von Thomas Heck...
General Vad gilt als Merkels General und wurde der Öffentlichkeit durch die Medien als der fähigste Mann der Bundeswehr verkauft, als eine militärische Koryphäe. Dabei war seine höchste militärischer Dienstposten mit Führungsverantwortung der eines Kompaniechef einer Panzerkompanie. Ich selbst war Kompaniechef, ich kann also beurteilen, was das bedeutet. Ich selbst würde mir nicht zutrauen, die strategisch-taktischen Implikation des Krieges in der Ukraine beurteilen zu können. General Vad lag dermaßen oft daneben, dass sich in mir der Eindruck verdichtete, er stünde auf der Lohnliste Moskaus. Der unsägliche Auftritt in Berlin an der Seite von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer in Sachen Diktat-"Frieden" von Putins Gnaden, haben ihn für mich entgültig disqualifiziert.
Die NZZ hat sich des Generals angenommen und sein militärisches Wirken näher beleuchtet:
Ein Mittag im «Augustiner», dem Stammhaus der gleichnamigen Brauerei in München, Menschen sitzen an runden Tischen, vor sich ein Helles und deftiges bayrisches Essen. Erich Vad, Ex-General und angefeindeter Talkshow-Gast, blickt im Strickjanker in die Bierhalle und sagt: «Ich habe das für mein Land getan und mir nie den Mund verbieten lassen. Doch ich sehe keinen Sinn mehr, mir diesen Hass, diese Häme anzutun. Das ist mein letztes Interview. Es ist vorbei.»
Erich Vad im Jahr 2010 neben der damaligen deutschen Kanzlerin Angela Merkel in Kunduz, Afghanistan.
Es war der 24. Februar 2022, Putin hatte seine Invasion der Ukraine gestartet, als Vad beim Skifahren einen Anruf der Talkshow-Moderatorin Maybrit Illner bekam. Ob er in ihre Sondersendung am Abend kommen könne, fragte sie. Das schmeichelte ihm. Seit gut neun Jahren war er nicht mehr Soldat.
Heute hat man den Eindruck, dass er die Zusage bereut.
«Ich war anderen schon immer suspekt»
Erich Vad trat mit 18 Jahren 1975 in die Panzertruppen der Bundeswehr ein. Als Kompaniechef promovierte er an der Universität Münster über die aktuelle Bedeutung des Militärtheoretikers Carl von Clausewitz. Das war ungewöhnlich, denn die Uni in Münster ist eine zivile Hochschule. Bundeswehroffiziere studierten schon zu jener Zeit in der Regel an den beiden Militäruniversitäten in München und Hamburg. Vad scherte sich nicht darum, was die Regel war. «Ich war anderen schon immer suspekt», sagt er.
Die Zeit als Kompaniechef war die letzte in seiner Militärlaufbahn, in der er Führungsverantwortung in der Truppe trug. Während andere, die später General wurden, ein Bataillon oder eine Brigade führten, wurde Vad Referent in der Arbeitsgruppe Verteidigung und Sicherheit der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag.
Statt seine Truppen durch Nato-Übungen oder im Afghanistan-Einsatz zu führen, beugte er sich über Konzeptionen und Einschätzungen für Christian Schmidt, den damaligen christlichsozialen Vorsitzenden der Arbeitsgruppe Verteidigung in der Union. Das war zu Beginn der nuller Jahre. Vad war damals Mitglied der CDU.
«Herr Oberstleutnant Dr. Vad leistete in den Jahren in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion eine nicht zu beanstandende Arbeit, die in konstruktiver Zuarbeit bestand», schrieb Christian Schmidt der NZZ vor einigen Tagen aus Sarajevo. Schmidt arbeitet dort seit einem Jahr als Hoher Repräsentant für Bosnien und Herzegowina.
