Mittwoch, 1. November 2017

95 Thesen von... Dunja Hayali

von Thomas Heck...

Wenn man beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen arbeitet, ist man in der Regel a) überbezahlt und b) überbewertet. Zumindest scheint man c) zu viel Zeit zu haben. Anders ist es nicht zu erklären, wenn eine Journalistin die Zeit findet, 95 Thesen zu entwickeln, um diese auf Facebook zu posten.


ZDF-Moderatorin Dunja Hayali nimmt den Reformationstag zum Anlass, „95 neue Thesen“ auf Facebook zu veröffentlichen. Darunter finden sich konkrete politische Forderungen – und spirituelle Lebensratschläge.

Wer sich im Jahr 2017 Gehör verschaffen will, muss seine Thesen nicht mehr des Nachts an die Kirchentür schlagen – wobei ja selbst diese Luther-Legende unter Historikern höchst umstritten ist. Im digitalen Zeitalter gibt es einen einfacheren Weg, seine Meinung kundzutun: die sozialen Netzwerke. Diese nutzte nun auch ZDF-Moderatorin Dunja Hayali für ihre eigenen „95 neuen Thesen“ zum Reformationsjubiläum.

Darunter finden sich Äußerungen zur politischen und gesellschaftlichen Situation in Deutschland, auch konkrete Forderungen sind dabei. Manche der Thesen hören sich dagegen wie Ratschläge für das Erreichen persönlichen Glücks an.

Die erste These lautet: „Die Angst setzt die Grenzen“. „Furcht ist kein guter Ratgeber“, schreibt Hayali darunter. Eine Anspielung auf die Ängste der Deutschen vor Terror, Flüchtlingen und Überfremdung? Das lässt Hayali im Vagen, wird dafür an anderer Stelle sehr konkret: Sie fordert die Einführung des kostenlosen Nahverkehrs, gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit und das Recht darauf, selbst den Zeitpunkt seines Todes bestimmen zu dürfen.

Manche Thesen enthalten spirituelle Weisheiten

Auch für den WELT-Korrespondenten Deniz Yücel, der seit Februar in der Türkei im Gefängnis sitzt, hat Hayali eine sehr direkte Forderung parat: „Free Deniz und Mesale“ lautet These 82. „Und alle anderen, an denen nur ein Exempel statuiert werden soll“, schreibt sie darunter.

An anderen Stellen wird es spirituell: „Halte dich selbst aus“ (These acht), „Hör auf dein Herz“ (These zehn) oder „Suche Erfüllung“ (These 88) klingen nach Wandsprüchen in einem Yogastudio oder einer Massagepraxis. Tatsächlich scheint sich Hayali sehr um die psychische Gesundheit ihrer Follower zu sorgen: „Schalte dein Smartphone ab“, rät sie etwa, oder: „Fahr ans Meer.“

Und warum das alles?

Im Vortext zu den Thesen bezieht sich Hayali direkt auf Luther und dessen berühmt gewordene Begründung, er veröffentliche seine Thesen „aus Liebe zur Wahrheit“. Die ZDF-Moderatorin schreibt, mit Luther sei ein neues Zeitalter angebrochen. Auch sie wolle „Thesen für eine bessere Zukunft“ vorstellen.

Zustimmung und Herzen in den Kommentaren

Ist das ein bisschen zu hoch gegriffen? Hayalis Follower scheint das nicht zu stören. Knapp 236.000 Menschen folgen der ZDF-Moderatorin auf Facebook. Nur eine Stunde nach der Veröffentlichung wurde der Post bereits über 360-mal geteilt und 1200-mal gelikt.

In den Kommentaren gibt es viele Herzen und Zustimmung für Hayali. „Ich würde sie alle unterschreiben! Danke dafür, Dunja“, schreibt eine Userin. Eine andere lobt: „Danke, dass Sie das Wichtigste hiermit anregen: Dass die Menschen im Gespräch bleiben.“

Hayali ist für ihre häufigen und oft auch politischen Äußerungen in den sozialen Netzwerken bekannt. So äußerte sie sich etwa vergangene Woche zur Freilassung des Menschenrechtlers Peter Steudtner aus türkischer Haft. Zuletzt machte sie mit einem Tweet über die Unzuverlässigkeit eines DHL-Paketboten auf sich aufmerksam.

Der häufigste Protagonist von Hayalis Social-Media-Aktivitäten dürfte jedoch nicht einmal von seiner Berühmtheit wissen: Es vergeht kaum eine Woche, in der die Moderatorin nicht ein Foto ihrer Hündin Emma postet.

