Montag, 24. Oktober 2022

Todesfalle Buchmesse!

von Mirjam Lübke...

Die Angst geht um auf der Frankfurter Buchmesse: Immer wieder kommt es zu mysteriösen Todesfällen, vor allem im Bereich der Ausstellungsstände der "Jungen Freiheit", des Antaios-Verlages oder ähnlicher dubioser rechter Publizierender. Journalistin Franziska Müller-Wiesenschön hatte sich lediglich ein wenig inkognito umsehen wollen, welche Hetzliteratur in diesem Jahr angeboten würde. Noch entsetzt über ein Kinderbuch gebeugt, in dem lediglich Jungen und Mädchen, aber kein non-binärer Nachwuchs dargestellt wurden, sah sie sich plötzlich dem lächelnden Gesicht eines Mitarbeiters ausgesetzt, der ihr Hilfe bei der Auswahl eines Buches anbot - ihr Erstkontakt mit einem Nazi! Sie verstarb gleich vor Ort an einem Herzinfarkt, darauf hatte man sie mental nicht vorbereitet. Es geht das Gerücht, dass die eingeleiteten Erste-Hilfe-Maßnahmen ihr Weltbild massiv erschütterten und ihrem zarten Herzen den Todesstoß versetzten.


 
Immer wieder hört man auch von Black-Lives-Matter-Aktivistinnen, die zwischen den Ständen spurlos verschwinden. Die Auswirkungen von empfundenen Mikroaggressionen sind noch nicht genügend erforscht, aber im letzten Jahr löste sich die PoC-Autorin Jasmin Kuschke-Motombe zehn Meter vom Stand des Jungeuropa-Verlages einfach in Luft auf. Von einer Sekunde auf die andere. Mit Kleidung, iPhone und einem Exemplar ihres neu erschienenen Buches "Rassistische Esskultur - Warum Deutsche kein Schokoladeneis mehr essen sollten. Eine postkolonialistische Abrechnung". Nach diesem Zwischenfall schossen die Verkaufszahlen des bisher mäßig verkauften Werkes durch die Decke. Wer hätte so etwas ahnen können? Haben die rechten Autoren eventuell heimlich Fallgruben auf dem Gelände angelegt?
 
Aber einmal im Ernst: Selbstverständlich können einen auch irrationale Ängste furchtbar niederdrücken. Bei mir ist es eine bestialische Höhenangst, die etwa 20 Zentimeter über dem Fußboden einsetzt. Wenn dann noch eine leichte Elastizität des von mir betretenen Objekts der Angst vorliegt, wie etwa auf einer Holzbrücke, verfalle ich in stumme Hysterie und meine Füße scheinen festgeklebt zu sein. Dann suche ich mir auch schon einmal Hilfe. Etwas anderes wäre es, wenn diese Notsituationen nur in Gegenwart attraktiver Männer aufträten, bei denen ich mich vertrauensvoll an den Arm hängen kann. "Fräulein in Not" ist trotz aller Emanzipation ein dem männlichen Geschlecht schmeichelnder Trick. Unsere "Aktivistinnen", so etwa Jasmina Kuhnke ("Quattromilf") und Luisa Neubauer heben die Methode auf eine neue Ebene: Während die Normalfrau damit lediglich Bienen an den Honigtopf locken will, wird hier wieder einmal moralischer Terror betrieben. Nachdem man den angeblich oder tatsächlich rechten Verlagen juristisch nichts anhaben konnte und auch die Messeleitung sie immerhin am Katzentisch sitzen lässt, wird eben auf die Tränendrüse gedrückt. Das wirkt nebenbei auch noch verkausfördernd.
 
Zugegeben: Meinungsfreiheit tut manchmal weh. Da kommt einiges auf den Tisch, was man nicht hören möchte. Es fängt schon damit an, dass es offenbar "Rechte" gibt, die des Lesens und Schreibens fähig sind und damit sogar ganze Bücher zu füllen vermögen. Dann nehmen sie sich auch noch einiger Themen an, welche Linke und Grüne für sich reklamiert haben, der sozialen Frage etwa. Und des Umweltschutzes. Eine Kooperation um der Sache willen ist den Meinungsmachern ein Dorn im Auge, das sieht man auch an den Straßenprotesten gegen die hohen Energiepreise: Anstatt gemeinsam dagegen zu protestieren, will man sich die abtrünnigen Wähler zurückholen.
 
Mir gefällt auch nicht alles, was von rechts publiziert wird - ganz rechts macht sich zum Beispiel eine gewisse Islamromantik breit, die ihre Wurzeln irgendwo zwischen dem Nationalsozialismus und Karl May findet. Auch Martin Lichtmesz möchte ich für seine Aussagen über Israel manchmal gern einen Kinnhaken verpassen ("Israel ist ein Apartheid-Staat, darüber brauchen wir nicht zu diskutieren!"). Die Ironie dabei: Er übernimmt haargenau die Formulierungen linker antisemitischer Gruppen - das wiederum findet ein Teil von mir saukomisch - und ist ähnlich diskussionsbereit: Gar nicht. Und gerade das verstehe ich nicht. Wenn jemand eine andere Meinung hat als ich, weckt das in mir nicht das Bedürfnis, diese zu verbieten, sondern nun erst recht eine Diskussion anzufangen. Vielleicht sogar auch einen handfesten Streit, in der Hoffnung, den anderen irgendwie zu erreichen.
 
Luisa Neubauer hat im Moment ebenfalls das Problem, unangenehmen Debatten um ihr neuestes Buch "Gegen die Ohnmacht" ausweichen zu müssen, das sie mit ihrer Großmutter verfasst hat. Nun kann man ihr selbst natürlich nicht die Untaten des Reemtsma-Unternehmens im Nationalsozialismus anlasten, das wäre ebenfalls Heuchelei. Aber mit diesem Buch betreibt sie auch das, was in ihren ideologischen Kreisen als "Whitewashing" bezeichnet wird, indem sie den Eindruck vermittelt, ihre Familie sei schon immer "irgendwie im Widerstand gewesen". Das hingegen hat ein ziemliches Geschmäckle. Vielleicht sollte sie sich erst einmal der Geschichte ihrer Familie stellen, bevor sie andere bezichtigt, das "Vierte Reich" per Buchverkauf herbeiführen zu wollen.
 
Übrigens haben auch viele Menschen Angst davor, dass sich die Klimaproteste weiter radikalisieren könnten, die schon jetzt eine sehr reale Nötigung und Bedrohung im Straßenverkehr darstellen. Oder auch nicht davor zurückschrecken, Kunstwerke zu beschädigen. So lange uns in den Medien mitgeteilt wird, wir hätten so etwas um der guten Sache willen zu ertragen, werden die Luisas und Jasminas Deutschlands wohl auch damit zurechtkommen müssen, dass jemand andere Bücher schreibt als sie. Erwachsene Frauen rufen wegen so etwas nicht nach dem Ritter auf dem weißen Pferd - sie können Andersdenkende auch mal aushalten.



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