Freitag, 16. November 2018

Bei Maybrit Illner nichts Neues...

von Thomas Heck...

Schauen Sie noch Maybrit Illner & Co.?  Ich versuche mittlerweile, es mir zu verkneifen, gefällt mir doch die tendenziöse Stoßrichtung nicht. Auch diesmal habe ich mir die Sendung nach einem kurzen Reinzappen verkniffen. Diesmal stritten bei „Maybrit Illner“ die Gäste über die Verwerfungen der deutschen Parteienlandschaft. Am Ende lief mal wieder alles auf einen Showdown zwischen Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt und AfD-Chef Alexander Gauland hinaus, wie die WELT zu berichten weiß, die die Sendung offensichtlich im Gegensatz zu mir gesehen haben.

Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt und AfD-Chef Alexander Gauland sind in der Talksendung „Maybrit Illner“ heftig aneinandergeraten. Klima, Flüchtlinge und die AfD-Spendenaffäre haben die Stimmung im Studio hochkochen lassen. 



Für einen kurzen Moment schien alles wie früher: Eine Grünen-Politikerin streitet mit einem CDU-Politiker mit harten Bandagen über den richtigen Umgang mit der Klimaerwärmung. Der Schlagabtausch zwischen Katrin Göring-Eckardt und dem Bundesvorsitzenden der Jungen Union, Paul Ziemiak, hätte so ähnlich auch vor zehn Jahren bei „Maybrit Illner“ stattfinden können. In einer Zeit vor Flüchtlingskrise und AfD.

Aber bei der Illner-Spezialausgabe am Donnerstagabend stand der Umbruch in der deutschen Parteienlandschaft auf der Agenda. Und so arbeiteten sich am Ende der Sendung symptomatisch dafür die gesamte Runde einmal mehr an Alexander Gauland ab. Und der AfD-Chef genoss die ihm entgegengebrachte Aufmerksamkeit sichtlich.

Hatte Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) eingangs noch angemahnt, die Politik müsse sich endlich wieder um aktuelle Sachthemen und nicht um sich selbst drehen, wurde letztendlich ernsthaft Björn Höckes „Mahnmal der Schande““-Spruch ein weiteres mal durchexerziert.

„Der Kampf um die CDU-Spitze tut dem Land gut“

Aber fangen wir vorne an: Die Sendung unter dem Titel „Neustart ohne Merkel – wer wird gewinnen und wer verlieren?“ war deshalb eine Spezialausgabe, weil sie als Rahmenhandlung von überdurchschnittlich vielen Experteneinschätzungen flankiert wurde. Den Anfang machten Frank Stauss und Dirk Metz. Die beiden Politikberater ordneten zu Beginn die aktuelle Lage der Parteien ein. Für die Union sieht Metz das Ende einer bleiernen Zeit gekommen: „Seit Merkels Ankündigung spürt man geradezu eine Aufbruchstimmung in der Partei. Der Kampf um die Parteispitze tut der Politik und auch dem Land gut.“

Stauss sah darüber hinaus das Problem, dass die eigentliche politische Arbeit zunehmend von symbolhaften Themen wie dem Konflikt zwischen Merkel und Seehofer und der Causa Maaßen überlagert werden. Das habe die Landtagswahlen in Bayern und Hessen nachhaltig beeinflusst. „Diese Themen hauen voll ins Kontor“, so Stauss. Und in Anspielung auf die Grünen und die AfD fügte er hinzu: „Alle, die daran nicht beteiligt sind, sind lachende Dritte.“

Bevor es zum Eklat mit Gauland kam, wurden im Schnelldurchgang alle relevanten politischen Themen dieser Tage abgehakt. Ziemiak drückte sich erwartungsgemäß um eine Einschätzung zu den drei Spitzenkandidaten für den CDU-Parteivorsitz herum, während Göring-Eckardt für sich und ihre Partei die Reform der Agenda 2010 reklamierte, die ja im Jahr 2018 schließlich nicht mehr zeitgemäß sei. 

„Volksparteien haben nicht mehr den ideologischen Rückhalt“

Trotz des Frontalangriffs auf die von Rot-Grün eingeführte Agenda ließ sich Giffey immer wieder leichtfertig das Wasser abgraben. Statt für die SPD zu kontern, verkörperte sie das Dilemma ihrer Partei. Auf fast jede Frage Illners reagierte sie floskelhaft damit, dass Politik ja irgendwie endlich mal wieder und sowieso und überhaupt die Sprache der normalen Menschen sprechen müsse und so weiter und so fort. Inhaltlich konkret wurde sie nie.

Wahlforscher Matthias Jung diagnostizierte als Hauptproblem der Volksparteien, dass sich die Gesellschaft über die Jahrzehnte verändert habe: „Die Orientierung der Union zur Mitte hin ist ein Versuch, in dieser Veränderung zu überleben. Wir haben immer mehr Parteien, weil die großen Volksparteien nicht mehr diesen ideologischen Rückhalt haben wie früher. Das ist ein ganz natürlicher Prozess.“

Beim Thema Klima stieg der Blutdruck dann zum ersten Mal richtig an. Während Ziemiak die Verhältnismäßigkeit von Fahrverboten und die Messwerte im Vergleich mit anderen Städten in der EU infrage stellte, meinte Göring-Eckardt das große Ganze: „Wenn wir über den Verkehr der Zukunft reden, dann reden wir nicht mehr über Autos.“ Damit rasselte sie erstmals so richtig mit Gauland aneinander. Der stritt zwar ab, den Klimawandel zu leugnen, er zweifelte jedoch an, dass Deutschland allein mit solchen Maßnahmen effektiv etwas ausrichten könne, und sprach von „Klimahysterie“.

„Sie tun nichts für die Leute“

Zum Finale inszenierte Illner dann den großen Knall um das Thema Flüchtlinge: Das sei ja schließlich das Gewinnerthema der AfD. Fürchte die sich vor einem CDU-Parteivorsitzenden wie Friedrich Merz, der ja eine deutlich restriktivere Gangart als Merkel vorgeben könne? Gauland zeigte sich demonstrativ gelassen. Die Probleme seien in der Union keineswegs ausdiskutiert und gelöst, und die SPD müsse sich endlich mal entscheiden, für wen sie Politik machen wolle: „Bei den GroKo-Verhandlungen war der Familiennachzug von Flüchtlingen die größte Sorge der SPD. Das interessiert keinen Facharbeiter bei Ford.“

Göring-Eckardt brachte das so richtig auf Betriebstemperatur. „Sie tun nichts für die Leute. Sie kuscheln mit Nazis und schüren Hass und Hetze“, grätschte sie dazwischen. „Wir werden das nicht zulassen.“ Während sie sich mit Gauland beharkte, versuchte Ziemiak die Gunst der Stunde zu nutzen. Die radikalen Positionen der Grünen und der AfD bei dem Thema würden beide nicht funktionieren. „Humanität und Recht und Ordnung gibt es nur mit der Union“, so Ziemiak.

Als die Spendenaffäre und die mögliche Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz debattiert wurden, schossen sich endgültig alle auf Gauland ein, was diesen einmal mehr in die komfortable Position des Underdogs brachte, der sich gegen ein vermeintlich übermächtiges Tribunal an Widersachern wehren müsste. Etwas mehr Gelassenheit wäre womöglich die cleverere Strategie gewesen.

Erschienen in der WELT




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