von Thomas Heck...
Trotz katastrophaler materieller und personeller Einsatzbereitschaft kauft sich Katastrophenministerin Ursula von der Leyen den nächsten Auslandseinsatz ein. Dabei mangelt es an allem, besonders an für Auslandseinsätze besonders wichtiger Luftverladekapazität. Über die Motivation darf man getrost rätseln. Fragen Sie doch mal Ihren Bundestagsabgeordneten, warum die Sicherheit Deutschlands jetzt auch im Zentralirak verteidigt wird. Und parallel wird die Präsenz deutscher Soldaten auch am Hindukusch verstärkt. Von der Leyen stockt das deutsche Kontingent in Afghanistan auf. Bleibt nur zu hoffen, dass jeder Soldat eine Schutzweste erhält.
Es ist ein neues gefährliches Einsatzgebiet, viele Details lässt das Mandat bewusst offen: Die Bundeswehr soll schon im April im Zentralirak zum Einsatz kommen. Immerhin ist eine Notbremse vorgesehen.
Von Arnd Henze, ARD-Hauptstadtstudio
Die Bundeswehr soll in Zukunft auch die irakische Armee ausbilden und beraten. Nach wochenlangen Verhandlungen haben sich Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und Außenminister Sigmar Gabriel Ende vergangener Woche auf den Rahmen für einen veränderten Einsatz in Syrien und im Irak geeinigt. Am Mittwoch will das Kabinett den 15-seitigen Mandatstext, der dem ARD-Hauptstadtstudio exklusiv vorliegt, beschließen.
Kampfmittelräumung, Sanitätsdienst und Logistik
Neben der Beteiligung am internationalen Kampf gegen den IS soll künftig die Stärkung der irakischen Armee im Mittelpunkt der Mission stehen. Konkret genannt wird "die Durchführung von spezialisierten Ausbildungslehrgängen (im Schwerpunkt Ausbildung von Ausbildern) und Maßnahmen des Fähigkeitsaufbaus für die regulären irakischen Streit- und Sicherheitskräfte mit Focus auf die zentralirakischen Streitkräfte."
Besonderen Bedarf hat die irakische Regierung vor allem für den Bereich der Kampfmittelräumung angemeldet. Von der Leyen hatte bei ihrem Irakbesuch Anfang Februar aber auch die Themen Logistik und Sanitätsdienst hervorgehoben. Darüber hinaus soll die Bundeswehr auch beim Aufbau einer transparenten Führungsstruktur der irakischen Sicherheitskräfte eine beratende Rolle spielen.
Bei ihrem Besuch im Februar hatte die Ministerin bereits über Aspekte des Einsatzes gesprochen.
"Tornados" fliegen weiter
Das bedeutet eine erhebliche Veränderung gegenüber der bisherigen Präsenz der Bundeswehr in der Region. Zwar wird sich Deutschland auch weiter mit Aufklärungs-"Tornados" und Luftbetankung an der internationalen Koalition im Kampf gegen die Terrormilizen des IS beteiligen. Die Ausbildungsmission für die Peschmerga-Kämpfer in der kurdischen Autonomieregion im Norden des Irak soll aber schon zum 30. Juni beendet werden.
Im neuen Mandat bleibt offen, in welchem Umfang sich die Bundeswehr auch zukünftig im kurdischen Norden engagieren wird. Auf der einen Seite ist von einer "angemessenen Balance zwischen der irakischen Zentralregierung und - in Absprache mit der irakischen Zentralregierung - der Region Kurdistan-Irak" die Rede. Schon im nächsten Satz heißt es dann aber: "Dabei stehen Maßnahmen zum Fähigkeitsaufbau in Zentralirak eindeutig im Vordergrund."
Obergrenze 800 - aber wie viele für den Irak?
Für den künftigen Einsatz in Syrien und im Irak sieht das Mandat eine Obergrenze von 800 Soldaten vor. Das ist deutlich weniger als die Summe der bisherigen beiden Mandate von 1250 Soldaten.
Diese Reduzierung ergibt sich allerdings vor allem aus dem Verzicht auf eine Fregatte im Mittelmeer, die nicht mehr benötigt wird. Auch die Zahl der Tornados soll reduziert werden. Im Mandat gibt es keinerlei Angaben, wie viele Soldaten die Bundeswehr in den Irak verlegen wird. Neben den Ausbildern muss die Bundeswehr auch für den Eigenschutz und die medizinische Versorgung der Soldaten Vorsorge treffen.
Von der Leyen zufolge könnte die Bundeswehr eine Brückenfunktion zwischen Bagdad und Erbil einnehmen.
Viele Risiken
Angesichts der angespannten Sicherheitslage in Zentralirak dürfte der Aufbau einer neuen Präsenz allerdings in den ersten Monaten eher langsam erfolgen. Denn das Mandat ist zunächst bis zum 31.Oktober begrenzt.
Diese ungewöhnlich kurze Laufzeit ist ein Zugeständnis an die SPD, die angesichts der vielen Risiken und Unwägbarkeiten des Einsatzes eine Art Notbremse für die Mission einbauen wollte. So gibt es im Mai Wahlen im Irak an und es ist keineswegs sicher, dass danach auch weiter der als gemäßigt geltende Premierminister Haidar Al-Abadi das Land führen wird.
Sollte stattdessen sein Vorgänger Nuri al-Maliki zurück an die Macht kommen, könnte das die ethnischen Konflikte im Irak so verstärken, dass der angestrebte Beitrag zur Stabilisierung des Landes durch die Bundeswehr kaum noch denkbar wäre.
Mit der kurzen Laufzeit hat der Bundestag nun schon im Spätsommer die Möglichkeit, die politische Lage im Irak neu zu bewerten und das Mandat anzupassen.
Brücke zwischen Bagdad und Erbil?
Eine weitere Unsicherheit bieten die Spannungen zwischen der kurdischen Regionalregierung in Erbil und der Zentralregierung in Bagdad. Seit dem umstrittenen Unabhängigkeitsreferendum in Irak-Kurdistan gibt es eine Art Wirtschaftsblockade des Nordens. Im Raum Kirkuk kam es im Oktober sogar zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen kurdischen und zentralirakischen Streitkräften.
Dabei definiert das Mandat der Bundesregierung die Peschmerga ausdrücklich als Teil der "regulären irakischen Streit- und Sicherheitskräfte". Das sind sie formal auch. Allerdings bekommen die kurdischen Kämpfer schon seit Jahren keinen Sold mehr von der Zentralregierung.
Bei ihrem Irakbesuch Anfang Februar hatte von der Leyen davon gesprochen, die Bundeswehr könne eine "Brückenfunktion" zwischen Bagdad und Erbil einnehmen.
Abstimmung im Eilverfahren
Geht es nach der Bundesregierung, soll der Bundestag schon in der kommenden Woche über das Mandat beraten und es eine weitere Woche später beschließen. Es könnte dann zum 1. April umgesetzt werden.
Gegen ein solches Eilverfahren dürfte es allerdings massive Widerstände geben - nicht nur bei der Opposition, sondern auch aus den Reihen der SPD-Fraktion. Da der Mandatstext in wesentlichen Punkten äußert vage bleibt, wird es in den zuständigen Ausschüssen wohl noch viele kritische Fragen geben. Gut möglich, dass es deshalb erst nach den Osterferien zu einer Abstimmung im Parlament kommen wird.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen