Samstag, 5. November 2022

Die heile Klimawelt ist wieder hergestellt!

von Mirjam Lübke...

Beim Lesen dieses Berichts meldete sich in meinem Kopf sofort der Comedian Atze Schröder zu Wort. Nicht, weil es etwas Lustiges zu lesen gab, sondern weil er auf so unnachahmliche Weise "Ja nee, is klar!" sagen kann. Das ist Ruhrpott-Deutsch und bedeutet so viel wie "Das musste so kommen. Den Bären könnt ihr jemand anderem aufbinden!". Ob es ein Bär ist oder die Wahrheit, vermag ich nicht zu sagen, jedenfalls verkündete die Süddeutsche Zeitung frohlockend, eine Notärztin habe bestätigt, dass es keinen Zusammenhang zwischen dem Tod der in Berlin überfahrenen Radfahrerin und der Straßenblockade durch die "Letzte Generation" gegeben hätte. Das im Stau feststeckende Spezialfahrzeug wäre vor Ort ohnehin nicht gebraucht worden. Das mag sich tatsächlich so zugetragen haben - allerdings hat die Glaubwürdigkeit der Medien inzwischen zu stark gelitten, um nun erleichtert aufzuseufzen: "Oh je, die armen Aktivisten wurden fälschlich beschuldigt!"


Denn unsere Medien haben längst die Funktion übernommen, die Fronten in solchen Konflikten wieder geradezurücken. Als im Mai 2020 George Floyd bei einem Polizeieinsatz ums Leben kam, galt es, die Täter-Opfer-Hierarchie streng einzuhalten. Ein weißer Polizist tötet einen Schwarzen, in diesem Fall ist es nicht opportun, die Begleitumstände aufzuklären, etwa den Drogenkonsum Floyds oder seine kriminelle Vorgeschichte. All das hätte Derek Chauvin, der wegen Totschlags angeklagt wurde, entlastet - musste er etwa zur Eigensicherung so hart durchgreifen, wie er es tat? Diese Frage durfte im Hinblick auf den Druck von der Straße nicht beantwortet werden. Im Falle der Berliner Aktivisten - man könnte sie auch weniger freundlich "Öko-Terroristen" nennen - war das genaue Gegenteil zu erwarten: Eine schnelle Entlastung von den Vorwürfen, auch ohne genaue Untersuchungsergebnisse abzuwarten. Wir sind dabei mit einer Gemengelage konfrontiert, in der sich die Sympathie für eine beteiligte Seite mit dem Willen, die Wogen zu glätten, untrennbar vermischt. Nur nicht die Stimmung zu Ungunsten der "Guten" kippen lassen. Warum aber hatte dann ein Sprecher der Feuerwehr noch kurz vorher geäußert, wie hart es sei, nicht helfen zu können, weil ein benötigtes Fahrzeug in einem künstlich erzeugten Stau feststeckte? Offenbar verlassen sich die Medien darauf, dass ihre Nutzer über ein extrem schlechtes Erinnerungsvermögen verfügen.
 
Um es einmal klarzustellen: Es geht nicht darum, den Klima-Aktivisten das Recht auf eine sachliche Klärung der Rechtslage abzusprechen. Genau das hatte Berlins Bürgermeisterin Franziska Giffey gefordert: Den Vorfall juristisch abzuklären. Egal, was man von Frau Giffey halten mag, das klingt erst einmal nach einer fairen Vorgehensweise. Prompt eröffnete Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann - die sich nach eigenem Bekunden abends mit dem Fahrrad nicht mehr durch ihr eigenes Viertel traut - das Feuer: Sie warf Giffey vor, den Aktivisten etwas anhängen zu wollen, weil sie die Bewegung nicht möge. Deren Aktionen stehen offenbar für Herrmann über jeglichem Gesetz.
 
Das sieht die Staatsanwaltschaft anders, inzwischen sind über 730 Verfahren gegen einen Teil der Aktivisten eingeleitet, vor allem wegen Sachbeschädigung und Nötigung. Meist gehen diese Verfahren sehr glimpflich aus, denn bislang sympathisierten viele Richter mit den Zielen der Beklagten. Wird tatsächlich einmal ein Teilnehmer einer Klebedemo in Arrest gesteckt, ist das Klagen und Jammern groß. In den sozialen Medien werden die Betroffenen präsentiert, als würden sie bei Wasser und Brot in Guantanamo verschmachten. Wir haben erste Märtyrer! Seht, wie sehr wir uns für den Planeten engagieren!
 
Mit der Ausweitung der Aktionen begann allerdings auch die Sympathie für die selben zu schwinden. Wenn man sich anschaut, welchen Aufruhr die Medien um die Proteste von Querdenkern machen, die lediglich das reguläre Versammlungsrecht jeden Bürgers nutzen, wurde über die Klimaaktivisten mit sehr viel Milde berichtet. Da ihnen anfänglich hauptsächlich Autofahrer zum Opfer fielen, waren die Rollen von Gut und Böse schnell verteilt - die arbeitende Bevölkerung sollte sich nicht so anstellen. Erst als die "Letzte Generation" anfing, Kunstwerke mit Lebensmitteln zu bewerfen, wuchs der Protest - zur Rettung des Planeten gab es keinerlei Zusammenhang mehr. Die Töne der Apologeten wurden schriller, selbst Journalisten ließen sich darüber aus, dass der Weltuntergang bevorstehe und ein paar van Goghs und Vermeers da schon geopfert werden dürften. Das Unrechtsbewusstsein tendiert gegen Null. Das merken zunehmend auch die Bürger, zumal der Umgangston einiger Aktivisten recht dreist ist. Da ist kein Entgegenkommen zu erwarten.
 
Muss die Presse also die Aufgabe übernehmen, sich zum Advokaten der Höllen-Kids zu machen? Von diesen werden wir keine Entschuldigung hören, die über wohlfeile Worte des Bedauerns hinausgehen, wenn jemand zu Schaden kommt. Dass junge Menschen bei ihrem Protest über die Stränge schlagen und von der Richtigkeit ihres Tuns fanatisch überzeugt sind, ist nichts Neues - da müssen wir uns nur daran erinnern, wie wir selbst in diesem Alter gedacht haben. Neu ist allerdings, wie unkritisch Medien und Politik dem Spektakel begegnen und sich damit gemein machen. Das hilft natürlich, um die politische Agenda vom "menschengemachten Klimawandel" zu zementieren und trifft sich gut mit den eigenen Interessen. Deshalb werden wir uns auch in Zukunft darauf verlassen können, dass die Medien nach jedem gefährlichen Vorfall die heile Welt wieder herstellen - zumindest für die Aktivisten. Die realen Probleme - Energiemangel und Verarmung - geraten rasch aus dem Zentrum des Interesses, und das ist genau so gewollt.




Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen