von Peter Grimm
Voraussichtlich für knapp eine Woche ist gerade eine der wichtigsten Bahnlinien Deutschlands durch einen Brandanschlag lahm gelegt, doch in der Medienzunft herrscht nur gedämpftes Interesse. Weil solche Anschläge jetzt auch zum Alltag gehören?
„Verspätungen bis Donnerstag wegen dieses Feuers: Deutschlands wichtigste Bahnstrecke gesperrt“, titelte bild.de am Sonntagabend. In anderen überregionalen Medien gab es am Wochenende und am Montagmorgen ein paar Meldungen über einen folgenreichen Angriff auf den deutschen Bahnverkehr. Der legte einen wichtigen Streckenabschnitt bereits am Freitag lahm. Wer zum Wochenende mit einem Zug auf der ICE-Linie München - Berlin - Hamburg fahren wollte, musste erfahren, dass jeder Zug mit einer Verspätung von ca. 90 Minuten unterwegs war. Nun sind auch große Verspätungen in größerer Zahl bei der Bahn inzwischen leider nichts außergewöhnliches mehr. Nur dass die Bahn bei jedem dieser Züge als Verspätungsgrund „Beeinträchtigung durch Vandalismus“ angab war dann schon auffällig.
Doch mehr konnten interessierte Nutzer der Bahnstrecke eine ganze Zeit lang nicht erfahren. Waren hier böswillige Zerstörungswütige oder vielleicht „nur“ rücksichtslose Kabeldiebe am Werk gewesen?
Übers Wochenende schaffte es diese Störung dann doch in die überregionalen Nachrichten und auch die Ursache wurde benannt: Eine Brandstiftung in einer Fußgängerunterführung im oberfränkischen Hirschaid, über die bis dahin nur in lokalen und regionalen Medien berichtet wurde, zunächst auch ohne den Hinweis auf die landesweiten Folgen dieser Brandstiftung auf den Bahnverkehr. Es hieß, der Brandstifter hätte nachts in der Unterführung Heinrichstraße in Hirschaid Paletten und Latten in Brand gesteckt. Die Feuerwehr sei schnell vor Ort gewesen und habe das Feuer löschen können. Doch offenbar hatte dieser Brandanschlag eine hochsensible Stelle im deutschen Bahn-Netz getroffen. Bei Bild hieß es nun:
„Das Feuer hat eine Sperrung der wichtigen ICE-Verbindung zwischen den Millionen-Städten Berlin und München ausgelöst – bis weit in die neue Woche hinein! Auf einer der meistbefahrenen Strecken im deutschen Fernverkehr kommt es deshalb zu erheblichen Verspätungen.
In beiden Fahrtrichtungen beträgt die Verspätung 90 Minuten, teilte die Deutsche Bahn mit. Grund ist die Streckensperrung nach einer Brandstiftung in der Nacht zu Freitag in einer Bahn-Unterführung in Hirschaid (Bayern). Ein Gutachter hat an der betroffenen Brücke massive Schäden festgestellt.“
Während der ICE-Verkehr zeitraubend umgeleitet werden muss, Städte wie Erlangen und Bamberg tagelang nicht angefahren werden können, muss der Regionalverkehr völlig unvorbereitet auf Busse umgestellt werden. Mit dem Anzünden von ein paar Paletten in einer abgelegenen Bahnunterführung konnte also maximaler Schaden angerichtet werden. Das wäre eigentlich ein Grund, zu fragen, wer denn da gezündelt hat? Wussten die oder der Täter, an welch sensiblen Punkt sie da zuschlugen? Oder kommen die massiven Schäden an der betroffenen Brücke gar nicht so sehr durch den Brand, sondern waren nur der letzte Punkt, der den Gutachter zum Handeln zwang? Da halten sich derzeit alle Beteiligten recht bedeckt.
Eine Anschlags-Serie nach einem Muster?
Immerhin gab es in den letzten Jahren immer wieder gezielte und - im Sinne der Täter - ähnlich effektive Brandanschläge auf das Bahnnetz. Einige wurden einem linksextremen Täterkreis zugeordnet, andere blieben unaufgeklärt.
Am 29. Juli 2024 brannte es in zwei Kabelschächten an der Bahnstrecke Bremen - Hamburg. Die Schäden an den Kabeln hatten erhebliche Störungen im Bahnverkehr zur Folge. Betroffen waren sowohl der Fern- als auch der Nahverkehr auf der Bahnstrecke zwischen Bremen und Hamburg. Weil die Polizei von Anfang an einen politischen Hintergrund nicht ausschloss, ermittelte der Staatsschutz. Einige Tage später tauchte ein linksextremes Bekennerschreiben auf. Der NDR berichtete, dass das Schreiben auf der linksextremistischen Online-Plattform Indymedia veröffentlicht worden sei. Die Deutsche Bahn sei darin als Staatskonzern bezeichnet worden, der „in seiner kapitalistischen Routine“ gestört werden solle. Zudem wäre die Bahn ein militärischer Akteur bei Truppen- und Materialtransporten und maßgeblich an kolonialen und umweltzerstörenden Projekten in mehreren Ländern Lateinamerikas beteiligt.
