogen.


Noch peinlicher wird es, wenn man erfährt, mit welchen Prioritäten die Bundeswehr Personal und Material abtransportierte. Denn für Alkohol waren Transportkapazitäten da, für die Ortskräfte in Afghanistan nicht.

Es ist ein zeitlicher Zufall, zeigt aber, welche Prioritäten die Bundesregierung jenen Menschen in Afghanistan einräumt, die dort teilweise jahrelang für Deutschland gearbeitet und Leib und Leben riskiert haben – sie sind für die Bundesregierung weniger wert als Bierdosen.

Anfang Juni, als die Bundeswehr in den Abzugsplanungen steckte, wurde auch ein skurriles Detail bekannt: Riesige Mengen Alkohol sollten aus dem Land geschafft werden, Restbestände aus dem Bundeswehrstützpunkt bei Mazar-e Scharif.

Insgesamt handelte es sich um 29 Europaletten mit knapp 65.000 Dosen Bier und Radler sowie 340 Flaschen Wein und Sekt. Die 22.500 Liter Alkoholika wurden in die Abzugsplanungen mit aufgenommen, für die man extra Transportkapazitäten anmietete.

Ebenfalls Anfang Juni fragte Christoph Hoffmann (63), entwicklungspolitischer Sprecher der FDP, warum zwar Ortskräfte der Bundeswehr gerettet werden, aber nicht auch diejenigen Afghanen, die für Deutschland in der Entwicklungshilfe tätig waren – vor allem bei Projekten der GIZ.

Außenminister Heiko Maas erklärte daraufhin, man könne die Regelung nicht auf diese Ortskräfte ausdehnen, sonst ginge es „nicht mehr um 2000 Menschen, sondern 20.000 Menschen“.

Im Klartext: Wer für Deutschland in der Entwicklungszusammenarbeit tätig war, mitunter auch sein Leben riskierte, um Afghanistan zu einem besseren Ort zu machen, wird nun zurückgelassen – anders als 65.000 Bierdosen.

„Die Bundesregierung hat die Lage in Afghanistan im Juni völlig falsch eingeschätzt“, sagt Hoffmann zu BILD. Zwar konnte man nicht den genauen Zeitpunkt des Zerfalls voraussagen, hätte aber dafür planen müssen.

„Es ist eine Schande, dass sich GIZ, BMZ und das AA nicht um ihre Leute kümmern. So kann man mit den Menschen nicht umgehen.“





Montag, 16. August 2021

Deutsche voll Angst in Afghanistan... Merkel lacht im Kino...

von Thomas Heck...

In Afghanistan manifestiert sich das Desaster des Westens. Vielen Deutsche und tausende Unterstützer der Bundeswehr sind vom Tode bedroht. Und was macht Merkel? Die geht erstmal ins Kino und hat Spaß. SO ist unser aller Kanzlerin... mehr kann ich nicht schreiben, was ich vor Merkel halte. Es wäre justiziabel... und so wird die Flüchtlingswelle weitergehen. Nach den Syrern und den Nafris kommen die Afghanen. Ich prophezeihe den ungehemmten Zuzug von afghanischen Flüchtlingen zuzüglich zu dem was jetzt schon kommt und die gleichen Diskussionen wie 2015... und in den Folgejahren islamistische Anschläge, Messerattacken, Vergewaltigungen und Morde. Also business as usual...

Die "besorgte" Kanzlerin...



Tausende deutsche Staatsbürger und afghanische Ortskräfte bangen in Afghanistan um ihr Leben. Fallschirmjäger der Bundeswehr wurden in einen lebensgefährlichen Einsatz geschickt, um sie zu retten.

Und Bundeskanzlerin Angela Merkel (67, CDU)? Ging am Montagabend ins Kino.

Gut gelaunt zeigte sich die Kanzlerin am Montagabend bei der Filmpremiere des Dokufilms „Die Unbeugsamen“ im Berliner Delphi-Filmpalast, nachdem sie kurz zuvor öffentlich das Scheitern des Afghanistan-Einsatzes eingestanden hatte.

Beim Grußwort wurde Merkel ernst: „An einem Tag wie heute sind wir mit den Gedanken bei den vielen Frauen in Afghanistan, die in diesen Tagen und Stunden um ihr Leben fürchten müssen, weil sie sich politisch engagiert haben.“

Die Terror-Kämpfer der Taliban haben Kabul erreicht und verkündeten im Präsidenten-Palast ihren „Sieg“.

