Dienstag, 6. September 2022

In die Falle gegangen...

von Mirjam Lübke...

Man kann eine Menge unsinniger Dinge tun, um die Aufmerksamkeit seiner Umwelt zu erregen: Etwa im Hühnerkostüm durch die Stadt laufen, sich auf eine Kiste stellen und das Wahlrecht für Kanarienvögel fordern oder im Schwimmbad eine gewaltige A-Bombe vom zehn-Meter-Brett aus fabrizieren. Das schadet niemandem und nervt höchstens ein wenig. Problematisch wird es allerdings, wenn jemand vorgibt, Opfer eines Verbrechens geworden zu sein - denn man bringt damit jeden Zweifler in eine Zwangslage. Selbst wenn einem an der Geschichte Ungereimtheiten auffallen, fühlt man sich wie ein empathieloser Eisklotz. Nur Versicherungsdetektive können sich das nicht leisten - aufgrund schlechter Erfahrungen wird nun jeder misstrauisch beäugt, der einen Verlust anmeldet. Wenn ich behauptete, mir sei ein Diamantencollier gestohlen worden, bräuchte sich der Detektiv nur meine Vermögensverhältnisse anzusehen - dann wäre ich schon überführt.



Wenn jemand mit Migrationshintergrund behauptet, Opfer von Rassismus geworden zu sein oder eine Frau jemanden der sexuellen Belästigung beschuldigt, dann wird das erst einmal geglaubt. Man darf sich nichts vormachen, so etwas passiert. Und selbst, wenn man - wie ich - sowohl die aktuelle Einwanderungspolitik als auch "MeToo" sehr kritisch sieht, hat man erst einmal zu schlucken. Morddrohungen, egal von wem oder an wen, sind eine üble Sache, die niemand erleben möchte. Allerdings ist es ebenfalls unverzeihlich, sich eine Scheibe vom Empathiekuchen abschneiden zu wollen, die einem nicht zusteht. Vorgeblich geschieht dies, um auf Missstände aufmerksam zu machen, während tatsächlich meist eine gehörige Portion Geltungsdrang und Narzissmus dahintersteckt. Es ist eine Art politisches "Münchhausen-Syndrom", nur dass die Schummler hier keine Krankheitssymptome an sich verursachen, sondern einfach auch einmal Opfer sein wollen. Nicht, weil unsere Gesellschaft tatsächlich Opfer liebt, aber ebenfalls gern dabei gesehen wird, diese mit Solidaritätsbekundungen zu überschütten. Ein grüner Kommunalpolitiker mit Migrationshintergrund aus Erkelenz, der von Rechten angegriffen wurde, lässt die Herzen der Aktivisten höher schlagen, wenn er die Angriffe auf seine Person nicht erfunden hätte, wäre man wohl versucht gewesen, sie selbst zu erdenken. Für den guten Zweck selbstverständlich - und da muss es schon ein bisschen mehr als die ominöse Mikroaggression sein.
 
Natürlich muss das Täter-Opfer-Schema stimmen, das erleben wir seit Jahren. Der "alte weiße Mann", "der Rechte" oder auch "der AfD-Wähler im allgemeinen" stellen ideale Täter dar, die ohnehin gesellschaftlich angezählt sind. Selbst wenn "die" sich nachweislich als unschuldig erwiesen haben oder gar keine Untat stattgefunden hat, lastet man ihnen eben an "die gesellschaftliche Atmosphäre vergiftet zu haben". Als ich vor ein paar Jahren erfuhr, dass es in Hamburg einen Gerichtsmediziner gibt, der in die Haut geritzte Hakenkreuze untersucht, schüttelte ich erst einmal den Kopf. Wer - um Himmels Willen! - kommt auf die Schnapsidee, sich selbst ein Hakenkreuz ins Gesicht zu ritzen?
 
Und das kommt wohl gar nicht so selten vor. Von Borderlinern kennt man das Ritzen, da ist es oft ein Akt der Verzweiflung, um innerer Leere zu entrinnen. Allerdings habe ich noch keinen Borderliner getroffen, der behauptete, seine Verletzungen seien ihm von anderen zugefügt worden. Aber wenn das Motiv ist, auf "rechte Gewalt" aufmerksam zu machen, dann ist das umso irrationaler - denn diese findet viel mediale Beachtung. Und das weiß auch derjenige, der fälschlich behauptet, Opfer eines Angriffs geworden zu sein.
 
Gewiss, es gibt auch den umgekehrten Fall, die Vortäuschung einer Straftat, die von Migranten begangen worden sein soll. Wer damit allerdings auffliegt, darf sich der allgemeinen Empörung sicher sein. Schließlich werden medial schon die "echten" Übergriffe gern verharmlost. Da spielt es auch keine Rolle, ob die Opfer Frauen, Juden oder selbst Migranten waren - man will es nicht wissen.
 
Ob etwas geschehen oder nicht geschehen ist, hängt mittlerweile nicht mehr von der Realität ab, sondern dem, was wir für die Realität halten sollen. Denn der Mann aus Erkelenz wird - obwohl es strafbar ist - wohl keine gravierenden Konsequenzen zu erwarten haben. Es wird nicht lange dauern und seine Unterstützer werden behaupten, er sei Opfer eines Shitstorms geworden. Schließlich sei unsere Gesellschaft strukturell rassistisch. Dann ist die links-grüne Welt bald wieder in Ordnung, man kann schließlich die Motive verstehen. Unser Erkelenzer darf dann seinen Opferstatus behalten - es ist das "System" das ihn dazu gemacht hat. Und wieder einmal wurde der Pappkamerad erfolgreich aufgestellt, den man jetzt weiter bekämpfen kann.




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