Selbst die damalige Sprecherin des von Trump geführten Weißen Hauses, Kaleigh McEnany, durfte nicht mehr auf ihr Profil zugreifen, nachdem sie versucht hatte, die Geschichte zu twittern. Daraufhin schaltete sich Trumps Wahlkampf-Manager Mike Hahn ein, wie aus den nun veröffentlichten Dateien hervorgeht. Er „kochte“, wie Taibbi schreibt, und wandte sich bitter-ironisch an Twitter: „Versuchen Sie wenigstens für die nächsten 20 Tage, die Geschichte zu unterdrücken.“ Damit meinte Hahn den Wahltermin.
Das führte dazu, daß die damals für die Twitter-Regeln verantwortliche Caroline Storm intern nachfragte, warum McEnany gesperrt wurde. Antwort: „Sie hat unsere Regeln für das Verwenden von gehacktem Material verletzt.“
FBI-Warnung war eine Lüge
Argumentiert wurde offenbar auch damit, so Taibbi, es habe eine allgemeine Warnung der Bundespolizei gegeben, die Geschichte über Hunter Bidens Computer verstoße gegen geltendes Recht. Doch dergleichen konnte der Journalist nicht in den Akten finden. Die Entscheidung habe nichts mit dem FBI zu tun, sie sei auf der höchsten Ebene bei Twitter getroffen worden – aber ohne das Wissen des damaligen CEO Jack Dorsey. „Sie machten es freihändig“, habe ihm ein Ex-Mitarbeiter gesagt.
Nach der Beschwerde des Trump-Wahlkampfmanagers brach in der Führungsetage große Hektik aus, von der mehrere jetzt veröffentlichte E-Mail-Wechsel zeugen. Offenbar war allen klar, daß es keine Gründe gab, die Geschichte zu zensieren. Nun ging es darum, den Sachverhalt so zu biegen, daß Biden als Opfer von Fake News und Twitter als Kämpfer gegen Falsch-Behauptungen dastanden.
Das Hacking-Argument habe als Entschuldigung für die Zensur hergehalten, aber innerhalb weniger Stunden sei jedem klar gewesen, daß das nicht zu halten sei, sagte der Ex-Mitarbeiter laut Taibbi. Aber keiner habe den „Schneid“ gehabt, so der nicht namentlich genannte Informant, das rückgängig zu machen. An diesem Punkt habe jeder gewußt, daß Twitter mit seiner Entscheidung „am Arsch“ sei. Allen sei klar gewesen, sie irrten. Doch sie setzten den Irrtum fort.
Die E-Mail des Kongreß-Abgeordneten
Eine Führungskraft schrieb noch am Tag, als Twitter die Entscheidung fällte, in einer jetzt von Taibbi offengelegten E-Mail: „Ich ringe mit mir zu verstehen, wie die Biden-Geschichte als ‚unsicher‘ markiert werden konnte.“ Er schlug als bestes Argument vor, das Unternehmen sage, es warte ab, ob die Grundlage der Story gehacktes Material sei. Sogleich kam von einem Kollegen die Frage, ob Twitter jetzt auch andere Geschichten, die für Biden negativ wären, als „unsicher“ markieren solle. Es folgte ein Link auf zum Trump-nahen Sender Fox-News.
Dann mischte sich der stellvertretende Chef der Twitter-Rechtsabteilung, Jim Baker, ein und kam zu dem Schluß: „Die Warnung ist berechtigt.“ Es gebe „einige Fakten“, die dafür sprächen, daß das Material gehackt sei. Damit waren die Würfel gefallen.
Ebenfalls noch am selben Tag schrieb der demokratische Kongreß-Abgeordnete Ro Khanna der Chefin der Twitter-Rechtsabteilung, Vijaya Gadde, es werde eine „riesige Gegenreaktion“ der Republikaner gegen die Zensur des Kurznachrichtendienstes geben: „Ich hoffe, Du bist bereit dafür.“ Es sei nach seinen Erkenntnissen das einzige Mal gewesen, daß sich die Demokratische Partei in die Affäre einmischte, schreibt Taibbi. Mehr war auch nicht nötig. Denn Twitter tat genau das, was die Biden-Kampagne sich gewünscht hatte. Alle Hinweise auf den Skandal des heutigen US-Präsidenten wurden rigoros gelöscht, Nutzer für das Verbreiten gesperrt.