Nach ihrem Wahlsieg 2005 suchte Angela Merkel jemanden, der sich mit Militärpolitik auskannte. Sie holte Vad ins Kanzleramt. Wer ihn damals vorschlug, darüber gibt es unterschiedliche Ansichten. Abgeordnete der Union sagen, es sei Christian Schmidt gewesen. Der aber will davon nichts wissen. Entsprechende Fragen der NZZ liess er unbeantwortet. Vad blieb acht Jahre im Kanzleramt und ging danach im Alter von nur 56 Jahren freiwillig in den Ruhestand.
Immer wieder gibt er grobe Fehleinschätzungen ab
In der Sendung von Maybrit Illner sass Vad mit Wirtschaftsminister Robert Habeck und dem ehemaligen Aussenminister Sigmar Gabriel in einer Runde. Illner befragte ihn, als sei Vad Deutschlands fähigster General. Wenn man ihn heute darauf anspricht, wo damals sein Gedanke an den von ihm so geschätzten und studierten Carl von Clausewitz war, dann macht er ein zerknirschtes Gesicht und sagt: «Ich hätte wohl etwas vorsichtiger formulieren müssen.»
Man muss Carl von Clausewitz gar nicht studiert haben, um zu wissen, was im Militär eine Binse ist: Wenn der Krieg beginnt, ist jegliche Theorie nur noch Makulatur. Doch Vad sagte: «Ich denke, Putin wird diesen Krieg gewinnen, weil die russischen Streitkräfte modern sind, gut ausgestattet sind. Militärhilfe jetzt noch zu leisten, bringt nichts mehr. Militärisch gesehen, ist die Sache gelaufen. Meine Bewertung ist, dass es nur um ein paar Tage gehen wird und um nicht mehr.»
Mit dieser Einschätzung war er in Deutschland nicht allein. Sie war der Auftakt zu einer Tour durch die Talkshows und Nachrichtensendungen. Schon bei Illner sprach Vad von Dingen, die er als jemand, der neun Jahre ausser Diensten und über die Lage in der Ukraine kaum im Bilde war, nicht profund einschätzen konnte. Die ukrainischen Streitkräfte hätten veraltetes Gerät, sagte er zum Beispiel. Dabei verfügten sie etwa über moderne amerikanische Panzerabwehrraketen.
Immer wieder erwiesen sich seine Einschätzungen als spektakulär falsch. Er sagte, die Russen hätten die Luftherrschaft, und lag daneben. Er sagte, Odessa werde in Kürze fallen, und lag daneben. Er sagte, die Russen umzingelten Kiew, und lag daneben. Im Netz macht man sich über ihn lustig. «‹Der Krieg wird in wenigen Tagen vorbei sein.› Erich Vad, 1338 kurz nach Ausbruch des Hundertjährigen Krieges», lautet ein satirischer Kommentar. «‹Das Pferd können Sie reinlassen. Es ist ungefährlich.› Erich Vad, Bronzezeit, Troja», ein anderer.
Vad war in die Eitelkeitsfalle gelaufen
Doch Vad machte weiter, immer wieder überschüttet mit Hohn, Spott und Hass, bestärkt davon, dass er trotz seinen Fehleinschätzungen vielen Medien offenbar als Kenner und Analytiker der Situation galt. Sie luden ihn immer wieder ein, um sich von ihm den Kriegsverlauf und die Schlussfolgerungen erklären zu lassen.
Er war in die Eitelkeitsfalle geraten und kam nicht mehr heraus. «Stimmt nicht», sagt er. «Ich war davon getrieben, den Fokus darauf zu richten, dass Waffenlieferungen falsch sind, wenn es kein politisches Konzept für einen Frieden gibt.»
Es gibt ranghohe deutsche Offiziere, die ihn als jemand beschreiben, dessen Eigenwahrnehmung nicht mit der Aussenwahrnehmung übereingestimmt habe. Vad habe sich immer schon gern «aufgemantelt», also als jemand dargestellt, der er nicht ist, sagt einer von ihnen.