Dabei war es ihre Regierung, die viel zu spät die Bundeswehr-Flugzeuge losgeschickt hatte, um die Menschen aus der Taliban-Hölle zu befreien.

Gut gelaunt zeigte sich Merkel am Montagabend bei der Filmpremiere von „Die Unbeugsamen“ im Delphi-Palast in Berlin



So bizarr ging ein historischer Tag zu Ende.

DENN: Wenige Stunden zuvor hatte Merkel den Bundeswehreinsatz in Afghanistan für GESCHEITERT erklärt!

Wie BILD erfuhr, sagte Merkel am Montagmorgen im CDU-Präsidium: „Wir wollten ein Land aufbauen mit demokratischer Struktur – das ist nicht gelungen.“



Merkels Erklärung für den katastrophalen Siegeszug der Taliban-Terroristen, die binnen weniger Wochen eine Provinz nach der anderen einnahmen und am Sonntag schließlich Kabul eroberten: „Es gab keine Bindung der afghanischen Streitkräfte zum Volk, es hat nicht so funktioniert wie wir uns das gedacht haben.“

Am Montagabend erklärte Merkel bei einer Pressekonferenz, dass es sich beim Fall Afghanistans an die Taliban um eine „bittere Entwicklung“ handele. Vor allem für Millionen Afghanen, aber auch „bitter für Deutschland“.


Fast 20 Jahre lang versuchten Tausende Bundeswehr-Soldaten in Afghanistan, die islamistischen Taliban zurückzudrängen, afghanische Soldaten auszubilden, der Bevölkerung ein Leben in Freiheit zu ermöglichen. 59 deutsche Soldaten ließen dabei ihr Leben.

Merkels Eingeständnis: Der Einsatz sei „nicht so geglückt und nicht so geschafft worden, wie wir uns das vorgenommen haben“. Selbst die Rettung der eigenen Leute aus Kabul „haben wir leider nicht mehr in der Hand“.

Merkel weiß: Die Niederlage der Nato-Koalition in Afghanistan ist auch ihre persönliche Niederlage.

In einem ihrer letzten Gespräche mit Afghanistans Präsident Ashraf Ghani (72) sagte Merkel nach BILD-Informationen zu Ghani: „Was soll ich den Deutschen sagen, wenn 20 Jahre Bundeswehr-Einsatz umsonst gewesen wären?“

Ghani versprach, die Taliban zu stoppen. Merkel verließ sich auf den korrupten Regierungschef, warb für politische Verhandlungen. Am Sonntag setzte sich Ghani mit vollen Geld-Koffern ins Ausland ab.

Auch Außenminister Heiko Maas (54, SPD) gestand am Montag ein: „Wir haben die Lage falsch eingeschätzt.“

„Wir“, das heißt, „die Bundesregierung, die Nachrichtendienste und die internationale Gemeinschaft“ hätten die Situation in Afghanistan falsch bewertet.

Eine Fehlurteil mit fatalen Folgen.





Dienstag, 13. Juli 2021

Es war einmal in einem Ministerium, weit weit von der Realität entfernt...

Die Bundeswehr unter Annegret Kramp-Karrenbauer hat ein Weltraum-Kommando eingerichtet... nicht zu glauben... 80 Dienstposten die den ganzen Tag auf das frei zugängliche Programm Stuff in Space starren.








Sonntag, 11. Juli 2021

Die Lügen der AKK vom stillen Empfang...

von Thomas Heck...

Die deutsche Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenhauer hat vermutlich die Öffentlichkeit getäuscht, sie hat gelogen, als sie behauptete, die aus Afghanistan zurückkehrenden Soldaten hätten eine "stille Ankunft gewünscht". Doch Soldaten widersprechen der Darstellung. "Es wurde im Camp gesagt, es findet wegen Corona nicht statt". Das ist mehr als das übliche freundliche Desinteresse, es ist ein Schlag ins Gesicht aller Soldaten, dass sich kein Regierungsmitglied, kein Parlamentarier und nicht mal die eigene Kanzlerin, noch die Verteidigungsministerin, herabgelassen hat, diejenigen zu begrüßen, die für uns alle die Knochen hingehalten haben.


