von Marco Seliger...
Er diente in Deutschlands Eliteeinheit «Kommando Spezialkräfte» und war vier Mal in Afghanistan. Vor drei Jahren wurde er zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Heute ist Philipp Schaaf ein freier Mann. Ein Besuch bei ihm in Sachsen, der Überraschendes zutage fördert.
Der frühere Kommando-Soldat Philipp Schaaf, fotografiert im vergangenen Jahr.
In der Gästetoilette des angeblich rechtsextremistischen Kommando-Soldaten, auf dessen Grundstück die Polizei vor vier Jahren Munition und Sprengstoff ausgrub, steht ein gerahmter Spruch: «Alles, was man braucht, ist Liebe und eine Katze.» Im Flur hängen Kinderfotos, vor der Haustür steht eine Schubkarre mit Kaminholz. Ein Garten mit Sitzecke und Hochbeet zieht sich um das Gebäude. Deutsche Einfamilienhausidylle, wenn da nicht der erdbraune Fleck im Rasen wäre. «Da hatte ich den Kram vergraben», sagt Philipp Schaaf.
Er klingt dabei, als sei das nicht mehr von Belang, als stamme es aus einem anderen Leben. Einem geheimnisumwobenen Leben als Elitesoldat der Bundeswehr, das am 13. Mai 2020 abrupt endete. An diesem Tag wurde Oberstabsfeldwebel Schaaf, damals 45 Jahre alt, in der Graf-Zeppelin-Kaserne des Kommandos Spezialkräfte (KSK) in Calw verhaftet, während die sächsische Polizei 530 Kilometer entfernt 7000 Schuss Munition, zwei Kilogramm Sprengstoff und eine schrottreifes Sturmgewehr auf seinem Grundstück fand.
Ein halbes Jahr sass er in Dresden in Untersuchungshaft, Einzelzelle, verschärfte Sicherungsverwahrung. In der Begründung dafür hiess es zunächst, er sei suizidgefährdet und eine Gefahr für sich, dann, er sei im lautlosen Töten geschult und eine Gefahr für andere. Vor gut drei Jahren verurteilte ihn das Landgericht Leipzig wegen Verstosses gegen das Munitions-, Sprengstoff- und Kriegswaffenkontrollgesetz zu zwei Jahren Haft auf Bewährung. Es folgten die unehrenhafte Entlassung bei der Bundeswehr und die Kritik von Medien wie der «taz» an der ihrer Ansicht nach zu geringen Strafe.
Schaaf hatte der zweiten Kompanie des KSK angehört. Eine Untersuchungskommission der Bundeswehr attestierte dieser Einheit vor vier Jahren eine «toxische Führungskultur», ein fehlgeleitetes Eliteverständnis und extremistische Tendenzen. Die Kompanie war 2017 in das Visier von Ermittlungen geraten, nachdem bei einer Feier nationalsozialistische Symbole gezeigt und Rechtsrock gespielt worden sein sollen.
Schaaf ist einer der vier Soldaten, die auf jener «Schweinekopfparty» den Hitlergruss gezeigt haben sollen. Eine Zeugin nannte ihn den «glatzköpfigen Nazi-Opa». Die damalige Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer kündigte nach seiner Festnahme an, das KSK entweder abzuschaffen oder mit «eisernem Besen» durchzufegen. Im Juli 2020 verfügte sie, die zweite Kompanie aufzulösen.
Sein nächster Auftrag führt in die Alpen
Gut vier Jahre später steht Philipp Schaaf am Bahnhof von Oschatz. Er trägt Bergschuhe, eine schwarze Hose und eine blaue Regenjacke. Sein gut 1 Meter 80 grosser Körper wirkt athletisch, nicht aufgepumpt. Die Glatze ist mit einer Basecap aus Camouflage bedeckt. In seinem braunen VW-Bus sind die Rücksitze umgelegt, darauf zwei Matten und zwei Schlafsäcke. «Mein Nachtlager, wenn ich meine Touren mache», sagt er.
