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Montag, 21. April 2025

Ergebnisse der israelischen Untersuchung zum „Sanitäter-Massaker“



Die IDF (Israel Defense Forces) haben ihre Untersuchung zu der Erschießung von Sanitätern am 23. März abgeschlossen. Das Ergebnis haben sie gestern Nachmittag in einer Pressemitteilung veröffentlicht.

Da einige Medien selbst die sehr deutlichen und einfachen Ergebnisse der Pressemitteilung falsch wiedergeben, werde ich sie hier der Länge wegen indirekt zitieren und deutlich erkennbar kommentieren. Anschließend werde ich das aus meiner Sicht für Laien erklären. Das Original finden Sie hier…


Die Presseerklärung

Der Vorfall wurde unter der Leitung von Generalmajor Yoav Har-Even untersucht und dem Chef des Stabes Generalleutnant Eyal Zamir präsentiert.

Die Untersuchung beinhaltete eine ausgiebige Sammlung der Daten von operationellen Systemen, der Bodentruppen und der Befehlskette. Dies beinhaltete Debriefings der Einsatztruppen, Einsatzbefehle, Material von Beobachtungssystemen (von einer Drohne wurde bereits berichtet, Anm. d. Red.) und Funkverkehr. Zusätzlich wurde der Vorfall am Boden rekonstruiert, also nachgestellt.

Die Untersuchung wurde durchgeführt von einem Team, das aus der Befehlskette herausgelöst war und direkt dem Chef des Stabes Generalleutnant Eyal Zamir unterstand.

Anmerkung: Nach meinem Eindruck entspricht das dem typischen, „westlichen“ Vorgehen bei solchen Untersuchungen. Die Nachstellung „in the field“ finde ich beeindruckend.

Die Untersuchungen zeigt, dass der Einsatz in einer „feindlichen und gefährlichen“ Gefechtszone stattfand. Hintergrund des Vorfalls ist die Herausforderung der IDF, medizinische Teams zu respektieren und zu schützen, aber ebenso der wiederholten Nutzung ziviler Infrastruktur durch die Hamas zu begegnen, einschließlich des Transportes von Terroristen und Waffen in Krankenwagen.

Die Untersuchung fand keine Anzeichen für Hinrichtungen oder dass irgendeiner der Getöteten während oder nach dem Vorfall gefesselt wurde. Solche Behauptungen seien „blood libels“ (etwa: „Blut-Anschwärzungen“, Anm. d. Red.) und Falschbehauptungen gegen Soldaten der IDF.

Anmerkung: Die Behauptung der Fesselung geht einzig auf einen behandelnden Arzt zurück, der an einem (!) Handgelenk eine Schnur gesehen haben will. Nach meiner Kenntnis hat auch keine andere palästinensische Organisation diese Behauptung aufgestellt, sie wurde lediglich im britischen Guardian zitiert.

In der Nacht des Vorfalls am 23.03.25 führten die Truppen einen wichtigen („vital“) Einsatz gegen Terroristen durch.

Während dieses Einsatzes sind mehrere Fahrzeuge und Krankenwagen an der Einheit vorbeigefahren, ohne dass es zu Zwischenfällen kam, da die Einheit diese nicht als Bedrohung ansah. Darüber hinaus wurden zwei Fußgänger festgehalten und anschließend wieder gehen gelassen. Dies zeige, dass die Einheit nicht wahllos auf alles geschossen hätte, sondern lediglich aufmerksam gegenüber Bedrohungen war.

Es kam zu drei Ereignissen, bei denen geschossen wurde. Beim ersten Ereignis feuerten die Soldaten auf ein Fahrzeug, das als Fahrzeug der Hamas identifiziert wurde. Dem folgend waren die Soldaten in höchster Alarmbereitschaft.

Anmerkung: Ich gehe davon aus, dabei handelte es sich um den geheimnisvollen „Wagen 1“, der in dem von der New York Times veröffentlichten Video zu sehen ist.

Das zweite Ereignis fand etwa eine Stunde später statt. Dabei eröffneten die Soldaten das Feuer auf einen Feuerwehrwagen und Krankenwagen, die „sehr nah“ an sie herankamen. Was diese als „unmittelbare und konkrete Bedrohung“ ansahen. Unterstützende Luftüberwachung (die gemeldete Drohne, siehe oben, Anm. d. Red.) hatte zuvor fünf Fahrzeuge gemeldet, die sich schnell den Soldaten näherten, in ihrer Nähe hielten und Menschen aus den Fahrzeugen sprangen. Der stellvertretende Bataillonskommandeur bewertete diese Fahrzeuge als durch Hamas-Kräfte geführt, die gekommen waren, um die Insassen des ersten Fahrzeugs zu unterstützen. In dieser Einschätzung ließ er das Feuer eröffnen. Fünfzehn Palästinenser wurden getötet. Sechs der getöteten wurden später als Mitglieder der Hamas identifiziert.

Anmerkung: Der Zivilschutz ist offizieller Teil der Hamas, also auch das Feuerwehrfahrzeug. Die Mitarbeiter des Zivilschutzes werden daher als Mitglieder der Hamas eingestuft. Das ist kriegsrechtlich legitim, sagt aber nichts darüber aus, ob geschossen werden darf. Dafür gelten andere Maßstäbe. Grundsätzlich darf man auch nicht auf unbewaffnete Mitglieder der Hamas schießen. Das behauptet die IDF jedoch auch nicht, sie nennt das nicht als Rechtfertigung.

Aufgrund schlechter nächtlicher Sichtverhältnisse erkannte der stellvertretende Bataillonskommandeur die Fahrzeuge nicht als Krankenwagen. Erst als die Fahrzeuge später untersucht wurden, wurde erkannt, dass es sich tatsächlich um medizinische Teams handelte.

Der dritte Vorfall ereignete sich etwa 15 Minuten später, als die Soldaten auf ein palästinensisches Fahrzeug der UN feuerten. Aufgrund von Einsatzirrtümern und im Bruch der Vorschriften. Der Kommandeur meldete den Vorfall und die Untersuchung ergab später zusätzliche Informationen.

In der Morgendämmerung wurde entschieden, die Getöteten zu sammeln und die Fahrzeuge von der Straße zu räumen, um „zivile Evakuierungen“ vorzubereiten.

Anmerkungen: Ich weiß nicht, was mit „zivile Evakuierungen vorzubereiten“ gemeint sein soll. Es wird nicht näher erklärt. Die Autos mit einem Bulldozer von der Straße zu schieben ist allerdings durchaus gängige Praxis. Die Fahrzeuge wurden dabei zerstört, die IDF bezeichnet dies selber als „crushing“. Anders als einige Meldungen es behaupteten, wurden sie jedoch nicht vergraben. Sondern lediglich teilweise vom losen Sand bedeckt. Das ist auf den Aufnahmen von Mitarbeitern der UN während der Bergung gut zu sehen.

Diese Aktionen wurden von Befehlshabenden angeordnet. (Also anderen als dem erwähnten stellvertretende Bataillonskommandeur, so etwas machen Kampfeinheiten im Einsatz nicht selber, Anm. d. Red.)

Die Untersuchung kommt zu dem Schluss, dass das Sammeln und Bedecken der Leichen angesichts der Umstände vernünftig war. Die Zerstörung der Fahrzeuge war jedoch war falsch.

Anmerkung: Man hätte sie einfach von der Straße fahren oder schieben können. Da die IDF das so deutlich formuliert, sieht sie es genauso.

„In general, there was no attempt to conceal the event, which was discussed with international organizations and the UN, including coordination for the removal of bodies.“

„Generell gab es keinen Versuch, den Vorfall zu vertuschen. Er wurde mit internationalen Organisationen und der UNO abgesprochen, auch die Koordinierung der Bergung der Leichen wurde vereinbart.“

Anmerkung: Exakt das ergibt sich auch aus den Veröffentlichungen der UN, die ich im ersten Bericht chronologisch aufgearbeitet habe. Woher diese Behauptung stammt, die wiederum von einigen Medien übernommen wurde, kann ich nicht sagen. Vermutlich haben einige sich das aus den Veröffentlichungen des Roten Halbmondes so zurechtgelegt.

Die Untersuchung ergab, dass in den ersten beiden Fällen ein einsatzbedingtes Missverstehen („operational misunderstanding“) durch die Soldaten vorlag, die sich in einer akuten Gefahr glaubten. Der dritte Fall beinhaltet einen Bruch der Vorschriften.

Der Chef des Stabes betonte den Einsatz für den Kampf gegen die Hamas fortzuführen, während man an den Werten, der Disziplin und den Befehlen festhält. Er bekräftigte, dass das Golani Aufklärungsbataillon ein professionelles und hochqualitatives Bataillon ist, das seit eineinhalb Jahren ausgezeichnet operiert. Dennoch zeige die Untersuchung professionelle Fehler, den Bruch von Befehlen und einen Fehler, den Vorfall umfänglich zu melden.

