Dienstag, 11. Oktober 2022

Susi Sorglos erklärt das Kopftuch...

von Mirjam Lübke...

Etwas zum Protest gegen den Kapitalismus zu erklären, macht sich immer gut. Auch wenn ich keine Libertäre bin und durchaus sehe, welche Gefahren in einem kapitalistischen System für den Bürger bestehen, finde ich es doch recht abenteuerlich, jeden Missstand als eine Art Widerstand gegen den Konsum zu stilisieren. Ja, auch über den Konsum kann man ein Klagelied abstimmen, was er so alles mit uns anstellt oder wie wir ihm verfallen sind in Michael Endes "Momo" wird das schön dargestellt. Aber ein leeres Regal, dem noch nicht einmal die notwendigsten Dinge zu entnehmen sind, weil sozialistische Planwirtschaft die Befüllung vergeigt hat, ist sicherlich nicht die Lösung aller sozialen Fragen.
 


So wie es auch nicht die Antwort auf Frauenfeindlichkeit sein kann, jedes weibliche Wesen von Kindheit an bis zur Unkenntlichkeit zu verhüllen. Das ist einfach der Weg des geringsten Widerstands, getarnt als genialer feministischer Schachzug. So als würde man einem Mobbing-Opfer im Betrieb anraten, sich doch eine neue Stellung außerhalb zu suchen, anstatt sich die Schikaneure zur Brust zu nehmen, weil das ein unangenehmes Unterfangen ist, mit dem man sich unter Umständen bei einigen Mitarbeitern unbeliebt macht. Noch schlimmer wäre es nur noch, dem Opfer die Zahlung von Schutzgeld nahezulegen, damit es eine Weile Ruhe hat. Wir wissen, wie so etwas in der Regel ausgeht: Die Forderungen werden immer unverschämter. Und was ist das Tragen eines Kopftuchs anderes als die Zahlung von solchem Schutzgeld?

Betrachtet man die Lebensrealität vieler Frauen in muslimischen Ländern unter diesen Blickpunkt, wird schnell deutlich, wie sich das Korsett im Alltag täglich weiter zuschnürt. Es beginnt damit, ihnen zu erklären, sie könnten nur verhüllt sicher das Haus verlassen, um einzukaufen oder ihrem Beruf nachzugehen. In Ländern wie Afghanistan endet es damit, schlussendlich vollkommen zur Gefangenen der eigenen vier Wände zu werden: Ausschluss von höherer Bildung inklusive. Die Taliban brüsten sich damit, dass Mädchen nun immerhin die Grundschule besuchen dürfen, denn mit mehr Bildung könnten sie irgendwann die Ambitionen auf ein Studium entwickeln. Wie man hierin auch nur einen Hauch von Feminismus erkennen kann, bleibt schleierhaft. Und wer glaubt, das fände nur in der Ferne statt, irrt. Nach den Übergriffen in der Kölner Silvesternacht vor ein paar Jahren konnte man vielfach auch in Deutschland die Frage hören, was die Frauen denn dort zu suchen gehabt hätten. Selbst schuld.
 
Es war die Gender-Wissenschaftlerin Judith Butler, die dem Westen den Bären vom befreienden Kopftuch aufgebunden hat. Doch auch von Kopftuch-Influencerinnen aus arabischen Kreisen hört man Ähnliches. Durch die religiöse Uniformierung entzöge man sich der Sexualisierung, sagen sie und bringen als Argument etwa die Werbung mit leichtbekleideten Frauen im Westen ein. Oder Pornographie. Und wieder gilt: Dieses Problem besteht tatsächlich, aber Verhüllung ist nicht die Lösung. Im Gegenteil: So wird die Vorstellung, Frausein wäre etwas Anrüchiges und Schmutziges, erst recht betoniert. Es fehlt jedes vernünftige Mittelmaß, vom Sexualobjekt soll die Frau zum unsichtbaren Neutrum werden. Das gilt ebenso für Schönheits- und Jugendwahn, da kommen wir vom Regen in die Traufe, ein Zwang wird durch einen anderen ersetzt.
 
Bei den Protesten im Iran soll es angeblich nur um die Frage der Freiwilligkeit gehen - die Islamapologeten scheinen über das Fühlen und Denken der Iranerinnen besser informiert zu sein als diese selbst. Sie reißen sich die Verhüllung reihenweise vom Kopf und riskieren Leib und Leben - doch angeblich hat das nichts mit der Religion zu tun. Auch Annalena Baerbock, angeblich Verfechterin einer feministischen Außenpolitik, übt sich im politisch-korrekten Spagat: Natürlich verurteilt sie die Gewalt gegen die Demonstrantinnen, aber zum Kern des Problems stößt sie nicht vor. Aber gerade der Iran ist seit dem Putsch der Mullahs und Ayatollahs der größte Motor der radikalen Islamisierung.
 
Unsere Bundesregierung - auch die vorherige - beweist im Bezug auf den Iran immer wieder ihre Doppelmoral in ethischen Fragen. Ich erinnere nur an Steinmeiers Gratulationen zu jedem Jahrestag der "islamischen Revolution" oder Heiko Maas und den Handel mit Nukleartechnologie, den er entgegen aller Warnungen weiter vorantrieb. Obwohl er wusste, dass die Mullahs an der Entwicklung einer eigenen Atombombe forschen lassen. Claudia Roth, die sonst in jedem Mauseloch Nazis lauern sieht, kuschelt dort mit Antisemiten und Holocaust-Leugnern.
 
Selbst wenn man sich auf die Position zurückzieht, wir hätten uns nicht in die internen Angelegenheiten des Iran einzumischen, so mischt sich der Iran längst in Deutschland ein, und wenn es "nur" über die Finanzierung von Lobbygruppen oder anti-israelischen Demonstrationen geschieht. Mit anderen Worten: Die Mullahs haben bei uns schon einen Fuß in der Tür. Schon jetzt ist es in den hier lebenden Parallelgesellschaften nur noch schwer festzustellen, ob Frauen ihr Kopftuch freiwillig tragen - entweder als Teil ihrer Tradition oder weil sie bereits indoktriniert wurden - oder ob es sozialer Druck ist, der sie dazu nötigt. Man sieht in manchen Vierteln bereits deutlich weniger muslimische Migrantinnen mit unbedecktem Kopf als noch vor ein paar Jahren. Das Kopftuch ist auch hier längst ein Politikum und eine Art Uniform der "Rechtgläubigen".
 
Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht, wie man diesen Knoten noch auflösen kann. Die Liberale in mir lehnt es ab, sich in Religionsfreiheit und Kleidervorschriften einzumischen - zumindest in das Privatleben muslimischer Familien, so lange keine Gesetze verletzt werden. Dort wo Scharia und deutsches Recht kollidieren, darf der Scharia nicht der Vorzug gegeben werden. Aber es ist sicher nicht zuviel verlangt, dem "organisierten" Islam genau auf die Finger zu schauen. Das würde man bei jeder anderen Interessengruppe auch tun - wieso ist man also gerade hier so zurückhaltend? Vielleicht deshalb, weil die Lobbyisten bei Tee und Baklava schon ganze Arbeit geleistet haben.


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