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Donnerstag, 8. Mai 2025

Indiens Angriff auf Pakistan: Der nächste Konfliktherd mit Weltkriegspotenzial

von Jochen Sommer

Gestern in Kaschmir: Trümmer eines von Pakistan abgeschossenen indischen Jets



Als ob die Weltlage nicht bereits dramatisch genug wäre, ist nun auch der Dauerkonflikt der beiden Atommächte Indien und Pakistan eskaliert. Gestern Abend führte Indien mehrere Luftangriffe im Nachbarland aus – laut Regierung handelte es sich um „Präzisionsschläge auf terroristische Infrastruktur“. Die pakistanische Armee erklärte, die Angriffe hätten Zielen im pakistanisch kontrollierten Teil von Kaschmir sowie in der an Indien grenzenden pakistanischen Region Punjab gegolten. Dabei habe es acht Tote und 33 Verletzte gegeben. Weiter ist vom Abschuss zweier indischer Kampfjets durch die pakistanische Luftwaffe die Rede. Der Luftraum über Pakistan sei für 48 Stunden geschlossen worden, der Flugbetrieb der Flughäfen Islamabad und Lahore bis auf weiteres eingestellt. Der pakistanische Premierminister Shehbaz Sharif verurteilte die „feigen Angriffe“ und betonte, sein Land habe „jedes Recht, auf diese Kriegshandlung Indiens mit aller Härte zu reagieren, und das wird es auch“. Der pakistanische Armeesprecher Ahmed Sharif Chaudhry sprach von einer „abscheulichen Provokation“, auf die Pakistan „zu einer Zeit und an einem Ort seiner Wahl“ reagieren werde. Aus dem indischen Verteidigungsministerium hieß es, neun Ziele seien angegriffen worden.

Die Aktion sei „gezielt, maßvoll und nicht eskalierend“. Pakistanische Militäreinrichtungen seien nicht attackiert worden, bei der Auswahl der Ziele und der Art der Ausführung habe man „beträchtliche Zurückhaltung“ geübt. Hintergrund dieser Eskalation ist ein Terroranschlag vom 22. April in dem indischen kontrollierten Teil der Unruheregion Kaschmir. Bewaffnete Angreifer hatten dort in einer Urlaubsgegend 26 Menschen (indische Quellen sprachen von 40 Opfern), vorwiegend indische Touristen, ermordet. Die indische Regierung wirft Pakistan eine Beteiligung vor, was dessen Regierung jedoch vehement zurückweist. Seither haben beide Länder ihre Staatsbürger gegenseitig ausgewiesen und die diplomatischen Beziehungen reduziert.

Die Bagatellisierung von Kernwaffen

Indien setzte zudem den Indus-Wasservertrag mit Pakistan aus, der die Wassernutzung beider Seiten des Indus und seiner Nebenflüsse regelt. Die Lage ist also denkbar dramatisch. Und den Westen kann man von einer Mitschuld an dieser Entwicklung nicht freisprechen: Mit seiner seit über drei Jahren betriebenen besinnungslosen Ukraine-Unterstützung und dem – vor allem aus Deutschland – ständig zu hörenden verbalen Kokettieren mit einem Angriff auf das Territorium der Atommacht Russland, hat dazu geführt, dass die Existenz eines Atomwaffenarsenals quasi eine Petitesse sei, da der Einsatz von Nuklearwaffen ja dazu führe, dass man im Gegenzug selbst vernichtet würde. Deshalb werde Russland es nicht wagen, die atomare Option zu zünden, egal wie sehr man ihm zusetze. Mit solch hanebüchenen Behauptungen von dilettantischen Politikern und Pseudoexperten werden die Erfahrungen von 40 Jahren kaltem Krieg einfach weggewischt.

Damals war es die unverrückbare Grundlage aller strategischen Überlegungen, unter gar keinen Umständen eine atomare Eskalation zu riskieren. Heute tut man so, als handele es sich bei Atomwaffen um eine Art folkloristisches Relikt aus der Mottenkiste des Ost-West-Konfliktes, obwohl es heute viel mehr Atommächte gibt als damals und die Lage viel unübersichtlicher und gefährlicher ist. Es ist sogar zu befürchten, dass die europäische Kriegstreiberfraktion sich umgekehrt durch den Konflikt der beiden Atommächte Indien und Pakistan sogar noch in ihrem Irrglauben bestätigt fühlt, dass ein Atomkrieg ausgeschlossen ist, weil sich ohnehin niemand trauen wird, auf den Knopf zu drücken. Es ist ein gemeingefährliches Hasardspiel, das hier betrieben wird. Und durch die Ereignisse am Indus ist die Situation auch in Europa noch einmal gefährlicher geworden.