Doch nun zu Ihren Thesen:

Aus Liebe zur Wahrheit - Meine 95 neuen Thesen.
Was macht unser Leben besser? Vor 500 Jahren – am 31. Oktober 1517 – schlug Martin Luther seine weltberühmten Thesen ans Kirchenportal in Wittenberg. „Aus Liebe zur Wahrheit“. Auch wenn der Thesenanschlag wahrscheinlich so gar nicht stattgefunden hat, mit Luthers mutigem Vorstoß begann eine neue Zeit. Das Mittelalter ging zu Ende. Luther stellte die Vernunft des Menschen ins Zentrum allen Handelns. Vorher herrschte Aberglaube und Angst vor der übermächtigen katholischen Kirche. Nun begann die Neuzeit. Martin Luther brachte ein lange währendes gesellschaftliches System zum Einsturz. 
Was macht unser Leben besser? 500 Jahre später bringe ich meine eigenen 95 Thesen in die Diskussion ein. Thesen für eine bessere Zukunft. Auch diese entstanden „aus Liebe zur Wahrheit“. Meiner Wahrheit.
dh
1. Die Angst setzt die Grenzen.

Wer Angst hat, ist nicht frei. Furcht ist kein guter Ratgeber. 

2. Revanchier dich.

Aus einem Buch von Donald Trump von 2008 (!). "Mein Wegweiser zum Erfolg." Und ich denke, da hat er mal recht. Revanchier dich! Im Guten wie im Schlechten. Man muss sich nicht alles gefallen lassen. (Selbstverständlich ohne Gewalt.)

3. Warte nicht auf bessere Zeiten.

Unsere Zeit ist jetzt! 

4. Die Schulen müssen mehr experimentieren.

Bildung. Bildung. Bildung. Irre wichtiges Thema. Was wir bei den Kindern versäumen, kann ein ganzes Leben lang nicht nachgeholt werden. Wir dürfen kein Kind verlieren! Bildung ist das wichtigste Zukunftsthema. Hier müssen die besten Leute ans Ruder und Geld darf keine Rolle spielen. Aufgeklärte Menschen wenden kaum Gewalt an.

5. It’s the economy, stupid.

Der Rubel muss rollen. Wenn die Wirtschaft nicht funktioniert, dann funktioniert auch die Gesellschaft nicht mehr. Jedenfalls nicht in modernen Industriestaaten. 

6. Nehmt die Bürger ernst.

Die Leute haben das Gefühl, sie spielen keine Rolle mehr, sind nur noch eine Versicherungsnummer oder sind nur wichtig, wenn es an die Wahlurne geht. Mehr Mitbestimmung und Teilhabe. 

7. Glaube an Erneuerungsenergie.

Veränderungen sind nötig. Ohne Wandel gibt es keinen Fortschritt. Erneuerung ist gut. Aber der schnelle Wandel macht vielen Leuten Angst. Das Tempo ist zu hoch. Aber deshalb den Fortschritt auf null zurückzudrehen und zu den alten Grenzen, zur alten Spießbürgerlichkeit zurückzukehren, kann es auch nicht sein. 

8. Halte dich selbst aus.

Der Weg zur inneren Freiheit. 

9. Weniger Ehe, mehr Familie fördern. 

Familie ist, wo man ungefragt in den Kühlschrank greifen darf. Wo Kinder sind, muss Geld sein. Wo Alleinerziehende sind, muss mehr Unterstützung sein. Solidarität für die, die mehr „Last“ tragen als andere.

10. Hör auf dein Herz.

Entscheidungen aus dem Bauch sind am Ende immer die besseren Entscheidungen. (Nicht immer, aber meistens 😊)

11. Fürchte nicht den Tod. Fürchte das schlechte Leben.

Ständig zu verzichten, weil es gesünder ist oder nach außen besser aussieht, bringt nichts. Was haben wir davon, 2 Jahre länger zu leben, wenn man sich davor 20 Jahre um die schönsten Genüsse gebracht hat. 

12. Tu was du sagst und sage, was du tust.

Sei zuverlässig, sei glaubwürdig – dann geht es allen besser.

13. Die Polizei darf gerne lustig sein.

Die Polizei ist nicht humorlos. Das lese ich vor allem bei Twitter. Und: Die Polizei ist nicht unser Feind. Wir brauchen eine gute Polizei.

14. Berausche dich.

Jeder Mensch braucht Auszeiten, wo der Verstand mal Pause macht und der Rausch Hirn und Körper flutet. Extremsport, Natur pur, Sex, Cocktails, Seriengucken, die Nacht durchtanzen – das macht glücklich (wenn man’s nicht übertreibt.)

15. Hilf, die Digitalcharta durchzusetzen.

Gute Initiative – ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius – das muss man erklären und dafür eintreten, denn das ist das Grundgesetz 2.0!

16. When they go low we go high.

Da hat Michelle Obama einen sehr guten Satz gesagt, den zu befolgen eine große Kunst ist.

17. Hab Geduld.

Wahrheit braucht Zeit. Und Geduld zahlt sich am Ende immer aus.