Schaaf steuert seinen Wagen aus Oschatz hinaus, einer Kleinstadt zwischen Leipzig und Dresden. Es sehe gerade mau aus mit Aufträgen, setzt er fort und gibt Gas. Der Winter in den Bergen sei fast vorbei, die Sommersaison habe noch nicht begonnen. Im April gehe es aber wieder los. Wanderer hätten ihn für eine Hüttentour in der Silvretta gebucht. Schaaf lächelt. Seine Aufträge führen ihn nicht mehr nach Afghanistan, sondern in die österreichischen Alpen. Der frühere Kommando-Soldat arbeitet jetzt als Berg- und Gletscherführer.
«Ich habe ein verdammt tolles Leben für das, was war», sagt er und steuert gut zehn Minuten nach der Abfahrt vom Bahnhof seinen Bus die schmale Strasse nach Collm hinein. Die meisten Deutschen dürften von diesem 250-Seelen-Ort das erste Mal gehört haben, als die Polizei dort im Mai 2020 Schaafs Garten umgrub und Medien über mögliche Umsturzpläne in der sächsischen Provinz orakelten. Der Bus biegt auf ein Grundstück ein, umgrenzt von Thujen und Koniferen, von aussen kaum einsehbar. «Hoffentlich hat Frauchen eingeheizt», sagt Schaaf.
Soldaten des Kommandos Spezialkräfte der Bundeswehr bei einer Vorführung im Juni 2019 in Süddeutschland. Zu diesem Zeitpunkt gehörte Philipp Schaaf der Eliteeinheit noch an.
Seine Frau sagt, sie sei Soldat, nicht Soldatin
Seine Frau heisst Anna, sie sei Soldat, sagt sie, nicht Soldatin. Brainy, die Katze, springt aufgeregt vorbei, als Schaaf seine Schuhe auszieht. Er setzt sich aufs Sofa im Wohnzimmer, im Kamin knacken die Holzscheite. Ein Boxsack baumelt von der Decke, auf dem Boden steht eine Hantelbank. An der Wand hängt ein Kunststich, zwei deutsche Soldaten im Graben, einer von ihnen gefallen, den Uniformen nach im Ersten Weltkrieg. Vor der Couch steht ein Sideboard mit Fernseher, daneben ein Stapel Bücher, auf dem Cover ein Bild von Schaaf in Uniform.
«Inside KSK – Ein Ex-Kommando-Soldat über das verborgene Innenleben der Eliteeinheit und ihre Skandale», so lautet der Titel des Buches, seines Buches, geschrieben mit einem Co-Autor. Es ist im November 2023 erschienen und ist sein Versuch, gut 20 Jahre im KSK aufzuarbeiten. Das ist durchaus interessant, denn wenn es etwas gibt, womit die Eliteeinheit der Bundeswehr verbunden ist, dann sind es weniger die angeblichen Geheimmissionen in Afghanistan oder in anderen Teilen der Welt. Es sind vielmehr die Skandale, für die das Kommando immer wieder gesorgt hat. Philipp Schaaf ist einer ihrer Kronzeugen. Doch ist er auch ein «Nazi» oder ein Rechtsextremist, wie es immer wieder heisst?
Anna stellt ihm eine Tasse Kaffee hin und setzt sich neben ihn aufs Sofa. Ja, die Sache mit der «Schweinekopfparty», sagt Schaaf, da müsse er einiges richtigstellen. Das beginne schon bei dem Kompaniechef, für den sie die Feier veranstaltet hätten. Medien hätten von ihm das Bild einer tätowierten Kampfmaschine mit zweifelhafter Gesinnung gezeichnet, sagt er. «Nur: Wer kannte ihn besser: die Journalisten oder wir, die ihn jeden Tag erlebten?» Ein grossartiger taktischer Führer, der sich immer vor seine Leute gestellt habe, das sei er gewesen, der Kompaniechef. Nur darauf sei es angekommen, wenn es im Einsatz um Leben oder Tod gegangen sei.
Der Tag der Party, es war der 27. April 2017, Schaaf sei Grillmeister gewesen. Das «Festkomitee» habe ihn beauftragt, neben einem Spanferkel auch drei Schweinsköpfe zu besorgen. Sie sollten Teil des Abschiedsparcours sein, den der Kompaniechef unter steter Einnahme von Alkohol absolvieren sollte. Dabei musste er zwei der Köpfe in eine Tonne werfen. Nicht der geschmackvollste Einfall, meint Schaaf. Aber: «Wir alle kannten Krieg und Leid und Tod, die Abgründe des Lebens, seine rauen Seiten – und mussten manchmal selbst auch rau sein, um unseren Job zu erfüllen.»
Soldaten seilen sich von einem Helikopter ab. Übungen wie diese gehörten knapp 20 Jahre zum Leben von Philipp Schaaf.
Eine Party als Beleg rechten Ungeistes im KSK
Ein Kommando-Soldat kann keine zartbesaitete Seele sein, das leuchtet ein. Viele Medien wollten damals in der «Schweinekopfparty» den Beleg dafür gesehen haben, dass das KSK ausser Kontrolle geraten sei und ein rechter Ungeist dort herrsche. Schaaf selbst wirkt nicht wie der harte, rechte Typ. Wenn er von den Leichen erzählt, die er bei einem Anschlag in Afghanistan gesehen habe, von den Resten eines «pulverisierten» deutschen Soldaten nach der Explosion, dann bricht seine Stimme, und seine Frau greift seine Hand. Doch die «Schweinekopfparty», mit der das Unheil begann, sie scheint ihn nach wie vor am meisten zu beschäftigen.
Es gibt bei dieser Party ein Detail, das in der gesamten Berichterstattung bisher keine Rolle spielte. Es nützt Schaaf nichts mehr. Es wurde einige Wochen nach seiner Verurteilung bekannt und hat mit den eigentlichen Straftaten, dem Verstoss gegen das Waffen-, Sprengstoff- und Kriegswaffenkontrollgesetz, nichts zu tun. Doch es lässt einige Aussagen über ihn in einem anderen Licht erscheinen.
Bekannt ist, dass «Diane», die Tinder-Bekanntschaft eines Kameraden aus Hamburg, an dem Abend auftauchte. Sie habe, sagt Schaaf, auf grosse, starke, tätowierte Männer gestanden, Sex gewollt und sich als «Trophäe» für den Chef dargeboten. Der sei aber viel zu betrunken gewesen, und auch sonst habe sich niemand auf sie einlassen wollen. «Weggeschädelt» hätten sie sich alle, sagt Schaaf, so dass «Diane» unverrichteter Dinge wieder abgezogen sei.
Während er von dem Saufgelage spricht, geht seine Frau in die Küche und schält Kartoffeln. Knapp vier Monate später taucht der erste Bericht auf: Auf einer KSK-Party sei rechtsradikale Musik gespielt worden, vier Soldaten hätten den Hitlergruss gezeigt. Es gebe eine Zeugin, heisst es, eine Frau, die zur Party eingeflogen worden sei. Sie wirft Schaaf vor, einer der Soldaten zu sein, die den Nazi-Gruss gezeigt hätten, und bezeichnete ihn als «glatzköpfigen Nazi-Opa», weil er ihr sichtlich älter schien als die anderen Soldaten.
KSK-Soldaten vor einem Fahrzeug, mit dem auch Philipp Schaaf wiederholt in Afghanistan im Einsatz war.
Unberechtigte Anschuldigungen
Nun zum bisher unbekannten Detail: Es geht dabei um den Vorwurf, er habe auf der «Schweinekopfparty» den Hitlergruss gezeigt. Doch das stimmt nicht. «Diane», die diese Anschuldigung vor gut sieben Jahren erhoben hat, widerrief sie vier Jahre später gegenüber der Polizei in Wiesbaden. Trotzdem hält sich bis heute der Vorwurf, Schaaf habe damals den Hitlergruss gezeigt.
Das entsprechende Protokoll datiert vom 9. Juni 2021 und liegt der NZZ vor. Darin heisst es, «Diane» (deren Klarname in dem Protokoll steht, hier aber aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nicht genannt wird; Anm. d. Red.) habe am 31. Mai 2021 fernmündlich klarstellen wollen, dass «sie zwar den Herrn Oberstabsfeldwebel Schaaf erkannt habe, ihn aber keiner Straftat bezichtigt habe, er also nicht derjenige gewesen sei, der den Hitlergruss gezeigt habe». In einem Schreiben vom 3. Juni 2021 an die Polizei, so heisst es in dem Protokoll weiter, habe sie dies bekräftigt.
Schaaf erzählt eher nebenbei davon. Das ist erstaunlich, denn die Bundeswehr hat insbesondere wegen des Vorwurfs, er habe verfassungsfeindliche Symbole gezeigt, jahrelang gegen ihn ermittelt. Auch alles Weitere in der Folge, der «Crash seines Lebens», wie er es nennt, hat mit diesen Anschuldigungen zu tun.
