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Dienstag, 2. Juli 2019

Deutschland hat schon mal jemanden aus Italien befreit...

von Thomas Heck...

Am 12. September 1943 befreiten deutschen Fallschirmjäger im Kommandounternehmen Eiche den italienischen Duce Mussolini aus italienischer Haft und brachten ihn nach Deutschland. 76 Jahre später würde Deutschland gerne wieder einen in Italien Gefangenen befreien. Wenn es nur könnte. Denn hätte Deutschland eine funktionierende Armee, hätten schon längst deutsche Fallschirmjäger Käptn Rackete aus italienischer Festungshaft befreit wie weiland den Duce und heim ins Reich geholt. Oder war der Hubschrauberabsturz gestern etwa nur der fehlgeschlagene Versuch einer Kommandoaktion?


Diesen Eindruck könnte man gewinnen, wenn man die Gazetten in Deutschland durchblättert. In Deutschland interessiert sich weder die Journaille noch an sich demokratische und sonst rechtschaffende Politiker für rechtsstaatliche Prinzipien in Italien und erwarten in typisch deutscher Arroganz, dass die Schlepperin Rackete freigelassen wird. Sowas mag in Deutschland funktionieren, wo Staatsanwälte den Weisungen der Justizminister unterliegen und die Unabhängigkeit deutscher Justiz nicht mehr als eine Mär ist. Dabei sollten sich insbesondere deutsche Politiker zurückhalten, haben sie doch durch Merkels Migrationspolitik diesen ganzen Schlamassel angerichtet, der sich im Mittelmeer bis heute abspielt.

Rom und Berlin im offenen Konflikt


Wegen «Widerstand und Gewalt gegen ein Kriegsschiff» muss sich Kapitänin Rackete in Italien verantworten. Salvini kontert Kritik aus Deutschland.


Als Passagierin eines Schnellbootes der italienischen Guardia di Finanza ist die deutsche Kapitänin Carola Rackete am Montag nach Agrigent gebracht worden, um sich dort vor Gericht für ihr Anlegemanöver mit der Sea-Watch 3 auf der Insel Lampedusa zu rechtfertigen. Der Vorwurf lautet auf «Widerstand und Gewalt gegen ein Kriegsschiff», festgeschrieben im Artikel 1100 des Schifffahrtskodex'. Höchststrafe: zehn Jahre Haft. Beamte der italienischen Zoll- und Steuerpolizei hatten Rackete daran hindern wollen, die Hafenblockade zu durchbrechen. Beinahe wäre es zum Zusammenprall gekommen, wofür sich Rackete später entschuldigte.

In Deutschland mehrten sich die Stimmen, die die Freilassung von Rackete forderten. Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) und Aussenminister Heiko Maas (SPD) verurteilten die Reaktion der italienischen Behörden. Regierungssprecherin Martina Fietz sagte, Seenotretter sollten nach Ansicht der Bundesregierung nicht kriminalisiert werden. Deutschland sei bereit, eine bestimmte Anzahl von Flüchtlingen aufzunehmen. Dies müssten andere EU-Partner auch machen: «Wir brauchen eine europäische Lösung.» Die EU musste sich scharfe Kritik gefallen lassen für ihre Zerstrittenheit in der Frage. «Es ist unerträglich, welche Ignoranz und Inkompetenz die EU beim dringendsten aller politischen Probleme an den Tag legt», heisst es in einem Appell des Verbandes Deutscher Kapitäne und Schiffsoffiziere, der sich mit Rackete solidarisierte.

Durfte nur kurz mit ihren Eltern in Niedersachsen telefonieren: Die 31-jährige Carola Rackete. (1. Juli 2019) Bild: Giovanni Isolino/AFP


Die 31-jährige Deutsche war nach ihrer Festnahme in der Nacht auf Samstag unter Hausarrest gestellt worden, den sie im Haus einer älteren Dame im Hinterland der Insel Lampedusa verbrachte, weit weg von den Stränden, ohne Telefonverbindung und Internet. Sie durfte nur kurz mit ihren Eltern in Niedersachsen telefonieren. Alle anderen Kontakte zur Aussenwelt waren nur über ihre Anwälte möglich. Ihrer Crew schrieb sie auf einem Blatt Papier: «Lots of love, stay strong, don't worry.»

Für die Anhörung machte sich Carola Rackete seitenlange Notizen, wie die Zeitung La Repubblica erfuhr. In diesen zeichnete sie die Odyssee der Sea-Watch 3 nach: Von der Seenotrettung vor der libyschen Küste am 12. Juni, über die Funkanfragen an alle möglichen Länder, bis zur langen Auseinandersetzung mit der italienischen Regierung. Für den Umgang mit dem Rettungsschiff schlägt Italiens Regierung viel Kritik aus dem Ausland entgegen, die diese wiederum vehement zurückweist. Hitzig ist der Streit zwischen Rom und Berlin, seitdem Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am Sonntag sagte, Italien sei ja nicht irgendein Land, sondern ein Gründungsmitglied der Europäischen Union, von dem man erwarten könne, dass es sich anders verhalte in einem Fall wie diesem.

Geldstrafen für Organisationen, die sich trotz Verbots Häfen nähern, sollen verdoppelt werden

Doch die Spitzenleute in Rom verbitten sich «Morallektionen» aus dem Ausland. Matteo Salvini, Innenminister der rechten Lega, sagte es so: «Wir fordern Steinmeier höflich dazu auf, sich um das zu kümmern, was in Deutschland passiert, und seinen Mitbürgern auszurichten, sie möchten sich an die italienischen Gesetze halten, statt das Leben von Polizisten zu gefährden. Wir wiederum kümmern uns darum, den Verbrechern den Prozess zu machen und sie ins Gefängnis zu werfen.»


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Der sonst eher moderate Premier Italiens, Giuseppe Conte, bemühte einen fragwürdigen Vergleich, um sich über die deutsche Kritik zu beschweren. «Sollte Angela Merkel mit mir über Rackete reden wollen», sagte er, «dann wäre das eine gute Gelegenheit für mich, nach dem Verbleib der Manager von Thyssen zu fragen.» Gemeint waren die Deutschen Harald Espenhahn und Gerald Priegnitz, frühere Manager von Thyssen Krupp, die nach einem Brand im Turiner Werk des Stahlkonzerns 2007, bei dem sieben Angestellte ums Leben gekommen waren, in Italien rechtskräftig zu mehreren Jahren Gefängnis verurteilt wurden. Ihre Haft haben sie bisher aber nicht angetreten, weil in Deutschland ein Berufungsverfahren läuft. Conte findet, der Fall werde absichtlich verschleppt.

Auch die Minister von Salvinis Partnerpartei, den Cinque Stelle, sind auf Linie. Und so ist zu erwarten, dass der Innenminister in den kommenden Tagen eine Verschärfung seines Sicherheitsdekrets durchbringt. Geplant ist, dass die Geldstrafen für Organisationen, die sich trotz Verbots italienischen Häfen nähern, verdoppelt würden. Deren Schiffe sollen fortan schon nach der ersten Missachtung beschlagnahmt werden können und nicht erst im Wiederholungsfall wie jetzt. Damit hat Salvini die Schiffe der spanischen Organisation Open Arms und der deutschen Sea-Eye im Blick. Die kreuzen seit Tagen wieder im zentralen Mittelmeer.