Ganz kurz vor dem Amtswechsel im Bundesinnenministerium hat das Bundesamt für Verfassungsschutz, das derzeit auch nur kommissarisch geleitet wird, die AfD für „gesichert rechtsextrem“ erklärt. Die Belege dafür werden allerdings nicht veröffentlicht.
Es war offensichtlich als die Nachricht des Brückentages zwischen Maifeiertag und Wochenende geplant. Am Freitagvormittag
verkündete der Verfassungsschutz per Pressemitteilung:
„Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) stuft die ‚Alternative für Deutschland‘ (AfD) seit dem heutigen Tag aufgrund der die Menschenwürde missachtenden, extremistischen Prägung der Gesamtpartei als gesichert rechtsextremistische Bestrebung ein.“
Diesem Satz folgt nicht etwa eine inhaltliche Begründung, sondern der Verweis darauf, dass Gerichte schon einigen Landesämtern für Verfassungsschutz bestätigt hatten, dass sie eine solche Einstufung vornehmen dürfen:
„Das Verwaltungsgericht Köln und das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) haben mit Urteilen von März 2022 beziehungsweise von Mai 2024* die Einstufung der Partei als Verdachtsfall bestätigt, weil zahlreiche Anhaltspunkte für von der AfD ausgehende Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung vorgelegen haben.“
Das Sternchen verweist auf die bemerkenswerte Fußnote „* Urteile nicht rechtskräftig“, die die verantwortliche Pressesprecherin ihrer Mitteilung beigefügt hat.
Das schlimme Volksverständnis?
Und kommen dann die inhaltlichen Gründe für die Einstufung?
„Das in der Partei vorherrschende ethnisch-abstammungsmäßige Volksverständnis ist nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar. Es zielt darauf ab, bestimmte Bevölkerungsgruppen von einer gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe auszuschließen, sie einer nicht verfassungskonformen Ungleichbehandlung auszusetzen und ihnen damit einen rechtlich abgewerteten Status zuzuweisen. Konkret betrachtet die AfD zum Beispiel deutsche Staatsangehörige mit Migrationsgeschichte aus muslimisch geprägten Ländern nicht als gleichwertige Angehörige des durch die Partei ethnisch definierten deutschen Volkes.“
Nun kann man ein „vorherrschendes ethnisch-abstammungsmäßiges Volksverständnis“ für überholt, veraltet, reaktionär oder anderweitig ablehnungsbedürftig halten. Doch bis 1999 folgte das Staatsangehörigkeitsrecht der Bundesrepublik genau diesem Volksverständnis. Dann gab es erstmals eine parlamentarische Mehrheit dafür, sich von selbigem im Gesetz zu verabschieden. Aber war das Staatsangehörigkeitsrecht deshalb mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung nicht vereinbar? Oder haben Vertreter der AfD konkret Schlimmeres geäußert als ein Volksverständnis, das bis vor 26 Jahren noch Grundlage deutscher Gesetze war? Das sollten die Rechtsextrem-Einstufer sicher etwas genauer erklären können:
„Dieses ausgrenzende Volksverständnis ist Ausgangspunkt und ideologische Grundlage für eine kontinuierliche Agitation gegen bestimmte Personen oder Personengruppen, mit der diese pauschal diffamiert und verächtlich gemacht sowie irrationale Ängste und Ablehnung ihnen gegenüber geschürt werden.“
Worin äußert sich das denn aber bitte? Wenn die Partei wirklich „gesichert rechtsextrem“ ist, dann müsste das Bundesamt doch jetzt ein Füllhorn von konkreten Beispielen ausschütten können. Sonst glauben doch manche Leser, dass es sich hier nur um eine politische Aktion handelt. Es hat schon etwas Geschmäcke, wenn diese Einstufung ausgerechnet nur wenige Tage vor dem Amtswechsel im Bundesinnenministerium erfolgt, von einem diesem Hause zugeordneten Bundesamt, das seinerseits ebenfalls nur kommissarisch von einem Vizepräsidenten geführt wird, weil der Präsidenten-Posten erst noch besetzt werden muss. Da sind doch jetzt wohl noch in den letzten Tagen Einstufungs-Pflöcke gesetzt worden, um den Amtsnachfolgern ein Abrüsten an der Brandmauer zu erschweren, oder?
Die scheidende Ministerin dementierte solcherlei Gedanken allerdings prompt, wie
tagesschau.de sofort berichtete
„Die geschäftsführende Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat betont, der Verfassungsschutz habe seine Entscheidung über eine Einstufung der AfD als gesichert rechtsextremistisch selbst getroffen.
‚Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat einen klaren gesetzlichen Auftrag, gegen Extremismus vorzugehen und unsere Demokratie zu schützen‘, sagte sie laut einer Mitteilung. Dabei arbeite die Sicherheitsbehörde eigenständig.“
„Agitation gegen Geflüchtete“?
Lassen wir die Glaubwürdigkeit solcher Aussagen mal außen vor. Erfahren wir denn nun, worin sich der gesicherte Rechtsextremismus der gesamten AfD so überzeugend stark zeigt, dass eine amtliche Warnung vor der Partei notwendig ist? In der Pressemitteilung heißt es:
„Dies zeigt sich in der Vielzahl fortlaufend getätigter fremden-, minderheiten- sowie islam- und muslimfeindlichen Äußerungen von führenden Funktionärinnen und Funktionären der Partei. Insbesondere die fortlaufende Agitation gegen Geflüchtete beziehungsweise Migrantinnen und Migranten befördert die Verbreitung und Vertiefung von Vorurteilen, Ressentiments und Ängsten gegenüber diesem Personenkreis.“
Was sind „Islam- und muslimfeindliche Äußerungen“? Fällt die Feststellung, dass bei mörderischen Anschlägen islamistische Täter deutlich überrepräsentiert sind, schon darunter? Oder der Hinweis darauf, welche Teile der Islamideologie sich kaum mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung vereinbaren lassen?
Ist es „Agitation gegen Geflüchtete“, wenn man ein konsequenteres Vorgehen gegen illegal eingereiste Gewalttäter fordert oder wenn man darauf verweist, wie stark überrepräsentiert Zuwanderer aus bestimmten Ländern in der Kriminalstatistik sind? Was konkret werfen die Verfassungsschützer den AfD-Funktionären denn nun vor. Ein überzeugendes Beispiel statt schwammiger Formulierungen muss die Verfassungsschutzpressestelle doch bieten können, oder?
„Die Abwertung der vorgenannten Personengruppen zeigt sich auch in der pauschalisierenden Verwendung von Begriffen wie „Messermigranten“ oder in der generellen Zuschreibung einer ethnokulturell bedingten Neigung zu Gewalt durch führende Mitglieder der AfD.“
Nun, dass es Gesellschaften gibt, in denen der Umgang miteinander und vor allem die Konfliktklärung stärker von Gewalt geprägt ist, als es die Biodeutschen der Boomer-Generation kennen, ist leider eine Tatsache. Auch dass die Zahl der Messerstechereien und Messerangriffe im letzten Jahrzehnt, also einer Zeit der Massenzuwanderung, zugenommen hat, dürften die Verfassungsschützer auch nicht bestreiten. Sicher, durch die Rede von „Messermigranten“ können sich viele zu Unrecht beleidigt fühlen. Aber das soll reichen, um eine Partei für „gesichert rechtsextrem“ zu erklären?
„Äußerst sorgfältige gutachterliche Prüfung“
Nein, weitere konkrete Beispiele nennt diese Presseerklärung nicht. Das kann natürlich auch an der Pressestelle gelegen haben oder an Mängeln der hausinternen Kommunikation, die vielleicht dazu führten, dass die verantwortliche Pressesprecherin vielleicht gar keine konkreteren Informationen zur Weitergabe bekam. Wir wissen es nicht. Das Bundesamt beendet seine Mitteilung an dieser Stelle mit einem Zitat der kommissarischen Chefs:
„Vizepräsident Sinan Selen und Vizepräsidentin Dr. Silke Willems erklären hierzu:
‚Wir sind zu der Überzeugung gelangt, dass es sich bei der Alternative für Deutschland um eine gesichert rechtsextremistische Bestrebung handelt. Dieser Befund fußt auf einer äußerst sorgfältigen gutachterlichen Prüfung, die einen Zeitraum von rund drei Jahren umfasst. Wir haben dabei eine Vielzahl von Aussagen und Positionen hochrangiger Parteivertreterinnen und -vertreter aus dem gesamten Bundesgebiet berücksichtigt und auch neueste organisatorische Entwicklungen mit in das Gutachten einbezogen. Maßgeblich für unsere Bewertung ist das die AfD prägende ethnisch-abstammungsmäßige Volksverständnis, das ganze Bevölkerungsgruppen in Deutschland abwertet und in ihrer Menschenwürde verletzt. Dieses Volksverständnis konkretisiert sich in einer insgesamt migranten- und muslimfeindlichen Haltung der Partei.‘“
Also – so erfahren wir – gibt es ein Gutachten, in dem all die guten Gründe für die Rechtsextremismus-Einstufung stehen sollen, von denen der Öffentlichkeit aber keine mitgeteilt werden. Wie Bild meldet, bleibt das Gutachten unter Verschluss. Das war auch schon so bei der analogen Einstufung der AfD durch Landesämter für Verfassungsschutz, wie beispielsweise in Sachsen (siehe
hier).
Diese Methode, amtliche Extremismus-Einstufungen öffentlich zu verkünden, ohne das öffentlich zu begründen, ist gefährlich für eine freiheitlich-demokratische Ordnung, insbesondere dann, wenn sie ein Parteiverbotsverfahren legitimieren soll. Der bekannte Achgut-Autor und Rechtsanwalt Joachim Steinhöfel erklärte dazu:
„Die BRD ist ein Rechtsstaat, in dem auch politische Rechte in der Verfassung verbrieft sind. Durch Gesetzgebung (Netz-DG, DSA), Strafrecht (§ 188 StGB) und verfassungswidrige NGO-Finanzierung sind diese Grundrechte gefährdet. Dies zeigt auch der Abstieg Deutschlands im Ranking der Pressefreiheit. Die Einstufung der AfD als gesichert rechtsextremistisch wirkt aufgrund von deren Folgen fast wie ein faktisches Oppositionsverbot. Die eigentliche Gefährdung unserer Demokratie kommt von innen. Frau Faeser gibt ihr ein Gesicht.“