Mittwoch, 7. Mai 2025

Krieg zwischen Pakistan und Indien? …für Dummies

Islamische Protestanten in Hyderabad verbrennen eine Puppe des indischen Premierministers Modi.

In der vergangenen Nacht hat Indien Ziele in Pakistan angegriffen.
Eine Einführung.

Titelbild: Islamische Protestanten in Hyderabad verbrennen eine Puppe des indischen Premierministers Modi.

Indien, Pakistan und Kashmir waren nie ein einheitlicher Staat. Es waren Fürstentümer und Königreiche, die sich auch untereinander bekämpften.
Ab dem 17. Jahrhundert waren europäische Kolonialmächte aktiv, die Briten, die Niederländer, die Portugiesen, auch die Franzosen. Die Briten behielten die Oberhand.
Die Geschichte ist sehr komplex. Indien ist größer als Europa und genauso divers.

Britisch-Indien war eine Kolonie, wurde aber nie einheitlich regiert. Es gab weiterhin Fürstentümer, Vasallenstaaten, aber auch direkte Kolonien.
Es entwickelten sich ab dem 19. Jahrhundert Bestrebungen zur politischen Teilhabe. Im Zuge dessen politisierten sich auch die Ethnien, und das einfachste Merkmal war natürlich die Religion.

Im 20. Jahrhundert kam es zum Widerstand gegen die Kolonialherrschaft, Gewaltfrei vor allem angetrieben von dem Rechtsanwalt Mohandas (Mahatma) Gandhi und dem späteren ersten Ministerpräsidenten Jawaharlal Nehru. Beide strebten einen gesamtindischen Staat an, der Religion und Staat streng voneinander trennt. (Laizismus)

Bild

Foto: Gandhi und Nehru

Bereits 1906 war die Muslimliga gegründet worden. Auch sie war zunächst gemäßigt und forderte Rechte für die Muslime ein, die ihrer Meinung nach unterdrückt wurden. Doch die Gegensätze verhärteten sich, die Muslime forderten einen eigenen Staat. 1946 kam es anlässlich eines Generalstreiks der Muslime in Kalkutta zum „Great Calcutta Killing“, bei dem bis zu 10.000 Hindus und Muslime ums Leben kamen.

So kam es 1947 zum Mountbatten-Plan, benannt nach dem britischen Vizekönig Admiral Mountbatten, 1. Earl Mountbatten of Burma. Er sah die Teilung Indiens in ein hinduistisches und ein muslimisches Land vor.
Im gleichen Jahr übrigens, wie der UN-Teilungsplan für das durch Großbritannien verwaltete Israel und Palästina.

Am 15. August 1947 endete die Kolonialherrschaft und die unabhängigen Staaten der (Bundes-) Republik Indien und die Islamische Republik Pakistan entstanden.

Dabei kam es zum Kern des Konfliktes, aus heutiger Sicht muss man es als historischen Fehler bezeichnen. Die Briten bestimmten, dass die halb-selbstständigen Fürstentümer selber bestimmen sollten, wem sie sich anschließen.
Dazu gehörte auch das Fürstentum Hyderabad mitten auf dem indischen Subkontinent. Das wurde 1948 kurzerhand von Indien annektiert. Inzwischen sind die meisten Einwohner dort Hindus. (Titelbild)
Ähnlich, aber „spiegelverkehrt“, das Fürstentum Kalat, das auch 1948 von Pakistan annektiert wurde.

Doch auch Kaschmir war ein solches Fürstentum. Der Maharadscha Hari Singh war Hindu, die Mehrheit der Bevölkerung aber Muslime. Er wollte die Unabhängigkeit bewahren, es kam zu einem Aufstand, er bat Indien um Hilfe.

Es kam bis jetzt zu vier Indisch-Pakistanischen Kriegen, die häufig auch als Kaschmirkrieg bezeichnet werden. Zwischendurch schnitt sich auch China noch ein Stück vom Kuchen ab: die Region Aksai-Chin.

Karte der aufgeteilten Besetzung der Region.

Kaschmir (und Jammu) ist heute dreigeteilt: Im Süden von Indien besetzt, im Nord-Westen von Pakistan und im Nord-Osten von China.

Bis zum Zerfall der Sowjetunion galt Islamabad, die Hauptstadt Pakistans, als Drehscheibe der internationalen Nachrichtendienste. Dort war mehr los als in Berlin und Wien.

