Montag, 7. November 2022

Falls die Wahl in Berlin wiederholt wird, dann ein Jahr vor der nächste Bundestagswahl. Falls...

von Thomas Heck...

Am Ende könnte die Berliner Neuwahl ein Jahr vor der nächsten Bundestagswahl stattfinden. Ich warte das mal ab und sehe das noch nicht. Und ich gebe schon mal die Prognose ab, dass ein Grund gefunden werden wird, warum die Wahl dann doch nicht wiederholt wird, weil das so kurz vor der Bundestagswahl dann nicht mehr lohnt.

Die Ampel will diese Woche ihren Vorschlag zur Wiederholung der Bundestagswahl in Berlin beschließen. Wird der Plan umgesetzt, würde wohl vor allem eine Partei Mandate verlieren. Doch vermutlich wird ohnehin das Bundesverfassungsgericht eingeschaltet – mit einer gravierenden Folge.

Die Wiederholung der Bundestagswahl in Teilen Berlins rückt näher – zumindest ein bisschen. Nachdem es am 26. September 2021 zu vielfachen Wahlpannen in der Hauptstadt gekommen war, soll der Bundestag am Freitag über einen Vorschlag der Ampel-Fraktionen zu einer möglichen Wahlwiederholung entscheiden. Vorausgegangen waren zahlreiche Diskussionen, Planänderungen und Sticheleien. Schließlich steht womöglich die politische Zukunft einiger Abgeordneter auf dem Spiel.

Die eigene Partei habe nicht darauf geschielt, ob sie von den Wahlwiederholungsplänen profitieren könne, sagte ein Mitglied des zuständigen Wahlprüfungsausschusses. Bei den anderen Parteien sei das anders gewesen: „Die haben schnell den Taschenrechner draußen gehabt und gerechnet.“ Wie sich nämlich eine Wahlwiederholung auf die Zusammensetzung des Bundestags auswirken würde. Wer um sein Mandat bangen müsste – und ob die Linke möglicherweise aus dem Bundestag fliegt. Der Antrag von SPD, Grünen und FDP sieht vor, in 431 der 2256 Wahlbezirke erneut wählen zu lassen – und zwar sowohl mit Erst- als auch Zweitstimme.


Die Mitglieder im Wahlprüfungsausschuss hatten zuvor versucht zu ermitteln, wo es zu deutlichen Wahlfehlern gekommen war, weil etwa Wahlzettel fehlten oder nach 18.30 Uhr noch Stimmen abgegeben wurden. Allerdings hatten sie die Zahl der Stimmbezirke, in denen neu gewählt werden sollte, mehrfach geändert.

Werden die Pläne wie vereinbart verabschiedet, könnte es vor allem in zwei Berliner Wahlkreisen spannend werden: in Reinickendorf und Pankow. In Reinickendorf hatte Ex-Kulturstaatsministerin und Berlins CDU-Landeschefin Monika Grütters 2021 das Direktmandat geholt. Sie lag allerdings nur wenige Prozentpunkte vor dem zweitplatzierten Torsten Einstmann von der SPD. In Reinickendorf soll laut den Ampel-Plänen in vielen Wahlbezirken neu gewählt werden; das Direktmandat für die CDU könnte womöglich verloren gehen. In Pankow gewann der Grüne Stefan Gelbhaar das Direktmandat vor Klaus Mindrup von der SPD – ebenfalls mit wenigen Prozentpunkten Vorsprung.


Erhebliche Auswirkungen hätte eine deutliche Stimmverschiebung für die Linkspartei. Bei der Bundestagswahl verfehlte sie die Fünf-Prozent-Hürde, konnte aber dennoch in den Bundestag rücken, weil sie drei Direktmandate holte – davon zwei in Berlin. Gesine Lötzsch gewann das Direktmandat in Lichtenberg und Gregor Gysi in Treptow-Köpenick. In beiden Wahlkreisen soll nach dem Ampel-Plan neu gewählt werden. Würden die Direktmandate für die Linkspartei verloren gehen, würde sie aus dem Bundestag fliegen. Allerdings lagen Lötzsch und Gysi weit vor den Zweitplatzierten; ein Verlust ihres Direktmandats gilt laut Ampel-Vertretern als extrem unwahrscheinlich.

Unvorhersehbar ist, wie Umfragen zum Zeitpunkt der Wahlwiederholung das Ergebnis beeinflussen. Allerdings rechnen fast alle Parteien mit einer geringeren Wahlbeteiligung, was ebenfalls Auswirkung auf die Zusammensetzung des Bundestags hätte. Laut Berechnungen des Bundeswahlleiters für den Wahlprüfungsausschuss könnte die CDU bei einer geringeren Wahlbeteiligung ein Mandat verlieren – wenn der Ampel-Plan umgesetzt wird. Wäre in deutlich mehr Stimmbezirken gewählt worden, hätten auch die anderen Parteien bei einer geringeren Wahlbeteiligung mit Verlusten rechnen müssen.

„Es ist in erster Linie um parteipolitische Erwägungen gegangen“

Die Unionsfraktion kündigte bereits an, dem Vorschlag der Ampel nicht zuzustimmen. „Angesichts der zahlreichen und erheblichen Wahlfehler, die in Berlin unstreitig stattgefunden haben, reicht eine auf einzelne Wahlbezirke beschränkte Wahlwiederholung nicht aus“, heißt es in einem Sondervotum der CDU/CSU-Fraktion, das WELT vorliegt. „Der Vorschlag der Koalition ist weder juristisch überzeugend, noch ist er geeignet, das verloren gegangene Vertrauen in die Korrektheit der parlamentarischen Wahlen in Deutschland und speziell in der Bundeshauptstadt zurückzugewinnen.“

Die Union spreche sich für eine komplette Wiederholung der Zweitstimmenwahl in den sechs vom Bundeswahlleiter angefochtenen Wahlkreisen aus, was einer Wiederholung in rund 1200 Stimmbezirken entspreche. „Das Hin und Her der letzten Wochen zeigt, dass es der Koalition nicht mehr um rechtliche, sondern in erster Linie um parteipolitische Erwägungen gegangen ist“, kritisiert Patrick Schnieder, Obmann der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Ausschuss.

Auch nach der Abstimmung am Freitag ist nicht damit zu rechnen, dass das Hin und Her bald endet: Aufgrund der politischen Brisanz rechnen fast alle Parteien damit, dass am Ende das Bundesverfassungsgericht über die Wiederholung der Wahl entscheidet. Die Folge wäre eine deutliche Verzögerung. 2024 könnte dann die Wiederholung stattfinden, prognostizieren Vertreter der Ampel. Also ein Jahr vor der regulären nächsten Bundestagswahl.




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