Montag, 12. November 2018

100 Jahre Frauenwahlrecht. Schön rausgeputzt, hat nichts genutzt...

von Thomas Heck...

100 Jahre Frauenwahlrecht. Für das linke Weibsvolk im Land Grund genug, sich wieder einmal zu beklagen. So jammerte Bundesfamilienministerin Giffey über das Faktum, dass in den Parlamenten nur gut 25% der Abgeordneten Frauen sitzen, obwohl 52% der wahlberechtigten Bürger Frauen sind.

Woran liegt das? Vielleicht weil Frauen menstruieren, allgemein etwas komplizierter sind, die Frisur schlecht sitzt oder kein passendes Kleidungsstück zur Verfügung stand. Vielleicht haben viele Frauen auch einfach keine Lust auf Politik. Wen juckts? 



Ich wähle doch als Mann auch keinen Politiker, weil er ein Mann ist, sondern ich wähle fähige Politiker, unabhängig vom Geschlecht. So habe ich als Mann, sicher in einem Anflug geistiger Umnachtung, der amtierenden Kanzlerin Merkel zur Macht verholfen. Und das soll bei Frauen anders sein? Lächerlich. Insofern sagt der Anteil von Frauen in der Politik wenig aus.

Immerhin haben wir eine Frau als Bundeskanzlerin, die das genauso so gegen die Wand fährt, wie es einem Mann gar nicht möglich wäre. Gewählt von Frauen und Männern, insofern scheint die Gleichberechtigung so schlecht nicht zu sein.

Viel mehr Sorgen machen muss man sich um die Frage, wie Gleichberechtigung linker Prägung aussehen soll, die einen Islam in der archaistischen Form millionfach importiert, während der Schutz von Frauen vor sexuellen Übergriffen eher als Problem nachrangiger Priorität eingestuft wird und gleichzeitig der Rest der Republik die 100 Jahre Frauenwahlrecht feiert. Was für eine Heuchlerei.

Eine Auswahl an Quotenfrauen...


Die Geburtsstunde des Frauenwahlrechts in Deutschland am 12. November 1918 ist der Aufruf "An das Deutsche Volk" vom Rat der Volksbeauftragten.

Am 9. November 1918 hatten sich die Mehrheitssozialdemokratische Partei Deutschlands (MSPD) und die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD) auf die Bildung eines „entscheidenden Kabinetts“ geeinigt, das die Regierungsgeschäfte bis zum Zusammentritt einer noch zu wählenden Nationalversammlung führen sollte. Der Rat der Volksbeauftragten war ein sechsköpfiges paritätisch besetztes Kabinett, bestehend aus USPD- und MSPD-Politikern unter der Führung des Reichskanzlers Friedrich Eberts (MSPD) und Hugo Haases (USPD). Weitere Mitglieder waren Philipp Scheidemann und Otto Landsberg von der MSPD, sowie Emil Barth und Wilhelm Dittmann von der USPD.

Einen Tag nach der Unterzeichnung des Waffenstillstandes in Compiègne am 11. November 1918 durch Matthias Erzberger und Ferdinand Foch wurde der Rat der Volksbeauftragten in Berlin mit dem Aufruf "An das deutsche Volk" am 12. November 1918 gesetzgeberisch tätig.

Dieser Aufruf bedeutete einen erheblichen Schritt in Richtung einer neuen, demokratischen Gesellschaftsordnung. Im zweiten Teil des Aufrufs verkündete das "mit Gesetzeskraft" von da an geltende Recht. Wichtige Punkte waren z.B. die Meinungsfreiheit (Punkt vier) und die Religionsfreiheit (Punkt fünf).

Am Ende der Erklärung stand die Ankündigung eines neuen Wahlrechts:

"Alle Wahlen zu öffentlichen Körperschaften sind fortan nach dem gleichen, geheimen, direkten, allgemeinen Wahlrecht auf Grund des proportionalen Wahlsystems für alle mindestens 20 Jahre alten männlichen und weiblichen Personen zu vollziehen".

Die ersten Wahlen für und mit Frauen

Am 30. November 1918 trat in Deutschland das Reichswahlgesetz mit dem allgemeinen aktiven und passiven Wahlrecht für Frauen in Kraft.