Als Vad ins Kanzleramt kam, leitete er ein Referat in der Abteilung zwei, «Aussen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik». Später wurde er Gruppenleiter, ein Dienstposten für einen Oberst. Sein Chef damals war Christoph Heusgen, der aussen- und sicherheitspolitische Berater von Merkel und heutige Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz. Vad war der Verbindungsoffizier des Verteidigungsministeriums für das Kanzleramt. Er sollte Heusgen in Abstimmung mit dem Ministerium zuarbeiten. So lautete die Dienstpostenbeschreibung.
Potemkinsche Dörfer im Verteidigungsministerium
In der Praxis war es so, dass Heusgen und Merkel dem Verteidigungsministerium zu misstrauen schienen. «Die hatten den Eindruck, dass dort potemkinsche Dörfer gebaut werden», sagt Vad. In der Tat ist das ein generelles Problem des Verteidigungsministeriums. Selbst der Minister hat selten ein reales, dafür eher ein geschöntes Lagebild über sein Haus.
Merkel habe ihn immer wieder um seine Einschätzung gebeten, sagt Vad, etwa zur Situation in Afghanistan oder zur geplanten Abschaffung der Wehrpflicht durch den damaligen Minister Karl-Theodor zu Guttenberg. Vad sei dem nachgekommen, mitunter ohne sich mit dem Ministerium abzustimmen. Das fand man dort nicht witzig, denn der militärische Berater der Bundesregierung, und damit auch ihres Chefs, ist dem Protokoll nach der Generalinspekteur der Bundeswehr.
Dass Vad für viele Medien in Deutschland zu einem begehrten Gesprächspartner wurde, liegt mindestens zu einem Teil in diesem Missverständnis begründet. Sie bezeichneten ihn wahlweise als «Merkels General» oder als «ehemaligen militärischen Berater von Ex-Bundeskanzlerin Merkel». Das galt ihnen wohl als Ausweis von Kompetenz. Vad, heisst es aus zwei ranghohen Quellen, sei jedoch nie militärischer Berater gewesen, sondern ein Gruppenleiter, der lediglich dem verteidigungs- und sicherheitspolitischen Berater der Kanzlerin zugearbeitet habe.
Keine Verbindung mehr zu Merkel und Heusgen
Die NZZ hätte Christoph Heusgen dazu gern befragt. Doch er liess ausrichten, dass er für ein Gespräch über Erich Vad nicht zur Verfügung stehe. Vad sagt, er habe zu Heusgen ein gutes Verhältnis gehabt, sei mit ihm aber heute nicht mehr in Kontakt. Das treffe auch auf Angela Merkel zu. Auch zu ihr gebe es keine Verbindung mehr, obwohl sie damals, wie Vad sagt, «schon ein enges Verhältnis» gehabt hatten.
Das könnte zutreffen. Merkel beförderte ihn zum Beispiel gegen den erklärten Willen des Verteidigungsministeriums zum Brigadegeneral. Dort nannten sie ihn «Zweiter von links», weil er sich immer auf Merkel-Fotos gedrängt habe und dort als Zweiter von links von ihr zu sehen gewesen sei.
Einmal angefangen als Apologet des unausweichlichen russischen Sieges, kam Vad aus der Rolle des «Putin-Verstehers» nicht mehr heraus. Er liess sich in Talkshows in die Ecke schieben, in der die Gegner von Waffenlieferungen an die Ukraine sassen, obwohl er gar nicht gegen Waffen war, sondern mit der Lieferung einen politischen Plan für einen Friedensprozess forderte. «Das wollte aber niemand hören, ich drang damit nicht mehr durch», sagt er heute.