18. Versuch nicht, jemand anderes zu sein.  

Man reitet sich ins Unglück, wenn man versucht, gegen seine Natur zu leben. Finde heraus, wer du bist und lebe frei. Gut, dass wir in einem Land leben, wo Diskriminierung geächtet ist und diese Freiheit etwas gilt. 

19. Alle Menschen sind gleich(wertig).

Bürger erster und zweiter Klasse. Flüchtling = Vieh? Meine Freiheit endet, wo die Freiheit anderer beginnt. Respekt vor allen Menschen. Wie Meryl Streep schon sagte: „Respektlosigkeit sorgt für weitere Respektlosigkeit.“

20. Der Staat ist für den Bürger da und nicht umgekehrt.

Dieses Gefühl, ständig Bittsteller zu sein und an der Verwaltung zu scheitern, macht Menschen mürbe. Dabei wird jedes Gehalt eines „Staatsdieners“ von den Steuern der Bürger bezahlt. So fühlt sich das aber meistens nicht an.

21. Die Elite sind wir.

Alle, die sich an der Gemeinschaft orientieren und einen nennenswerten Beitrag für andere leisten, sind die Elite. Diejenigen, die in abgeschotteten Kreisen verkehren und andere ausgrenzen, sind es eben gerade nicht. 

22. Kostenloser Nahverkehr für alle.

Es muss doch möglich sein, in Städten Mobilität gratis anzubieten. Ein Umweltbeitrag der Extraklasse. Und eine Erleichterung für alle. 

23. Für das Recht auf selbstbestimmtes Sterben.

Wann es soweit ist, das entscheidet jeder für sich allein. Alles andere ist eine unerträgliche Anmaßung und Grenzübertretung.

24. Die Familie ist die Heimat des Herzens.

Und weil das jeder fühlt und weiß, der schon mal von Trennung oder Tod betroffen war, kann man nur den Kopf darüber schütteln, wie unmenschlich Politik manchmal sein kann. 

25. Sei großzügig.

Dann wird dein Leben reich. Funktioniert wirklich. 

26. Akzeptiere, oder ändere.

Es ist doch wirklich nervig (auch für alle, die da ständig zuhören müssen), immer nur zu klagen und so zu tun, als wäre man dem Leben wehrlos ausgeliefert. 

27. Es gibt kein Ende der „deutschen Schuld“.

Nur wenn wir uns erinnern, können wir auch bessere Menschen sein.

28. Sei ehrlich. Vor allem zu dir selbst.

Ungeheuer schwer. Ich weiß.

29. Kein Plastik bei die Fische.

Die Meere zu vergiften, bedeutet, die Menschheit zu vergiften.

30. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit.

Noch immer keine Selbstverständlichkeit. Shame on you, Germany. Kann ich mich richtig drüber aufregen. Hier geht es nicht um Gleichheit, sondern um Gerechtigkeit! 

31. Reparieren statt Neukaufen.

Nachhaltigkeit fängt im Kleinen an. Das gilt aber auch für Fabrikanten, die Produkte herstellen, die nicht lange halten. 

32. Wandel durch Annäherung.

Egon Bahr hatte recht. Abgrenzung macht aggressiv.

33. Achte die Würde der Alten.

Wie wir mit Alten und Kranken umgehen, wie wir sie stützen, ausstatten und pflegen, das zeigt, wie wir wirklich sind. 

34. Hör mehr David Bowie.

Er hat mehr für unsere innere Gesundheit getan als manche Krankenkasse.

35. Lebe die Freiheit und genieße die Freiheit.

Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren. Das wusste schon Benjamin Franklin. 

36. Digitaler Wandel: Es läuft nicht mehr wie früher.

Die Veränderungen sind so tiefgreifend und fundamental, dass wir denjenigen helfen müssen, die den Anschluss nicht halten können. Wir müssen alle mitnehmen. Das ist die neue „soziale Spaltung“. 

37. Kauf dir ein Haustier.

Das Leben wird schöner. Und man wird auch richtig allergisch gegen jede Tierquälerei. 

38. Respektiere die Kultur der anderen.

Alles andere ist rassistisch.

39. Heimat ist ein Gefühl.

Und braucht keine Definition. Und gehört nicht irgendwelchen Leuten, die sie für sich allein reklamieren wollen.

40. Räume dein Leben auf.

Von Zeit zu Zeit richtig durchfegen, aussortieren und sich auch mal trennen. Vor allem, wenn man negative Gefühle damit verbindet. Auch von Menschen. Nur Mut.

41. Schein und Sein.

Das sollte man für sich selbst auseinanderhalten können, aber auch bei anderen.

42. Riechen, Schmecken, Mittanzen.

Wer immer nur vor dem Fernseher sitzt und sagt, er kennt die Welt, dem sage ich: gehe auf Reisen! Nichts geht über die unmittelbare Erfahrung.

43. Mit den Schmuddelkindern spielen.

Erkenntnisgewinn entsteht auch, wenn man sich mit denen trifft, die als Tabu gelten. „Mit denen“ reden, mit denen niemand etwas zu tun haben will, kann entlarvend sein. Für beide Seiten. 

44. Nichts muss so sein, nur weil es immer so gewesen ist.

Liebe Kollegen, ich weiß. Es ist fast unmöglich, an den Abläufen etwas zu ändern. Aber manchmal muss es einfach sein. 

45. Sprecht deutsch.

Wir verlangen das zu Recht von allen Zuwanderern, damit sie hier klarkommen. Dann bitte auch von denjenigen, die jung, cool, hip und sonstwie „awesome“ sind und sich hier gerade überhaupt nicht angesprochen fühlen. 

46. Du bist, was du isst.

Ja. Echt. Stimmt. Guckst du. 

47. Lerne deine Nachbarn kennen.

Dafür musst du aber auch ab und an zu Hause sein. 

48. Eine Spende gibt einem ein gutes Gefühl.

Und man hilft damit sogar noch Menschen, die Hilfe nötig haben. 

49. Arsch in der Hose kannst du nicht lernen.

Da muss man schon mal einer spontanen Eingebung folgen und nicht sofort wieder über die Folgen nachdenken. 

50. Ressourcen schonen.

Recycling, Leute. Benutzt wiederverwendbare Sachen. Verschwendet keine Lebensmittel. Habt ein bisschen Ehrfurcht vor den begrenzten Schätzen unserer Erde.

51. Das Volk gehört niemandem.

Und kann deshalb auch nicht zurückgeholt werden.

52. Mehr Mitgefühl.

Der Perspektivwechsel hilft häufig, die Position der anderen Seite nachzuvollziehen. „In den Schuhen des anderen gehen“, sagt man bei mir zu Hause. 

53. Go with the Flow.

Man lebt um einiges entspannter, wenn man sich nicht ständig gegen Entwicklungen stemmt, die man sowieso nicht aufhalten kann. 

54. Für sexuelle Selbstbestimmung.

Niemand schreibt niemand irgendwas vor. Es gibt kein „normal“. Man ist, was man ist und liebt wen man liebt.

55. Engagiere Dich.

Der Staat ist kein Selbstzweck oder eine Theater-Vorstellung. Der Staat sind wir alle. 

56. Schwäne soll man nicht umbringen und braten.

Wenn die Obdachlosen im Tiergarten Hunger haben und sich offenbar nicht anders zu helfen wissen, dann ist Zivilisation Geschichte. 

57. Schönheit liegt im Auge des Betrachters.

Stereotype Schönheitsideale, die schon Kinder in die Spur zwingen, ruinieren das Selbstwertgefühl ganzer Generationen. Wir brauchen andere Vorbilder. 

58. Bürokratie ist Mist.

Nicht immer. Aber immer öfter. Vor allem wenn man es wegen einer einmal beschlossenen Richtlinie nicht schafft, die verhasste Sommerzeit abzuschaffen, obwohl alle das wollen. 

59. Gib Gummi, Deutsche Bahn.

Lahmes Internet, mieser Telefon-Empfang, geänderte Wagenreihung, stinkende Klos, jahrelanges Warten auf die neuen ICEs, Sylt vom Rest der Welt abgehängt ("syltpendler") und eine desaströse Kunden-Information. Man würde es nicht glauben, wenn man es nicht ständig selbst erlebt. No go. 

60. Jeder ist wichtig.

Jeder Mensch verdient, mit seinen Wünschen, Sorgen und Nöten gehört zu werden. Die fehlende Wertschätzung verbittert viel zu viele Bürger. Wir müssen dringend mehr Möglichkeiten zur Teilhabe und Mitbestimmung im täglichen Leben schaffen.

61. Manchmal hängt's am Kaffeebecher.

Aber meistens an uns selbst. Der enorme Verpackungsmüll ist die Pest.

62. Eigentum verpflichtet.

Geld und Gier sollten nicht zusammengehören. Geld und Gemeinwohl schon. 

63. Pressefreiheit ist der Grundpfeiler der Demokratie.

Und die Grundlage meiner Arbeit und der meiner Kolleginnen und Kollegen. 

64. Fahr ans Meer.

Jeder Mensch sollte mindestens einmal im Leben das Meer sehen und spüren, was das mit einem macht.

65. Zeige Respekt.

Nicht alle können so wie du. Nicht alle wollen so wie du. Nicht alle müssen so wie du.

66. Es gibt keine „gute Gewalt“.

In diesem Fall heiligt der Zweck niemals die Mittel. 

67. Im Gespräch bleiben. 

Haben wir doch alle schon erlebt. Wenn man nicht redet, verhärten sich die Positionen. Und nur schreiben, führt oft zu Missverständnissen. (Kleiner Gruß an die digitale Kommunikationswelt.)

68. Radfahrer besser schützen.

Irgendwann sollte es auch dem ignorantesten Kommunalpolitiker klar sein: Wir brauchen mehr und bessere Radwege und eine bessere Verkehrs-Infrastruktur. 

69. Lebensleistung anerkennen.

Es ist demütigend, wenn man sich rechtfertigen muss für das, was man in einem langen Leben erlitten, erduldet oder auch erreicht hat. 

70. Nicht an alles gewöhnen.

An jedem einzelnen Tag kostet der nicht eröffnete Flughafen BER über 1 Millionen Euro. Man sollte sich das auch an jedem einzelnen Tag bewusst machen. 

71. Sieh die Welt als Ganzes.

Alles hängt mit allem zusammen. Wir können uns davon nicht losmachen. Deshalb müssen wir das Kleine auch vor dem großen Hintergrund diskutieren.

72. Treibe Sport.

Ein gesunder Geist, lebt in einem gesunden Körper. Das wussten schon die alten Römer. 

73. Behandele alle so, wie du auch behandelt werden willst.

Warum das so selten funktioniert, gehört zu den größten Mysterien der modernen Zeit.

74. Unterstütze die Energiewende.

Denn was ist die Alternative?

75. Sei gnädig zu dir selbst.

Du musst nicht perfekt sein. 

76. Lass los.

Krampfhaft an Ideen, Menschen, Vorstellungen, Jobs festzuhalten, bringt gar nichts außer Leid und Frust. 

77. Teile.

Gib ab von deinem Glück, deiner Not, deinem Wissen. 

78. Mehr Vernunft, weniger Absurdistan.

Solange Windräder Energie produzieren, die ungenutzt verpufft, weil keine Leitungen anliegen, darf man öffentlich an der Eignung der Verantwortlichen zweifeln.

79. Ehrenamt stärken.

Mehr als 20 Millionen Deutsche engagieren sich uneigennützig für unsere Gesellschaft. Das wird viel zu selten gewürdigt. 

80. Genau hinschauen.

Endlich Ehe für alle. Aber auch steigende Zahlen von Gewaltdelikten gegen Schwule, Lesben und Trans*-Personen. Man darf nicht hinter das Erreichte zurückfallen.

81. Bezahlbare Wohnungen.

Wer kein Heim hat, der kann kein unterstützender Teil der Gesellschaft sein. 

82. Free Deniz und Mesale.

Und alle anderen, an denen nur ein Exempel statuiert werden soll. Niemand darf zur Tagesordnung übergehen, wenn Willkür regiert. Pressefreiheit ist ein Grundpfeiler der Demokratie. 

83. Flexible Arbeitszeiten.

Gute Konjunktur. Sprudelnde Steuereinnahmen. Jetzt sollten mehr Menschen frei entscheiden dürfen, wie sie arbeiten wollen. Arbeit soll glücklich machen.

84. Den Kirchen zuhören.

Die müssten sich dann allerdings auch deutlich engagierter in die öffentliche Debatte einmischen. 

85. Stelle Forderungen.

Es wird sich nichts ändern, wenn man nicht selbst aktiv wird. Dafür muss man aber wissen, was man will. 

86. Schalte dein Smartphone ab.

Lebensqualität entsteht nur in relaxter Atmosphäre, in der man sich auch mal auf andere Dinge konzentrieren kann. 

87. Entscheide dich. 

Man kann die Dinge lange herauszögern, aber um eine Entscheidung kommt man nicht herum. Auf geht’s! 

88. Suche Erfüllung.

Nur wenn man einen Sinn in seinem Tun sieht, kann man wirklich glücklich sein. 

89. Vorurteile schaffen Fremdenhass.

Aber ohne Vorurteile könnten wir die Welt nicht verstehen. Wir brauchen ein vergleichendes Kategoriensystem. Aber wir dürfen uns nicht über andere erheben. 

90. Du bist verantwortlich auch für das, was du nicht tust.

Verantwortung kann man nicht delegieren. Und die Augen zu schließen, hilft nicht. Im tiefsten Innern weiß man, was zu tun ist. Also dann. 

91. Vergangen ist vergangen.

Man kann im Nachhinein nichts mehr ändern. Das ist auch gut so. Sonst kann man nicht abschließen. 

92. Den „Wert“ immer neu verhandeln.

Was ist Arbeit „wert“? in sozialen Berufen? In Kinderbetreuung und -förderung, in Krankenhäusern, in Pflegeeinrichtungen? Auf jeden Fall mehr als jetzt. 

93. Die Kunst ist frei. 

Geschmacksfragen dürfen keine Rolle spielen. Die Kunst darf weh tun. Sie ist Auseinandersetzung mit philosophischen, gesellschaftlichen und politischen Grundfragen.

94. Vielfalt macht reich.

Unseren kulturellen Reichtum haben wir nur und ausschließlich Menschen zu verdanken. Die übrigens seit Jahrhunderten von überall her zugewandert sind.

95. Liebe ist alles.

Dem ist nichts hinzuzufügen. Danke, Rosenstolz.