Anmerkung: Und hier kommt die erste Aussage des Pressesprechers Oberstleutnant Nadav Shoshani in Spiel, die Fahrzeuge seien nicht beleuchtet gewesen. Auf dem veröffentlichten Video sah man, dass sie voll beleuchtet waren.


Der Stabschef akzeptierte den Vorschlag des Kommandeurs für den südlichen Distrikt, der folgendes vorsieht: Der Kommandeur der 14, Brigade erhält eine Rüge, die in seine Personalakte aufgenommen wird, aufgrund seiner Verantwortlichkeit für den Vorfall, inklusive des Gefechtes und dem Management danach.

Der stellvertretende Bataillonskommandeur wird seines Postens enthoben. Wegen seiner Rolle bei dem Vorfall und weil er während des Debriefings einen falschen und unvollständigen Bericht abgegeben hat.

„Die Kommandeure betonten, dass der stellvertretende Kommandeur des Golani-Aufklärungsbataillons ein hoch angesehener Offizier sei, dessen Militärdienst und persönliche Geschichte von Kampfgeist, Freiwilligkeit und großem Engagement zeugen. Nach dem 7. Oktober kehrte er aus dem Ausland zurück, um als Reservist zu dienen. Er setzte seinen Einsatz in Gaza fort, bis er im Kampf verletzt wurde, und kehrte nach seiner Genesung in den Dienst zurück. In den vergangenen sechs Monaten diente er als stellvertretender Kommandeur des Bataillons und war im aktiven Reservedienst.

Die israelischen Streitkräfte bedauern den Schaden, der unbeteiligten Zivilisten zugefügt wurde. Der Untersuchungsprozess ist auch Teil der laufenden Bemühungen, aus operativen Vorfällen zu lernen und die Wahrscheinlichkeit ähnlicher Vorfälle in Zukunft zu verringern. Bestehende Protokolle wurden präzisiert und verschärft. Dabei wird die Notwendigkeit erhöhter Vorsicht bei Einsätzen in der Nähe von Rettungskräften und medizinischem Personal, selbst in intensiven Kampfgebieten, betont.“

Meine Einschätzung

Ich erkläre, was sich meiner Meinung nach zugetragen hat. Aufgrund der recherchierten Informationen aus meinem ersten Bericht und dieser Erklärung der Untersuchung. Die ich für professionell und völlig in Ordnung halte. Weiteres und Genaueres müsste ein Gericht klären, dafür ist das Militär nicht zuständig. Nirgendwo.

In der Nacht zum 23.03.2025 war eine Einheit der Golani-Brigade – keine Spezialeinheit per Definition, aber schon mit einem elitären Ruf – bei Rafah eingesetzt, um dort Kämpfer der Hamas aufzuspüren. Eine genaue Einordnung des Einsatzes gibt es nicht und wird es auch nicht geben.

Während dieses Einsatzes lässt die Einheit mehrere Fahrzeuge passieren und befragt zwei Fußgänger. Dann beschießt die Einheit ein Fahrzeug, das sie als Fahrzeug der Hamas identifiziert. Mindestens der Überlebende Munther Abed wird dabei festgenommen und verhört. Das bedeutet, die Einheit war weiterhin dort im aktiven Einsatz, für sie war die Situation nicht beendet. Die Waffen blieben schussbereit.


Etwa eine Stunde später nähern sich fünf Krankenwagen und ein Feuerwehrwagen an der Spitze in einem Konvoi dem Einsatz. Der Feuerwehrwagen gehört zur Hamas. Dieser Konvoi war nicht, wie üblich, vorher durch den Roten Halbmond bei der IDF angemeldet worden. Die Einheit wird von einem Aufklärungsteam gewarnt, das den sich nähernden Konvoi mit einer Drohne aufklärt.

Daraufhin werden die Soldaten in Deckung gegangen sein. Die Fahrzeuge halten an dem ersten Fahrzeug. An dieser Stelle setzt das von der New York Times veröffentlichte Video vom Handy des getöteten Refaat Radwan ein. Die Palästinenser springen aus den Fahrzeugen, vermutlich sehen sie die Soldaten gar nicht und wissen nicht, in welche Situation sie hineingefahren sind. Der stellvertretende Bataillonskommandeur, also vermutlich der verantwortliche Kommandeur der Einheit, gibt Feuerbefehl. Daraufhin feuern alle Soldaten auf die Palästinenser.

Das ist völlig normal. Wenn jemand feuert, feuern alle. Denn dann ist nicht mehr ausschlaggebend, ob man vor sich eine Waffe sieht. Man muss davon ausgehen, dass der Befehlsgebende oder derjenige, der zuerst feuert, einen ausreichenden Grund dafür hatte. Denn wenn man dann zögert um sich zu vergewissern, kann es zu spät sein. Das ist die unabänderliche Logik des Krieges und wird auch so in allen Streitkräften praktiziert.

Die Einheit erkennt ihren Irrtum und der Kommandeur setzt eine falsche oder unvollständige Meldung ab. Damit ist die Sache für die IDF soweit erledigt. Die späteren Veröffentlichungen des Roten Habmondes und der UN (Jonathan Whittall, der Chef des Büros des OCHA) führen zu Behauptungen, die IDF habe Sanitäter „hingerichtet“.

In den weiteren Morgenstunden werden die Leichen zusammengetragen und mit Erde bedeckt. Die Stelle wird mit einem Blaulicht markiert und entsprechend an die UN gemeldet. Es scheint, aber das ist nur ein Anschein, dass die UN das dem Roten Halbmond nicht weitergegeben hat. Das war nach allgemeinem Dafürhalten, nach dem Bericht der IDF und nach meiner eigenen Beurteilung völlig ok. Deutlich drüber war allerdings die Maßnahme, die Fahrzeuge einfach mit dem Bulldozer beiseite zu schieben und dabei zu „crashen“. Zu dem Schluss kommen auch die IDF. Diese Maßnahme wurde jedoch von anderen befohlen und ist nicht Teil des Vorganges. Die Fahrzeuge wurden nicht vergraben, um sie zu verstecken.

Darauf reagiert der Sprecher der IDF Oberstleutnant Nadav Shoshani und veröffentlicht eine Stellungnahme am 31.03.25, nach der Bergung der Leichen. Darin erklärt er, die Fahrzeuge seien unbeleuchtet gewesen. Vermutlich aufgrund der Meldung des Kommandeurs, die sich später als falsch herausstellen wird.

Am 04.04.25 veröffentlicht die New York Times ein Video, das auf dem Handy des getöteten Refaat Radwan gefunden und über die UN an die Zeitung durchgestochen wurde. Darauf sieht man, dass die Fahrzeuge hell beleuchtet waren.

Die Schüsse

In diesem Video hört man die Schüsse. Da mit unterschiedlichen Waffen gefechtsmäßig gefeuert wurde, bin ich davon ausgegangen, dass es sich um ein beiderseitiges Feuergefecht gehandelt hat. Da auch die IDF nun nichts von Waffen auf Seiten der Palästinenser erwähnt, gehe ich davon aus, dass sie nicht bewaffnet waren. Ich lag mit meiner Einschätzung also falsch.

Dennoch bleibe ich dabei, dass gefechtsmäßig geschossen wurde. Das legt auch eine spätere Auswertung durch akustische Forensiker für die Washington Post nahe, die erklärten, dass das Feuer sich annähert. Das ist deshalb für eine juristische Beurteilung entscheidend, weil den Soldaten vielleicht nicht umfänglich klar war, dass sie auf Unbewaffnete feuern. Sie haben den Feuerbefehl des Kommandeurs befolgt. Von einer Hinrichtung kann also keine Rede sein.

Grafik: Spätere Information zeigen, wie nah die Palästinenser den israelischen Soldaten kamen.



Da der Kommandeur diese Fehlentscheidung wohl auch im Debriefing bzw. in der Untersuchung versucht hat zu verschleiern, wurde er seines Postens enthoben. Da er im Reservedienst war, ist das mit hoher Wahrscheinlichkeit gleichbedeutend mit seiner Entlassung.

Wenn dem Kommandeur beim Feuerbefehl klar war, dass es sich um Unbewaffnete handelt – die Zuschreibung als Sanitäter ist im Fall der Hamas dafür nicht ausreichend, da diese sich auch in Krankenwagen versteckt – handelt es sich um ein Kriegsverbrechen.

Da er diese Entscheidung später wohl versuchte zu verschleiern, gehe ich persönlich von einem Kriegsverbrechen aus. Das dürfte jedoch schwer nachzuweisen sein. Gerichten, wie dem IStGH, steht es frei, ein Ermittlungsverfahren gegen den Mann einzuleiten.

