von Thomas Heck
Als ehemaliger Kompaniechef einer Transportkompanie in den 90er-Jahren hatte ich Einblicke in die Logistik und Truppeninstandsetzung der Bundeswehr und hatte damals schon die Grenzen für die Einsatzbereitschaft und somit der Verteidigungsbereitschaft erkannt. Seitdem sind fast 30 Jahre vergangen und die Lage ist nicht besser geworden. Ganz im Gegenteil. Obwohl versucht wird entgegenzusteuern, wie ich in einem Artikel lesen konnte:
Die mediale Beachtung der Ereignisse rund um den Schützenpanzer (SPz) PUMA VJTF während des Durchganges am Schießübungszentrum im Dezember 2022 brachte die zwingende Notwendigkeit einer stringenten Wartung und Instandsetzung bei der intensiven Nutzung von Großgerät schmerzhaft für alle Beteiligten wieder zum Vorschein. Dieser Fachbeitrag eines Autorenteams aus der Abteilung Unterstützung des Kommando Heer fasst die aktuelle Situation zusammen, gibt Hinweise auf neue Möglichkeiten und einen Ausblick auf die Zukunft.

Die Instandsetzung kann teilweise vor Ort, teilweise aber auch erst in der Heimatbasis geschehen. Doch nur für die Instandsetzung ausgebildete Soldaten können die beste Wartung für das System auswählen.
Was hat sich mit Blick auf die in Nutzung befindlichen Waffensysteme geändert? Welche Lösungsansätze sind geeignet, den identifizierten Herausforderungen vor dem Hintergrund von Kriegstauglichkeit und Kriegstüchtigkeit zu begegnen? Diese Fragestellungen gilt es zu beantworten.
Dabei geht es nicht um die Aufarbeitung eines Ausbildungsvorhabens oder um eine reine Waffensystembetrachtung. Vielmehr zwingt uns die Refokussierung der Bundeswehr auf die Landes- und Bündnisverteidigung auch die Aufgaben- und Rollenverteilungen in der Logistik zu überprüfen und gleichzeitig an die Anforderungen moderner, hochkomplexer Waffensysteme – hier am Beispiel des SPz PUMA – anzupassen.
Logistik unter IKM
Wie dachten wir Logistik in den letzten drei Dekaden? Der Hauptauftrag der Bundeswehr war der Einsatz im Rahmen des internationalen Krisen- und Konfliktmanagements. Dies fand für die Instandsetzungskräfte im Schwerpunkt im stationären Einsatz, d.h. in Feldlagern mit fester Infrastruktur statt. Unterstützung außerhalb der Feldlager diente hauptsächlich der Bergung und dem Abschub von Schadgerät ins Feldlager. Dies wurde in der Regel mit den Kräften der Instandsetzungszüge, also der klassischen Logistischen Ebene 2, durchgeführt. Weiterhin etablierte sich in den Feldlagern der „Pit-Stop“ als Einrichtung, um die Nachbereitung von Operationen schnell zu beginnen. Da auch diese Einrichtung durch die Kräfte der Instandsetzungszüge betrieben wurde, setzte sich schnell ein Fehlen der Besatzungen bei der Nachbereitung der Benutzung durch. Es fand also eine Verschiebung der Aufgabenwahrnehmung und -verantwortung für den technischen Zustand der Fahrzeuge statt („Europcar-Mentalität“). Klassische Aufgaben der logistischen Ebene 1 (Fahrer/Bediener und Technischer Zug) wurden durch die logistische Ebene 2 wahrgenommen.
Aufgrund der relativ sicheren Umgebung wurde in den Feldlagern die Instandsetzung auch durch zivile Dienstleister unterstützt bzw. tlw. hauptverantwortlich durchgeführt. Die dadurch entstandenen freien Kapazitäten von Soldaten der Instandsetzungstruppe führten im Extremfall zu einem Einsatz außerhalb der logistischen Prozesse. Die Kräfte wurden bspw. für Crowd and Riot Control- Aufgaben oder zu Absicherungsmaßnahmen für taktische Zugriffsoperationen eingesetzt. Dies erzeugte keine wahrnehmbare Verschlechterung der Logistischen Lage, da zivile Dienstleister die Aufgaben übernahmen.
