Montag, 18. Dezember 2017

Panzer gleich einschmelzen... falsche Schriftart auf den Sitzen...

von Thomas Heck...

Eine typische Hysterie hat sich entfacht. Neudeutsch als Eklat oder Skandal bezeichnet ist es doch meist nur eine Inszenierung. Nun trifft es die Sachsen, die sich bei der Vorstellung ihres neuen gepanzerten Sondereinsatzfahrzeugs "Survivor R" mit Nazi-Vorwürfen konfrontiert sehen. So titelt der SPIEGEL:

"Survivor R"Aufregung um Sachsens neuen Polizeipanzer

Sachsens Polizei hat den ersten von zwei bestellten Panzerwagen bekommen. Wegen der Stickereien auf den Sitzen des "Survivor R" gibt es nun Ärger - das Innenministerium wehrt sich gegen den Vorwurf der "rechten Attitüde".



Das sächsische Innenministerium hat Vorwürfe zurückgewiesen, bei der Bestellung von zwei neuen Panzerwagen für die Polizei bewusst Stickereien für die Sitzbezüge ausgewählt zu haben, die an nationalsozialistische Zeiten erinnert.

Via Twitter wurden am Wochenende Fotos aus dem Inneren des Fahrzeuges geteilt, auf den Fahrzeugsitzen steht in Frakturschrift "Spezialeinsatzkommando". Unter einem Lorbeerkranz prangt in derselben Schriftart das Wort "Sachsen".


"Hübsches Logo! Fast wie früher ... fehlen nur Adler und Kreuz. Frage mich, wer sich so was ausdenkt heutzutage im Freistaat Sachsen", fragte ein Nutzer, der die Fotos früh in Umlauf brachte. Ein anderer fragte: "Hätte nicht gereicht 'Polizei Sachsen' und in einer zeitgemäßen Schrift?"

Das Innenministerium reagierte inzwischen auf die Fragen - und auf die Vorwürfe. "Das Fahrzeug wurde mit dieser Bestickung der Sitze vom Hersteller so ausgeliefert", heißt es auf dem offiziellen Twitteraccount. "Auch wenn die vom Hersteller gewählte Schriftart nicht dem Markenhandbuch entspricht: Darin ein Indiz für rechte Attitüde zu sehen, weisen wir entschieden zurück."


An dieser Erklärung hat sich aber bereits neue Kritik entzündet. Denn es gibt ein Video, das am Samstag vom Innenministerium veröffentlicht wurde und die offizielle Übergabe des ersten der beiden "Survivor R" an die Polizei Sachsen zeigt. "Insgesamt ist das Fahrzeug genau so, wie wir uns das vorgestellt haben", sagt darin Sven Mewes vom Landeskriminalamt Sachsen.


Der Rüstungskonzern Rheinmetall hat gemeinsam mit dem Lkw-Hersteller MAN den Panzerwagen vom Typ "Survivor R" entwickelt. Laut Hersteller ist das je nach Ausstattung mindestens 13 Tonnen schwere Fahrzeug gegen Beschuss und Sprengfallen gesichert.

Nun sind diese Vorwürfe vollkommen haltlos und höchstens auf ein typisches Vorurteil basierend. Es geht um folgende Schriftart:






Doch handelt es sich tatsächlich im eine Nazi-Schrift? Nachdem die Nazis in Deutschland die Macht übernommen hatten, galt fortan die Kunst der Moderne als entartet. Zahlreichen bekannten Schriftkünstlern wurde ein Arbeitsverbot erteilt. Hitler hatte "die durchgreifende moralische Sanierung des Volkskörpers" angekündigt und auch durchgeführt. Alle Bereiche des grafischen Gewerbes wurden in diese "Maßnahme" einbezogen. Zunächst erfolgte die Bücherverbrennung, bevor dann auch Verlage und Presse gleichgeschaltet wurden. Die gebrochenen Schriften sollten nun der Verbreitung der modernen Antiqua Einhalt gebieten. 


1933 erklären die Nationalsozialisten die Fraktur (gehört zu den gebrochenen Schriften) zunächst zu ihrer bevorzugten Schrift. Doch 1941 wendete sich plötzlich das Blatt, denn per Führerbefehl wurde ein NS-Rundschreiben erlassen, indem erklärt wurde, daß es falsch sei die sogenannte gotische Schrift als deutsche Schrift anzusehen. Als Motiv für einen derartigen Sinneswandel sah man die Verständigungsschwierigkeiten in den besetzten Gebieten an. Dort wurden erlassene Gesetze mit dem Hinweis missachtet, daß sie nicht gelesen werden konnten. 

Aus dieser Zeit haben die gebrochenen Schriften einen Schaden genommen, von dem sie sich auch über 50 Jahre nach Kriegsende noch nicht erholt haben. Der schlechte Ruf aus der Nazi-Zeit haftet an ihnen, so daß heute nur selten eine Fraktur eingesetzt wird. Zu häufig wird der Betrachter ungewollt durch den Anblick einer gebrochenen Schrift an das Dritte Reich erinnert.


Nationalsozialistische deutsche Arbeiterpartei 

Der Stellvertreter des Führers / München 33, z. Z. Obersalzberg, den 3.1.1941 


Rundschreiben (nicht zur Veröffentlichung) 

Zur allgemeiner Beachtung teile ich im Auftrag des Führers mit: 
Die sogenannte gotische Schrift als eine deutsche Schrift anzusehen und zu bezeichnen ist falsch. In Wirklichkeit besteht die sogenannte gotische Schrift aus Schwabacher-Judenlettern. Genauso wie sie sich später in den Besitz der Zeitungen setzten, setzten sie sich die in Deutschland ansässigen Juden bei der Einführung des Buchdrucks in den Besitz der Buchdruckereien und dadurch kam es in Deutschland zu der starken Einführung der Schwabacher-Judenlettern. 
Am heutigen Tage hat der Führer in einer Besprechung mit Herrn Reichsleiter Amann und Herrn Buchdruckereibesitzer Adolf Müller entschieden, daß die Antiqua-Schrift künftig als Normalschrift zu bezeichnen sei. Nach und nach sollen sämtliche Druckerzeugnisse auf diese Normalschrift umgestellt werden. Sobald dies schulbuchmäßig möglich ist, wird in den Dorfschulen und Volksschulen nur mehr die Normalschrift gelehrt werden. 
Die Verwendung der Schwabacher-Judenlettern durch Behörden wird künftig unterbleiben; Ernennungsurkunden für Beamte, Straßenschilder und dergleichen werden künftig nur mehr in Normalschrift gefertigt werden. 
Im Auftrage des Führers wird Herr Reichsleiter Amann zunächst jene Zeitungen und Zeitschriften, die bereits eine Auslandsverbreitung haben, oder deren Auslandverbreitung erwünscht ist, auf Normalschrift umstellen. 

gez. M Bormann



Und so löst sich auch dieser inszenierte Skandal weitestgehend in Luft auf. Ob das auch beim SPIEGEL ankommt, darf allerdings bezweifelt werden, wo eine Schriftart eine größere Aufregung auslöst, als die Terroranschläge, deswegen man solche Fahrzeuge überhaupt beschaffen muss.


Doch wie kann so ein Skandal entstehen. So konstruiert man einen angeblichen Nazi-Skandal bei der sächsischen Polizei: Man nehme den Schreiber eines linken Leipziger Stadtmagazins, lasse ihn das Logo des SEK der sächsischen Polizei in einem neuen Einsatzfahrzeug fotografieren und dann das ganze mit Geraune über dunkle Zeiten in den Sozialen Medien verbreiten. Man kann sicher sein, dass darauf ein medialer Flächenbrand folgt: Sachsen? Die Polizei? Gar noch das SEK? Ein Nazi-Logo? Muss stimmen, her mit der Geschichte! Doch wie gezeigt, alles Schall und Rauch. Leider nur passt diese historische Wahrheit nicht in das Narrativ vom naziverseuchten Sachsen, und deswegen las man auch nur an wenigen Stellen darüber. Selbst die Nachrichtenagentur dpa verzerrte die Tatsachen, indem es in einer Meldung schlicht hieß: „Fraktur fand zu Beginn des Nationalsozialismus als sogenannte deutsche Schrift vielfach Anwendung.“

Fazit: Die Geschichte vom naziverseuchten SEK-Logo ist eine bösartige Unterstellung. Es handelt sich nicht um einen Skandal – bei genauerem Hinsehen nicht einmal um eine „Geschichte“.

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