Als die Reifen des grauen Militärflugzeugs am frühen Abend des 29. Juni 2021 vom Asphalt abheben, wirft Tobias Müller* noch einen letzten Blick auf afghanischen Boden. Während der Truppentransporter aufsteigt und der B52-Bomber der US-Armee, der den Abflug sichert, über dem Gebiet kreist, sieht der Soldat, wie Einheimische die Mauern des Camps überwinden und die Landebahn des Camp Marmal stürmen. Sie wollen die wertvollsten Gegenstände der zurückgelassenen tonnenschweren Ausrüstung an sich bringen, die sich hier im Feldlager in Masar-e-Scharif in 16 Jahren Bundeswehrpräsenz angesammelt haben. Darunter unzählige Feldbetten, Zelte, Container, Sanitätsausrüstung oder auch ein Dutzend Toyota-Hilux-Pickups. Auf die Frage, ob ihn der überhastete Abzug der Bundeswehr an das Desaster der Briten in Dünkirchen 1940 erinnere, muss Müller bitter lachen: „Ein bisschen kann man das vergleichen.“

Nur wenige deutsche Soldaten waren in der fast 20-jährigen Einsatzgeschichte der Bundeswehr in Afghanistan so oft vor Ort wie Müller. Und nur wenige haben in zahlreichen Operationen und Kampfeinsätzen so oft ihr Leben riskiert wie der Berufssoldat. Zahlreiche Kameraden von ihm wurden dabei verletzt, einige sogar getötet. Müller wurde auch noch in Gefechte verwickelt, als die Mehrheit der deutschen Soldaten sich nur noch in ihren Lagern verbarrikadierte, weil die Politiker in Berlin nach 2014 nicht mehr klarmachen konnten, welche konkreten strategischen Ziele ihre Soldaten mehr als 5000 Kilometer entfernt überhaupt erfüllen sollten. Deutschland wolle dem „innerafghanischen Friedensprozess sowie den Anstrengungen des zivilen Aufbaus und der Entwicklungszusammenarbeit in Afghanistan die nötige Zeit und den nötigen Raum geben“, so lautet die schwammige Umschreibung der Bundesregierung auf ihrer Homepage.

Spätestens seit 2015 wurde der Afghanistan-Einsatz zum Problem

Die letzten vier Wochen seien ein großes Chaos gewesen, nichts habe mehr Sinn ergeben, sagt Müller rückblickend. „Spätestens da habe ich gemerkt, es ist Wahljahr.“ Führung und Politik hätten darauf gedrängt, dass der Abzug geordnet und ohne großes Aufsehen erfolge. Doch das sei ganz und gar nicht der Fall gewesen. Zuletzt habe man sogar fahrlässig das Leben deutscher Soldaten aufs Spiel gesetzt. Denn während die Taliban schon bis auf zehn Kilometer zum Feldlager vorgerückt waren, hätte die Politik nicht nur die Sicherheitsempfehlungen der Führungsebene ignoriert oder die im Falle eines Angriffs überlebenswichtige Aufklärungstechnik abbauen lassen, sondern auch die Sturmgewehre von 300 der letzten rund 500 Soldaten nach Deutschland ausgeflogen. Wenn Müller und seine Kameraden, die die Berliner Zeitung am Wochenende befragt hat, davon erzählen, können sie sich auch mehr als eine Woche nach der Ankunft in Deutschland noch richtig in Rage reden: „Das war wie im Zirkus“, sagt Müller. „Wir sollten hier geordnet abziehen aus einem Kriegsland und konnten uns gar nicht mehr verteidigen, falls die Taliban doch noch angreifen.“

Der Abzug des deutschen Kontingents am Hindukusch markiert den vorläufigen Höhepunkt einer Geschichte der Entkopplung zwischen Truppe und Politik. 59 deutschen Soldaten kostete der Afghanistan-Einsatz das Leben. Seit 1992 starben insgesamt 114 deutsche Soldaten im Auslandseinsatz. Sie kamen bei Unfällen und Selbstmordanschlägen um oder wurden in Gefechten erschossen. Was in Afghanistan im Dezember 2001 als UN-Mission für den internationalen Frieden und zur Terrorismusbekämpfung begann, entwickelte sich spätestens seit 2015 zum immer lästiger werdenden Problem für Bundesregierung und Politiker aller Fraktionen. Es fehlte am Willen zu entscheiden, welche Ziele und Aufgaben die Bundeswehr gegenwärtig und künftig haben soll.