Doch zunächst ruft seine Frau zum Mittagessen. Es gibt Spiegeleier, Kartoffeln und Gurkensalat. Am Tisch kommt die Rede auf ihre Hochzeit vor einem Jahr, auf einen Gast, der gezeichnet gewesen sei von einer posttraumatischen Belastungsstörung. «Er war einer der Besten und ist nicht wiederzuerkennen gewesen», sagt Schaaf leise. Seine Frau legt ihre Hand auf seinen Arm und erwidert: «Auch du hast etwas mitgekriegt, lässt es aber nicht zu.» Schaaf steht schweigend auf und schlägt noch ein paar Eier in die Pfanne.
Nie für das eingesetzt, was er am besten konnte
Dann erzählt er von Afghanistan. Viermal sei er dort gewesen, aber nie für das, wofür er sich vor 23 Jahren beim KSK beworben habe. Deutsche Staatsbürger aus Geiselhaft im Ausland zu befreien, das sei für ihn der Grund gewesen, Kommando-Soldat zu werden. «Wie oft dachten wir, dieses Mal endlich zum Zug zu kommen», sagt er. Doch die Politiker hätten sich seiner Ansicht nach vor den Konsequenzen gefürchtet, falls bei einem solchen Einsatz die Geiseln oder einer der Soldaten getötet worden wären – und lieber Lösegeld gezahlt.
Nach dem Mittagessen legt Schaaf Holz nach und setzt sich wieder aufs Sofa. Ihn fröstele, sagt er lächelnd und bemüht einen Vergleich, um seine Motivation zu erklären. Wie ein Sportler einen Teil seines Antriebs daraus schöpfe, eines Tages siegen zu wollen, so hätten er und die anderen Soldaten ihre Motivation daraus gezogen, etwas Wichtiges für Deutschland und seine Menschen zu leisten.
Doch statt Geiseln zu befreien, seien sie immer wieder nach Afghanistan in mehr oder weniger sinnlose Einsätze geschickt worden. Die Frustration darüber, sein Können aus jahrelanger Ausbildung in allen Klimazonen bei der Ausbildung afghanischer Polizisten verschwendet zu haben, spricht noch immer aus ihm. «Das hätten normale Soldaten gekonnt, dafür bin ich nicht Kommando-Soldat geworden.»
Wie muss das sein, wenn man nie das tun kann, wofür man sich am besten geeignet fühlt? Wenn man ein Leben führt, in das andere geheime Missionen hineininterpretieren, die aber oft so banal und, wie Schaaf in seinem Buch andeutet, wohl auch erfolglos waren, dass man darüber tatsächlich lieber schweigt, um den eigenen Mythos zu bewahren? Wenn man andere von Elite reden hört, aber erkennt, dass es bei vielen Soldaten mit diesem Anspruch nicht wirklich weit her ist?
Niedertracht in der Eliteeinheit
Schaaf berichtet von Kameraden, die Buch über die Fehler anderer geführt hätten, um sich selbst einen Vorteil zu verschaffen. Von Kommandeuren, die in der Truppe keinerlei Vertrauen genossen hätten, weil sie dort als «Politiker in Uniform» betrachtet worden seien. Und er erzählt von Engpässen bei der Munition, bei Sprengstoff, bei der Ausrüstung generell. Das Gespräch ist dennoch keine Abrechnung mit dem Kommando, sondern eher eine mit sich selbst.
Schaaf war Ausbilder und hatte seit Jahren Munition und Sprengstoff gehortet, weil es für Übungen immer zu wenig gegeben habe. Das hätten auch andere Soldaten so gemacht, sagt er. Es sei illegal, aber akzeptiert gewesen. Als im Sommer 2017 die internen Ermittlungen wegen der «Schweinekopfparty» angelaufen seien, habe er befürchtet, dass ihm die im Kompaniekeller gesammelte Munition negativ ausgelegt werden könnte. Schaaf brachte sie im Privatwagen nach Collm und vergrub sie im Garten. Drei Jahre später bot der damalige KSK-Kommandeur Markus Kreitmayr den Soldaten Straffreiheit an, wenn sie illegal gebunkertes Material innerhalb eines Monats zurückgäben.