Am 19. Januar 1919 konnten Frauen zum ersten Mal in Deutschland reichsweit wählen und gewählt werden, denn am 19. Januar 1919 fanden allgemeine, gleiche, geheime und direkte Wahlen zur verfassungsgebenden Deutschen Nationalversammlung statt. 300 Frauen kandidierten. 37 Frauen - insgesamt gab es 423 Abgeordnete - werden schließlich gewählt. Auch wenn die Wählerinnen in ihrer Mehrzahl den konservativen Parteien ihre Stimme gaben, waren die meisten weiblichen Abgeordneten doch in den Reihen der SPD zu finden.

Auf Landesebene ging es sogar früher: In Baden konnten Frauen erstmals am 5. Januar 1919 und in Württemberg erstmals am 12. Januar 1919 dieses demokratische Grundrecht ausüben.

Die ersten Worte von Frauen im Parlament

Als erste Frau überhaupt ergriff Marianne Weber (DDP), die Frau des Soziologen Max Weber, bei der konstituierenden Sitzung am 15. Januar 1919 im Karlsruher Ständehaus das Wort und wandte sich an ihre männlichen Kollegen:  "Wir Frauen können nur unserer hohen Freude und Befriedigung darüber Ausdruck geben, dass wir zu dieser Aufgabe mitberufen sind, und ich glaube, sagen zu dürfen, dass wir besser für sie vorbereitet sind, als vielleicht die meisten von Ihnen glauben."

Als erste Frau in der Weimarer Nationalversammlung spricht am 19. Februar 1919 die Sozialdemokratin Marie Juchacz aus Berlin: "Ich möchte hier feststellen ..., dass wir deutschen Frauen dieser Regierung nicht etwa in dem althergebrachten Sinne Dank schuldig sind. Was diese Regierung getan hat, das war eine Selbstverständlichkeit: sie hat den Frauen gegeben, was ihnen bis dahin zu Unrecht vorenthalten worden ist."

Zum Frauenwahlrecht war es ein langer Weg

Das Frauenwahlrecht ist nicht einfach vom Himmel gefallen. Das Wahlrecht musste von den Frauen genauso ersehnt, eingefordert und erkämpft werden wie das allgemeine Wahlrecht für die männlichen Bürger. Doch der Weg dahin war für Frauen deutlich länger.

Historische Wurzeln des Wahlrechts liegen in der Französischen Revolution von 1789 mit ihren Forderungen nach Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Die „Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte“ von 1789 ermöglichte das Wahlrecht für alle männlichen Bürger. Dass die "Brüderlichkeit" Frauenrechte ausschloss und dies Frauen durchaus deutlich wurde, zeigt die „Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin“, die Olympe de Gouges (1748-1793) bereits 1791 verfasste. Da sie eine Regierung ablehnte, die Frauenrechte nicht anerkannte, führte ihr Weg sie zwei Jahre später unter die Guillotine – ihr Engagement für Gleichberechtigung von Männern und Frauen bezahlte sie mit dem Leben.

In Preußen galt seit 1848 das so genannte Dreiklassenwahlrecht. Das aktive Wahlrecht stand allen Männern nach Vollendung des 24. Lebensjahres zu. Frauen und Fürsorgeempfänger durften nicht wählen. Die Wähler wurden entsprechend der Höhe ihrer Steuerzahlungen in drei Abteilungen (Klassen) eingeteilt. Der ersten Abteilung, die sich aus Adeligen und Großgrundbesitzern zusammensetzte, gehörten die Wähler an, die die höchsten Steuerzahlungen leisteten. Die zweite Abteilung, in der z.B. Kaufleute vertreten waren, umfasste die Wähler mit einem mittleren Steueraufkommen. Die übrigen Wähler, die die geringsten Steuern zahlten, bildeten die dritte Abteilung. 1850 umfasste die erste Abteilung ca. 5 Prozent, die zweite Abteilung ca. 13 Prozent und die dritte Abteilung ca. 83 Prozent der preußischen Wähler.

Die Abgeordneten wurden indirekt von Wahlmännern gewählt. Jede der drei Abteilungen wählte ein Drittel der Wahlmänner durch öffentliche Stimmabgabe. Die gewählten Wahlmänner wählten ebenfalls öffentlich die Landtagsabgeordneten. Aufgrund dieses Wahlsystems hatte die Stimme eines wohlhabenden Wählers der ersten Abteilung im Jahr 1850 ungefähr das 17,5-fache Gewicht der Stimme eines ‚einfachen‘ Wählers der dritten Abteilung.