Die Ankunft der Soldaten in Niedersachsen war ein Moment der Freude

Um zu verstehen, warum sich Deutschland heute immer schwerer mit seinem Militär tut, muss man nicht, wie oft behauptet wird, bis ins Jahr 1945 zurückgehen. Der frühere Bundespräsident Horst Köhler beschrieb das Verhältnis der Deutschen zu ihrem Militär 2005 noch als „freundliches Desinteresse“. Heute dagegen herrscht Missachtung für das Militär und seine Soldaten. Die Männer und Frauen in Uniform sind in der Ära Merkel zum Spielball von Missmanagement und politischer Machtkämpfe geworden.

Um 13.46 Uhr am 30. Juni erreichte die erste der drei Airbus-A400M-Maschinen mit 264 Soldatinnen und Soldaten an Bord Wunstorf. Zuvor, beim Zwischenstopp in Georgien, habe dann noch die „Bürokratiefaust“ der Bundeswehr zugeschlagen, sagt Müller schmunzelnd. Mehr als vier Stunden habe er 3000 Schuss Munition einzeln in Zählrädchen stecken müssen, bevor es Richtung Heimat ging. In einem Fliegerhorst 30 Minuten außerhalb von Hannover erwarteten Müller und seine Kameraden schließlich ihre Familien, der Befehlshaber des Einsatzführungskommandos und ein Kamerateam von „Hallo Niedersachsen“. Es war ein Moment der Freude für die Soldaten und ihre Angehörigen.

Das Desinteresse der deutschen Regierung an den Soldaten

Auch durch die Medien schien ein Seufzer der Erleichterung zu gehen. Doch bald mischten sich andere Gefühle hinzu, erst Verwirrung, schließlich Zorn. Denn zwischen den Journalisten, Angehörigen und Generälen fehlten diejenigen, die die politische Verantwortung für den Einsatz haben: die Verteidigungsministerin, Mitglieder der Bundesregierung und vor allem die Bundestagsabgeordneten. Als Annegret Kramp-Karrenbauer am Abend live in den Tagesthemen interviewt wurde, verstand man, wieso sie nicht in Wunstorf hatte sein können. Sie war aus Washington zugeschaltet, wo sie sich zu Gesprächen mit ihrem amerikanischen Amtskollegen Lloyd Austin aufhielt. Caren Miosga schien die räumliche Distanz zwischen der Verteidigungsministerin und ihrer Truppe nicht zu wundern – obwohl bei einem Anschlag auf deutsche Soldaten in Mali kurz zuvor zwölf Soldaten teilweise schwer verletzt wurden, drei schwebten zwischenzeitlich in Lebensgefahr. Während des siebeneinhalbminütigen Interviews fragte die Moderatorin kein einziges Mal nach dem Empfang in Wunstorf. Auch die Ministerin erklärte nicht, warum sie gerade jetzt nach Washington reisen musste, obwohl die Rückkehr der Truppe für diese Zeit zumindest intern angekündigt war.

Doch während die Welt am Abend noch in Ordnung war, erschienen in den kommenden Tagen ungewöhnlich scharfe Kommentare in den Zeitungen. „Fußballspieler, die ein Achtelfinale verstolpert haben, kann man so behandeln – nicht aber Soldaten, die ihr Leben einsetzten, um den Auftrag von Regierung und Parlament zu erfüllen“, schrieb die FAZ. Während Bundeskanzlerin Angela Merkel bei der WM 2014 schon nach dem Auftaktspiel den spärlich bekleideten Mesut Özil fast bis in die Dusche verfolgte, war sie in 16 Jahren Regentschaft bei keiner Ankunft deutscher Soldaten aus einem Auslandseinsatz dabei. Plötzlich ging es um Treue, Tapferkeit und sogar Ehre. Begriffe, mit denen Politiker heutzutage selten konfrontiert werden. Viele schienen überrascht von der Heftigkeit der Reaktionen.

