von Mirjam Lübke...
Morgens um vier entsteht plötzlich Unruhe im Vorgarten der Müllers, grelles Scheinwerferlicht dringt ins Schlafzimmer und ein unverständliches Stimmengewirr ist zu hören. Vorsichtig schleicht Frau Müller ans Fenster, um die Quelle des Aufruhrs zu erforschen, denn die Nachbarn haben behauptet, die Russen stünden kurz davor, in Ostwestfalen einzufallen. Doch dort steht kein Panzer, aus dem Putin herauswinkt, sondern ein Reisebus, mitten auf dem frisch gemähten Rasen, dem gerade ein Pulk von Menschen entsteigt, den man noch nie gesehen hat. Die Müllers sind erst einmal ratlos, ob es sich um ein Unglück gehandelt hat, denn die Reifen des schweren Busses haben tiefe Furchen in die Wiese gegraben. Also beschließen sie nachzusehen.
Kaum haben sie die Tür geöffnet, drängen schon die ersten Ankömmlinge an ihnen vorbei und bilden eine Schlange vor der Gästetoilette, denn die Reise war lang und die Natur ruft. Ein Kind hat das Geschaukel des Busses nicht gut vertragen und erleichtert seinen Magen in die pink-lila gestreiften Petunien, auf die Frau Müller so stolz ist. Da tritt auch schon der Busfahrer an sie heran und beauftragt sie, für seine Fahrgäste eine nahrhafte Mahlzeit zu kochen. Die Müllers sind erst einmal sprachlos und vollkommen überrumpelt. Auch wenn ihnen die erschöpften Neuankömmlinge ein wenig leid tun, überfordert sie die Situation über alle Maßen - und sie fragen sich, wer ihnen den unerwünschten Besuchersegen eingebrockt hat. Am Gartenzaun steht derweilen Herr Maier und beschimpft sie, warum sie für die Fahrgäste noch keine Betten bezogen haben. Er findet das höchst feindselig und fragt, ob man andere Menschen hasse.
Es scheint eine ungeschriebene Regel zu geben: Diejenigen, welche die Segnungen der Migration am lautesten preisen, haben in der Regel am wenigsten mit den damit verbundenen Konsequenzen zu tun. Selbst wenn wir einmal die schwarzen Schafe unter den Migranten außen vor lassen, bedeutet die Aufnahme von Einwanderern nun einmal eine riesige logistische Herausforderung. Die Neuankömmlinge müssen ernährt, untergebracht und eventuell auch medizinisch versorgt werden. Das kostet nicht nur, sondern bindet auch viel Arbeitskraft, die an anderer Stelle fehlt. Migranten konkurrieren mit Geringverdienern um günstige Wohnungen und ärztliche Leistungen. Es will gut überlegt sein, ob man sich das als Land, das selbst von der Wirtschaftskrise gebeutelt ist, überhaupt leisten kann.
Die Italiener als eine der ersten Anlaufstellen für Migranten aus Nordafrika ächzen schon lange unter der Belastung. Und das, obwohl es dort zu Beginn noch sehr viel Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung gab, die zum Beispiel Essenspakete spendierte. Aber das kleine Lampedusa musste früher oder später überfordert sein, da ist es kein Wunder, wenn schließlich die Stimmung kippt. Jetzt schlägt aber wieder einmal die deutsche Moral mit voller Härte zu: Die Italiener sollen gefälligst die Migranten aufnehmen, die von deutschen Seenotrettern aus dem Mittelmeer gefischt wurden. Man muss kein Faschist sein, um das als Eingriff in die eigenen innenpolitischen Angelegenheiten anzusehen - zumal die italienischen Behörden durchaus dafür sorgen, dass etwa Kranke versorgt werden. Sie sind nicht herzlos - allerdings haben sie erkannt, was man in Deutschland nicht sehen will: Dass Migration ein Land auch überfordern kann.
Deutschland aber will die Welt retten, da müssen alle mitziehen, die sich nicht mit dem moralischen Zeigefinger vor der Nase herumwedeln lassen wollen. Das war schon 2015 so, als die Prominenz aus ihren Gated Communities heraus "Refugees Welcome" rief und vielleicht einen einzelnen Alibi-Flüchtling aufnahm. Heldentat vollbracht - den Rest sollen nun andere übernehmen. Und genauso wie damals verschließt die Fraktion der Gutmenschen ihre Augen davor, dass es nicht die Ärmsten sind, die wir aufnehmen, denn die haben weder Kraft noch Geld, um Europa zu erreichen. Diese Menschen sind froh, wenn sie es bis zur nächsten Anlaufstelle der UN schaffen, wo sie etwas Nahrung und medizinische Hilfe erhalten. Aber dort zu helfen, bringt weniger Publicity und widerstrebt auch dem Bedürfnis der Moralisten, Migranten für das eigene Ego im eigenen Land zu sammeln.
Stattdessen kommen junge Erwachsene, die in Saft und Kraft stehen und viel Frust in sich tragen, wenn Europa ihre hochgesteckten Erwartungen nicht erfüllt. Unsere Gesellschaft hat dem nichts entgegenzusetzen, weil sie sich verbietet, über die negativen Folgen nachzudenken und lieber wegsieht, wenn einer der Neuankömmlinge seine Aggressionen an unbeteiligten Passanten auslässt - bis zum bitteren Ende. Die Italiener möchten sich zukünftig davor schützen - und es kann nicht Sache Deutschlands sein, ihnen Vorschriften zu machen, wen sie in ihren Vorgarten lassen und wen nicht. Vielleicht trägt das ein wenig dazu bei, dass auch den Schleppern, die sich in Nordafrika eine goldene Nase verdienen, das Geschäft verhagelt wird.
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