Die islamistische Terrororganisation Laschkar-e Taiba („Armee der Reinen“) entstand 1990 aus Massenorganisation Markaz Dawa wal Irshad. (Vergl.: Muslimbruderschaft und Hamas) Nachrichtendienste gehen davon aus, dass der pakistanische Nachrichtendienst ISI seine Finger im Spiel hatte. Und die Organisation maßgeblich unterstützt. Das macht aus deren Sicht Sinn, denn es sorgt für eine Destabilisierung und Pakistan kann offiziell sagen, es habe von nichts gewusst.
Die Laschkar-e Taiba ist eng mit dem IS verbunden.

Am 11. Juli 2006 kam es zu mehreren Anschlägen durch Granaten in Kaschmir und Jammu, wobei acht Menschen getötet und 35 verletzt wurden. Nur wenige Stunden später detonierten sieben Sprengladungen in vollen Nahverkehrszügen in Mumbai. Dabei starben 187 Menschen, 867 wurden verletzt. Indiens 9/11 oder 10/7.
Festgenommen wurde Jahre später Syed „Tunda“ Karim, der eine Führungsrolle in der Laschkar-e Taiba haben soll. Der Spitzname „Tunda“ bedeutet „der Behinderte“, er hatte bei einer Explosion eine Hand verloren. Er alleine soll 40 weitere Anschläge geplant haben.

Am 22. April 2025 kam es zu den Terroranschlägen von Jammu und Kaschmir. Fünf Terroristen stürmten das vor allem bei Indern beliebte Touristenziel Baisaran Valley und erschossen 28 Menschen. 20 weitere wurden verwundet. Die mit Sturmgewehren ausgestatteten Täter in Militärkleidung fragten Menschen, ob sie Hindus oder Muslime seien. Wer die falsche Antwort gab oder Koranverse oder das Glaubensbekenntnis (Schahada) nicht zitieren konnte, wurde auf der Stelle erschossen.

Baisaran Valley

Drei der Angreifer wurden inzwischen identifiziert, bei einem handelt es sich um einen Bewohner von Kaschmir und Jammu, bei den beiden anderen um Pakistani.
Verantwortung übernommen hat „The Resistance Front“ (TRF), dabei handelt es sich aber wohl nur um eine Gruppierung der Laschkar-e Taiba. Der die drei Identifizierten nach Aussage der Polizei angehören.

Logo der TRF

In der vergangenen Nacht hat Indien nun nach eigener Aussage neun Ziele angegriffen, die es als terroristische Infrastruktur bezeichnet. Laut Pakistan wurden dabei fünf Kampfjets Indiens abgeschossen. An der Grenzlinie in Kaschmir kam es zu Feuergefechten.

Trümmer eines indischen Jets werden beseitigt.

Foto: Trümmer eines indischen Jets werden beseitigt.

Meine Einschätzung ist derzeit, dass es zu einem begrenzten Krieg kommen wird. In diesem Kontext ist Krieg definiert als ein Konflikt mit „erheblichen“ militärischen Mitteln und mit dem Versuch, einen bestehenden Status zu verändern.
Ich rechne nicht mit einem großen Krieg zwischen den beiden Atommächten. Beide können sich das – auch nicht-nuklear – nicht leisten. Gepoltert wird eh ständig.
Zudem ist der Hauptlieferant für beide Rüstungen Russland derzeit anderweitig beschäftigt. Zwar „verwestlicht“ Indien kontinuierlich, das ist aber ein längerer Prozess.

Eine indische Patrouille in einer Fußgängerpassage, im Hintergund ein Schild auf Englisch "Sim Cards erhältlich".

Foto: Indien hat das von ihm Besetzte Kaschmir und Jammu inzwischen für Touristen abgeriegelt.

Das pakistanische Militär hat die Angriffe als „kriegerischen Akt“ bezeichnet. Ein weiterer Punkt kann zur Eskalation beitragen: Indien hat alle Verträge mit Pakistan annulliert. Darunter auch den wichtigen Vertrag zur Hindus-Wasserversorgung: Indien kann Pakistan die Wasserversorgung schmerzhaft abdrehen. Das kann aber nicht in den nächsten Wochen passieren. Auf die Kündigung hat Pakistan atomar gedroht.

In Pakistan leben etwa 240 Millionen Menschen. In Indien leben etwa 1,4 Milliarden, es hat eine der größten Streitkräfte der Welt. Zudem ist das Indische Militär besser ausgestattet. In einem nicht-nuklearen Kräftemessen hätte Pakistan keine Chance.

China und die muslimischen Staaten stehen eher auf Seiten Pakistans, westliche Staaten, Israel und Länder wie Japan und Korea eher auf Seiten Indiens. Ein Eingreifen von außen sehe ich derzeit jedoch noch lange nicht.


Erschienen auf steadyhq