von Mirjam Lübke...
Ich will die große Revolution! Aber sie soll bitte nicht viel Arbeit machen. Darum, lieber politischer Gegner, baue für mich doch bitte schon einmal die Barrikaden auf. Und eine Guillotine, aus klimaneutral angebautem Holz und mit schadstoffarmer Lackierung. Das Fallbeil bitte nickelfrei, ich bin dagegen allergisch. Ganz wichtig ist die Errichtung einer Tribüne, von der ich meine Reden gegen dich schwingen kann, damit deine Macht endlich gebrochen wird. Wie? Du willst dir nicht dein eigenes Grab schaufeln? Das beweist wieder einmal, wie intolerant und privilegiert du bist. Schäm dich, aber abgrundtief!
Wieder wurde durch schwarze Aktivisten ein Theater besetzt, diesmal in Zürich. Man glaubt, ein Anrecht auf diese Bühne zu haben, um schwarze Künstler sichtbar zu machen. Geradezu als ob sie bisher vor der Öffentlichkeit verborgen geblieben wären, und man niemals jemals etwas von schwarzen Schauspielern oder Sängern gehört hätte. Vielleicht zählen diese auch nicht, weil sie es aus eigener Kraft geschafft haben, sich eine Karriere aufzubauen. All die berühmten Hollywood-Stars sind offenbar nicht gut genug - man strebt hin zur europäischen Klassik. Der Schweizer Nationalheld Wilhelm Tell darf demnächst dann als schwarzer Gangsta-Rapper seinem Sprössling mit der Pumpgun den Apfel vom Kopf schießen. Wenn das nicht schon wieder rassistisch ist. Vielleicht nehmen wir lieber eine PoC-Emilia Galotti, die von einem Sklavenhalter ihrer Keuschheit beraubt wird. Das rührt das Herz!
Und damit sind wir schon beim Punkt: Natürlich wollen schwarze Autoren vollkommen legitim ihre Geschichten erzählen, und sicherlich würden die wenigsten Theater der Welt sich weigern, ein gut geschriebenes Stück auf ihre Bühne zu bringen. Die Chancen, dafür aus einem öffentlichen Fördertopf finanzielle Unterstützung abzugreifen, stehen gut, man müsste sich nur darum bewerben.
Die Bühnenbesetzer allerdings mögen sich diesem Auswahlprozess nicht stellen, der vor jedem Kreativen, egal welcher Hautfarbe nun einmal liegt. Hot oder Schrott - man hat niemals eine Garantie dafür, dass die Arbeit, in die man viel Herzblut gesteckt hat, beim Publikum auch Anklang findet. J. K. Rowling ist nicht schwarz, dennoch musste sie unzählige Verlage abklappern, bevor sich jemand bereit fand, die Geschichte ihres Zauberlehrlings zu drucken. Egal ob Verlag oder Bühne: Die Verantwortlichen gehen gern auf Nummer sicher. Das ausgewählte Werk muss sich auch verkaufen lassen.
Mir ist darüber hinaus vollkommen schleierhaft, warum BLM-Aktivisten so versessen darauf sind, sich in die ach-so-furchtbare weiße Kultur und Geschichte einzuschmuggeln. Schließlich wird sie von ihnen als kolonialistisch und Gipfel der Unterdrückung permanent gebrandmarkt. Am Verlauf dieser Geschichte ändert sich auch nichts, wenn Denzel Washington bei Netflix Ludwig XIV. spielt. Als Michael Degen vor mehr als zwanzig Jahren für einen Fernsehfilm in die Rolle Adolf Hitlers schlüpfte, gab es einen riesigen Aufruhr: Ein Jude spielt den Führer - wie kann er nur! Degen fand es damals interessant, sich in die Person Hitlers hineinzudenken - aber wahrscheinlich dachte er im Traum nicht daran, damit nachträglich die deutsche Geschichte zu ändern. Selbst in der Science-Fiction, wo Zeitreisen möglich sind, geht so etwas meist gründlich schief.
Man könnte fast meinen, die eigene Vergangenheit wäre den schwarzen Theaterstürmern peinlich oder zumindest nicht glamourös genug. Sie wird zwar benutzt, um alle möglichen abstrusen Forderungen durchzusetzen - umgekehrt ist kulturelle Aneignung nämlich tabu - aber sie in eigene Theaterstücke oder Filme zu gießen ist offensichtlich auch nicht interessant genug. Und was spricht eigentlich dagegen, eigene Räume für die gewünschten Aufführungen anzumieten und auszustatten? Warum hat der Westen die Pflicht, das alles auf dem Silbertablett zu servieren - und darüber hinaus noch seine Kunst nach Gutdünken verbiegen zu lassen? Zumal diese, wenn man sich die Zerstörungswut der Klimapaniker anschaut, ohnehin nicht mehr wertgeschätzt wird?
Vielleicht werden uns auch einfach Prinzessinnenträume als Antirassismus verkauft. Einmal im prachtvollen Ornat vor ein großes Publikum treten! Die große Nummer sein! Und wenn's nicht klappt, probt man den Aufstand. Leider wird sich in unserer Kulturszene immer jemand finden, der sich davon beeindrucken lässt. Und dann ist wieder ein Stück Kreativität zugunsten von Lautstärke zerstört worden.
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