Wütende Reaktionen von Bundeswehrangehörigen

Zahllose Briefe, Mails und Facebook-Nachrichten von entrüsteten Bürgern, viele von Bundeswehrangehörigen, erreichten in der Folge Bundestagsabgeordnete. Von „großem Unverständnis“, fehlender „Ehre und Anerkennung“, „ganz schlechten Ausreden“ war darin zu lesen, einige sprachen sogar von einer „Schande“. Wieso hatte sich nicht ein einziger Parlamentarier gefunden, um die Truppe zu empfangen? So der Tenor vieler Reaktionen. Besonders viele dieser Schreiben erreichten Mitglieder des Verteidigungsausschusses, auch Kerstin Vieregge von der CDU. Sie verfasste als Reaktion am 2. Juli einen Brief an ihre Parteikollegin Kramp-Karrenbauer. Sie bat um eine Erklärung dafür, wieso es Mitgliedern des Verteidigungsausschusses nicht ermöglicht worden war, bei der Ankunft dabei zu sein, und zitierte gleichzeitig wütende Reaktionen von Bundeswehrangehörigen.

Ihre Parteikollegin Kramp-Karrenbauer antwortete prompt: Die Soldaten wollten es so. „Die Entscheidung für eine stille Ankunft und Empfang des Kontingents durch den Befehlshaber des Einsatzführungskommandos, Generalleutnant Erich Pfeffer, wurde auf ausdrücklichen Wunsch und Vorschlag der zurückkehrenden Soldatinnen und Soldaten getroffen.“ In dem Schreiben heißt es weiter, dies sei ein „klares Zeichen der Wertschätzung und so vorab auch mit dem Verteidigungsausschuss besprochen und durch diesen ausdrücklich unterstützt“ worden.

Von einer Absprache könne keine Rede sein

Eine verblüffende Aussage, denn Kerstin Vieregge sitzt ja selbst im Ausschuss. Mit ihr war das alles wohl nicht besprochen worden, sonst hätte sie ja nicht nachgefragt. Und in den Stunden nach dem Brief der Ministerin, der in Auszügen über die Nachrichtenagenturen lief, meldeten sich immer mehr Mitglieder des Verteidigungsausschusses zu Wort. Weder die Obfrau Siemtje Möller noch der Ausschussvorsitzende Wolfgang Hellmich (beide SPD) konnten sich an eine Absprache erinnern. Sie erklärten, sie wären gerne in Wunstorf dabei gewesen. Doch zu spät seien sie informiert worden, von einer Absprache oder gar Unterstützung einer „stillen Ankunft“ könne keine Rede sein.

Faktisch wurden am Vorabend um 21.37 Uhr nur sechs Mitglieder schriftlich über die geplante Ankunft am Folgetag gegen 12 Uhr mittags unterrichtet. Dass den Parlamentariern eine so wichtige Information bis zuletzt vorenthalten wurde, überrascht, denn normalerweise wird umgehend peinlich genau über jedes schadhafte Rettungsboot oder jede defekte Antenne auf einer Fregatte informiert und dafür zu Sitzungen außerplanmäßig einberufen. Und auch, wenn sie gewollt hätten, hätten die Abgeordneten es gar nicht rechtzeitig nach Wunstorf schaffen können. Denn am Tag der Ankunft fand um 8 Uhr morgens eine Sondersitzung des Verteidigungsausschusses zum Anschlag auf die deutschen Soldaten in Mali statt.

So geht erfolgreiche Verantwortungsverschleierung im Fach Berufspolitik

Einige Abgeordnete vermuten dahinter eine Strategie: Weil Kramp-Karrenbauer wegen ihrer USA-Reise nicht in Wunstorf sein konnte, sollten auch keine anderen Parlamentarier die Soldaten empfangen. Niemand sollte ihr die Show stehlen. Hätten andere in Wunstorf gestanden, wäre die Frage nach der Abwesenheit der Ministerin zwangsläufig aufgekommen. Da passt Kramp-Karrenbauers Vorschlag eines großen Appells für die Soldaten am 31. August in Berlin mit Bundespräsident, Bundeskanzlerin und Verteidigungsministerin besser. So geht erfolgreiche Verantwortungsverschleierung im Hauptfach Berufspolitik.

