Dienstag, 22. November 2022

Was machen wir nun mit Katar?

von Mirjam Lübke...

Das ist ein echtes Dilemma: Soll ich mich nun aus Trotz dafür aussprechen, dass die "Mannschaft" mit Regenbogen-Armbinde im Stadion aufläuft, obwohl ich den Rummel um die LGBTQ-Bewegung - habe ich einen Buchstaben vergessen? - selbst als äußerst unangenehm empfinde? Oder mich für die Empfindsamkeiten der Bewohner Katars aussprechen, welche die Scharia über die Selbstbestimmung der Menschen stellen? Es ist wieder einmal eine Situation, in der sich zwei Extreme gegenüberstehen, und keins von beiden duldet eine Abweichung von der eigenen Agenda. Zudem stößt mich die Feigheit eines Fußball-Stars ab, der um der Mode willen in Deutschland Werbung für das Regenbogen-Wunderland macht, aber dann bei der Androhung der winzigsten Sanktion einknickt.
 

Man hat Manuel Neuer mit einer gelben Karte gedroht! Dahinter muss das Engagement für die Gerechtigkeit schon einmal zurückstehen - die Revolution scheitert an einem bunten Zettel. Das kann die gebeutelte Fußballerseele nicht ertragen! Während die Iraner tapfer ihren Diktatoren die Hymne verweigerten - was derzeit die Todesstrafe nach sich ziehen kann - hat Neuer Angst vor einem Eintrag ins Klassenbuch. Und dabei sollte er noch nicht einmal eine richtige Regenbogen-Armbinde tragen, sondern nur etwas ähnliches. Gegen Ungarn ließ es sich gut auftrumpfen, das Stadion wurde bunt angeleuchtet, weil Victor Orban ein Gesetz gegen LGBTQ-Propaganda und Pornographie in den Schulen des Landes erlassen hatte. Es ging hierbei nicht darum, erwachsenen Menschen ihr gleichgeschlechtliches Liebesleben zu vermiesen, sondern um Jugendschutz. Der Christopher-Street-Day kann weiterhin unbehelligt stattfinden, und niemand hat vor, Homosexuelle ins Gefängnis zu befördern.
 
Das sieht in Katar bekanntlich anders aus, in anderen islamischen Ländern droht gar die Todesstrafe. Schon während der Vorbereitung zur dortigen WM machte sich allerhand Doppelmoral breit: Von der Pro-Palästina-Front, die Israel bei jeder Gelegenheit beschuldigt, Palästinenser zu diskriminieren, hörten wir keinen Mucks über das Schicksal der palästinensischen Gastarbeiter, die beim Stadionbau unter übelsten Bedingungen schuften mussten. Es klebte sich auch kein Klimaschützer an die riesigen Lüftungsdüsen, durch die mit hohem Energieaufwand ein kühler Wind für Spieler und Publikum ins Stadion geblasen wird. Vielleicht rechnet man das Katar als Maßnahme gegen die Erderwärmung an? Wenn man die Anlage voll aufdreht, kann man wahrscheinlich die gesamte Golf-Region in ein Wintersportgebiet verwandeln. Eisbären in Saudi-Arabien und Pinguine in Dubai - das wäre doch was!

Andererseits ist da die lärmende Aufdringlichkeit der LGBTQ-Bewegung, rund um alles, was sich "queer" nennt, die mittlerweile auch gestandenen Schwulen und Lesben auf die Nerven geht, die einfach nur in Ruhe mit ihren Partnern zusammenleben wollen. In vielen Punkten hat die Bewegung inzwischen selbst die Grenze zur Einschränkung der sexuellen Selbstbestimmung überschritten - natürlich immer unter dem Vorwand, eben jene gewährleisten zu wollen. Allerdings wird inzwischen ernsthaft darüber diskutiert, ob es transphob ist, wenn ein heterosexueller Mann nicht mit einer Transfrau schlafen will, die untenherum noch ihre volle männliche Ausstattung besitzt. Wo bleibt da die Selbstbestimmung des heterosexuellen Mannes? Ebenso ergeht es Frauen, die sich in der Umkleidekabine nicht vor Transfrauen ausziehen möchten. Noch schlimmer ist nur noch das Bestreben von Teilen der Bewegung, Pädophilie als legitime sexuelle Spielart anzuerkennen. Da haben die Opfer sexueller Gewalt Jahrzehnte darum gekämpft, dass endlich das Schamgefühl von Frauen und Kindern respektiert wird und Übergriffe nicht mehr als Kavaliersdelikt angesehen werden - und kaum hängt sich jemand ein buntes Fähnchen um, soll das alles hinweggefegt sein. Das kann man nur noch als schamlos bezeichnen.

Im Grunde sind also die religiös beförderte Intoleranz in islamischen Ländern und der Toleranzzwang durch die queere Bewegung die beiden Seiten derselben Medaille. Es geht hier längst nicht mehr um das legitime Recht, das Eigene zu leben, sondern um massiven Druck auf alle Andersdenkenden. Ja, es ist feige, wie schnell der deutsche Fußball seine Solidarität mit dem Regenbogen über Bord geworfen hat, nachdem man sich in Deutschland werbewirksam damit brüstete. Andererseits ist es auch überlegenswert, ob die Bewegung in ihrer jetzigen Form noch unkritisch unterstützt werden sollte. Aber eben das war nicht die Motivation von Manuel Neuer - er hat sich lediglich einer anderen Ideologie unterworfen. Wegen einer gelben Karte - was müssen die iranischen Spieler darüber denken, die nach ihrer Rückkehr wahrscheinlich sofort ins Gefängnis gesteckt werden?




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