Um Israel grundsätzlich ein Kriegsverbrechen anzulasten, wäre jedoch nötig nachzuweisen, dass die Einheit von vorn herein den Befehl hatte, auch auf Unbewaffnete zu schießen. Da die Einheit jedoch andere Fahrzeuge (auch Krankenwagen) hat passieren lassen, die zwei kontrollierten Fußgänger ihres Weges gehen ließ und es mindestens einen Überlebenden gibt, ist das jedoch mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auszuschließen. Ich sehe dafür keinen Anhaltspunkt.

Berichterstattung

„Mindestens“ einen Überlebenden deshalb, wie die Deutsche Welle heute von zwei Überlebenden spricht. Das geht vermutlich auf eine Agenturmeldung zurück, unter dem Beitrag sind die Deutsche Presseagentur dpa, die Agence France-Presse AFP und die Associated Press AP genannt. Näher erklärt wird dies nicht.

Laut diesem Bericht hat der Präsident des Palästinensischen Roten Halbmonds, Junis al-Khatib, gesagt, dass allen Todesopfern „mit der Absicht zu töten“ in den „oberen Teil ihres Körpers“ geschossen worden sei. Das ist angesichts eines Krieges eine dermaßen blöde Aussage, dass man darauf wenig erwidern kann. Der Rote Halbmond nennt die IDF grundsätzlich „Besatzer“ und alle Getöteten „Märtyrer“. Das sagt viel über seine Neutralität.

Der Sprecher der IDF Brigadegeneral Ephraim (Effi) Defrin sagte, dass die Soldaten Nachtsichtgeräte getragen hätten und die Lichter der Fahrzeuge deshalb nicht zu erkennen gewesen seien. Das ist nicht völlig abwegig, das kann tatsächlich sein. Allerdings halte ich das angesichts der Weihnachtsbaumbeleuchtung, die man im Video erkennt, für nicht glaubwürdig.

Auch die Deutsche Welle gibt die Ergebnisse nicht ganz exakt wieder. Ich vermute jedoch, weil den Redakteuren in der Nachrichtenkette (IDF > Agenturen > DW) die Vorgänge und Bezeichnungen der Funktionen beim Militär nicht bekannt sind.



Wenn deutsche Ex-Diplomaten alle antiisraelischen Register ziehen

Deutschland darf nicht länger schweigen? Eine Erwiderung von Daniel Neumann auf den vielsagenden »FAZ«-Gastbeitrag ehemaliger Botschafter


von Daniel Neumann

Manchmal sind Botschafter gar nicht diplomatisch. Sogar geradezu undiplomatisch. Erst recht, wenn sie den aktiven Dienst hinter sich gelassen haben. So wie die vier ehemaligen Botschafter, die nun in der FAZ (Frankfurter Allgemeinen Zeitung) einen emotionalen Gastbeitrag mit dem Titel »Deutschland darf nicht länger schweigen« verfasst haben.

Worum es in dem Beitrag geht? Um einen Appell an die verantwortlichen Politiker, Israel endlich die angeblich »bedingungslose Unterstützung« zu entziehen. Mit Blick auf den Krieg in Gaza. Und - notabene – mit der besonderen moralischen Verantwortung für Israel und die Menschlichkeit, die »wir Deutschen« aufgrund der Bürde des Holocaust tragen.

Schaut man sich den Beitrag näher an, dann fällt auf, dass die Ex-Botschafter sonderbar einseitig argumentieren. Man könnte fast sagen: antiisraelisch. Was möglicherweise damit zusammenhängt, wo die ehemaligen Diplomaten ihren Dienst verrichtet haben. In der Türkei, im Jemen, in Libyen, in Jordanien, im Libanon, in Ägypten und im Verbindungsbüro der palästinensischen Autonomiebehörde in Ramallah. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt!

Jedenfalls zieht der Beitrag unter dem Vorwand, Deutschlands moralische Verantwortung wahren und natürlich Israels Sicherheitsinteressen wahren zu wollen alle antiisraelischen Register. Anstandshalber geht es mit dem Massaker vom 07. Oktober 2023, das uns alle erschüttert habe, los, bevor die Litanei beginnt: »Die israelische Reaktion brachte zehntausenden Menschen den Tod, infiziert ganze Generationen mit Hass und fügt Israels Sicherheitsinteressen massiven Schaden zu.«

Zumindest das mit den zehntausenden Menschen stimmt. Doch im übrigen ergehen sich die Ex-Diplomaten in Spekulationen und Geschichtsverdrehung. Und sie nutzen dabei ein Wortbild, dass einem in Zusammenhang mit Juden seltsam bekannt vorkommt: Israel infiziert andere mit Hass. Ja ja, der ansteckende Jude infiziert nun andere durch sein Verhalten mit Hass. Die Ursache ist dabei ebenso irrelevant wie der Umstand, dass erstens die Araber nicht erst mit Juden- oder Israelhass angesteckt werden müssen, da dieser Hass uralt ist und sich unter anderem in mehreren Kriegen Bahn gebrochen hat. Und dass zweitens vor allem die Palästinenser systematisch mit dem Hass auf Juden gefüttert werden. Nicht von Israel. Sondern primär von der Hamas und sekundär von der palästinensischen Autonomiebehörde.

Es war dieser Hass, der zum 07. Oktober geführt hat. Es war dieser Hass, der unzählige Terroranschläge gegen Israel angefeuert hat. Und es ist dieser Hass, der von der Vernichtung Israels zugunsten eines palästinensisch-arabischen Landes träumen lässt.

Dass der Verteidigungskrieg Israels in Gaza den Hass seiner Gegner verstärken mag? Das dürfte wohl so sein. Aber heißt das im Umkehrschluss, dass Israel sich den beispiellos grausamen und barbarischen Angriff auf seine Zivilbevölkerung gefallen lassen muss? Dass es einen genozidalen und kriegerischen Angriff unbeantwortet lassen soll, um keinen Hass zu schüren? Das ist erstens absurd und zweitens geschichtsvergessen. Ganz im Gegenteil: Israel muss für die allumfassende Niederlage der Hamas und die vollständige Kapitulation sorgen. Erst dann ist ein Neuanfang möglich. Gerade als Deutscher sollte man diese Lektion der Geschichte eigentlich gelernt haben.

Jedenfalls folgt dann ein Appell, die Palästinenser als ein Volk wahrzunehmen, das ebenso vielschichtig ist, wie das israelische, wofür die jüngsten Anti-Hamas-Proteste ein Zeichen seien. Diese Behauptung ist geradezu abenteuerlich! Sind die Palästinenser ein monolithischer Block? Bestimmt nicht. Aber sind sie so vielschichtig, wie die Israelis? Niemals! Oder erlebt man dort die Diskussionen, politischen Streitigkeiten, landesweiten Demonstrationen, die Meinungsvielfalt und die Farbenvielfalt der israelischen Gesellschaft?

Wie laut war der Widerspruch der Palästinenser, nachdem ihre politischen Führer Yassir Arafat in Camp David 2001 und Mahmoud Abbas in 2008 Vorschläge für einen eigenen Palästinenserstaat im Westjordanland, Gaza und Ostjerusalem unbeantwortet ließen oder gar mit einer Selbstmord-Intifada beantworteten? Wo waren die Demonstrationen gegen die ständigen Entführungen und Terrorakte gegen Israelis? Wo die Demonstrationen gegen das Massaker vom 07. Oktober 2023?

Wenn man öffentliche Verlautbarungen wahrgenommen hat, dann vor allem Freudenausbrüche und Feierstimmung über den Schlag, den man Israel und den Juden versetzt hat. Gibt es andere Stimmen? Bestimmt. Aber sie waren bisher so leise, dass sie kaum vernehmbar waren.

Anschließend behaupten die Ex-Botschafter, dass sich »angesichts des Desinteresses vieler Medien und der zögerlichen Kommunikation unserer politischen Eliten zum Geschehen in Gaza« radikale Kräfte des Themas angenommen hätten. Hätten die Damen und Herren genau hingesehen, dann wäre ihnen aufgefallen, dass spätestens seit dem 08. Oktober 2023 eine sauber geschmierte und koordinierte antiisraelische, antizionistische und antisemitische Maschinerie in Gang gesetzt wurde, welche die Straßen, die sozialen Medien und selbst manche der traditionellen Medien in Beschlag nahm. Offener Hass, Mordaufrufe und Gewalt gegen israelische und jüdische Einrichtungen sowie gegen Israelis und Juden nicht nur in Deutschland waren die Folge.

Wenn es klarer Kommunikation bedurfte. Dann hier!

Was dann folgt ist eine knappe Verurteilung der Hamas für den Terrorüberfall und eine ausgiebige Verurteilung Israels für seine Kriegsführung in Gaza. Was dabei nicht fehlen darf ist die Bezugnahme auf Entscheidung des Internationalen Strafgerichtshofs, der »nach sorgfältiger Prüfung« Haftbefehle erlassen habe gegen Hamas-Führer, sowie den Ministerpräsidenten Netanjahu und den damaligen Verteidigungsminister Gallant.

Gefolgt von dem Hinweis, dass weder Netanjahu noch deutsche Politiker über dem Recht stünden. Die Verfasser spiegeln dabei Ausgewogenheit in der Beurteilung und die Geltung internationalen Rechts vor. Doch in beiden Fällen betreiben sie Augenwischerei.

Denn erstens stellen sie die Dimension des genozidalen Angriffs auf Israel nicht dar.

Zweitens verlieren sie kein Wort über die Gegebenheiten mit denen Israel sich in Gaza konfrontiert sah, als es darum ging, weitere Angriffe zu verhindern, die Hamas zu vernichten und die Geiseln zu retten. Apropos Geiseln: An keiner Stelle wird der Tatsache, dass sich immer noch 59 Geiseln im Gazastreifen befinden Beachtung geschenkt. Ebenso wenig wie dem Umstand, dass Gaza seit 2007 mit Milliarden von Hilfsgeldern zu einer militärisch befestigten Zone hochgerüstet wurde. Weitreichend untertunnelt. Voller Raketenabschussbasen und Sprengfallen in zivilen Einrichtungen, wie Krankenhäusern, Moscheen, Schulen, Kindergärten und Privathäusern.

Natürlich kann man Israel für seine Kriegsführung kritisieren. Man kann Krieg als solchen kritisieren. Denn Krieg ist grausam. Krieg ist die Hölle. Und zivile Opfer sind in jedem einzelnen Fall eine Tragödie. Aber Ursache und Wirkung nicht klar zu benennen, Täter und Opfer zu verwechseln, und die alptraumhaften Bedingungen zu verschweigen, wenn die Kriegsführung kritisiert wird, ist unredlich. Ist schäbig. Und dient augenscheinlich nur einem Zweck: Israel zu dämonisieren.

Und was die Geltung des Rechts und den IStGH angeht: die angeblich sorgfältige Prüfung sei mal dahingestellt. In jedem Fall aber wurde das Recht zu politischen Zwecken missbraucht. Und der IStGH hat sich dazu hergegeben und damit dem gesamten System des internationalen Rechts schweren Schaden zugefügt.

Denn das Gericht war aus verschiedenen Gründen gar nicht zuständig und hätte das Verfahren überhaupt nicht betreiben dürfen. Erstens weil Israel kein Mitglied des IStGH ist, zweitens weil »Palästina« gar kein Staat ist und deshalb ebensowenig Mitglied sein kann, und drittens weil Israel eine eigene funktionierende Gerichtsbarkeit hat, welche eine Zuständigkeit des IStGH kategorisch ausschließt.

Nun folgen die üblichen Vorwürfe: Der Nahostkonflikt habe nicht erst am 07. Oktober begonnen. Und seit Jahrzehnten würden Palästinenser von israelischer Armee schikaniert, vertrieben oder getötet. Außerdem werde immer mehr Land völkerrechtswidrig besetzt. Die Ex-Diplomaten wären glaubhafter, wenn sie die antiisraelischen, antizionistischen und antisemitischen Erzählungen ihrer Dienstländer nicht ungefiltert wiederkäuen würden. Keine Einordnung, keine Hintergründe, keine Differenzierung. Israelis sind Täter. Palästinenser sind Opfer. So bezaubernd sind die Geschichten aus tausend und einer Nacht.

Nach einigen Ausflügen zu der eigenen völkerrechtlichen Verantwortung und weiteren Vorwürfen gegen Israel biegen die Verfasser dann auf die Zielgerade ein: Man solle die israelische Zivilgesellschaft unterstützen. Ganz so als bräuchten diese Hilfe bei einer Revolution gegen eine autokratische Regierung.

Zumindest meiner Kenntnis nach ist die israelische Regierung demokratisch ins Amt gewählt worden. Und die nächsten Wahlen dürften ebenfalls demokratisch ablaufen. Was – nur nebenbei – einzigartig im Nahen Osten ist.

Außerdem solle man eine palästinensische Regierung der nationalen Einheit befördern, die aus freien Wahlen hervorgeht. Vielleicht haben die Verfasser vergessen, dass die Palästinenser es mit der Demokratie, der Einheit und freien Wahlen nicht so haben. Die letzte Wahl der Autonomiebehörde liegt gut 20 Jahre zurück. Und nachdem die Hamas im Gazastreifen 2006 in den ersten und einzigen Wahlen die Mehrheit erreichte, ermordete sie ihre politischen Gegner kurzerhand und errichtete ein islamistisches Terrorregime. Da klingt eine freie Wahl und eine Regierung der nationalen Einheit sicher verführerisch.

Ausgangspunkt solle jedenfalls weiterhin der Oslo-Prozess und eine Zweistaatenlösung sein. Doch wenn Israel nicht mitspielt, so die mehr oder weniger versteckte diplomatische Drohung, dann bleibe eben nur eine Einstaatenlösung, die ein gleichberechtigtes Zusammenleben zwischen Juden und Arabern bedingt. Die Folgen können wir heute in Gaza oder den palästinensisch kontrollierten Gebieten der Westbank beobachten. Denn diese Gebiete sind ethnisch gesäubert. Von Juden versteht sich.

Aber vielleicht ist das ja der heimliche Traum, den deutsche Ex-Botschafter bei einem guten Glas Wein und arabischen Leckereien auf der heimischen Terrasse träumen. Eine Welt ohne die Bürde des Holocaust. Eine Welt ohne moralische Verpflichtung für den Judenstaat. Und eine Welt ohne Israel. Kann es etwas Schöneres geben?

Der Autor ist Jurist und Vorsitzender des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden in Hessen.



Sonntag, 20. April 2025

Warum die Palästinenser keinen Namen für Palästina haben



Palästinenser sind eine Ethnie. Sie leben in Palästina. Sie sprechen Palästinensisch. Das ist so zumindest die allgemeine Vorstellung. Dabei haben Palästinenser nicht einmal ein Wort für Palästina. Oder für sich selbst. Versteht man, warum das so ist, wird der seit etwa 100 Jahren dauernde Konflikt um Israel leichter verständlich. Doch wer Israel als den bösen Kolonialisten und die Palästinenser als die unterdrückten Eingeborenen sieht, der wird jedes Hinterfragen dieses Konzepts abwehren.

Ein historischer Ausflug.

Palästina

Im Deutschen heißt Palästina Palästina. Im Englischen heißt es Palestine, italienisch Palestina, schwedisch Palestina, spanisch Palestina, auf Polnisch Palestyna, russisch Palestina, indonesisch Palestina. Die Japaner haben leichte Probleme und sagen Paresuchina. Die Palästinenser sagen „filastin“. Das Bemerkenswerte ist nicht, dass das Arabische kein P kennt. Pepsi heißt übrigens Bibi. Da fängt die Überlegung erst an!

Sprechen wir nicht nur über die heutigen palästinensischen Autonomiegebiete. Die inzwischen von ca. drei Viertel der Staaten der Welt als Staat anerkannt sind. Sprechen wir über die Region Palästina, so wie sie vor der Gründung des Staates Israel definiert war. Also die Gebiete des heutigen Palästinas und Israels.

Wenn die arabische Sprache indigen für die Region ist, warum hat sie dann kein eigenes Wort dafür?

Wenn die arabische Sprache die ursprüngliche Sprache der Region ist, aber keinen P-Laut kennt, warum hat sie dann kein eigenes Wort, das ohne P-Laut auskommt? Groß-Jerusalem vielleicht, oder Mittelmeerland, oder Bibi?

Warum benutzen Palästinenser das gleiche Wort wie alle anderen und ersetzen nur das „P“ durch ein „F“?

Ethnolinguistik

Gehen wir einen Schritt tiefer.

Die Ethnologie und Anthropologie untersuchen menschliche Lebensweisen, meist in Gruppen. Also die Menschen in Gruppen, nicht die Wissenschaftler. Deshalb sagte man früher auch „Völkerkunde“. Sprache ist immer ein Fingerabdruck der Gesellschaft. Sie verrät ganz viel über die Ethnie, das Volk oder die Gruppe, die sie spricht. Und über ihre Geschichte. Das nennt man Ethnolinguistik.

Laut Bibel hat Jesus sehr viele bildliche Vergleiche benutzt, die auch Ungebildete in der Region hätten verstehen können. In drei von vier Evangelien findet man den Vergleich, ein Kamel ginge eher durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in den Himmel komme.

Das ist nicht nur verwirrend, weil man ein Kamel und eine Nadel eher nicht zusammenbringen würde. Sondern umso mehr, weil es zur Zeit Jesu in der Region keine Kamele gab. Er hätte ebenso gut sagen können, eher ginge ein Pinguin durch ein Nadelöhr. Das wäre bei vielen wohl nicht gut angekommen, der Südpoltourismus war noch nicht ausgebaut.

Die Lösung ist wohl, dass die Bibel zunächst auf Griechisch Verbreitung fand. Im römischen Reich sprachen nur wenige die Amtssprache Latein, in der Region Palästina war Griechisch sehr verbreiteter.

Im Griechischen hieß ein Schiffstau „kamilos“. Es ist also naheliegend, dass er (oder sein späterer Ghostwriter) eigentlich sagte, dass eher ein Tau durch ein Nadelöhr ginge. Was viel naheliegender und für die Menschen verständlicher gewesen wäre als ein Tier, dass die wenigsten kennen. Und durch die Übersetzung aus dem griechischen, vielleicht über das Lateinische, irgendwann aus dem Schiffstau „kamilos“ ein Kamel wurde.

Exonyme und Endonyme

Regionen und Staaten haben Namen. Aber es gibt zwei große Unterscheide bei diesen Namen. Es gibt Exonyme und Endonyme. Das beste Beispiel dafür sind wir Deutsche. In einigen Sprachen heißt Deutschland irgendetwas mit „Germanien“, jeder wird das „Made in Germany“ kennen. Das kommt noch von den Römern, die alles östliche des Rheins „Germania“ nannten.

Die Deutschen haben sich aber selber nie so bezeichnet oder gesehen. Ihre Stämme hatten eigene Namen. In der Spätantike formten sich Großstämme: aus Chatten wurden Hessen, aus den Sueben die Schwaben, aus den Stämmen entlang des Rheins die Franken.

Und deshalb bezeichnen viele Sprachen die Deutschen bis heute nach den Stämmen, mit denen sie in dieser Zeit am häufigsten Kontakt hatten. Im Spanischen und Französischen sind wir noch die Alamannen. In slawischen Sprachen heißen wir „niemiecki“ oder „nemecký“, was einfach nur heißt „die unsere Sprache nicht sprechen“.

Das sind alles Exonyme. Es sind „Außennamen“: Namen, die andere gegeben haben.

Deutsch, ein Endonym

Schon im frühen Mittealter fiel wohl auf, dass sehr viele Ethnien in Mitteleuropa eine sehr ähnliche Sprache sprachen. Im Gegensatz zu dem Latein der Mönche und Gelehrten. Und für diese Volkssprache gab es den Begriff „tiudisk“. Ausgesprochen sowas wie „tiutsch“. Und daraus wurde dann „deutsch“. Das ist heute unser „Innenname“, das Endonym.

In Norwegen heißen wir „tysk“ und die Italiener waren so nett, uns als „Tedesci“ zu bezeichnen. Selbst die Japaner bezeichnen uns mit „Doitsugo“.

Damit war ursprünglich keine Regionale Herkunft gemeint, geschweige denn eine Ethnie. Jeder Latein sprechende Mönch hätte auch einen Bauern aus dem heutigen Frankreich oder Norditalien als „tiudisk“ bezeichnet.

Es ist verbrieft, dass Otto I. eine Rede vor dem Reichstag zu Worms 961 in der Volkssprache hielt, also „tiudisk“. Nicht in Latein. Allerdings hat er wohl so „gesächselt“ - was damals einfach „norddeutsch“ bedeutete - dass ihn kaum jemand verstand. Tiutskland war ein Vielvölkerstaat.

Die Eigenbezeichnung der Franzosen kommt von den ursprünglich deutschen Franken („France“), die der Engländer von den um Schleswig siedelnden Angeln, die angelsächsischen „Saxons“ von den Sachsen, die um Hamburg lebten (Niedersachsen), abgeleitet von dem einseitig geschliffenen Dolch, dem Sax. Und so weiter.

Außergewöhnlich ist der Begriff der Spanier, der ursprünglich von den Phöniziern stammt, und „Land der Kaninchen“ heißt. Aber nach über 2000 Jahren darf man ihn auch mal endonym nennen.

Fast alle Länder der Welt haben eine Eigenbezeichnung, ein Endonym. Oder eine Kolonialisierungsgeschichte, wie beispielsweise Brasilien. (Portugiesisch für Brasilholz)

Kehren wir mit dem Hintergrund also zurück zu Palästina.

Die Peleset

Um 1100 v. Chr. überfielen die Seevölker die Länder am im Osten des Mittelmeeres. Von der heutige Türkei bis nach Ägypten. Der Begriff der „Seevölker“ ist eine Übernahme aus der Archäologie (Exonym). Im Grunde wusste man lange nicht, woher sie überhaupt kamen. Und so ganz sicher ist man bis heute nicht.

Erwähnung der Seevölker im Totentempel von Pharao Ramses III, deren Angriff er 1177 v. Chr. abgewehrt hat.



Durch den Abgleich von „Außennamen“, Exonymen, kam man auf die Idee, dass es sich um verschiedene Gruppen handelte. Die irgendwo aus dem Mittelmeer kamen. Wir sind ja noch in der Bronzezeit. Ein paar Schiffe voll mit „Wikingern“ haben fast 2000 Jahre später ja auch schon ausgereicht, um Nationen zu erschüttern.

Und eine dieser Gruppen der Seevölker landete in der Region des heutigen Gaza. Diese Gruppe wurde im alten Ägypten „Peleset“ („Palastu“) genannt. Wir kennen sie aus der Bibel unter dem Namen „Philister“.

Häufig versuchen palästinensische Propagandisten herzuleiten, dass die heutigen Palästinenser von diesen Philistern abstammen. Und dadurch zu legitimieren, dass sie auch so lange wie die Juden in der Region waren. Aber das ist inzwischen genetisch widerlegt. Die „Peleset“ kamen aus der Region Griechenlands.

Zeitlich passend wäre der Zusammenbruch der mykenischen Kultur. Wenn’s zu Hause doof ist, geht man woanders hin. Wie die Iren in die USA.

Jeder kennt David gegen Goliath. Goliath war ein Philister. Die Philister bildeten nachgewiesen mehrere Stadtstaaten: Aschkelon, Aschdod, Gaza… aber sie „verschwanden“ nach wenigen Generationen. Beispielsweise bauten sie die Häuser völlig anders, als die dort lebenden Kanaaniter. Der Name der Juden, bevor sie an einen Gott glaubten. Die Philister gingen in der Population auf, wie man sagt.

Die Merenptah-Stele, die erste Erwähnung des Volkes „Israel“, exakt 1208 v. Chr.



Die Römer

Über tausend Jahre später zickten die Juden rum. Das ging den Römern ziemlich auf den Senkel. Das Hauptproblem war gar nicht die Besetzung. Man erinnere sich an die Szene von Monty Pythons „Das Leben des Brian“: „Was haben die Römer je für uns getan?“


Das Problem war - wie bei allen abrahamitischen Religionen bis heute, die aus dem Judentum entstanden sind - der Anspruch der alleinigen Gültigkeit. Im römischen Reich, einem Vielreligionen-Multikulti-Imperium, konnte man tun, was man wollte. Aber man hatte dem Staatskult zu folgen und beispielsweise den vergöttlichten Augustus, den ersten Kaiser, zu ehren.

Für Germanen und Kelten kein Problem, die hatten eh so viele Götter, dass ein oder zwei mehr nicht ins Gewicht fielen. Für Juden mit nur einem Gott… schwierig. Für die neu eingeführten Christen wurde das später auch ein Reibungspunkt.

Durch den Bar-Kochba-Aufstand ab 132 n. Chr. hatten die Römer die Schnauze endgültig voll von dem aufsässigen Völkchen am Gesäß des Imperiums. Den Tempel hatten sie schon Jahrzehnte vorher zu Klump geschlagen. Sie verboten die Beschneidung und strukturierten und benannten die Provinz Judäa um in „Syria Palaestina“.

Denn sie erinnerten sich an die Peleset, die Philister: Indem sie der Region den Namen der historisch verbrieften Feinde gaben, statuierten sie ein Exempel. Eine Erniedrigung. (Zur Einordnung: Caesar lebte näher am Heute als an den Philistern.)

Und so kam der Name „Palästina“ für die Region überhaupt erst in die Welt.

Die Araber

In den 630ern machte eine neue Religion sich auf, die Welt zu erobern. Nach unseren heutigen Maßstäben kann man nicht trennen, ob Religion oder Imperialismus. Es war beides. Man nennt es die Islamische Expansion. Eine riesige, gewaltvolle Kolonialisation, innerhalb weniger Jahrzehnte.

Karte der Kalifate nach zeitlicher Einordnung der Eroberungen.



Für das europäische Verständnis ist wichtig, dass das gar nicht so anderes war, als das Christentum auch. Es ging nur schneller. Sicher, weltliche Herrscher haben sich immer wieder mit dem Papst angelegt. (Heinrich IV.) Aber die weltlichen Herrscher waren immer auch religiöse Anführer und der Papst auch ein weltlicher Herrscher. Sich auf einen Gott zu berufen ging immer wie geschnitten Brot.

Das weltliche Reich des arabischen Raums war immer auch das Reich des Islam. Und das wurde vertreten durch verschiedene Dynastien. Mit verschiedenen Hauptstädten und verschiedenen religiösen Ausrichtungen: Umayyaden, Abbasiden, Fatimiden, usw. Die bekämpften sich auch immer untereinander, genau wie die Christen.