Hört man sich in der Truppe um, fällt das Urteil über das Vorgehen des Verteidigungsministeriums vernichtend aus. Die Soldaten unterstellen Kramp-Karrenbauer nachträglich, nur auf das negative Medienecho reagiert zu haben und werfen ihr vor, gelogen zu haben. Tobias Müller, der im Lager alle entscheidenden Prozesse mitbekam und selbst auf dem Flug dabei war, weiß nichts von derartigen „Wünschen“ seiner Kameraden: „Das ist Blödsinn. Wir werden nie gefragt. Wir müssen für jeden Schwachsinn einfach antreten.“ Außerdem gäbe es im Militärjargon den Begriff einer „stillen Ankunft“ überhaupt nicht.

„Es wurde im Camp gesagt, es findet wegen Corona nicht statt“

Generationen von Wehrdienstleistenden werden bei der Formulierung von „Wünschen“ beim Militär sowieso aufgehorcht haben. Doch heute, zehn Jahre nach dem Ende der Wehrpflicht, wissen immer weniger Menschen, dass das Soldatenleben aus Befehl und Gehorsam besteht – nie aus einer Kultur des „Wünsch-dir-Was“. Es wäre wohl das erste Mal in der Geschichte der Bundeswehr, dass die Anliegen der Soldaten in solch einem historischen Moment wie dem Ende eines Kampfeinsatzes eine Rolle gespielt hätten.

Und auch die anderen Ausflüchte des Ministeriums sind für Müller absurd. „Es wurde im Camp gesagt, es findet wegen Corona nicht statt.“ Mit Corona habe ja auch das Ministerium die Abwesenheit von Politikern begründet, sagt der Soldat. Eine Aussage, die überrascht, denn am Wochenende fanden in mehreren Diskotheken in Hannover ganz legal Feiern mit 250 Besuchern statt. Auch ist die Corona-Impfung für Soldaten in Auslandseinsätzen seit März 2021 verpflichtend. Das Einsatzführungskommando der Bundeswehr wollte zu diesen Vorwürfen keine Stellung nehmen. Eine Sprecherin verwies auf frühere Statements.


„Ein würdevoller Empfang ist offensichtlich nicht beabsichtigt gewesen“

Der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr und Vorsitzende des Nato-Militärausschusses, Harald Kujat, in dessen Amtszeit die parlamentarische Entscheidung über den ISAF-Einsatz in Afghanistan 2001 fiel, sieht das ähnlich wie Müller. „Ich bin mir nicht sicher, ob die Soldaten wirklich gefragt wurden. Und es wäre für sie sicherlich kein Problem gewesen, ihre Familien nach so langer Abwesenheit eine halbe Stunde später zu sehen.“ Leider sei das inzwischen das ganz normale Verhalten gegenüber der Bundeswehr. Und er siedelt die Kritik auch an anderer Stelle an: „Ich erinnere mich noch gut an die Bilder von der Begegnung der Bundeskanzlerin mit den Spielern der Fußballnationalmannschaft. Ein wenig von dieser Wertschätzung würde ich mir auch für unsere Soldaten wünschen.“

Und Kujat geht in seiner Beurteilung der Politik noch weiter: „Ein würdevoller offizieller Empfang ist offensichtlich nicht beabsichtigt gewesen. Und alles wirkt so, als wenn die Veranstaltung am 31.8. als Reaktion auf die massive öffentliche Kritik angesetzt wurde.“ Die Distanz der Politik zur Bundeswehr sei vor allem auch die Ursache für die kritische bis ablehnende Einstellung der Bevölkerung. Regierung und Parlament würden Soldaten in Einsätze schicken, die höchste Anforderungen an die Einsatzbereitschaft und Leistungsfähigkeit der Soldaten stellen, ohne ihnen die Ausrüstung zu geben, die den Einsatzerfolg bei einem Höchstmaß an persönlicher Sicherheit gewährleistet. Trotz dieser schwierigen Bedingungen hätten die Soldaten in Afghanistan Hervorragendes geleistet. Viel mehr, als man ihnen angesichts des skrupellosen Verhaltens der politisch Verantwortlichen hätte zumuten dürfen.

