Samstag, 9. Dezember 2017

Bürgschaft für Flüchtlinge: "Wenn ich das gewusst hätte..."

von Thomas Heck...

Selten hat man so deutlich den Unterschied zwischen einem Gutmenschen, der öffentlichkeitswirksam hilft um gut dazustehen, und einem guten Menschen, der um der Hilfe willen hilft, erkennen können wie dieser Tage. Und seltener habe ich diese Zeilen mit mehr Schadenfreude und lautschallendem Lachen in die Tasten gehämmert als hier. Verbunden mit der Hoffnung, dass das Beispiel Schule macht und der Staat diejenigen in Regress nimmt, die Steuergelder mit vollen Händen verausgaben wollten.

Die Verzweiflung steht William Eichouh in Gesicht geschrieben. Gerade hat er im Sitzungssaal 2 des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen in Münster erfahren, dass er als Bürge für zwei Flüchtlinge dem Jobcenter Gütersloh bis zu 30.000 Euro zahlen muss – rückwirkend. Ein gerechter Preis für die Gesellschaft.



„Das ist ein Drama“, sagt William Eichouh. Im Oktober 2014 hatte der 46-jährige Deutschsyrer für seinen Bruder und dessen Frau gebürgt, die kurz zuvor aus Syrien geflüchtet waren. In der Verpflichtungserklärung erklärte er sich bereit, für den Lebensunterhalt der beiden aufzukommen. „Mir wurde von einer Mitarbeiterin der Ausländerbehörde gesagt, dass ich nur solange zahlen muss, bis die beiden ihren Asylantrag genehmigt bekommen“, erzählt Eichouh. Im Februar 2015 war es soweit. Der Asylantrag der Flüchtlinge wurde anerkannt. Trotzdem forderte das Jobcenter Gütersloh weiterhin Geld: 1.700 Euro pro Monat.

„Bis mein Bruder und seine Frau im Februar 2015 ihre Asylbestätigung bekommen haben, habe ich alles gezahlt“, erzählt der Vater von drei Kindern vor dem Gerichtssaal. Doch mit der Annahme des Asylantrags stellte er seine Zahlungen ein.

Dann entschied das Bundesverwaltungsgericht im Jahr 2016, dass sich mit dem erfolgreichen Asylantrag der Aufenthaltszweck eines Flüchtlings nicht ändert. Davon war Eichouh aber ausgegangen. Er klagte seinerseits gegen das Jobcenter Gütersloh - mit Erfolg. Im Juni 2017 bestätigte das Verwaltungsgericht in Minden die Änderung des Aufenthaltszwecks und befreite Eichouh damit von seiner Zahlungspflicht. 37.500 Euro, die das Jobcenter mittlerweile verlangt, waren gelöscht. Aber er hatte sich zu früh gefreut.

Jetzt klagte das Jobcenter gegen die Entscheidung aus Minden vor dem Oberverwaltungsgericht. Und hatte am Freitag damit Erfolg. Das Jobcenter verlangte von Eichouh vor dem OVG rund 5.200 Euro für geleistete Sozialleistungen zurück. Mehr als 3.000 Euro davon muss er nach dem Urteil nun zahlen. Eichouh rechnet jedoch mit einer weit höheren Nachzahlung, denn das Urteil der Vorinstanz wurde komplett kassiert.

Damit stehen jetzt die vollen 37.500 Euro im Raum. Allerdings gewährt ihm das Gericht einen Rabatt: 350 Euro (2 mal 175) pro Monat für die Kranken- und Pflegeversicherungen der beiden Flüchtlinge darf er abziehen. Das macht über 22 Monate gerechnet 7.700 Euro weniger. Diese Zahlungspflicht besteht laut Gericht für eine Zeitraum von drei Jahren rückwirkend. Da Eichouh seine Zahlungen im Februar 2015 einstellte, geht es bei ihm um 22 Monate.

"Hätte ich das gewusst, hätte ich mich niemals darauf eingelassen" - Das ist der entscheidende Satz. Denn hier entscheidet sich, ob Eichouh ein guter Mensch oder ein Gutmensch ist. Letzteres ist der Fall. Hätte er seinen Bruder und dessen Frau in Syrien gelassen? War die Gefährdung für beide dann wohl doch nicht so evident? Oder ging es dann doch mehr darum, die beiden auf Kosten der Gesellschaft nach Deutschland zu holen, koste es was es wolle?

Der Kläger hatte seine Niederlage am Freitagvormittag schon kommen sehen. Denn in einem Verfahren, das unmittelbar vor seinem im gleichen Gerichtssaal stattfand, hatte ebenfalls ein Bürge gegen seine Zahlungsverpflichtung für einen Flüchtling geklagt, dessen Asylantrag schon genehmigt worden war. Das Gericht lehnte das ab und bezog sich auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts. Nur die Kranken- und Pflegebeiträge wurden ihm erlassen.

Dieselbe Regel wandte das Gericht auch auf Eichouh an. Der Deutschsysrer ist nach dem Urteil am Boden zerstört und sieht seine Existenz gefährdet. „Hätte ich gewusst, dass ich immer weiter zahlen muss, hätte ich mich niemals darauf eingelassen.“ Alleine die Schulden für sein Haus seien erdrückend. Da tröstet es wenig, dass der Richter noch im Gerichtssaal an die juristische Vertretung des Jobcenters appellierte, mit dem Bürgen eine gütliche Einigung zu finden.

Noch mehr ärgert sich Eichouh über den zweiten Ratschlag des Richters: Dieser empfahl seiner Anwältin, doch die Mitarbeiterin der Ausländerbehörde ausfindig zu machen, die damals die falsche Auskunft erteilt hatte, aufgrund der Eichouh seine Zahlungen eingestellt hatte. Mit ihr als Zeugin könnte sich das Verfahren für ihn vielleicht noch zum Guten wenden, riet der Richter.

Die Revision zum Bundesverwaltungsgericht hat das Gericht nicht zugelassen. Und manchmal geht man mit einem Lächeln nach Hause, wenn die Gerechtigkeit doch mal den richtigen Pfad findet.

1 Kommentar:

  1. ja ich lächle mit und denke mir, soll er die volle Verantwortung für seine Familienangehörigen übernehmen, wie sich das gehört. Und der Satz, dass er es nicht gemacht hätte in diesem Fall - würde vor allen Dingen mir als Familienangehörigen zu denken geben......ja eben guter Mensch: negativ!

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