Doch die Vorstellung dieses geeinten Kulturraums des Islam, ähnlich wie dem Kulturraum des Christentums, ist wichtig zu verstehen. Das wird häufig laienhaft zusammengefasst unter dem Begriff „Kalifat“, ähnlich wie man den Begriff „Christentum“ oder „Papsttum“ verwenden würde.

Es wäre müßig, das nun chronologisch durchzugehen. Um 636 eroberten Muslime, arabische Imperialisten und Kolonialisten, die Region Palästina. Diese blieb jedoch weiter umkämpft. Sie gehörte für Jahrhunderte auch immer wieder zum christlichen Byzanz (Ostrom), es gab die Kreuzzüge, und so weiter.

Die Türken

Anfang des 16. Jahrhunderts regierten Mameluken die Region. Das war keine Ethnie, sondern ursprünglich Militärsklaven (ein Konzept, dass es noch lange geben sollte), die auch aus Europa stammten. Sie herrschten von Ägypten aus. Das aufstrebende Osmanische Reich (heute: Türken) eroberte die Region Palästina. Süleyman I., genannt der „Prächtige“ - und für die Geschichte mindestens so bedeutend wie Caesar oder Karl der Große - ließ Jerusalem 1535 neu befestigen.


Die Osmanen, heute Türken, waren auch mit allen anderen verfeindet. Vor allem mit den Arabern. Das Osmanische Reich sollte die Region Palästina dann für 400 Jahre beherrschen. Bis zum Ersten Weltkrieg.


Niemand scherte sich um Palästina. Schon die Phönizier hatten Raubbau betrieben, das Land war brach, das Tote Meer wurde durch Versalzung immer toter. Es war das Sachsen oder Brandenburg (dort soll es wieder Wölfe geben), nur dass es eine religiöse Bedeutung hatte.

Einzig Jerusalem war ein Schmelztiegel der abrahamitischen Religionen. Für Juden und Christen interessant, für Muslime wurde es interessant gemacht. Jerusalem wird im Koran gar nicht erwähnt. Die Himmelfahrt Mohammeds, die dort stattgefunden haben soll, taucht erst in späteren Texten auf. „Al Aqsa“, wie der Ort der Himmelsfahrt Mohammeds bezeichnet wird, bedeutet eigentlich nur „der entfernte Ort“. So wird heute der Felsendom benannt, der aber erst im Zuge der islamischen Expansion ab 706 erbaut wurde.

Der Felsendom in Jerusalem mit seiner goldenen Kuppel, wo früher der jüdische Tempel stand.



Und deshalb nannten die Terroristen ihren Überfall am 7.10.2023 auch „Al Aqsa Flut“: Viele Muslime sehen die Integrität des Felsendoms durch die Anwesenheit der Juden bedroht. Weil vor 1300 Jahren, im Zuge der Eroberung, der Ort des Tempels der Juden zum Heiligtum für Muslime ernannt wurde. Das ist eine Vereinnahmung, die auch die christliche Kirche kennt. Nicht umsonst fällt Weihnachten recht genau auf die Wintersonnenwende.

Im Osmanischen Reich lebten in der Region Palästina alle Religionen und Ethnien. Wie im römischen Reich, wie unter den Dynastien, wie in Byzanz, es interessierte niemanden wirklich. Amtssprache war türkisch, die Volkssprache arabisch, griechisch und anderes… ein Schmelztiegel wie in allen Reichen zuvor auch. Und sie alle wurden „Palästinenser“ genannt. Es war keine Bezeichnung für eine Ethnie, sondern eine Bezeichnung für die Herkunft.

Nach dem Ersten Weltkrieg

Türkische Offiziere im Ersten Weltkrieg.



1918 verlor das Osmanische Reich, zusammen mit dem verbündeten Deutschen Reich, den Ersten Weltkrieg. Und die Sieger beschlossen, es zu zerschlagen. Es wurden Mandate vergeben. Vom Völkerbund, dem Vorläufer der heutigen UN. Die Franzosen hatten das Mandat über die Gebiete, die später die Staaten Syrien und Libanon werden sollten. Die Briten übernahmen das Mandat für Palästina.


Und nun passierte das, was den Konflikt bis heute am Kochen hält: Es wanderten immer mehr Menschen in die Region Palästina ein. Es wird von der palästinensischen Propaganda so dargestellt, dass europäische Juden eingewandert sind. Das ist aber nur Teil der Wahrheit. Tatsächlich sind ab 1900 im gleichen Maße Araber in die Region eingewandert.

Die Einwanderung von Juden und Muslimen in die Region in der Zeit vor der Gründung Israels.



Das bedeutet, zur Gründung des Staates Israel war jeder zweite Araber, also „Palästinenser“, selber in die Region eingewandert, oder seine Eltern. Das ist einfache Statistik. Und davon zeugen bis heute die „palästinensischen“ Nachnamen, die zumeist aus Ägypten, dem Irak oder Syrien stammen. Und deshalb kommt auch bei keinem Gen-Test „Palästinenser“ raus.

Anmerkung: Der jüdische Nachname „Cohen“ ist eigentlich kein Nachname, sondern die Bezeichnung für die antike Kaste der Priester. Und inzwischen ist eine genetische Konstante nachgewiesen worden.

In der ganzen Region lebten damals weniger Menschen, als heute im Großraum Jerusalem. Bis mindestens 1930 weniger als eine Million insgesamt.

Der Einwanderungs-Boom war bei Arabern so groß wie bei Juden.

Man muss das aus Sicht der Muslime verstehen. Für sie war es ihr Land, ihr „Kalifat“. Die Türken waren zwar keine Araber, aber wenigstens Muslime.

Und so begannen bereits in den 1920ern Aufstände und Massaker an Juden in der Region. Ab 1936 war das so massiv, dass man es heute als „Arabischen Aufstand“ bezeichnet.

Briten gehen gegen einen arabischen Mob in Jaffa vor, 19.04.1936



Häufig wird argumentiert, die Juden hätten Massaker an den Arabern verübt. Das ist richtig. Die waren alle nicht mit Zuckerwatte unterwegs. Aber die meisten haben sich während des Palästinakrieges 1948 ereignet. Wer sich die Chronologie anschaut, wird aber sehen, dass der Terrorismus der Juden erst nach den ständigen Angriffen der Araber langsam begann. Auch das wird von der heutigen palästinensischen Propaganda häufig unter den orientalischen Teppich gekehrt.

Die Briten hatten einfach den Teil ihres Mandatsgebietes, das östlich vom Jordan lag (Transjordanien) abgetrennt. Daraus wurde später Jordanien, das waren bereits zwei Drittel. Den Teil westlich des Jordan, Cisjordanien, wollten sie ziemlich genau fifty-fifty aufteilen. Das war der Trennungsplan 1947. Aus britischer Sicht (und der UN) wollte man wenigstens ein Fünftel den Juden geben.

Die Juden sagten „Dankeschön“ und gründeten Israel. Die Araber wollten das nicht. Für sie war es ihr Land. Sie akzeptierten keinen jüdischen Staat in ihrem „Kalifat“. Deshalb wurde Israel 1948, in der Nacht seiner Gründung, von allen umliegenden arabischen Staaten angegriffen. Und deshalb sieht sich Israel, in dem heute jeder Fünfte Moslem ist, bis jetzt existenziell bedroht.

In Israel leben heute weniger Menschen, als in Nordrhein-Westfalen.

Es geht nicht um Besatzung oder Kolonialismus. Das will die Propaganda glauben amchen, wie ein Zauberer auf einem Kindergeburtstag. Es geht darum, dass in der palästinensischen Seele zutiefst verankert ist, dass die Region Palästina, also auch das heutige Israel, ihr Land ist. Das zeigen auch immer wieder alle Umfragen und hier. Das ist der tatsächliche Ursprung für den „Nahost-Konflikt“. Das ist der Grund für Kriege und Terror und Raketen.

Die Erfindung der Palästinenser

Palästinenser sind keine Ethnie. Sie können heute als Volk bezeichnet werden, aber das ist per Definition etwas anderes. Sie haben keine eigene Sprache. Sie haben keine eigene Geschichte. Sie haben keine Kultur, die sie eindeutig von anderen abgrenzt. Das, was sie als „palästinensische Kultur“ bezeichnen könnten, gilt für alle Religionen und Ethnien, die in der Region Palästina leben. Also auch Juden, Drusen, Christen und Beduinen. Das, was sie von jenen abhebt, ist nicht palästinensisch, sondern arabisch.


Es gibt keine „palästinensische Kultur“, weil es „Palästinenser“ im heutigen Sinne erst seit 1967 gibt. Und aus einem mir unverständlichen Grund wurde das sehr schnell adaptiert. Als meine Eltern zur Schule gingen, gab es keine „Palästinenser“. Und ich bin - entgegen der häufigen Kommentare - kein Boomer.

