von Thomas Heck...
Wenn Sie das nächste Mal mit schlechtem Gewissen in den Ferienflieger steigen, um nach Kalifornien zu fliegen, sollten Sie sich das schlechte Gewissen sparen, denn Sie sind in guter Gesellschaft. Auch wenn Ihnen der Mainstream einredet, dass Sie eine Umweltsau sind und direkt zum Klimanwandel beitragen, andere sind da viel schlimmer und zwar umso schlimmer, je grüner und linker. Und da muss man nicht Katharina Schulze sein, die sich als Vielfliegerin gegen viel fliegen einsetzt. Parteikumpel Cem Özdemir macht es Ihr nach. Manche sind halt doch gleicher als andere. Und es ist weiter verbreitet. Denn grüne Sympathisanten sind in den Regel gut situiert. Und Wohlhabende fliegen häufiger und länger, gönnen es aber den unteren Einkommensschichten nicht.
„Fridays for Future“ nennt sich die Bewegung, die mit „Schülerstreiks“ in ganz Europa Druck für eine strikte Klimapolitik machen will. Ihre Galionsfigur ist die schwedische Aktivistin Greta Thunberg. Die 16-Jährige war mit dem Zug aus dem hohen Norden bis nach Davos zum Weltwirtschaftsforum gefahren, um dort eine drastische Verringerung der CO2-Emissionen zu fordern. „Ich bin in Panik“, sagte sie mit Blick auf den Klimawandel. „Und ich will, dass ihr auch in Panik geratet.“ Viele Medien hoben sie begierig auf ihre Titelseiten. Seitdem hat die Bewegung großen Zulauf.
Zwischen Reden und Tun klafft indes oft eine auffällige Lücke. Die deutsche Klimaaktivistin Luisa Neubauer hält aufrüttelnde Reden auf Grünen-Parteitreffen und bei Schülerdemos. Die 21-Jährige hat jedoch durch eine stattliche Zahl von Fernreisen nach Amerika, Asien und Afrika, die sie mit Fotos auf Instagram dokumentierte, selbst schon einen gewaltigen Berg von Kohlendioxid-Tonnen verursacht, der den Ausstoß vieler Durchschnittsdeutscher in zehn Jahren übersteigt. Die „klimabesorgte“ junge Frau hat einen mehrfach größeren CO2-Fußabdruck als der Durchschnittsbürger.
Langstrecken-Flugreisen sind mit Abstand die größten CO2-Versursacher in kurzer Zeit. Ein Trip an die amerikanische Ostküste, etwa nach New York, stößt pro Person für Hin- und Rückflug rund 4 Tonnen CO2 aus; bis an die amerikanische Westküste werden bis zu 6 Tonnen emittiert, etwa dreimal so viel wie ein ganzes Jahr Autofahren (12 000 Kilometer) in einem Mittelklassewagen. Umso größer war die Aufregung in sozialen Netzen, als die grüne bayerische Fraktionsvorsitzende Katharina Schulze zum Jahreswechsel im Internet stolz Fotos von einem Kurztrip nach Kalifornien zeigte.
Der Vorwurf: Die Grünen predigen Wasser und trinken Wein. Jemand wie Schulze, die sich vehement gegen die dritte Startbahn des Münchner Flughafens eingesetzt hat, ist selbst Vielflieger. Die Widersprüchlichkeit lässt sich sogar durch repräsentative Meinungsumfragen belegen. Die Forschungsgruppe Wahlen befragte Bürger nach ihrer Flugreiseneinstellung: Mit Abstand sind die Grünen-Wähler diejenigen, die am häufigsten fliegen (49 Prozent gaben mindestens einen Flug in den letzten zwölf Monaten an), vor Wählern der Linken (42 Prozent) und deutlich vor CDU/CSU- und SPD-Wählern (36 und 32 Prozent). Und gleichzeitig finden Grünen-Wähler überwiegend, es sei nicht gut, „dass sich so viele Menschen heute leisten können zu fliegen“. Auch hier lagen sie deutlich vor anderen Parteianhängern. Man nimmt also selbst Dinge in Anspruch, die man anderen eher nicht gönnt.
