Montag, 22. Dezember 2025

Hisbollah: Die Illusion der Entwaffnung

von Helena Bauernfeind

Zerstörungen im Süd-Libanon: Die Regierung in Beirut hat gar nicht die Macht, die Hisbollah zu entmilitarisieren



Die wiederholten Appelle an die Hisbollah, ihre Waffen niederzulegen, gehören inzwischen zum festen Repertoire internationaler Nahostpolitik. Sie werden regelmäßig vorgetragen mit diplomatischem Ernst, wohlformulierten Erklärungen und dem Hinweis auf staatliche Souveränität. Ihre Wirkung jedoch ist gleich null. Wer in diesen Tagen erneut auf Entwaffnung drängt, verwechselt Wunschdenken mit politischer Realität. Denn die Hisbollah ist längst kein bloßer bewaffneter Akteur innerhalb des Libanon mehr, sondern ein eigenständiger Machtfaktor, dessen Existenz sich gerade aus der Bewaffnung speist. Die Forderung nach ihrer Aufgabe zielt nicht auf eine Verhaltensänderung, sondern auf die Selbstauflösung der Organisation. Dass eine solche Erwartung zurückgewiesen wird, ist weder überraschend noch Ausdruck besonderer Unnachgiebigkeit, sondern politisch folgerichtig.

Die jüngsten Luftangriffe auf die Bekaa-Region und die parallel geführten diplomatischen Initiativen illustrieren dieses Missverhältnis. Militärischer Druck soll politische Bewegung erzeugen, ohne die Voraussetzungen dafür zu schaffen. Diplomatische Missionen wiederum dienen zunehmend der Selbstvergewisserung der Absender: Man habe es versucht, heißt es später, mehr sei nicht möglich gewesen. Besonders deutlich wird dies am angekündigten Besuch eines ägyptischen Regierungsvertreters in Beirut.

Dauerhaftes Provisorium

Sollte die überbrachte Botschaft tatsächlich auf ein Entweder-Oder hinauslaufen – Entwaffnung oder politischer Rückzug der Unterstützer –, dann markiert sie weniger einen Neubeginn als das Ende einer Illusion. Die Hisbollah hat diese Entscheidung längst getroffen. Der Libanon zahlt dafür den Preis. Ein Staat, der das Gewaltmonopol nicht ausübt, kann es auch nicht delegieren. Gleichzeitig fehlt ihm die Kraft, es durchzusetzen. Die Folge ist ein dauerhaftes Provisorium: Stabilität durch Abschreckung, Ruhe durch gegenseitiges Abwarten. Die Bekaa-Region steht exemplarisch für diesen Zustand – ruhig an der Oberfläche, jederzeit eskalationsfähig im Inneren.

Wer den Libanon stabilisieren will, muss sich von der Vorstellung verabschieden, die zentrale Machtfrage lasse sich durch Appelle lösen. Solange externe Akteure nicht bereit sind, entweder echte Sicherheitsgarantien zu bieten oder die Konsequenzen einer Konfrontation zu tragen, bleibt die Forderung nach Entwaffnung folgenlos. Sie ist kein politisches Angebot, sondern ein Ritual. Und Rituale, so zeigt der Libanon seit Jahren, schaffen keine Ordnung.


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