Es führte aber zu einer anderen, aus heutiger Sicht fatalen Entwicklung in der Logistik. Auch im Grundbetrieb setzte sich das Denken durch, dass der Instandsetzungssoldat mehr taktische Aufgaben üben und beherrschen sollte und für die Logistik die zivilen Leistungserbringer zur Verfügung stehen. Die „grüne“ Ausbildung stand also über der „blauen“ Aufgabenwahrnehmung, obwohl hier eigentlich ein Gleichklang bestehen müsste.
Besonders deutlich wurde dieses Phänomen bei der Planung von Übungsplatzaufenthalten. Die HIL GmbH wurde als der Leistungserbringer wahrgenommen. Sie lieferte sehr gute Qualitätsarbeit, war schnell in der Instandsetzung und zudem bereit, Personal auch außerhalb der normalen Arbeitszeiten zur Unterstützung abzustellen. Die mögliche Leistungserbringung durch militärische Instandsetzungskräfte war augenscheinlich nicht notwendig und teilweise auch nicht gewollt.
Die Schere im logistischen Denken wurde noch größer, als die HIL GmbH ihr Leistungsangebot auf die Einsätze ausweitete und die Übernahme der Leistungserbringung sechs Monaten nach Einsatzanzeige vertraglich zusicherte. Die militärische Leistungserbringung in der Instandsetzung rückte in der Wahrnehmung noch weiter nach hinten.
Startschuss Very High Readiness Joint Task Force (VJTF)
Die Entscheidung der Aufstellung von Kräften für die NATO Response Force und hier im Besonderen die Anteile der VJTF erforderte dann allerdings ein schnelles Umdenken in der Wahrnehmung von Aufgaben in der Materialerhaltung und zurück zum beweglichen Einsatz eigener Kräfte. Forderungen zur Instandsetzung weit vorn und Fragen zur Unterstützung von Anfangsoperationen in einem unsicheren Umfeld wurden gestellt. Diese geforderte Instandsetzung in einem unsicheren Umfeld „weit vorne“, unter feldmäßigen Bedingungen verbunden mit einer schnellen Verlege-fähigkeit von log Einrichtungen im Operationsgebiet verbietet per se die bisher bei IKM erfolgreich praktizierte Einbindung ziviler Dienstleister.
Doch was bedeutet „Instandsetzung weit vorn“? Bei den Überlegungen wurde schnell klar, dass eine Planung anhand von Verweildauern möglicher militärischer Leistungserbringer möglich ist, die Durchführung und Umsetzung sich aber dann am Auftrag des zu unterstützenden Verbandes, im Schwerpunkt eine Heeresbrigade, orientieren muss.
Der wichtige Faktor Zeit rückte in den Vordergrund. Wie kann die Ausfallzeit von Waffensystemen im beweglichen Gefecht und ohne feste Infrastruktur reduziert werden? Wie kann die Zeit der Leistungserbringung optimal genutzt werden? Als ein Schlüssel wurde die Bedeutung der Systemkenntnis von Großgerät und einer möglichst genauen Schadensbeschreibung erkannt. Die Besatzungen wurden wieder Teil der logistischen Kette und ihnen kommt eine enorme Bedeutung für die Einsatzbereitschaft ihrer eigenen Systeme zu. Die strikte Durchführung von Pflege- und Wartungsarbeiten im Rahmen des Technischen Dienstes vor, während und nach der Benutzung („vorbeugende Materialerhaltung“) ist ein wichtiger Baustein, um die Ausfallzeit zu reduzieren und die Verfügbarkeit von Systemen zu erhöhen. Durch den Aufbau eines Waffensystemverständnis wird es gelingen, Schäden überhaupt zu erkennen und zu beschreiben sowie Folgeschäden zu vermeiden. In Verbindung mit den Kräften der Technischen Züge ist es weiterhin möglich, einfache Schäden mit eigenen Mitteln zügig und damit weit vorne zu beheben. Das Waffensystem muss dann den eigenen Verband nicht mehr zwingend verlassen und steht frühzeitig für weitere Aufträge zur Verfügung.
In der Folge werden die Ressourcen der logistischen Ebene 2 von diesem Schadensaufkommen entlastet und können für die Abstellung komplexerer Schäden eingesetzt werden. Die Notwendigkeit beschädigtes Gerät aufgrund fehlender Ressourcen in die nächsthöhere logistische Ebene abzugeben wird reduziert, die Instandsetzung verteilt. Die Systeme stehen dem Nutzer also wieder schneller zur Verfügung.
Erfahrungen aus Ausbildungsvorhaben und der Mission enhanced Vigilance Activity (eVA) SVK
Dass diese Überlegungen zu Erfolgen führen können, haben Heeresverbände in verschiedenen Übungsvorhaben nachgewiesen. Dabei war es natürlich nicht leicht, über alle Ebenen sofort ein Verständnis dafür zu erzeugen, aber der Erfolg gibt uns Recht.
So wurde der Technische Dienst in die Tagesdienstpläne und Besonders Angesetzte Technische Dienste als taktischer Lagebestandteil in Übungen integriert. Die strikte Anwendung von logistischen Konzepten über alle Ebenen und Organisations-bereiche, z.B. Kräfte der Streitkräftebasis als Teil der Folgeversorgung, schaffte ein „neues“ Rollenverständnis und hob die Wichtigkeit der eigenen logistischen Verantwortung nochmals hervor.
Es hat sich gezeigt, dass Ausbildungsvorhaben erfolgreich mit einer hohen Einsatzbereitschaft durchgeführt werden können, wenn eigene logistische Ressourcen sinnvoll von Beginn an eingeplant und genutzt werden.
Dies schließt, wie bereits skizziert, die Besatzungen der Gefechtsfahrzeuge ausdrücklich mit ein. Sie sind Teil der logistischen Kette von vorne nach hinten. Durch die oben beschriebenen Aufgaben der Besatzungen werden Schäden vermieden und mit Unterstützung der Schirrmeister Schäden frühzeitig erkannt und gemeldet.

Blick in eine typische Heereslogistik im Einsatz.
Hervorzuheben ist insbesondere der erstmalige Einsatz des SPz PUMA, hier in der Variante S0, während der Mission eVA in der Slowakei im ersten Halbjahr 2024. Im Rahmen der 5. Rotation wurde die logistische Versorgung ausschließlich durch militärische Kräfte unter Einbindung einer Management-Zelle der HIL GmbH sichergestellt. Die für die einzelnen Ausbildungsabschnitte notwendige hohe Verfügbarkeit einsatzbereiter Fahrzeuge (im Durchschnitt lag die materielle Einsatzbereitschaft der SPz PUMA bei 90%) bedingte jedoch eine hohe personelle Bindung von logistischem Fachpersonal.
In der Nachbereitung des Kontingentes wurden – neben dem frühzeitigen Aufbau eines Ersatzteil-Lagers – unter anderem folgende Erfolgsfaktoren aufgezeigt:
- Konsequente Technische Vorbereitung und „Härtung“ des Großgerätes vor Verlegung ins Einsatzgebiet (bspw. Aufziehen breiter, deutlich langlebigerer Zahnkränze beim SPz PUMA),
- Kohäsion zwischen Panzergrenadieren und Logistikern, um Vertrauen in die Fähigkeiten des jeweils anderen zu bekommen,
- Weiterbildungen der Besatzungen in Bedienung und Technischen Dienst im Vorfeld der Kontingentgestellung,
- Stetiger, lageangepasster Wechsel zwischen Ausbildung/Übung und Technischen Dienst sowie
- Feste Besatzungen für die SPz.
