von Mirjam Lübke...
Da staunen die Rothschilds, die Grünschilds und die Blauschilds: Ex-Ministerin Schröder und Comedian Dieter Nuhr sollen plötzlich glühende Antisemiten sein! Angeblich haben sie sich des "Dogwhistling" schuldig gemacht, als sie über die Machtverhältnisse bei der Meinungsbildung in der heutigen Gesellschaft sprachen. Über Minderheiten, welche den Kurs der Medien bestimmen und Eliten, die massiven Einfluss auf die Politik ausüben. Wer könnte damit wohl gemeint sein? Die üblichen Verdächtigen, sprechen wir es aus, die Juden? Oder haben eventuell die empörten Ankläger die Hundepfeife nur gehört, weil sie selbst - ob willentlich oder unwillkürlich - in ihrem Kopf den Zusammenhang zwischen den Begriffen "Verschwörung" und "Jude" hergestellt haben? Die jeweilige Situation bedarf heutzutage einer genauen Analyse, man kann es im Dschungel der allgemeinen Empörung längst nicht mehr ausmachen, an wen hier eine Schuldzuweisung zu richten ist. Denn Fakt ist auch: In Deutschland wiegt der Vorwurf des Antisemitismus schwer. Je nachdem, zu welcher gesellschaftlichen Gruppe man gehört, wird man ihn entweder so schwer wieder los wie einen Kaugummi am Schuh - oder er perlt an der gutmenschlichen Teflonhülle einfach ab.
Ich gebe es zu: Wenn man als Jude die Begriffe "Eliten", "Medienmacht" oder "Verschwörung" hört, gehen tatsächlich erst einmal sämtliche Alarmlampen an, denn man kennt die Ressentiments, die gegen die eigenen Leute ins Feld geführt werden, in- und auswendig. Es entringt sich einem ein Seufzer und die Augen beginnen zu rollen: "Nicht schon wieder!" Mit einem Taxifahrer nahöstlicher Herkunft verbrachte ich eine halbe Stunde der Diskussion darüber, ob die Aldi-Brüder Juden seien, für ihn war klar: "Wer viel Geld hat, ist einer!" Da haut ein Mensch, der einem noch nicht einmal unsympathisch ist, plötzlich so eine Aussage heraus. Und weil er eben nicht unsympathisch ist, fängt man nicht gleich ein großes Geschrei an, sondern versucht es erst einmal mit der erschreckenden Wahrheit, zum Beispiel mit dem Hinweis auf den eigenen Kontostand.
Wir haben also folgende Ausgangslage: Es gibt tatsächlich Menschen, die an die große jüdische Verschwörung glauben, die hinter jedem Unheil in der Welt steckt, allerdings ist dieser Glaube nicht an eine politische Ausrichtung geknüpft, auch nicht an den Bildungsgrad oder das Einkommen des Gläubigen. Was der eine eher plump äußert, verpackt der Intellektuelle geschickter, gehört er darüber hinaus dem eher linken Spektrum an, wird er noch einen Tarnmantel des "Kampfes gegen Kolonialismus und Imperialismus" darüber legen. Man mag Dieter Nuhr einen Scheinrebellen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nennen, aber derlei Tendenzen habe ich bei ihm bisher nicht festgestellt. Bei Claudia Roth allerdings schon, wer ihr seinen Antisemitismus als postkoloniale Kunst andreht, findet ein offenes Ohr - das haben wir einmal wieder bei der diesjährigen "documenta" gesehen. Da steht der antisemitische Elefant im Raum und keiner will ihn gesehen haben.
Dieser Elefant befindet sich auch im Raum, wenn es um importierten Antisemitismus geht. Und hier reden wir nicht über irgendwelche Biergarten- oder Facebook-Theorien, sondern eine buchstäblich handfeste Gefahr. In Deutschland kommt es durch diese importierten Antisemiten immer häufiger zu tätlichen Angriffen auf Juden, die irgendwie als solche zu erkennen sind, sei es durch das Tragen einer Kippa oder orthodoxer Kleidung. Da fliegt auch schon einmal ein Brandsatz auf eine Synagoge oder auf Demonstrationen wird gar allen Juden der Tod gewünscht. In unserem Land gibt es mächtigen Aufruhr, wenn es irgendwo zur "Relativierung des Holocaust" gekommen sein soll - etwa durch das Tragen eines sogenannten Impfsterns.
Es tut mir furchtbar leid, aber solange in Berlins Straßen der Holocaust durch Migranten bejubelt werden darf, ohne dass es aus dem linken bis bürgerlichen Spektrum vehementen Widerspruch dagegen gibt, kann ich die hysterische Empörung über falsche Worte oder angebliche Geheimcodes nicht mehr ernst nehmen. Auch "Fridays for Future" solidarisiert sich neuerdings mit dem antisemitischen BDS und das juckt kaum jemanden - aber wenn Frau Schröder "Minderheit" sagt, dann soll das plötzlich Antisemitismus sein - da gerät die Verhältnismäßigkeit doch ordentlich in Schieflage. Für die Gewalttaten der einen wird um Verständnis geworben, Schröder und Nuhr erhalten jedoch keine Chance, das Gesagte zu erläutern. Das ist absurd und hat ein deutliches Geschmäckle: Hier wird der Antisemitismus vors Loch geschoben, um politische Eigeninteressen notfalls auch mit rabiaten Mitteln durchzusetzen. Wenn es gilt, Kritik auszuschalten, machen sich "Woke" plötzlich große Sorgen um das Wohlergehen des jüdischen Volkes. Und leider gibt es in Deutschland noch immer eine jüdische Minderheit, die der linken Bildungsblase diese Besorgnis auch noch dankbar abkauft, weil sie von ihr umschmeichelt wird.
Wir wissen deshalb aus Erfahrung genau, wen Nuhr und Schröder gemeint haben: Diejenigen Minderheiten, welche im öffentlichen Diskurs um Meinungsfreiheit und Demokratie fehlende Zustimmung in der Bevölkerung durch möglichst lautstarkes, schrilles Auftreten ersetzen. In der gegenwärtigen Debatte um die Gendersprache bezeichnete ein Thüringer CDU-Politiker das Sprachabenteuer als "Eliteprojekt einer kleinen Minderheit" - so in einen anderen Zusammenhang gebracht, ist deutlich zu sehen, wie wenig eine solche Aussage mit Antisemitismus zu tun hat. Denn die Elite, das sind die Bewohner des Gender-Elfenbeinturms, die ihre Ideen der Bevölkerung überstülpen wollen. Und die Minderheit jene 0,001 Prozent der Bevölkerung, die auf ihr non-binäres Ich ganz mächtig stolz sind und das der Welt um jeden Preis mitteilen wollen. Über solche Kapriolen muss man öffentlich debattieren können, ohne dass dramatisch inszenierte Empörung vom Kern der Diskussion ablenkt.
Wie dünn muss die Argumentationsgrundlage dieser Minderheit sein, dass sie nun schon zum äußersten Mittel greifen muss, um ihre davonschwimmenden Felle noch aufzuhalten? Wie ernst es ihnen mit der Liebe zu den Juden ist, merkt man übrigens als solcher am eigenen Leibe, wenn man sich ihnen entgegenstellt: Dann ist plötzlich keine Beschimpfung mehr zu schäbig, um nicht ausgesprochen zu werden. Und es erweist sich: Der Antisemitismus, den die woken Damen und Herren bei ihren Gegnern zu entdecken glauben, ist in Wirklichkeit ein Blick in den Spiegel.
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