Das Frauenwahlrecht in Deutschland

In Deutschland kämpften um 1900 besonders insbesondere die SPD für das Wahlrecht. Auch engagierte Frauen außerhalb der Sozialdemokratischen Partei setzten sich vehement für das Frauenwahlrecht ein, waren sie doch unabhängig von Alter, Einkommen oder Tätigkeit davon komplett ausgeschlossen. Die gemäßigte bürgerliche Frauenbewegung strebte ein eingeschränktes Wahlrecht an. Die radikaleren sozialistischen Frauen um Clara Zetkin forderten dagegen auf dem ersten internationalen sozialistischen Frauenkongress 1907 in Stuttgart das allgemeine Frauenwahlrecht.

Das Frauenwahlrecht, das uns heute so selbstverständlich ist, musste sich gegen viele Vorurteile von Männern und Frauen durchsetzen. So wurde Frauen etwa verminderte Intelligenz und durch ihre Gebärfähigkeit eine "natürliche" Bestimmung für den privaten, scheinbar politikfernen Bereich zugeschrieben. Viele weitere politische Schritte mussten in der Folgezeit gegangen, viele weitere Rechte und Ansprüche gesetzlich verankert werden.

Die Juristin Elisabeth Selbert, eine der vier "Mütter des Grundgesetzes", setzte mit großem Einsatz durch, dass der Satz "Männer und Frauen sind gleichberechtigt" am 23. Mai 1949 im Artikel 3, Abs. 2 unseres Grundgesetzes als Verfassungsgrundsatz aufgenommen wurde. Trotz dieser formalen Gleichberechtigung stoßen Frauen selbst 100 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts immer noch an eine „gläserne Decke“: Sie sind in gesellschaftlichen Führungspositionen in Politik, Wissenschaft und Wirtschaft nach wie vor unterrepräsentiert.

Das Zahlenverhältnis von Männern und Frauen in den Parlamenten hat sich über die Jahre hinweg verbessert. Dennoch liegt der Anteil weiblicher Parlamentarierinnen im Deutschen Bundestag heute lediglich bei 31 Prozent.

Als sich Frauen in Deutschland im November 1918 das passive und aktive Wahlrecht erkämpft haben, lagen hinter ihnen jahrelange Anstrengungen gegen immense Widerstände. Auch 100 Jahre nach der neu erworbenen politischen Ermächtigung sind engagierten Frauen solche Auseinandersetzungen bis heute nicht fremd.

Frauen im Parlament heute

Einen Überblick über die aktuelle Entwicklung der Wahlbeteiligung von Frauen in Deutschland gibt eine Erhebung zur Wahl des Europäischen Parlaments. Bei der Europawahl 2014 gaben fast so viele Frauen (48,9 Prozent) wie Männer (49,5 Prozent) ihre Stimme ab, obwohl mehr Frauen wahlberechtigt waren.

Insgesamt durften rund 62 Millionen Menschen wählen, davon rund 30 Millionen Männer und 32 Millionen Frauen. Besonders viele wahlberechtigte Frauen traten in der Altersgruppe ab 70 Jahren auf. 

Vergleicht man das Alter der Wählerinnen und Wähler, so fällt auf, dass unter den Frauen zwischen 21 und 60 Jahren mehr zur Wahl gegangen sind als Männer. Bei ihnen ist die Wahlbeteiligung dafür ab 60 Jahren höher als bei den Frauen.

In Baden-Württemberg ist die Wahlbeteiligung von Frauen nach wie vor niedriger als die der Männer. Bei der Landtagswahl 2016 in Baden-Württemberg lag sie in fast allen Altersgruppen unter der der Männer.

Lediglich bei den 40- bis 44-Jährigen (+0,4 Prozentpunkte) und den 45- bis 49-Jährigen (+0,1 Prozentpunkte) entschieden sich etwas mehr Frauen als Männer für eine Teilnahme an der Wahl. Der deutlichste Abstand zwischen der Wahlbeteiligung von Männern und Frauen kann weiterhin für die 70-Jährigen und Älteren festgestellt werden.

Hier lag mit 73,3 Prozent die Beteiligungsquote der männlichen Wahlberechtigten um 11,3 Prozentpunkte über der Wahlbeteiligung der Frauen (62,0 Prozent).

Im aktuellen baden-württembergischen Landtag sind Frauen mit einem Anteil von 24,5 Prozent der Abgeordneten weiterhin deutlich unterrepräsentiert. Dabei stellen Frauen mit rund 52 Prozent die Mehrheit der Bevölkerung.




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