von Thomas Heck...
Frauke Petry, ehemalige Vorsitzende der AfD, hat eine neue Partei gegründet und ins Rennen geschickt. Die neue Partei heisst "Die Blauen" und wird die Parteienlandschaft durcheinanderwirbeln... Na dann siegt mal schön...
Frauke Petry: Ich leite ein gut gehendes Familienunternehmen...
Frauke Petry und ihr Ehemann Marcus Pretzell haben im Bundestagswahlkampf für die AfD geworben. Auf Plakaten, in Reden, in Interviews. Nun wollen sie die AfD verlassen. Es ist ein Vorgang, der auch in anderen Parteien vorkommt. Jüngst erst wechselte die Landtagsabgeordnete Elke Twesten von den Grünen zur CDU - und löste Neuwahlen in Niedersachsen aus.
Rechtlich ist das alles zulässig. In Deutschland gilt das "freie Mandat", das in Artikel 38 des Grundgesetzes geregelt ist. Die Abgeordneten des Bundestags, heißt es dort, seien "Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen".
Petry und Pretzell haben ihren Wählern vorgegaukelt, AfD-Politik auch parlamentarisch vertreten zu wollen. Offenbar hegte das Ehepaar schon seit Längerem neue Pläne. Am Mittwoch räumte die Noch-AfD-Chefin ein, bereits Anfang Juli eine Domain "dieBlauen.de" registriert zu haben - angeblich nicht, um eine neue Partei zu gründen. Näheres werde demnächst bekannt gegeben, so Petry. Ihr Mann skizzierte erste Linien - eine Art "bundesweite CSU"schwebt dem Paar vor, eine Bewegung, wie sie Frankreichs Präsident Macron mit seinem Projekt "En Marche" in Gang setzte.
Wohin auch immer die politische Reise des Paares geht: Beide wollen ihre Mandate - Petry im sächsischen Landtag und im Bundestag, Pretzell im NRW-Landes- und im Europaparlament - offenbar behalten. Das machten sie jetzt in der rechten Wochenzeitung "Junge Freiheit" deutlich.
Juristisch steht das Ehepaar auf sicherem Grund. Doppelmandate seien grundsätzlich mit dem geltenden Recht vereinbar, stellte erst im Juni 2017 ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags fest. Doch ist es das auch politisch-moralisch bei Abgeordneten, die noch bis vor Kurzem die "Altparteien" vehement attackierten?
Immerhin schreibt die AfD in ihrem aktuellen Wahlprogramm, das auch das Ehepaar mittrug: "Die ungebrochene Tendenz zum Berufspolitikertum hat der Monopolisierung der Macht Vorschub geleistet. Vetternwirtschaft, Filz, korruptionsfördernde Strukturen und Lobbyismus waren und sind die Folge."
Was aber bekommen Petry und Pretzell, wenn sie ihre Mandate behalten? Im Fall von Petry geht es um erhebliche Summen. Im Einzelnen:
Im sächsischen Landtag beträgt die sogenannte Grundentschädigung für Abgeordnete 5.668,16 Euro. Diese wird mit den Bezügen im Bundestag zu 100 Prozent verrechnet. Da die Summe im Bundestag höher ist - monatlich 9541,74 Euro -, bekommt Petry die sächsische Entschädigung also nicht ausgezahlt.
Aber: In Sachsen gibt es eine steuerfreie Kostenpauschale zwischen 3.163,28 und 4.135,97 Euro, je nach Wohnort. Diese bekommt Petry, kann darüber frei verfügen. Dafür gibt es keine Vorgaben.
Hinzu kommt: Im Bundestag bekäme sie monatlich eine steuerfreie Kostenpauschale von 4318,38 Euro. Sie wird für Kosten des Wahlkreisbüros oder für einen möglichen Zweitwohnsitz in Berlin ausgegeben. Beide Pauschalen in Sachsen und im Bundestag werden nicht miteinander verrechnet.
Zusätzlich kann Petry auch noch 20.870 Euro monatlich für Mitarbeiter in ihrem Bundestagsbüro ausgeben. Hinzu kommen noch jährliche Mittel in Höhe von 12.000 Euro für Büroeinrichtungen inklusive Telefone, Laptops. Auch stehen ihr Dienstfahrzeuge zu, ebenso Freifahrten bei der Deutschen Bahn und vom Bundestag bezahlte Inlandsflüge, die im Zusammenhang mit der Arbeit ihres Mandats stehen.
Auch Ehemann Pretzell ist abgesichert:
Als EU-Parlamentarier erhält er eine monatliche Diät von rund 9.500 Euro, als Landtagsabgeordneter inklusive des Zuschusses zur Altersvorsorge monatlich 10.700 Euro. Nach dem NRW-Abgeordnetengesetz werden von dieser Summe bei einem Doppelmandat 71,5 Prozent abgezogen - ein Restteil wird also nicht angerechnet.
Bei den Pauschalen sieht es so aus: Sie werden nicht miteinander verrechnet. Pretzell könne im EU-Parlament daher auf eine steuerfreie Kostenpauschale von 4.342 Euro monatlich zurückgreifen, zudem auf 24.164 Euro monatlich zur Beschäftigung von Mitarbeitern, so die CDU-Europaabgeordnete Ingeborg Gräßle, zugleich Vorsitzende des Haushalts-Kontrollausschusses im EU-Parlament.
Kaum Doppelmandate noch im Bundestag
Doppelmandate im Bundestag und in Landesparlamenten sind mittlerweile äußerst selten. Unter anderem wegen der Arbeitsbelastung. Zwischen 1990 und 2012 habe die Zahl zwischen Null und drei Abgeordneten gelegen, für eine Dauer von "meist deutlich unter einem Jahr", schrieb der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags im Juni 2017.
Wie aber sieht es mit Petry und Pretzell aus? Sie haben offenbar andere Pläne. Petry will wohl die volle Legislaturperiode im Bundestag bis 2021 ausschöpfen, der sächsische Landtag wird erst wieder im Sommer 2019 gewählt. Ehemann Pretzell wiederum kann dem Landtag in NRW bis zum Frühjahr 2022 angehören, die Legislaturperiode im Europaparlament endet 2019.
Pretzells Festhalten am Europamandat hatte wiederholt für Ärger in der AfD gesorgt. Der Jurist weigerte sich im Sommer, seinen Posten im Europaparlament für den AfD-Politiker Marc Jongen zu räumen. Er wolle verhindern, dass Jongen nachrücke, weil dieser auch für den Bundestag kandidiere und daher nur vorübergehend nach Brüssel und Straßburg wolle, sagte er und versicherte damals, nur bis zu den Bundestagswahlen sein Mandat behalten zu wollen.
Nun aber vermuten sie in der AfD-Führung, Pretzell werde das Mandat nicht mehr abgeben. "Wenn er aus der Partei austritt, ist der Grund entfallen, einen Nachrücker zuzulassen", vermutet ein AfD-Bundesvorständler.
Die Schlammschlacht hat längst begonnen. Am Mittwoch twitterte der NRW-AfD-Landtagsabgeordnete Roger Beckamp dem Politikpaar hinterher: "Politikfähigkeit im Sinne von Petry u. Pretzell: Größenwahn, Zickigkeit und Doppelmandate. Alles Gute!"
Daraufhin revanchierte sich der Noch-AfD-Politiker Pretzell mit einem Tweet: "Ganz schön große Klappe für jemanden, der seine Lebensgefährtin als Assistentin beschäftigt."
Hinweis: In einer früheren Version hieß es, die Kostenpauschale des Bundestags sei für Wahlkreismitarbeiter. Sie gilt aber für das Wahlkreisbüro. Die Wahlkreismitarbeiter werden über die Mitarbeiterpauschale bezahlt. Wir haben dies korrigiert.