Freitag, 10. März 2023

Berlins Koks-Taxi-Jäger...

von Thomas Heck...

In Berlin kauft man seinen Koks nicht beim Dealer seines Vertrauens. Hier lässt man sich seine Drogen vom Taxi liefern, wie eine Pizza von Pizza-Max.

Kurz nach seiner Festnahme: Die Polizisten durchsuchen Salem Ch. (45) nach Drogen und Waffen



Es ist ein kriminelles Millionen-Geschäft. Wenig Aufwand, geringes Risiko, immer Barzahlung. Rund um die Uhr rollen Koks-Taxis durch die Hauptstadt, liefern in wenigen Minuten aus, was Kunden im Internet bestellt haben: Kokain, Marihuana, Tabletten.

Die Fahrer tauchen unauffällig in den dichten Straßenverkehr der Hauptstadt ein, verdienen bis zu 5000 Euro pro Woche. Doch die Gefahr lauert im Rückspiegel.

So unauffällig wie sie selbst, sind auch die Zivilfahnder des Streifendienst K unterwegs. Der Ruf der zehnköpfigen Truppe vom Abschnitt 52 (Kreuzberg) ist legendär: Sie sind Berlins erfolgreichste Koks-Taxi-Knacker!

Ihre Bilanz aus dem vergangenen Jahr: 90 Kilo Drogen und 180.000 Euro Bargeld beschlagnahmt, 1150 Personen und 460 Wagen überprüft, 243 Festnahmen und sieben scharfe Schusswaffen entdeckt.

Nicht nur Kokain, Marihuana und Ecstasy werden geliefert. Die Beamten haben bei einer Festnahme auch mehrere Packungen Steroide beschlagnahmt. Darüber hinaus wird oft Bargeld beschlagnahmt, auch Handys kassieren die Beamten ein.



B.Z. ging mit den Fahndern auf die Jagd nach den rollenden Dealern.

„In Berlin herrscht immer Koks-Bedarf, das lukrative Geschäft hat Kellereinbrüche, Automatenknackerei und Katalysator-Klau längst abgelöst“, sagt Eric (58), Chef der Truppe. Zum Streifendienst K gehören Frauen, Männer, Junge und Alte. Polizeibeamte, die in Kreuzberg, Neukölln aber auch in Marzahn nicht auffallen.

Sekunden vor der Wohnungsrazzia. Team-Chef Eric (58) und seine Kollegen haben ihre Hände an den Pistolen

Mit einer Stahlramme brechen die Zivilpolizisten die Tür auf.



Es ist 15.40 Uhr, die Fahnder haben Witterung aufgenommen: Möckernstraße Ecke Yorckstraße. Es geht um einen grauen Audi. Ein Rudel aus zivilen Polizeiwagen heftet sich dran. Eric zieht das Basecap tief in die Stirn, hebt das Funkgerät und sagt: „Lampe fällt, vor uns ein Wal und gib mir die Platte.“

Es ist die Sprache der Observation, übersetzt: Die Ampel schaltet auf Grün, vor dem Zivilwagen fährt ein BVG-Bus und Eric möchte das Kennzeichen des Audis wissen. Die Abfrage ergibt: Es gehört einer einschlägig bekannten Mietwagenfirma. Treffer. „Die Fahrer haben zwar mitunter Verträge, dann aber nur gegen kleines Geld. 500 Euro für einen Monat. Das riecht auch nach Geldwäsche“, sagt Eric.


Die Tür ist geborsten, die Fahnder haben sich Zutritt zum Zimmer des Verdächtigen verschafft



Der graue Audi fährt in Richtung Charlottenburg. Es ist 16.15 Uhr, der Fahrer parkt an der Suarezstraße. Vor einem Restaurant. Ein Mitarbeiter bestellte Kokain für die Spätschicht. Die Beamten zücken ihre Pistolen, stürmen los – Zugriff!

Audi und Fahrer Salem Ch. (45, staatenlos) werden durchsucht. Der Mann hat eine Aufenthaltsgenehmigung bis Mai 2023, einen Ausweis mit dem Vermerk „Erwerbstätigkeit gestattet“ und 100 Euro dabei. Außerdem: 18 Eppendorf-Gefäße mit Kokain, eines davon übergab er dem Käufer. Auch den Kellner erwartet eine Strafanzeige.

Auf dem Handy des Dealers läuft eine Navigations-App. Der nächste Kunde wartet – jetzt vergeblich – um die Ecke.

Salem Ch. sagt nur das Nötigste: Er nehme keine Drogen, habe Geldnöte. Einer freiwilligen Wohnungsdurchsuchung stimmt er zu, übergibt die Schlüssel. „Zu den Hinterleuten schweigen sie alle“, sagt Eric. Abfahrt.

Der Dealer kommt zur Gefangenensammelstelle. Fotos, Fingerabdrücke. Ein zweites Team fährt in die Aronsstraße nach Neukölln. Die Schlüssel passen nicht. Ein Richter gibt grünes Licht für das gewaltsame Eindringen. Eine Stahlramme erledigt den Rest.

In den Taschen des Tatverdächtigen finden die Zivilfahnder Hausschlüssel, zwei Eppendorfgefäße mit Kokain, den Schlüssel zu seinem grauen Audi sowie 100 Euro Bargeld



Der Dealer hatte das Kokain in 15 sogenannten Eppendorfgefäßen dabei. Es war in der Fahrertür versteckt



Drogen finden die Fahnder nicht. Dafür den Bruder des Verdächtigen, der Minuten später auftaucht. Er sagt, dass Salem Ch. hier nicht wohne. Wo er genau lebt, wisse er nicht. Die Spur läuft ins Leere. Um 19.15 Uhr, die Nachricht: Der Dealer ist wieder auf freiem Fuß.

Die Zivilfahnder haben sich längst wieder an das nächste Koks-Taxi geheftet. „Lampe fällt“, sagt Eric, „wir bleiben dran“.

Immer wieder finden die Polizisten auch scharfe Schusswaffen und Messer bei ihren Einsätzen


Erschienen in der B.Z. ...



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