Dunja Hayali, Reformationstag 2017



Israel droht mal wieder mit Selbstverteidigung...

von Thomas Heck...

Nach der Zerstörung eines Terrortunnels, der von Hamas-Terroristen vom Gaza-Streifen auf israelisches Territorium führte, geifert die westliche Presse und malt das Gespenst der Kriegsgefahr an die Wand, die von Israel ausgehe. Kein Wort von der Motivation zum Bau derartiger Tunnel. Denn hier geht es nicht um den Schmuggel von Ägypten nach Gaza, hier geht es um Angriffe auf israelische Zivilisten. Bei dieser Hetze gegen Israel mal wieder ganz vorne dabei: Der Berliner Tagesspiegel...









Nach tödlicher Attacke IsraelSorge vor neuem Krieg im Gazastreifen wächst

Die Zerstörung eines Palästinensertunnels durch die israelische Armee
ist hochbrisant. Die Lage ist so angespannt wie zuletzt 2014.
VON 

Am Ende hatten die israelischen Streitkräfte mehr erreicht, als sie vorhatten: Mindestens sieben Palästinenser starben, als Israel am Montag eine im Bau befindliche Tunnelanlage zerstörte, die von Chan Junis im Gazastreifen nach Israel führte. Unter den Toten befinden sich Medienberichten zufolge ein Kommandeur des Islamischen Dschihad – die zweitgrößte Gruppe in Gaza nach der Hamas –, dessen Stellvertreter sowie Mitglieder der Hamas. Einige von ihnen seien wohl erst durch den Staub und giftige Gase gestorben, bei dem Versuch, verletzte Kameraden aus dem zerstörten Tunnel zu bergen, heißt es.
Amos Harel, Militärkorrespondent der Tageszeitung „Haaretz“, berichtet von einem Briefing für Journalisten am Montagabend, bei dem der Sprecher erklärte, man habe zwar die Tunnel zerstören wollen, es seien dabei aber mehr Menschen als erwartet ums Leben gekommen. In einem Pressebericht schrieb die Armee, die Streitkräfte hätten kein Interesse an einer Eskalation der Lage, seien aber auf verschiedene Szenarien vorbereitet.

Islamischer Dschihad kündigt Vergeltung an

Bisher reagierten die Terroristen in Gaza nur verbal, dafür aber scharf auf die tödliche Aktion der Armee: Von einem „Massaker“ sprach der Islamische Dschihad. Die Gruppe rief zur Mobilisierung auf und warnte, man würde den Angriff vergelten. Wie, ließ sie offen, doch die Ereignisse von Montag haben die Spannungen in und um den Gazastreifen so hoch steigen lassen wie schon seit dem letzten Krieg 2014 nicht mehr. Medien berichten, Israel habe das Raketenabwehrsystem „Eiserne Kuppel“ an der Grenze zum Gazastreifen aufgebaut.
„Das alles geschieht in einer brisanten Situation“, sagt der Militärexperte Amos Harel. Auf der einen Seite steckt die Hamas im Gazastreifen mitten im Versöhnungsprozess mit der bislang verfeindeten Fatah. Auf der anderen Seite konkurriert die Hamas seit Längerem mit salafistischen Gruppen – muss sich also als führungsstarke Kraft beweisen. „Ich denke, wir haben das Ende noch nicht gesehen, es gab noch keine direkte Reaktion. In den nächsten Tagen, wenn sich der erste Staub gelegt hat, wird sich zeigen, zu was das noch führen wird“, sagt Harel.

Versöhnungsgespräche am wichtigsten für Palästinenser

Großes Interesse an einem Vergeltungsschlag, der möglicherweise weitere Reaktionen aus Israel nach sich zieht, können die Palästinenser in Gaza kaum haben. „Die Versöhnungsgespräche sind die Nummer eins auf der Agenda der Palästinenser“, analysiert Harel. So soll am heutigen Mittwoch als erster Schritt die Grenzkontrolle in Gaza an die Palästinensische Autonomiebehörde übergeben werden. Außerdem soll dann auch der Rafah-Grenzübergang zu Ägypten wieder regelmäßig geöffnet werden.
„Das ist wohl der Hauptgrund, warum es vom Islamischen Dschihad und der Hamas noch keine gewalttätige Reaktionen gab“, vermutet Harel. Es werde eventuell eine Art Vergeltung folgen, aber Raketen auf die Küstenstädte Ashdod, Aschkelon oder andere Grenzorte am Gazastreifen hält er für wenig wahrscheinlich.

Streit unter israelischen Ministern

In Israel hat der Einsatz heftige Reaktionen ausgelöst. Denn die Erklärung der Armee, die Tötung der Terroristen sei nicht geplant gewesen, fassten manche als Entschuldigung auf. So schrieb Bildungsminister Naftali Bennett von der nationalreligiösen Partei „Jüdisches Heim“ auf Twitter: „Wir dürfen uns nicht dafür entschuldigen, dass wir erfolgreich Terroristen beseitigt haben.“ Das Ziel der Armee sei es, den Feind zu besiegen, und das müsse weiterhin geschehen. Diese Kritik an der Armee wollte wiederum Verteidigungsminister Avigdor Liebermann („Unser Haus Israel“) nicht auf sich sitzen lassen und sagte, Bennett gefährde mit seinen Kommentaren die Sicherheit des Landes.
Was auch immer die Armee ursprünglich geplant hatte: Der Einsatz zeigt, dass Israel bei der Entdeckung von Tunneln erfolgreich ist. In den vergangenen Monaten wurde immer wieder von einer unterirdischen High-Tech-Mauer berichtet, die die Armee ober- und unterhalb der Erde entlang der Grenze zum Gazastreifen installiert. Diese soll den Bau von Tunneln melden und dabei helfen, bereits fertiggestellte zu zerstören. Zwar ging die Armee nicht näher darauf ein, wie die Tunnel entdeckt oder zerstört wurden. Sie verriet nur so viel: Die Operation habe aufgrund „fortschrittlicher Technologien“ erfolgreich durchgeführt werden können.

Merkel huldigt nach 500 Jahren dem Antisemiten Luther

von Thomas Heck...

Bei den Feierlichkeiten zum 500. Jahrestag der Reformation würdigte Bundeskanzlerin Merkel die Bedeutung der Reformation für die Moderne. Meinet Sie etwa Luthers Antisemitismus? Sie betonte die Religionsfreiheit und forderte mehr Toleranz. Die Kirchen riefen zu Mut und Veränderungsbereitschaft auf. 




Zur Feier des 500. Reformationsjubiläums hat Bundeskanzlerin Angela Merkel den Wert der Religionsfreiheit für eine moderne und offene Gesellschaft betont. Überall dort, wo die Religionsfreiheit bedroht sei, nehme auch die Gesellschaft Schaden, sagte Merkel beim staatlichen Festakt in Wittenberg. Inwiefern die Religionsfreiheit Schaden nimmt, wenn der Islam weiter erstarken wird, scheint sie nicht zu interessieren.



Zugleich unterstrich sie die Bedeutung von Meinungsvielfalt und Toleranz in Europa. Toleranz sei "die Seele Europas" und "das Grundprinzip jeder offenen Gesellschaft". Die Kanzlerin würdigte die Bedeutung der Reformation, die Martin Luther mit der Veröffentlichung seiner Thesen anstieß. Luther habe einen Stein ins Rollen gebracht, "der sich nicht mehr aufhalten ließ und die Welt für immer veränderte". Die Reformation sei eine treibende Kraft zur Entwicklung des Kontinents gewesen.

Aber wer war Martin Luther, dem Merkel, Käßmann und Konsorten bis heute die Stange halten und dem sogar ein weiterer Feiertag gewidmet werden soll? Es kann ja nur der Motivation geschuldet sein, dem Islam ebenfalls einen Feiertag zuzubilligen. Ansonsten wäre es eine sinnlose Diskussion.


Martin Luthers späte „Judenschriften“ sind heute nicht mehr so unbekannt, wie sie lange Zeit waren – und das Entsetzen über den scharf antijüdischen Ton des Reformators ist allenthalben groß. Heinrich Bedford-Strohm, Ratsvorsitzender der EKD, bekannte wiederholt in Interviews, er schäme sich angesichts solcher Texte des maßgeblichen Begründers der evangelischen Kirchen in Deutschland.

War Martin Luther ein Antisemit? Und was würde das bedeuten für die lutherischen Kirchen als öffentlich-rechtliche Institutionen; für die vielen Kirchen, die nach ihm benannt sind; für eine Stadt, die mit Stolz den Namen „Lutherstadt Wittenberg“ führt; für die vielen Schulen und Straßen, die seinen Namen tragen? Oder war er womöglich doch nicht Antisemit, sondern „nur“ ein christlich-theologisch motivierter Antijudaist?

In der Kirchengeschichtsschreibung ist das lange Zeit so gesehen worden: Gewiss, so wird dort zumeist eingeräumt, Luthers „Judenschriften“ seien schlimm, aber es handele sich doch nicht um veritablen Antisemitismus, sondern „nur“ um theologisch begründeten, wenn auch scharfen Antijudaismus. Oft wird noch hinzugefügt: aber in seiner Jugend habe er judenfreundlich geschrieben, zudem sei er alt gewesen, habe unter körperlichen Gebrechen und Depression gelitten und sei nach langen Bemühungen enttäuscht über die verstockte Unbelehrbarkeit seiner jüdischen Zeitgenossen gewesen.
Er sei "nur" antijudaistisch gewesen, lautet die offizielle Meinung der Kirche

Margot Käßmann, von der EKD als Reformations- und Lutherbotschafterin für das Gedenkjahr 2017 beauftragt, ist um ihren Job nicht immer zu beneiden, besonders wenn es um das Thema „Luther und die Juden“ geht. Soweit erkennbar, hält die Lutherbotschafterin (wie der Ratsvorsitzende Bedford-Strohm) daran fest, Luther sei in seinen schlimmen Auslassungen über die Juden „nur“ antijudaistisch gewesen, und damit eben nicht antisemitisch.