Die Idee einer palästinensischen Nation fußt unter anderem auf Mohammed Amin al-Husseini. Dem damaligen Großmufti von Jerusalem. Und Mitglied der SS. Er war Mentor von Jassir Arafat, dem späteren, jahrelangen Führer der PLO, der Palästinensische Befreiungsorganisation.



Und damit schließt sich der Kreis zur Ethnolinguistik. Vorher waren Palästinenser alle, die in der Region Palästina gelebt haben. Also auch Drusen, Beduinen oder orthodoxe Christen. Ein Herkunftsname.

Arafat und die PLO machten es 1967 zu eine, Alleinstellungsmerkmal. Nach ihrer Definition waren Palästinenser nur noch diejenigen, die muslimisch waren und den israelischen Staat ablehnten. Die israelischen Muslime - heute 20% der israelischen Bevölkerung - waren und sind in ihren Augen Verräter. Ebenso die israelischen Beduinen und Drusen, die gegen die „Palästinenser“ kämpfen.


Die Araber, die sich heute „Palästinenser“ nennen, sind die Übriggebliebenen. Die Hinterlassenschaften von Einwanderung aus allen arabischen Ländern. Sie mussten sich eine eigene Existenz schaffen. Heute sind sie die Verstoßenen, der Outcast.

Der Outcast

Nachdem die Palästinenser in Jordanien 1970 einen Bürgerkrieg ausgelöst haben, weil Jordanien sich Israel angenähert hatte, sind sie dort nicht mehr sonderlich gern gesehen. Danach gingen einige in den Libanon, wo sie mit der Hisbollah zusammenarbeiteten. Auch dort sind sie also nicht gerade willkommen.

Ein weltberühmtes Foto: Ein Terrorist der palästinensischen Gruppe „Schwarzer September“, welche 1972 während der Olympia in München die israelische Mannschaft als Geiseln nahm. Der Anschlag führte später zur Gründung der SEK und der GSG9.



Die vielen Palästinenser, die Unterschlupf in Kuweit gefunden hatten, waren während des Zweiten Golfkrieges 1991 auf Seiten der irakischen Angreifer. Weshalb sie nach dem Krieg alle rausgeworfen wurden. 450.000 Menschen wurden vertrieben, meist mit Gewalt. Die wenigsten Europäer wissen das. Wenn Muslime andere Muslime vertreiben, ist das eher keine Schlagzeile wert. Diejenigen, die nach Jordanien flohen – man spricht dort von der „Kuweitisierung“ – haben keine Bürgerrechte. Heute leben über 1,8 Million Palästinenser in Jordanien, die meisten ohne jegliche Anerkennung.

Und da die Hamas aus der aus Ägypten stammenden Muslimbruderschaft entstanden ist, mögen die die Palästinenser auch nicht mehr so gerne. Weshalb die Grenze von Ägypten zum Gazastreifen heute strenger gesichert ist, als die Grenze zwischen dem Gazastreifen und Israel. Und strenger, als es die deutsch-deutsche Grenze jemals war.

Grenze zwischen dem Gazastreifen und Ägypten. Nicht zwischen dem Gazastreifen und Israel.



Deshalb arbeitet die radikale, sunnitische Hamas auch mit dem schiitischen Iran und seinem Ableger, der Hisbollah, zusammen. Weil sie sonst niemanden mehr hat. Klar, die arabische und muslimische Bevölkerung der Länder sieht die Palästinenser natürlich immer noch näher als die Juden. Einfach weil es Muslime sind, Glaubensbrüder. Selbst, wenn man sich bei nächster Gelegenheit wieder gegenseitig die Köppe einschlägt. Wie nach dem Verlassen des Gazastreifens durch Israel 2005. Das Kalifat ist so tief im Weltbild, wie für uns der „christliche Westen“. Aber das örtliche Sprichwort sagt ja: Schön, wenn Gäste kommen. Schöner, wenn sie gehen.

Demonstration Berlin, 19.04.2025. Die Kufiya („Pali-Tuch“) ist gar nicht palästinensisch. Sie ist benannt nach der Stadt Kufa im Irak und übliche Kopfbedeckung in vielen Farben, vor allem für Landarbeiter. Erst Husseini und Arafat belegten sie in schwarz-weiß als Symbol.



Warum haben Palästinenser keinen Namen für Palästina?

Die Ausgangsfrage war: Wenn Palästinenser Palästina selber „falestine“ nennen, ist das ein Exonym. Aber wenn sie doch dort heimisch waren, müssten sie dann nicht ein Endonym haben? Sie haben keinen Innennamen, keine Eigenbezeichnung, kein Endonym, für die Region. Weil sie die Region niemals besessen, geprägt oder gestaltet haben, so dass ein Endonym entstanden wäre.

Die Araber sind durch die Islamische Expansion dort eingewandert. Diese wurde aber immer von anderen beherrscht, regiert und besessen. Zum Schluss und am längsten von den Türken, die keine Araber sind. Nach der Zerschlagung des Osmanischen Reiches haben die Sieger beschlossen, einen kleinen Teil den Juden zu geben. Und das konnten die Araber nicht akzeptieren.

Die dort lebenden Araber mussten sich neu erfinden, sich eine Identität geben. Und einen Namen. Und das ist der Grund, warum Palästinenser sich selber „falestine“ nennen. Sie mussten auf ein altes Wort zurückgreifen, ein römisches, ein lateinisches, ein Exonym, wie alle anderen auch. Sie haben kein eigenes Wort dafür. Nicht einmal alle Buchstaben.




Dienstag, 15. April 2025

Inhaftierte Antifa-Terroristin erhält trotz Mordversuch Bundeskunstpreis

von Alexander Wallasch

Hanna Schiller prügelt mit der Terrortruppe „Hammerbande“ auf Menschen ein und sitzt wegen Mordversuch in Haft – doch die Kunstszene applaudiert und das Bildungsministerium lobt 30.000 Euro Preisgeld aus. SA-Revival oder RAF-Verehrung 2.0?

Die Angeklagte Hanna S. steht beim Prozessauftakt im Gerichtssaal



Hanna Schiller erhält den 27. Bundespreis für Kunststudierende. Die Jury und die Nürnberger Akademie feiern die Kunststudentin euphorisch. Schiller ist seit Mai 2024 in Haft und wurde vom Generalbundesanwalt als Mitglied der Hammerbande wegen Mordversuch und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung angeklagt. Mit Hanna Elisabeth Schiller ist das nächste Antifa-Mitglied der „Hammerbande“ vom Generalbundesanwalt formell angeklagt. Neben § 129 Abs. 1 StGB (kriminelle Vereinigung) auch wegen versuchten Mordes.

Anfang Mai 2024, also vor knapp einem Jahr, wurde Hanna S. im Nürnberger Szenestadtteil Gostenhof von Zielfahndern festgenommen und befindet sich seitdem in Haft.

In der Anklageschrift des Generalbundesanwalts gegen Hanna Schiller heißt es, Hanna S. habe sich zusammen mit anderen Mitgliedern der Vereinigung an zwei Überfällen auf insgesamt drei Personen an öffentlichen Plätzen in Budapest beteiligt. In beiden Fällen habe die Gruppierung die Opfer zunächst für eine kurze Zeit unauffällig verfolgt, um die Opfer sodann mit Schlagwerkzeugen blitzartig einen zeitlich begrenzten Angriff von etwa 30 Sekunden auszuführen.

Wörtlich heißt es in der Anklage:

„Bei dem ersten Vorfall am 10. Februar 2023 brachte ein Vereinigungsmitglied den Geschädigten mit einem Teleskopschlagstock zu Boden. Dort traten und schlugen ihn dann auch andere Mitglieder mit Schlagstöcken und sonstigen Schlagwerkzeugen wiederholt mit großer Wucht in den Bereich von Kopf und Oberkörper. Einige Gruppenmitglieder, darunter die Angeschuldigte, fixierten die Beine und Arme des Geschädigten am Boden, um ihn daran zu hindern, eine Schutzhaltung einzunehmen. Das Opfer erlitt dadurch erhebliche Kopfwunden, die zum Tode hätten führen können.“

Wie jetzt bekannt wurde, verliehen das von Cem Özdemir interimsmäßig geleitete Bildungsministerium gemeinsam mit dem Deutschen Studierendenwerk gerade den 27. Bundespreis für Kunststudierende an jene Hanna Schiller, die vom Generalbundesanwalt als Mitglied einer kriminellen Vereinigung und wegen Mordanschlägen angeklagt ist.

Hanna S. studiert Kunst an der Nürnberger Akademie (von einer Exmatrikulation ist nichts bekannt). Die Akademie untersteht laut Impressum dem Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst. Markus Söder ist Ministerpräsident der Landesregierung.