Eine Studie des Umweltbundesamtes kam vor einiger Zeit zu einem deutlichen Befund, der den Vorwurf der Inkonsistenz verstärkt. Untersucht wurde der Pro-Kopf-Verbrauch von natürlichen Ressourcen durch unterschiedliche Bevölkerungsgruppen. Die „gehobenen Milieus“, also jene mit hohem Einkommen, haben besonders viele und große Autos und energiefressende Geräte im Haushalt, ihre Wohnungen sind größer und verbrauchen dementsprechend mehr Energie. Aber auch die „kritisch-kreativen Milieus“ weisen ein „überdurchschnittliches Niveau des Verbrauchs stofflicher Ressourcen“ auf, ergab die Studie. Gerade jene „kritisch-kreativen Milieus“, die urbanen, akademischen jungen Schichten, die zu den Grünen neigen, haben je Kopf weit überdurchschnittliche CO2-Emissionen, die auch nicht dadurch aufgefangen werden, dass sie im Bioladen Gemüse aus der Region einkaufen. Gerade unter den Kritisch-Kreativen, die laut der Studie besonders „weltoffen“ sind, gibt es überdurchschnittlich viele Vielflieger. Man macht gerne mal einen Trip nach Neuseeland oder Kanada, um dort die Natur zu bewundern. Gleichzeitig gibt man sich besorgt über die Auswirkungen der CO2-Emissionen aufs Klima. In den traditionellen Milieus sind lange Urlaubsreisen dagegen weniger verbreitet, notieren die Forscher.
Unter dem Strich kam die Studie zu dem Ergebnis, dass jene mit „positiver Umwelteinstellung“ beim tatsächlichen Energieverbrauch und bei den tatsächlichen CO2-Emissionen die höchsten Werte aufweisen. Im Umweltamt werden sie „klimabesorgte Klimasünder“ genannt. Den Unterschied zwischen Reden und Handeln gerade im grünen Milieu zu diskutieren wäre bei den Freitagsdemonstrationen sicher ein lohnendes Thema.
In den Vereinigten Staaten kam vor zwölf Jahren der Film „Eine unbequeme Wahrheit“ über die Klimawandelkampagne des früheren Vizepräsidenten Al Gore in die Kinos, der die Zuschauer mit Monsterwellen aufgrund steigender Meeresspiegel alarmierte. In Interviews lobte sich Gore für seinen „CO2-neutralen Lebensstil“, etwa dass er für Flugreisen einen Ausgleich bezahle. Dann aber kam eine andere „unbequeme Wahrheit“ heraus, dass nämlich Gores Villa im Bundesstaat Tennessee mit fast 1000 Quadratmetern Wohnfläche etwa zwanzigmal so viel Energie verbraucht wie das Haus einer amerikanischen Durchschnittsfamilie. Allein die Pool-Heizung verbraucht so viel Strom wie sechs Durchschnittshaushalte. Der sich grün gebende Politiker stand als Heuchler und Pharisäer da.
Zur Wahrheit gehört eben auch, dass Gutverdiener sich teurere Energie besser leisten können als Geringverdiener. Die von der grünen „Fridays for Future“-Bewegung geforderte drastische Einschränkung der CO2-Emissionen durch eine abrupte Abkehr von allen fossilen Brennstoffen oder eine hohe CO2-Steuer würde einen starken Anstieg der Energiekosten bedeuten, der für einkommensschwache Schichten nur schwer zu ertragen wäre. Ganz zu schweigen von den Millionen Armen in anderen Erdteilen wie Afrika, die bei einer deutlichen Verteuerung der Energie unter die absolute Armutsgrenze gedrückt würde. Steigende Nahrungsmittelpreise würden mehr Hungernde bedeuten. Hart ausgedrückt: Der von manchen wohlsituierten Aktivisten recht naiv geforderte Weg könnte im Extremfall das Todesurteil für Arme in Entwicklungsländern bedeuten, für deren künftiges Wohl und Überleben sie angeblich streiten.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen