Mittwoch, 16. Juli 2025

Syrien - Es droht ein Völkermord

Die Lage eskaliert weiter, es droht ein Völkermord. Zudem kann die Situation entscheidend dafür sein, wie die neue Regierung Syriens international wahrgenommen wird.
Zuletzt hatte auch Deutschland Syrien Millionen Entwicklungshilfe gezahlt und alle Sanktionen aufgehoben.


Die Hoffnung, dass die nachgeführten syrischen Regierungstruppen die Lage beruhigen und die sunnitischen Beduinen zur Raison bringen, hat sich nicht bestätigt.
Auch die drusischen Religionsführer hatten dazu aufgerufen, die Waffen niederzulegen und mit den Regierungstruppen zusammenzuarbeiten. Die Hoffnung war also durchaus begründet.

Doch die Kämpfe haben sich intensiviert. Die angeführten Regierungstruppen haben ebenfalls begonnen, die Drusen zu bekämpfen.

Ein Konvoi von Pick Ups, besetzt mit maskerten Bewaffneten.

Foto: Syrische „Sicherheitskräfte“. 16.07.2025

Nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte in Großbritannien wurden inzwischen mindestens 250 Menschen getötet. Davon sollen etwa 100 Getötete zu den sunnitischen Regierungstruppen gehören. Stand heute Mittag.

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Foto: Kontrollposten der „Sicherheitskräfte“. 15.07.2025

Die Tagesschau titelt vor etwa zwei Stunden über einem Beitrag von Moritz Behrendt „Eine religiöse Minderheit kämpft um Mitsprache“.
Ich halte das für einen Versuch, die Kommunikation der Vorgänge auf eine politische Ebene zu heben. Da die Tagesschau sich dort zu Hause fühlt und nicht direkt aus der Region berichten kann.

Screenshot des Artikels der Tagesschau

Doch eben dadurch wird deutlich, welche Linie die Regierung der HTS (Haiʾat Tahrir asch-Scham, „Komitee zur Befreiung der Levante“) tatsächlich verfolgt. Man will die seit dem Sturz Assads weitestgehend autonome Region unter die eigene Kontrolle bringen.

Daher ist fraglich, ob es sich tatsächlich „nur“ um eine Eskalation durch einen Alleingang sunnitischer Beduinen handelte, oder ob die Regierung hier von vorn herein planvoll vorgegangen ist.

Auf Social Media sind Videos mit dramatischen Szenen im Umlauf. Gefesselte werden geschlagen und getreten, Zivilisten liegen erschossen vor ihren Häusern.Die Bilder möchte ich nicht wiedergeben.

Ein blutverschmierter junger drusischer Mann mit behelfsmäßigen Verband um den Kopf blickt in die Kamera.

Foto: Ein blutverschmierter junger drusischer Mann. 16.07.2025

Die Lage stellt sich bis heute Mittag so dar, dass Regierungskräfte gestern von Norden aus bis zum Stadtzentrum von Suwaida vorgestoßen sind und nun das Nationalmuseum im Nordosten und das Nationale Krankenhaus im Süden umschließen.

Satellitenbild mit dem Stadtzentrum, dem Krankenhaus und dem Museum markiert.

Wenn die Regierungstruppen hier durchstoßen, muss wohl mit einem massiven Massaker, wenn nicht einem Völkermord gerechnet werden. Pressebilder legen nahe, dass die Kombattanten Straße für Straße absuchen.
Bereits im März wurden etwa 1700 Angehörige der schiitischen Minderheit der Alawiten getötet.

Regierungstruppen gehen Straße für Straße vor.

Foto: Regierungstruppen gehen Straße für Straße vor. 16.07.2025

Junge Männer der israelischen Drusen hatten gestern bereits die Grenze nach Syrien überschritten, waren am Abend jedoch wieder zurückgekehrt. Heute Mittag wurde gemeldet, dass eine noch größere Anzahl die Grenze erneut überschritten hat.
Man sollte nicht vergessen, dass viele dieser jungen Drusen als Wehrpflichtige in den IDF dienen und sicherlich Kampferfahrung haben.

Zusätzlich hat Verteidigungsminister Katz nun – im Gegensatz zu gestern – sehr deutlich Syrien gedroht.
Die Lage ist jedoch noch komplizierter, da einige Stimmen unter den syrischen Drusen skeptisch gegenüber der Hilfe aus Israel sind. Weil sie Israel nicht trauen oder weil sie von der sunnitischen, zum Teil islamistischen Mehrheit nicht als Schutzbefohlene Israels wahrgenommen werden wollen. Denn das könnte den Konflikt auf Jahre zementieren.

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Foto: Syrische Flugabwehrkanone auf einem Pick Up, vermutlich zerstört durch einen Luftschlag der IDF. 16.07.2025

Die IDF haben erneut Ziele der Regierungstruppen mit Luftschlägen angegriffen. Doch diesmal wird es handfester, es wurden Ziele in der Hauptstadt Damaskus angegriffen. Darunter bekam der Sitz des Generalstabes im wahrsten Sinne einen Schuss vor den Bug, vor das Haupttor.

Zudem hat sich inzwischen eine neue, noch extremistischere Gruppe etabliert, die Saraya Ansar al-Sunnah (etwa: Unterstützer der sunnitischen Einheiten). Die von einem Aussteiger der HTS begründet wurde, weil die neue Regierung seiner Meinung nach zu nachlässig mit Schiiten umgeht.
Sie sind gegen alle: Christen, Drusen, Alawiten, Schiiten.
Vor nicht einmal vier Wochen hat ein Selbstmordattentäter dieser Gruppe in der Mar-Elias-Kirche in Damaskus mindestens 22 Menschen in den Tod gerissen. Das Innenministerium erklärte zunächst, der IS sei für den Anschlag verantwortlich, bevor die Saraya Ansar al-Sunnah die Verantwortung übernahm.

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Foto: Die zerstörte Mar-Elias-Kirch nach dem Selbstmordanschlag. 22.06.2025

Es ist also auch möglich, dass die Regierung „Jolani“ nicht mehr in der Lage ist, die islamistischen Kräfte in ihren Reihen zu bändigen und deshalb nun ihr wahres Gesicht zeigt.

Nachtrag: Gestern hatte ich ein grassierendes Video angesprochen, in dem einem alten Mann der Bart geschoren wurde.
Dabei handelte es sich wohl um den 80-jährigen Religionsführer Scheich Marahaj Shaheen, der nach den Aufnahmen getötet wurde.

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Erschienen auf steady.page



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