Hier ist der Zusammenhang zwischen den falschen Anschuldigungen von «Diane» und dem Anlegen von Munitionsverstecken im heimischen Garten. Hätte Schaaf nicht mit verschärften Ermittlungen gegen sich rechnen müssen, hätte er die «grösste Dummheit seines Lebens» wahrscheinlich nicht begangen. Doch zugleich ist er auch nicht schuldlos in die rechtsextreme Ecke geraten. Die Polizei hatte in seinem Haus Nazi-Lektüre, ein SS-Liederbuch und Postkarten mit NS-Symbolen gefunden.
Warum in aller Welt hat man so etwas zu Hause? Schaaf redet von Interesse an Einsatztaktiken der Wehrmacht, an Kriegsgeschichte. Aber schlüssig erklären kann er es nicht. Ja, sagt er, man habe dadurch sicher Rückschlüsse auf eine eventuelle politische Gesinnung ziehen können.
Doch er sei kein Nazi und lehne jegliche Form von Extremismus ab. Vielmehr sei er «ein konservativer Patriot», der einen Eid auf Deutschland geleistet habe. Wie sonst solle man bereit sein, das eigene Leben für dieses Land zu geben, wenn man nicht stolz auf sein Land sei, sagt er. Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Sauberkeit und Ordnung – das seien für ihn wichtige Werte, für die Deutschland stehe. Sie gäben Orientierung, setzten Grenzen. «So ist das Leben. Es funktioniert nicht, wenn jeder macht, was er will.»
Seine Ex-Frau verriet das Munitionsversteck
Anna bringt Kaffee und legt Schaaf ein Waffeleis neben die Tasse. «Megalecker», sagt er, wickelt das Konfekt aus dem Papier, legt es aber wieder hin. Er habe dem damaligen Kommandeur nicht getraut, sagt er. Er habe erlebt, wie Kreitmayr Kameraden dazu aufgerufen habe, andere anzuschwärzen. «So was geht nicht in meiner Wertewelt.» Er habe daher warten wollen, bis sich alles beruhigt habe, bis die Vorwürfe mit dem Hitlergruss aus der Welt seien. Er brachte die Munition nicht nach Calw zurück, sondern liess sie in seinem Garten. Seine Ex-Frau verriet das Versteck dem Militärnachrichtendienst.
Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz besuchte vor einigen Tagen die KSK-Kaserne in Calw und liess sich mit dem heutigen Kommandeur Ansgar Meyer vor einem Denkmal für im Dienst getötete Kommando-Soldaten fotografieren.
Man kann die Erklärung für sein Handeln glauben oder nicht. Man kann es Naivität nennen oder Dummheit. Wenn man einen Vormittag und einen Nachmittag mit ihm verbringt, dann bekommt man nicht den Eindruck eines naiven oder dummen Menschen. Schaaf ist vielleicht eher ein Beispiel dafür, dass die Vorstellung, ein Mensch sei nur gut oder böse, falsch ist. Doch ein halber Tag reicht eben auch nicht, um einschätzen zu können, ob er das ist, was ihm damals vorgeworfen wurde: ein Rechtsextremist mit Umsturzabsichten.
In seinem Urteil am 20. März 2021 sagte der Richter in Leipzig, es gebe «genügend Anhaltspunkte für eine rechtsnationale Einstellung». Ein rechtsextremer Gefährder aber sei Schaaf nicht. Er habe glaubhaft Reue gezeigt und werde wohl kaum noch einmal eine Straftat begehen.
Vorgesetzte nannten Philipp Schaaf einen «Vorzeige-Kommando-Feldwebel». Sein Spitzname in der Kompanie war «Schäfchen». Früher, sagt er, habe er sich ein Leben ausserhalb des KSK nicht vorstellen können. Er habe dort «die schönste Zeit seines Lebens» gehabt. Jetzt führe er Menschen auf Hütten und Berge, habe ein Familienleben und Freunde und habe erkannt, dass auch «draussen» zünftig gefeiert werden könne. «Ich bin glücklich und zufrieden.»
Philipp Schaaf mit Fred Sellin: Inside KSK – Ein Ex-Kommando-Soldat über das verborgene Innenleben der Eliteeinheit und ihre Skandale. Yes Publishing, München, November 2023.
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