Donnerstag, 22. September 2022

Heuchelei frisch vom Bierfass...

von Mirjam Lübke...

Da mache ich mir ernsthafte Sorgen: Ist es für aufrechte Demokraten zu verantworten, ein Bierzelt zu betreten, ohne sich vorher zu vergewissern, ob dort auch keine unpassende Gesellschaft anwesend ist? Immerhin könnte es sein, dass drei Tische weiter ein Putinversteher sitzt, oder noch schlimmer: Ein Querdenker! Vielleicht lässt sich am anderen Ende des Zeltes gerade ein Kommunalpolitiker der AfD sein Frischgezapftes schmecken, während er mit einem Parteikollegen über das neue Kochvideo von Gunnar Lindemann spricht. Mikrowellen-Fischstäbchen aus nicht nachhaltiger Zucht mit Remoulade vom Discounter - ein Skandal in Zeiten des Klimawandels. Da muss man schon vorsichtig sein, mit wem man dort gesehen werden könnte. Es besteht zudem die Möglichkeit, dass eine dieser zwielichtigen Gestalten am Tisch vorbei geht, während der grüne oder rote Genosse gerade den Auslöser der Handykamera betätigt - und am nächsten Tag prangert der "Volksverpetzer" Katharina Schulze plötzlich als Nazi-Sympathisantin an. Also Augen auf, Freunde des Grundgesetzes, lasst euch nicht in schlechter Gesellschaft erwischen - sonst könntet ihr ebenso gut einer Montagsdemo beiwohnen. Davor wird durch die Medien doch immer gewarnt!



Eine weitere Sorge gilt der Gesundheit der hier Feiernden. Auch wenn wir selbstverständlich von einem ordnungsgemäßen Impfstatus des abgelichteten Personenkreises ausgehen dürfen, geht gemäß der Expertise von Gesundheitsminister Lauterbach ein großes Risiko ein, wer sich ohne Maske in menschliche Gesellschaft begibt. Wenn man selbst spätabends im menschenleeren Bus in Todesgefahr schwebt, weil einem die Maske verrutscht ist, dann gleicht es geradezu russischem Roulette, ohne Maske - mindestens FFP2 - eine Festivität aufzusuchen. Immerhin sollten Politiker ein gutes Vorbild für die Bürger abgeben, da kann es einem Angst und Bange werden, wenn man die Anwesenden ohne jegliche Schutzmaßnahmen dicht gedrängt auf einer Sitzbank verweilen sieht. Und das in Bayern, wo Corona lange Zeit intensiv genug zuschlug, um gar Menschen anzufallen, welche auf einer einsamen Parkbank ihren Liebesroman lasen. Wer soll nur unser Land retten, wenn die Führungsriege im Krankenbett siech danieder liegt? Vollkommen orientierungslos werden wir in kalten Blackout-Winternächten durch die Dunkelheit irren, wenn uns die Politik nicht an die Hand nimmt. Zwar soll das neue Infektionsschutzgesetz erst ab nächstem Monat gelten, aber es heißt immerhin Oktoberfest, da kann sich das Virus schon einmal vertun. Jäh aus dem Sommerschlaf gerissen, wird es gewiss besonders aggressiv reagieren.
 
Rein menschlich kann ich das Bedürfnis von Schulze & Co., sich ein wenig Ablenkung von den drückenden Sorgen der Politik zu verschaffen, durchaus verstehen. Immerhin treibt die politische Elite täglich der Gedanke an den bedrohlichen Zustand der Welt um. Sie hat ein großes Herz für die Geknechteten dieses Planeten und kämpft um die Akzeptanz der Bevölkerung, für diese armen Menschen Portemonnaie und Einfamilienhäuser zu öffnen. Ob es der afrikanische Migrant ist, der sich den tückischen Fluten des Mittelmeeres anvertraut, um in Deutschland ein Zipfelchen Glück zu erhaschen, oder die ukrainische Familie, die ihren vom Mund abgesparten SUV vor der Annektion retten möchte - die Sorge um ihr Schicksal raubt SPD und Grünen den nächtlichen Schlaf.
 
Doch steht zu befürchten, dass rechte, von Russland finanzierte Trolle das Foto im Bierzelt aus dem Kontext reißen und für ihre Zwecke instrumentalisieren werden. Kleinlich werden sie auf der Krise der deutschen Wirtschaft herumreiten, den Bäckereien, welche ihre Gasrechnung nicht mehr bezahlen können oder den Bürgern, denen die Mietnebenkosten das Gehalt wegfressen. Eventuell kommen dabei auch die Solidaritätsaufrufe zur Sprache, mit denen an die Bevölkerung appelliert wird, sich nur noch per Waschlappen zu reinigen. Die hygienischen Errungenschaften der letzten Jahre werden ohne Frage exorbitant überschätzt. Warmer Mief hingegen kann die Lösung des Heizungsproblems darstellen - und ein wenig Schmutz bietet eine ausgezeichnete Isolierung. Die russischen Trolle - vor allem jene aus Sibirien - hätten gewiss ein paar gute Ratschläge für uns, wie man eisige Kälte überstehen kann - aber ach! - aus Gründen der politischen Korrektheit können wir sie nicht befragen. So dürfen wir Kiew nicht vor den Kopf stoßen!

Jetzt aber einmal im Ernst: Das Foto vom Oktoberfest werde ich mal auf dem Handy belassen. Den Bayern gönne ich ihre Wiesn von Herzen, noch schöner wäre es allerdings, wenn sich auch der Normalbürger die Preise leisten könnte, um endlich mal wieder zu feiern. Allerdings würde ich das Bild gern jedem Corona-Paniker im Bus oder Zug unter die Nase halten, der sich noch immer von der Bundesregierung einen dicken Bären auf selbige binden lässt. Schaut hin, wenn ihr das nächste Mal einen anderen Fahrgast wegen vergessener Maske ankeift - so genau nehmen es jene Politiker, die euch die Vorschriften gemacht haben, die ihr akribisch befolgt. Das ist keine Schwurbelei, sondern etwas, das tagtäglich vorkommt. Aber ich bin sicher, man wird uns auch dieses Mal wieder eine Erklärung auftischen, warum das bei uns etwas ganz anderes ist. Ich bin gespannt.




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