Sonntag, 16. Oktober 2022

Tomatensuppe für das Klima!

von Mirjam Lübke...

Warhol trifft van Gogh? Mitnichten - die Tomatensuppe war real und landete auf den berühmten Sonnenblumen. Zum Glück befand sich eine Glasscheibe vor dem Gemälde, aber wir ahnen: Wäre das Bild ungeschützt gewesen, so hätte dies unsere Klimaaktivisten keineswegs von ihrem Tun abgehalten. "Aber es gab doch eine Glasscheibe!", führen die Verteidiger der Aktion ins Feld und finden es offenbar ganz normal, in einer Kunstgalerie Vandalismus zu betreiben.
 


Die Liga der Dauerempörten - so etwa Jan Böhmermann und Luisa Neubauer - bezeichnet die Tat ebenfalls als harmlos - schließlich geht es um die Rettung des Planeten, da müssen Opfer gebracht werden! Welcher Kausalzusammenhang zwischen van Gogh und dem Klimawandel besteht, erschließt sich mir nicht. Zu seinen Lebzeiten besaß der Künstler bekanntlich nicht viel, noch nicht einmal ein Kohlekraftwerk. Arbeiteten wir ähnlich propagandistisch wie die "Guten", müsste die Schlagzeile lauten: "Öko-Terroristen attackieren Werk eines psychisch erkrankten Malers. Wie steht die Szene zur Inklusion?" Oder: "Im Sudan hungern Menschen - hier wird mit Suppe randaliert. Herzlos!"
 
Tatsächlich habe ich meinen Empörungsknopf gesucht, aber eigentlich bin ich nicht empört, sondern komplett ratlos. "Was soll der Mist?", dachte ich und wunderte mich, wie leicht es ist, auch unsere sogenannte kulturelle Elite zur Rechtfertigung von Straftaten zu bringen, wenn nur das Motiv "richtig" ist. Und unsere Klimafreunde verfügen mittlerweile über ein gutbestücktes Kerbholz: Abseilen von der Autobahnbrücke, Ankleben auf der Straße und in letzter Zeit eben zunehmender Vandalismus an Kunstwerken. Sie riskieren mithin schwere Unfälle, blockieren Arbeitnehmer und Krankenwagen - und legen es auf die Zerstörung schöner Dinge an, die mit Mühe erschaffen wurden. Solcherlei Aktionen waren noch nie dazu angetan, außerhalb der eigenen Blase Sympathien zu wecken und wirken daher wie ein Initiationsritus vor den eigenen Leuten: "Wenn ihr zum Kreis des Vertrauens gehören wollt, dann müsst ihr euch schon was trauen!" Romani ite domum - willkommen in der judäischen Volksfront!
 
Angeblich soll auf Missstände aufmerksam gemacht werden - steht man dabei auf der "falschen" Seite, wird einem schon die Teilnahme an einer friedlichen Demonstration zum Verhängnis. Aber hier greifen die üblichen Doppelstandards: Der Aktivist als moderne Reinkarnation von Robin Hood. Der war zwar strenggenommen auch ein Straftäter, hat seine Beute aber unter den Armen verteilt. Umweltaktivisten hingegen verbreiten lediglich Ärger. Die Chinesen, welche weltweit am meisten Abgase in die Luft pusten - dafür aber fleißig Elektroautos bauen - dürfte das nicht die Bohne interessieren.
 
Wenn Klimaaktivisten ihren Protest auf die Straße tragen möchten, so haben sie dazu die gleichen Möglichkeiten wie alle anderen Bürger auch. Zu den gleichen Regeln. Den Presse-Bonus haben sie ohnehin auf ihrer Seite, positive Berichterstattung garantiert. Unser Planet hat allerdings schon zu viele herbeigeunkte Untergänge überstanden, um daraus die Legitimation für tatkräftigen Extremismus abzuleiten. Zumal über diese Legitimation ohnehin der Mainstream entscheidet, der doch angeblich Ziel des Appells ist. In Wahrheit hat dieser Mainstream entschieden, dass der Rest der Gesellschaft durch solche Aktionen eingeschüchtert werden darf. Das hat zudem den Vorteil, sich nicht selbst die Hände schmutzig machen zu müssen: Die Jugendlichen dürfen vor Gericht auf Milde hoffen, man kann sie vorschicken, um das zu erledigen, wovon man zwar träumt, es aber nicht umsetzen kann, ohne sein bequemes Leben zu riskieren.
 
Mit der Begründung "es ist doch nur Tomatensuppe und man kann es wieder saubermachen" ist es zudem nicht getan. Wenn ich an die Tür der Kölner Zentralmoschee einen Schwarzwälder Schinken hänge, um gegen den Muezzinruf zu protestieren, dürfte ich - zurecht - auf weniger Verständnis stoßen, obwohl dies ebenfalls keine bleibenden Schäden hinterlässt. Man wird argumentieren, ich hätte religiöse Gefühle verletzt. Dagegen können die Gefühle von Kunstfreunden nicht anstinken - zumindest nicht, wenn es sich um klassische Kunst handelt.
 
Wieder einmal sind es die Doppelstandards, die den eigentlichen Grund zur Empörung bieten. Das Versammlungsrecht der Bürger basiert schließlich auf der Grundannahme, die Proteste würden gewaltfrei ablaufen. Doch die Entscheidung darüber, was Gewalt ist, wird nach politischem Gusto gefällt: Ein "Querdenker", der einem Journalisten in einem leicht aufgebrachten Tonfall eine Frage stellt, wird zur Bedrohung der Pressefreiheit aufgebauscht, Nötigung durch Blockade ist hingegen legitim.



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