Die Bedingungen werden immer prekärer

Kujat, der die Entwicklung der Bundeswehr über viele Jahre mitgestaltet hat, ist über ihren heutigen Zustand und ihr Ansehen in der Bevölkerung zutiefst betroffen. Dass die Entfremdung allein mit der deutschen Geschichte und der Wehrmacht zusammenhänge, hält er für eine Nebelkerze. Das habe es gegeben in der Wiederbewaffnungsdebatte und bis in den Anfang der 1990er-Jahre: „Aber die jetzige Entfremdung ist alleinige Schuld der Bundesregierung.“

Er nennt als Beispiele für Politiker, die sich massiv für die deutschen Sicherheitsinteressen und für eine leistungsfähige, in der Bevölkerung angesehene Truppe eingesetzt hätten, die SPD-Politiker Helmut Schmidt und Georg Leber. Mit der unüberlegten Aussetzung der Wehrpflicht und der sogenannten „Neuausrichtung der Bundeswehr“ – weg vom verfassungsmäßigen Auftrag der Landes- und Bündnisverteidigung, hin zu Auslandseinsätzen – sei das Verhältnis zwischen Aufgaben, militärischen Fähigkeiten und den dafür erforderlichen finanziellen Mitteln immer prekärer geworden.

Eiserner Sparzwang und Überbürokratisierung

Auch wenn sich die Aussetzung der Wehrpflicht für große Teile der Bevölkerung zunächst wie eine folgerichtige Entscheidung anfühlte, verschlechterte sie die Bedingungen in der Armee tatsächlich. Eiserner Sparzwang und Überbürokratisierung zogen ein. Das dynamische Verfügungsmanagement wurde zum geflügelten Wort innerhalb der Streitkräfte. Nur, hinter dem wohlklingenden Namen verbirgt sich schlicht, dass es der Bundeswehr überall an Ausrüstung und Fahrzeugen fehlte und eine Vollausstattung nicht mehr erreicht werden konnte. Dagegen sollten die Einheiten nur über bis zu 70 Prozent des nötigen Materials verfügen und nur für Einsatz oder Ausbildung aufstocken können. Der Verschleiß nahm dramatisch zu.

Das Nachrichtenmagazin Der Spiegel etwa schlachtete diese Mangelwirtschaft in den vergangenen Jahren gnadenlos aus. Von Einheiten, die sich vor Nato-Manövern in der ganzen Republik „Panzer schnorren“, und von Schützenpanzern, die sich teilweise mit Attrappen statt Bordkanonen den alliierten Kameraden präsentierten (und von einer bis auf ein Boot defekten U-Boot-Flotte), war die Rede. Zwischenzeitlich waren etwa von 43 Marine-Hubschraubern nur vier und von 109 Eurofighter-Jets nur acht voll einsatzbereit.

Es entsteht kein kameradschaftliches Zusammengehörigkeitsgefühl

„Ich habe diese Geschichten doch selber gerne gelesen“, frotzelt Soldat Müller, zurück in Deutschland, „das ist doch gute Unterhaltung“. Das Problem sei aber, dass das Ganze die Soldaten direkt gefährde. Spricht man mit Soldaten, die mit Ideen zu neuer Ausrüstung betraut sind, beklagen sie, dass heute rund 500 kompetente Vertragsjuristen fehlen, die die konkreten Wünsche der Truppe schnell und präzise in pragmatische Anweisungen für die Rüstungskonzerne übersetzen könnten. Und so kommt es schon einmal vor, dass Rheinmetall eine Splitterschutzweste mit falschen Taschen anliefert, mit der die Soldaten im Gefecht nichts anfangen könnten.

Müller und die anderen einsatzerfahrenen Berufssoldaten stört bei der Bundeswehr vor allem die Verantwortungsdiffusion in allen Bereichen. Vor allem bei der Beschaffung könne etwa für fehlende Funkgeräte bei der Truppe niemand direkt verantwortlich gemacht werden. Denn an den Prozessen seien zu viele Militärs, inkompetente Beamte und Politiker beteiligt. „Wir machen uns doch lächerlich“, sagt Müller, „die Bevölkerung denkt, bei uns arbeiten nur Idioten“. Und genau das ist für den erfahrenen Soldaten das Hauptproblem: „Die Qualität des Personals hat sich total verschlechtert, wer möchte denn bei all den Problemen noch zur Bundeswehr heute?“ Statt eine schlagkräftige Berufsarmee aufzubauen, gängele man die Soldaten mit Einzelvorschriften. „45 Minuten nach dem Essen darf zum Beispiel kein Sport gemacht werden“, sagt Müller. So bereite man die Truppe also auf einen potenziellen Krieg vor. Außerdem könne sich der einfache Soldat inzwischen direkt bei der Ministerin über jede Entscheidung der Vorgesetzten beschweren. So entstehe kein kameradschaftliches Zusammengehörigkeitsgefühl, sondern eine Kultur des Misstrauens.

