Donnerstag, 7. Dezember 2017

Abschieben, abschieben, abschieben... wenn der Pilot mitspielt...

von Thomas Heck...

In diesem Jahr konnten zahlreiche abgelehnte Asylbewerber wegen der Weigerung der Fluggesellschaft oder des Kapitäns nicht abgeschoben werden. Hunderte weitere Abschiebungen bei der Lufthansa scheiterten aufgrund von „Widerstandshandlungen“. Ein peinliches Fakt bei einer Aktiengesellschaft, wo der Staat immerhin 34% des Aktienkapitals hält. Diese Piloten gehören gefeuert oder die zu Abschiebenden in den Frachtraum verfrachtet. Im Abschiebecontainer...



In die meisten Herkunftsländer abgelehnter Asylbewerber darf Deutschland nicht per Charterflug abschieben. Die Ausreisepflichtigen werden daher meist in ganz normale Linienmaschinen gesetzt. Dabei kommt es aber schon seit geraumer Zeit zu Problemen. In diesem Jahr scheiterten bis Ende September 222 Abschiebungen an der „Weigerung der Fluggesellschaft/Flugzeugführer“; darunter die meisten an der Lufthansa (63) und ihrer Tochter Eurowings (22). Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linkspartei hervor.

Doch warum laufen so viele der teuren und aufwendigen Abschiebungsvorbereitungen durch die Weigerungen der Fluggesellschaften ins Leere?

Mehrzahl aller Rückführungen „komplikationsfrei“

Die Lufthansa teilte der WELT mit: „Vor jedem geplanten Boarding eines Abzuschiebenden verschafft sich der Flugkapitän im persönlichen Direktkontakt einen Eindruck, auf dem dann die Entscheidung basiert.“ Nur wenn der Eindruck entstehe, ein Abzuschiebender könne die Flugsicherheit beeinträchtigen, könne und müsse der Flugkapitän „im Rahmen seiner Verantwortung als Kommandant den Mitflug verweigern“. Die überwiegende Mehrzahl aller Rückführungen vollziehe sich aber „komplikationsfrei, ohne dass andere Fluggäste dies überhaupt bemerken“. Was an Handschellen und Fußfesseln auszusetzen ist, kann die Lufthansa offensichtlich nicht erklären.

Die für die Abschiebungen verantwortliche Bundespolizei sieht das etwas anders. Zwar übe der Flugkapitän die „Bordgewalt“ aus. Dabei komme es mitunter aber „zu Beförderungsausschlüssen, bei denen die Gründe für diese Entscheidung für die Bundespolizei nur schwierig nachzuvollziehen sind, da die Begleitung und gegebenenfalls die Fesselung des Rückzuführenden gerade den Zweck verfolgen, die Luftsicherheit zu gewährleisten“, teilte die Behörde der WELT mit.

Unter den 222 durch das Urteil der Piloten gescheiterten Abschiebungen sind noch nicht jene enthalten, in denen gesundheitliche Gründe im letzten Moment die Rückführung verhinderten. Das waren der Antwort der Bundesregierung zufolge noch einmal 87 bis Ende September.

Auch die wegen der Renitenz der Ausreisepflichtigen geplatzten Abschiebungen sind in der nun veröffentlichten Zahl noch nicht enthalten. Zusätzlich zu den Weigerungen der Piloten und den Spontanerkrankungen scheiterten 311 Abschiebungen „aufgrund von Widerstandshandlungen“, so die schriftliche Antwort der Bundesregierung. Darunter besonders viele Eritreer (37), Syrer (36) und Marokkaner (36). Bei den ersten beiden Nationalitäten handelte es sich ausschließlich um Dublin-Rückführungen, also Rückführungen innerhalb Europas. In beide Herkunftsländer wird aktuell nicht abgeschoben.

Doch wie heftig muss sich ein Ausländer wehren, um seine Abschiebung auf den letzten Metern zu verhindern? Der Bundespolizei zufolge gibt es bei den Widerstandshandlungen keinen „typischen Verlauf“. Ein Sprecher erklärte der WELT: „Je nach Einzelfall – abhängig auch von der Art und Ausprägung des Widerstands – kann es dazu kommen, dass die Maßnahme abgebrochen wird.“

Ist die Fixierung verhaltensauffälliger Abzuschiebender bis zur Landung in solchen Fällen der letzte Ausweg? „Was die Fesselung betrifft, müssen die entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen“, so die Bundespolizei. „In den wenigsten Fällen sind Rückzuführende beim Boarding gefesselt. Zudem ist auch eine Fesselung kein Garant dafür, dass die Maßnahme vollzogen wird.“ Zudem werden nicht alle Abschiebungen von der Bundespolizei oder anderen Sicherheitskräften begleitet. 6.806 der insgesamt 16.700 Abschiebungen auf dem Luftwege wurden laut Bundesregierung bis September unbegleitet vollzogen.

Deutscher Abschiebeflug in Kabul erwartet

Die Lufthansa, als größte und damit auch am häufigsten an Abschiebungen beteiligte deutsche Fluggesellschaft, war regelmäßig Protesten von Rückführungsgegnern ausgesetzt. Etwa kauften Abschiebungsgegner in der Vergangenheit pünktlich vor der Jahreshauptversammlung Aktien, um Zutritt zu bekommen und vor den versammelten Eigentümern gegen die aus ihrer Sicht unmenschliche Praxis zu protestieren. Der Lufthansa zufolge haben die Proteste aber abgenommen. „In der Vergangenheit war dies bei Hauptversammlungen zu beobachten; in jüngerer Zeit praktisch nie“, sagte ein Sprecher.

Für Donnerstag haben afghanische Behörden die geplante Ankunft eines Abschiebeflugs aus Deutschland bestätigt. Die Zahl der Passagiere sei unbekannt. Deutsche Flüchtlingsaktivisten hatten von etwa 20 Passagieren gesprochen. Das Bundesinnenministerium hat sich bislang nicht geäußert. Eine Abschiebung durch die Flugbereitschaft der Bundeswehr ist aufgrund der geringen Kapazitäten wohl ebenfalls nicht zu erwarten. Insofern war und ist die Maxime abschieben, abschieben, abschieben, wie Merkel es verkündete, obsolet...

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