Sonntag, 25. November 2018

Ich will, ich will, ich will... ich will die nicht in meinem Land haben...

von Thomas Heck...

Als vor Jahren der IS seinen vermeintlichen Siegeszug antrat und mit HD-Video-Aufnahmen mit islamischen Gesängen in Nahaufnahme Köpfe abschnitt, Menschen verbrannte, ertränkte, erschoß oder anderweitig ins Jenseits beförderte, sich im Blut seiner Opfer suhlte und der Westen sich angewidert abwandte, anstatt umgehend den Kampf anzunehmen, haben diese schrecklichen Aufnahmen doch den einen oder anderen Muslim beiderlei Geschlechts geradezu magisch angezogen.

Nicht ohne Grund strömten junge Islamisten nach Raka, um am Dschihad gegen die Ungläubigen teilzunehmen, teils mit der Waffe in der Hand, aber auch in der Etappe, zum Wohlgefallen der vom Morden erschöpfen Märtyrer. So auch Merve Aydin und Sandra Mayer, die, sicher zum Entsetzen der Eltern, ihr Heil im IS-Islam suchten.

Doch jetzt, wo sich das militärische Blatt zu Ungunsten des Islamischen Staates gedreht, erscheint dieser nicht mehr als das gelobte Land, wo man Ungläubige ungestraft ermorden konnte. Jetzt plötzlich erscheint das Leben unter den Ungläubigen in Deutschland als gar nicht mehr so unerträglich, der Wunsch nach Rückkehr, nach Normalität wird drängender. Und ob die Damen dem IS tatsächlich abgeschworen haben, weiß nur Allah.



Merve Aydin und Sandra Mayer leben mit ihren Kindern in einem Lager in der Nähe der nordsyrischen Stadt Kamischli. Dort sind insgesamt rund 400 Frauen ehemaliger Kämpfer der Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) mit ihren Söhnen und Töchtern interniert. Unter ihnen sind auch etwa 40 Deutsche.

Ein Team von SPIEGEL TV hat mit zwei von ihnen, Aydin und Mayer, gesprochen. "Ich wünsche mir, dass ich so schnell wie möglich mit meinen Kindern nach Deutschland zurück kann", sagt Mayer. "Ich will meinen Kindern ein gutes und ruhiges Leben geben."

Ihre Freundin Merve spricht von "Horror". Doch damit meint sie nicht ihre Zeit beim IS, sondern das Leben im kurdischen Gefangenenlager. "Ich kriege Depressionen. Ich kann diese Zelte nicht mehr sehen."

Die Frau aus Hamburg fühlt sich von der Bundesrepublik im Stich gelassen. "Jeder Mensch hat eine zweite Chance verdient. Uns wird diese Chance von Deutschland nicht gegeben.

Aydin war im Jahr 2014 nach Syrien gegangen. Sie folgte ihrem Freund, dem IS-Kämpfer Bilal Zagarti. Beide heirateten in Syrien. In der inoffiziellen IS-Hauptstadt Rakka brachte Aydin ihren ersten Sohn Youssef zur Welt. Ihren zweiten Sohn Elias gebar sie vor rund einem halben Jahr - kurz zuvor war ihr Mann bei einem Bombenangriff ums Leben gekommen.

Von den Gräueltaten der Dschihadisten will die junge Frau nichts mitbekommen haben: "Ich hatte meine vier Wände, mein Kind, mein Mann. Ich war glücklich, und mich hat eigentlich auch nichts anderes interessiert", behauptet Aydin.

Ähnlich äußert sich Sandra Mayer aus München. Ihr Leben in Rakka habe sich immer nur um den IS gedreht, und das sei eigentlich auch schön gewesen. Bis zu dem Tag, an dem bei einem Luftangriff das Gerichtsgebäude der Stadt getroffen wurde. Danach habe sie nur noch weggewollt.

Aydin behauptet, sie habe den IS nach dem Tod ihres Mannes und der Geburt ihres zweiten Kindes aus freien Stücken verlassen. Das sei der Beweis dafür, dass sie keine Gefahr für die Sicherheit Deutschlands darstelle, sagt sie. Doch sind die IS-Frauen wirklich so harmlos, wie sie sich geben? Sind sie tatsächlich vor den Dschihadisten geflüchtet oder nicht doch eher vor den Gefechten und der anrückenden Militärkoalition, die Rakka im vergangenen Jahr zurückeroberte?

Die deutschen Sicherheitsbehörden sind skeptisch. Die Experten beim Bundeskriminalamt sind keineswegs davon überzeugt, dass alle Syrien-Rückkehrerinnen der Ideologie des IS tatsächlich abgeschworen haben. Das BKA will deshalb jeden Einzelfall genau prüfen. Ob und wann Merve und Sandra nach Hause zurückkehren können, ist deshalb noch völlig unklar. Bleibt zu hoffen, nie.

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