Der „Bundespreis für Kunststudierende“ ist mit einem Preisgeld von 30.000 Euro dotiert. Zusätzlich unterstützt ein Produktionsstipendium von insgesamt 18.000 Euro die Künstler dabei, Werke für die Gewinner-Ausstellung im November 2025 in der Bonner Kunsthalle zu realisieren.

Die Ausschreibung des 27. Bundespreises wurde im Juli 2024 bekanntgegeben. Die Akademie schlug zwei Studierende für den Preis vor, darunter ihre Studentin Hanna Schiller, die zum Zeitpunkt dieses Vorschlags allerdings bereits in Haft war. Recherchen nach Fotos der Künstlerin gestalten sich schwierig. Zufall oder muss hier die kriminell-terroristische Karriere mit der künstlerischen Schritt halten?

Auch das Deutsche Studierendenwerk hatte die Nominierten zeitlich nach der Festnahme von Hanna Schiller vorgestellt – man wusste, wen man vor sich hat. Die Nominierung als Solidaritätsbekundung. 2024 hatte Hanna Schiller bereits den Akademiepreis der AdBK Nürnberg erhalten. Auch hier schon als Solidaritätsbekundung der Akademie an ein Mitglied einer kriminellen Antifa-Mordtruppe?

Die Bekanntgabe der Preisauszeichnung durch die Akademie erwähnt an keiner Stelle, dass Schiller inhaftiert ist und warum. Der Text beginnt mit den Worten: „Die AdBK Nürnberg freut sich bekannt zu geben …“

Dann wird umfangreich aus der Begründung der Jury zitiert:

„Hanna Schillers künstlerische Praxis findet ihren Ausgangspunkt in einer Auseinandersetzung mit aktuellen gesellschaftspolitischen Themen – wie etwa dem ansteigenden Rechtsruck, der Flüchtlingskrise oder strukturellen Sexismen …“

Weiter heißt es da, Schillers Kunst drehe sich um „strukturelle wie faktische Macht- und Gewaltmechanismen“, sie webt unter anderem Fußmatten aus Frauenhaar, die Idee dahinter bedarf keines akademischen Vorwissens.

Es muss wohl auf der documenta 14 in Kassel 2017 gewesen sein, als eine Künstlerin Stickrahmen ausstellte, auf denen filigrane Motive aus dem eigenen Schamhaar gestickt ausgestellt wurden. Kunst als Zitat: Aus dem Schamhaar wurde die Fußmatte, gefilzt oder geknüpft aus dem zum Pony abgeschnittenen Haar linksextremistischer Aktivistinnen? Kunst lässt Raum für Interpretationen. Der Generalbundesanwalt interpretiert nicht, er beweist.

Die Kommunikationsverantwortliche der Akademie erklärt in einem halbstündigen Gespräch gegenüber Alexander-Wallasch.de, es ginge der Akademie bei dieser Preisauszeichnung ganz allein um die künstlerische Tätigkeit der Studierenden.

Man sei der Lehre und der künstlerischen Ausbildung verpflichtet, man sehe hier nicht den Ort dazu, sich mit der Anklage auseinanderzusetzen.

Bisher wurde von der Akademie auch anderswo nichts zur Anklage oder Haft veröffentlicht. Aber, heißt es weiter, man kenne die Anklage und wisse, um was es gehe. Man beobachte derzeit das Verfahren und warte, was dabei herauskommt. In der Akademie selbst gebe es aber intern eine sehr große Debatte. Man sehe die Schwierigkeit, aber man könne nicht kommentieren, was da vor Gericht steht.

Auf die Frage, ob man einen Studenten, der als Kinderschänder oder rechtsextremer Gewalttäter vor Gericht steht, ebenfalls für den Preis vorgeschlagen bzw. anschließend diese Verleihung gefeiert hätte, heißt es von der Verantwortlichen für die Hochschulkommunikation, diese beiden Beispiele zeigten zu Recht die Problematik auf.

Bereits zuvor hatte die Akademie eine Anfrage der Achse des Guten beantwortet:

„Zuletzt erhielt sie einen der Akademiepreise“, sagt etwa Petra Meyer, die persönliche Referentin des AdBK-Präsidenten. Und weiter: „Wir sind bestürzt und besorgt angesichts ihrer Verhaftung und der Schwere der gegen sie erhobenen Vorwürfe. Unsere Hochschule hat ein Leitbild, das für Offenheit, Toleranz und gegen jede Art von Extremismus und Gewalt ist.“ Linksextremistische Gewalt gegen Andersdenkende fällt demnach nicht unter „jede Art von Extremismus und Gewalt.“

Die Kommunikation der Akademie zur Verleihung – inklusive der Jury-Zitate – liest sich indes wie eine Opfer- und Rechtsverhöhnung pur:

„So fallen in Schillers künstlerischer Praxis poetische und präzise formulierte Setzungen mit wirkmächtigen politischen Bildern in eins. Eine weitere Qualität der Arbeiten Schillers ist es, dass sie trotz ihrer inhaltlichen Brisanz keine einfachen Antworten auf die in ihnen aufgerufenen Fragestellungen geben. Sie belehren und agitieren nicht. Ihre Stärke verdankt sich vielmehr einer Subtilität und Komplexität, sodass sich die Arbeiten nicht in einer einzigen Dimension stillstellen lassen …“

Die kriminelle Hammerbande wird so bezeichnet, weil sie Rechtsextreme oder vermeintlich Rechte unmotiviert aus dem Hinterhalt angriffen und mit dem Hammer auf sie einschlug, dabei billigend den Tod der Opfer in Kauf nehmend. Das übten sie vorher in Kampftrainings.

Die Verhaftung im Mai 2024 sorgte für großes öffentliches Interesse und führte zu Solidaritätsdemonstrationen, bei denen die Freilassung gefordert wurde. Freunde und Unterstützer protestierten auch „aus Sorge“, dass Hanna S. nach Ungarn ausgeliefert werden könnte, wo ein Verfahren vor einer „nicht unabhängigen Justiz“ eingeleitet wurde, da ein Teil der Straftaten dort verübt wurde.

Die Autoren haben Anfragen an das für die Preisverleihung mitverantwortliche Ministerium von Cem Özdemir, an die Bayerische Landesregierung (zur Haltung der Akademie), an die Rosa-Luxemburg-Stiftung und an weitere in der Sache relevante Institutionen geschickt (mögliche Antworten werden hier nachgereicht).

Eine generelle Frage ist sicher, ob man Leben und Werk eines Künstlers trennen kann. Darüber hinaus geht die Frage, ob jemand wie Hanna Schiller dann auch noch ein gefeierter Staatskünstler sein kann. Hinzu kommt die klassische Polanski-Frage: Der Regisseur hatte sich an Minderjährigen vergriffen und wurde weiter für sein Werk ausgezeichnet.

Hanna Schiller ist Stipendiatin der Studienstiftung des deutschen Volkes und Rosa-Luxemburg-Stipendiatin. Quasi zeitgleich werden Heranwachsende bundesweit an den Pranger gestellt, ihre Hochschule prüft den Rauswurf, weil sie auf Sylt unter Alkohol falsche Lieder singen. Sie erhielten mehrmonatiges Hausverbot an der Uni.

Aber Hanna Schiller hat keine falschen Lieder gesungen. In der Anklageschrift des Generalbundesanwalts heißt es weiter über den Angriff mit Hämmern:

„Eines der Opfer erhielt mindestens 15 Schläge überwiegend am Kopf, das andere wurde ebenfalls von mehreren Schlägen getroffen. Anschließend besprühten die Angreifer die Geschädigten mit Pfefferspray. Diese trugen multiple Kopfplatzwunden und Prellungen davon.“

Nach Veröffentlichung erreichte uns noch eine Stellungnahme der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg, die wir hier ungekürzt abbilden (Hervorhebungen mit übernommen):

Lieber Alexander Wallasch,

herzlichen Dank für Ihre Anfrage.

Unsere Hochschule hat ein Leitbild, das für Offenheit, Toleranz und gegen jede Art von Extremismus und Gewalt ist. Dieses haben wir 2023 erarbeitet und hier ( https://adbk-nuernberg.de/akademie/chancengleichheit-inklusion-und-diversitat/) veröffentlicht.

Hochschulen sind als staatliche Institutionen der politischen Neutralität verpflichtet. Im Fall von Hanna S. gilt – wie für alle Angeklagten während der gesamten Dauer eines Strafverfahrens – die Unschuldsvermutung. Diese ist eines der Grundprinzipien eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens. Jede Person, die einer Straftat beschuldigt wird, gilt solange als unschuldig, bis ihre Schuld rechtskräftig nachgewiesen ist. Das Verfahren gegen Hanna S. findet derzeit in München statt. Die AdBK Nürnberg behandelt sie bis zur Urteilsverkündung wie jede andere Studierende.
Ich hoffe, diese Infos helfen Ihnen weiter.

Für weitere Fragen stehen wir sehr gerne zu Verfügung!

Herzliche Grüße aus der Akademie