Seine Exotenmeinung bringt Quote
Sein Problem war, dass er mit seinen häufigen Fehleinschätzungen und oft besserwisserisch anmutenden Äusserungen zum russischen Krieg seine Reputation verspielt hatte. Während seine fragwürdigen Aussagen im Fernsehen als Exotenmeinung noch Quote brachten, fand er bei der seriösen Presse kaum mehr statt. Für Vad, der es als «preussisch-deutscher Offizier als seine Pflicht» betrachtet, «Schaden vom Land abzuwenden» und «unbequeme Wahrheiten auszusprechen», war diese Ausgrenzung nur schwer erträglich. «Der Vorwurf, ich hätte keine Ahnung, hat mich hart getroffen», sagt er.
So kam es, dass er bei «Emma» landete. Die Zeitschrift der 80-jährigen Frauenrechtlerin Alice Schwarzer gab ihm noch ein Podium. Am 25. Januar fragten sie ihn dort in einem Interview, was er Kanzler Olaf Scholz im Februar 2022 geraten hätte. Vad antwortete, er hätte ihm geraten, «die Ukraine militärisch zu unterstützen, aber dosiert und besonnen, um Rutschbahneffekte in eine Kriegspartei zu vermeiden».
Niemand kann sagen, dass der deutsche Kanzler nicht genau so gehandelt habe. Doch bei Vad hört es sich an, als hätte Deutschland den Russen den Krieg erklärt. Alice Schwarzer habe ihn gefragt, ob er sich ihrem «Manifest für den Frieden» anschliessen wolle, berichtet er. In dieser mit der Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht initiierten Online-Petition ist die Rede von einer «Eskalation der Waffenlieferungen in die Ukraine», von «Waffenstillstand und Friedensverhandlungen».
Vad liess sich vor den linken Karren spannen
Vad gehörte zu den 69 Erstunterzeichnern. Vollends ins Abseits katapultierte er sich allerdings mit seinem Auftritt auf der Kundgebung «Aufstand für den Frieden» am 25. Februar in Berlin. Seine Rede war ausgewogen, durchaus diskussionswürdig. Doch das ging unter.
Denn Vad, das «konservative Urgestein und Mitglied der Rotarier», wie ihn ein bekannter Geisteswissenschafter beschreibt, war nicht nur auf einer verkappten Versammlung der Linkspartei gelandet. Sondern er stand gemeinsam auf einer Bühne mit Sahra Wagenknecht, die in ihrer Rede in klassischem linkem Propagandastil von «Kriegstrommlern» sprach und die Bundesregierung adressierte. Die Scholz und Ministern vorwarf, sich mit Leuten wie dem ukrainischen Ex-Botschafter Andri Melnik, der «echte Nazis» verehre, gemeinzumachen.
Wie Vad auf der Bühne steht, etwas abgesetzt von den anderen, während unten die Leute im Schneefall «Frieden schaffen ohne Waffen» skandieren, da ist ihm das Unbehagen anzusehen. Während er seine Hände tief in den Jackentaschen vergraben hat, fassen sich Schwarzer, Lafontaine, Wagenknecht und Co. bei den Händen und schunkeln zu «Imagine» von John Lennon. Vielleicht ist ihm in diesem Moment bewusst geworden, dass er sich von ihnen vor den linken Karren hat spannen lassen.
So sagt er es, im Münchner «Augustiner» sitzend, aber nicht. Er sagt, er werde sich mit Sahra Wagenknecht auf keine Bühne mehr stellen. Sie gehöre zu den Leuten in Deutschland, die von den «Denkverboten» profitierten, die es in der deutschen Debatte über den Krieg in der Ukraine gebe. «Da müssen wir aufpassen.»
Noch interessanter ist allerdings, wie Vad auf die Linken-Bühne am Brandenburger Tor gekommen ist. «Ich habe das für Alice gemacht», sagt er, «aus Dankbarkeit, dass sie mir in ‹Emma› die Möglichkeit gegeben hat, meine Gedanken zu den Waffenlieferungen darzulegen.»
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