Der Ort der Trauer für Bundeswehrsoldaten ist nur schwer zugänglich

Ein paar Mal hätten er und seine Kameraden schon Briefe an ihre Bundestagsabgeordneten geschrieben, um auf Probleme aufmerksam zu machen. Aber statt wirklicher Anteilnahme und Verbesserungsvorschlägen gab es nichtssagende und gestelzte Antwortschreiben von Büroangestellten. „Ich fühle mich total verarscht“, sagt Müller bitter. „Die Identifizierung mit dem Job wird immer schlechter. Es gibt das Selbstverständnis für den Beruf Soldat generell nicht mehr.“ Müller habe daher schon mehrere Male überlegt, einfach aus dem Dienst auszuscheiden: „Das Einzige, was mich hält, sind Kameradschaft und die Liebe zu meinem Land. Auch wenn das alles, wie zuletzt in Afghanistan, strategisch keinen Sinn macht.“

Für Harald Kujat könnte diese toxische Mischung in Zukunft zu ganz realen Risiken führen. Soldaten stünden eben in einem besonderen Treueverhältnis zu ihrem Staat. Wenn dieses Treueverhältnis von der Politik gebrochen wird und sie von den Medien und der Gesellschaft nicht anerkannt würden, könnte dies auf Dauer negative Auswirkungen auf ihre Motivation und Leistungsbereitschaft haben.


In Berlin und Potsdam kann man dieser Tage gut beobachten, wie diese Wertschätzung der Soldaten durch den Staat im Jahr 2021 aussieht. Seit 2014 gibt es in Potsdam in der Henning-von-Tresckow-Kaserne mit dem „Wald der Erinnerung“ einen Ort der Trauer für die in den Einsätzen verstorbenen Soldaten. Hier stehen auch die Ehrenhaine aus den Einsatzgebieten der Bundeswehr. Will man als Angehöriger oder Zivilist den gefallenen Soldaten hier gedenken, muss man derzeit ein aufwendiges Prozedere durchlaufen. Denn ohne vorige Anmeldung kann die Gedenkstätte als Zivilist nicht besucht werden. Man wird von einem Kraftfahrer am Kasernentor abgeholt und von einem Betreuer bei der Besichtigung auf Schritt und Tritt begleitet. 2020 besuchten daher lediglich 4000 Zivilisten den Ort.

In Dänemark gebe es viele Ehrenmale für Soldaten

Wer in der Hauptstadt den zentralen Ort der Trauer für im Dienst verstorbene Soldaten der Bundeswehr, das 2009 errichtete Ehrenmal im Botschaftsviertel, besuchen will, dem fällt auf, wie geschickt die Politik diese 120 Quadratmeter große Erinnerungsstätte in der Großstadt versteckt hat. Die Hildebrandstraße, in der das Ehrenmal an der Westseite am Zaun des Verteidigungsministeriums liegt, ist eine kleine Stichstraße ohne Parkmöglichkeit und jeglichen Publikumsverkehr abseits der großen Hauptstraßen. Von hier aus erreicht man nur die Hintereingänge der Häuser. Außer ein paar Botschaftsangestellte hat sich an diesem Dienstagmorgen nur eine dänische Familie hierher verirrt. Der Vater, Veteran der dänischen Streitkräfte, wundert sich über die Erinnerungskultur in Deutschland. 

„Bei uns in Dänemark gibt es viele Soldatenfriedhöfe“, sagt seine Frau, „die liegen mitten in Kopenhagen und anderen Städten und sind ganz öffentlich zugänglich.“ Die kleine Familie, die gerade Urlaub in Berlin macht, kann nicht verstehen, warum Deutschland so mit seinen Soldaten umgeht. „In Afghanistan sind doch eure eigenen Bürger gestorben.“ In Dänemark würde sowas niemals so gehandhabt: „Bei uns werden ja die Gräber der deutschen Gefallenen aus dem Zweiten Weltkrieg besser geehrt.“

*Name geändert und der Redaktion bekannt