Dies verdeutlicht sehr anschaulich, dass die stringente Wahrnehmung der verschiedenen Rollen in der Instandhaltung zu einem (logistischen) Erfolg einer Übung oder eines Einsatzes beiträgt.
Zusammenfassung und Ausblick auf die Instandsetzung der Zukunft
Eine strikte Durchführung des Technischen Dienstes mit den entsprechenden Pflege- und Wartungsarbeiten durch die Besatzungen sowie leistungsfähige Logistische Ebenen 1 und 2 einschließlich ausreichender Vorräte sind wichtige Bausteine zum Gelingen einer militärischen Operation. Diese Erkenntnis ist nicht neu, geriet aber zu Zeiten der Einsätze im Rahmen IKM in den Hintergrund.
Dazu muss sich die Besatzung nicht nur mit ihrem Fahrzeug identifizieren, sondern muss ein Systemverständnis aufbauen, um Schadbeschreibungen so genau wie möglich zu erzeugen oder Fehlermeldungen bei Nutzung technischer Hilfsmittel richtig zu bewerten.
Daher ist es wichtig, den Technischen Dienst in den täglichen Ausbildungs- und Übungsbetrieb fest zu integrieren und durch logistisches Fachpersonal zu begleiten. Auch der Besonders Angesetzte Technische Dienst muss bspw. wieder Lehrgangsinhalt an den Ausbildungseinrichtungen werden. Dabei sind vor allem die Lehrgänge von Führungspersonal zu betrachten, weil diese später in ihren Führungsverwendungen die Ressourcen Zeit, Raum und Personal für die Instandhaltung einplanen müssen. Sie sollten schon im Lehrgang ein Gefühl dafür bekommen, wie viel Aufwand für die Betreuung ihres Waffensystems notwendig ist.
Im Rahmen der Einführung von neuen Waffensystemen ist die spätere Nutzung bereits von Anfang an mitzudenken. Bedienung, Wartung und Instandsetzung muss deutlich einfacher werden, um den Erfordernissen einer schnellen, beweglichen Operationsführung gegen einen gleichwertigen Gegner im hochintensiven Gefecht gerecht zu werden. Hier gilt es sowohl bei Konzeptionären und Planern aber auch bei Beschaffern und letztlich der Industrie radikal umzudenken.
Zusätzlich sind die Instandsetzungssoldaten, aber auch die Mitarbeitenden der HIL GmbH, frühzeitig für ihre entsprechenden Arbeiten zu befähigen. Eine Unterstützung durch die Industrie (Hersteller) im Einsatzraum der Division/ Brigade bei einem LV/BV-Szenar ist durch das potentiell nicht sichere Umfeld nicht vorzusehen.
Die Erfahrungen der vergangenen beiden Jahre zeigen deutlich, dass die militärischen Instandsetzungskräfte, auch unter den Rahmenbedingungen des Grundbetriebes und Beachtung der vertraglichen Vorgaben für die HIL GmbH, zu einer „militärischen Leistungserbringung im Grundbetrieb“ fähig sind und die notwendige Handlungssicherheit für den Einsatz bekommen. Diesen Ansatz gilt es nun zu verstetigen.
Die Ausplanung des VersBtl 456 zur Unterstützung der PzBrig 45 in LITAUEN unterstreicht dieses Vorgehen nachdrücklich. Diese Kräfte werden bereits bei Ausbildung und Übung im Grundbetrieb als auch im Gefecht die PzBrig 45 logistisch versorgen.
Kaltstartfähig, Kriegstauglich und Kriegstüchtig. Das ist der Anspruch, den das Deutsche Heer an seine Instandsetzer stellt und einfordert. Der Weg dorthin ist nicht leicht aber alternativlos und erfordert die Unterstützung aller Ebenen.
Das Deutsche Heer verfolgt dieses Ziel auch zukünftig mit den uns zur Verfügung stehenden Ressourcen.