Am 2. August 2024 berichtete die Berliner Zeitung:
„Nach einem Brandanschlag auf einen Kabelschacht in Berlin-Charlottenburg in der Nacht zum Freitag wird es bis nächste Woche zu Einschränkungen im Fern-, Regional- und S-Bahnverkehr kommen. ‚Weil mehrere Kabel betroffen sind, werden die Reparaturarbeiten über das Wochenende andauern‘, hatte die Bahn zunächst mitgeteilt. Voraussichtlich bis Anfang der kommenden Woche werde der Zugverkehr noch eingeschränkt sein.“
Weiter hieß es:
„Linksextremisten veröffentlichten am Freitagmittag im Internet ein Schreiben, in dem sie sich zu dem Brandanschlag bekannten. ‚Steht die Bahn still, werden die fein getakteten Abläufe dieses Systems der Ausbeutung und Zerstörung unterbrochen und entschleunigt‘, heißt es darin. Es sei in dieser Woche zu ‚Brandangriffen auf Infrastruktur der Deutschen Bahn‘ in Bremen, Hamburg und Berlin gekommen.“
Wenige Tage später hieß es von Radio Bremen, die Ermittler in Bremen und Berlin würden das Bekennerschreiben zwar als nicht als authentisch einstufen, aber es dennoch für wahrscheinlich halten, dass hinter dem Anschlag linksextremistische Gruppierungen stünden.
Im Februar 2025 gab es in Berlin einen Brandanschlag auf einen Kabelschacht der Deutschen Bahn, der für massive Störungen im Bahnverkehr von Berlin in Richtung Frankfurt (Oder) und Polen sorgte. Auch diesen Brandanschlag hatten linksextreme Aktivisten in einem Bekennerschreiben für sich reklamiert. Demnach hätte sich diese Sabotage nicht nur gegen die Deutsche Bahn, sondern auch gegen Tesla gerichtet. Der Staatsschutz des Landeskriminalamtes in Berlin ermittelt.
Auch im Frühjahr dieses Jahres gab es schon einige Anschläge auf den Bahnverkehr. Am 10. April 2025 meldete der MDR:
„Aufgrund des Kabelbrands war unter anderem die ICE-Strecke Nürnberg-Erfurt gesperrt worden, weil durch die Störung die Signale auf Rot sprangen und keine Züge mehr in bestimmte Streckenabschnitte einfahren konnten. Sämtliche Züge im Fern- und Regionalverkehr mussten vorübergehend umgeleitet werden. Es kam zu teils stundenlangen Verspätungen und zahlreichen Zugausfällen.
Die Bahn ging von Brandstiftung aus, die Polizei ermittelt.
Neue sensible Angriffspunkte entdeckt?
Am 28. April 2025 hieß es in der Mitteldeutschen Zeitung:
„Am Montagmorgen kam es im Bereich Halle-Silberhöhe zu einem schweren Brandanschlag auf die Infrastruktur der Deutschen Bahn. Unter einer Bahnbrücke wurde ein Kabelkanal in Brand gesetzt, wodurch die Kabeltechnik erheblich beschädigt wurde. Infolge des Anschlags ist der S-Bahn- und Zugverkehr erheblich gestört.“
Ende Mai 2025 legte ein Brandanschlag auf Signalkabel in Immenhausen bei Kassel das Stellwerk in Obervellmar lahm und damit auch den Fernverkehr zwischen Dortmund und Kassel, also auch ICE, IC und Nachtzüge. Weil ein politisches Motiv nicht ausgeschlossen werden konnte, ermittelte der Staatsschutz.
Mit einem gezielten Brandanschlag eine große Wirkung erzielen, das ist das Muster all dieser Anschläge. Allerdings weicht der in Hirschaid in einem Punkt von dem Muster der anderen Anschläge ab. Er richtete sich nicht gegen Signalkabel. Hier gab es die große Wirkung durch die Streckensperrung aufgrund der Befürchtungen hinsichtlich der Stabilität einer Brücke. Also hat dieser mit den anderen nichts zu tun? Hatte dieser Brandstifter den großen „Störungserfolg“ im Bahnnetz gar nicht geplant? Oder haben kundige Bahnattentäter jetzt neben den Signalkabeln auch noch andere sensible Angriffspunkte gefunden, an denen sich mit einem Feuer viel Wirbel machen lässt?
Statt solche Fragen aufzuwerfen wird derzeit immer noch bei jedem Anschlag auf den Bahnbetrieb der Anschein erweckt, als handle es sich um einen Einzelfall. Vielleicht auch, weil die Anschlagsfolgen unter all den häufigen hausgemachten Bahnstörungen kaum noch auffallen.
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