Man kann das verstehen: Wie soll heute, nach Hitler und Holocaust, Werbung für eine Person gemacht werden, die – neben allen unstrittigen Leistungen und Verdiensten – auch Antisemit war? Auf ihrer Synode in Bremen (November 2015) verabschiedete die EKD eine Kundgebung „Martin Luther und die Juden – Notwendige Erinnerung zum Reformationsjubiläum“. Die Reformatoren, so heißt es dort, stünden in einer Tradition judenfeindlicher Denkmuster, deren Wurzeln bis in die Anfänge der Kirche zurückreichten. Hinsichtlich Luthers Äußerungen ist von „Judenhass“, „Ressentiments“ oder „Schmähungen gegen Juden“ die Rede – das Wort Antisemitismus wird auch hier sorgsam vermieden. Dem unterliegt an dieser Stelle wie andernorts die Auffassung, Antisemitismus liege nur dann vor, wenn es sich um Rassenantisemitismus handele. Diesen habe es erst seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gegeben. Schon deshalb, so meint man, könne es sich bei Luther nicht um Antisemitismus gehandelt haben.

Luther ging es um die Vertreibung der Juden

Der Göttinger Kirchenhistoriker Thomas Kaufmann, als Experte der Reformationszeit über jeden Zweifel erhaben, kommt in seiner Studie „Luthers Juden“ (2014) zu dem Ergebnis, Luthers Judenhass habe Motive eingeschlossen, die über den traditionellen christlichen Antijudaismus hinausgingen. Neben dem bei Luther zentralen theologischen Antijudaismus schreibt Kaufmann dem Reformator auch „vormodernen Antisemitismus zu. Berüchtigt sind Luthers judenpolitische Empfehlungen an Obrigkeiten und Pfarrherren des 16. Jahrhunderts, die er als Maßnahmen einer „scharffen barmherzigkeit“ bezeichnete: Zerstörung der Synagogen, Wohnhäuser und Schriften, Konfiskation von Geld und Besitz, Arbeitszwang, Verbot jüdischer Gottesdienste, als Ultima Ratio Vertreibung der jüdischen Gemeinden aus Stadt und Land. Der Kirchenhistoriker Kaufmann spricht im Zusammenhang mit Luthers bösen Schriften von „literarischer ‚Endlösung der Judenfrage’“.

Es ist inzwischen wohlbekannt, dass um 1933 bei evangelischen Theologen ein kräftiger Antisemitismus um sich griff. Hatten sie ihn von Martin Luther? Pfarrer Siegfried Nobiling, der seit 1928 in der Gemeinde „Zum Guten Hirten“ (Berlin-Friedenau) amtierte, bekannte 1932 in einer Stellungnahme zum Nationalsozialismus: „Zusammenfassend kann ich nur aus ehrlichstem Herzen gestehen, dass der Nationalsozialismus für mich Schicksal und Erlebnis war.“

„Die Belange der Rasse“, so führte er aus, „gelten immer nur so weit, als sie dem Volksganzen nützlich sind. Wir sehen im Judentum die geistleibliche Vergiftung unserer Rasse.“

Bereits 1932 schloss sich Nobiling der „Glaubensbewegung Deutsche Christen“ (DC) an. Dort traf er auf zahlreiche gleich gesinnte Kollegen .

Für die Theologengeneration von 1933 lagen die Reformationen des 16. Jahrhunderts und somit auch Luthers Judenbild weit zurück. Es waren zuallererst andere, unmittelbar erlebte und selbst erfahrene Anstöße, die ihnen näher lagen und ihre Einstellungen gegenüber Juden bestimmten. Vorrangig für antijüdische Prägungen dieser Generation waren beispielsweise der Historiker Heinrich von Treitschke, der Berliner Hofprediger Adolf Stoecker, der einflussreiche Theologieprofessor Reinhold Seeberg, sodann der antisemitische christliche Verband der Vereine Deutscher Studenten (VVDSt), ferner die ungeliebte Weimarer Demokratie, die als „Gottlosenrepublik“ geschmäht wurde.

In der NS-Zeit gab es ein bemerkenswertes Luther-Revival

Zur religiösen Aufbruchstimmung von 1933, geprägt von den antisemitischen DC, gehörte auch ein bemerkenswertes Luther-Revival: Der Reformator als deutscher Nationalheros, als Urbild des kerndeutschen Mannes und Kämpfers. Nicht selten wurden historische Traditionslinien von Luther zu Hitler gezogen, von Protestanten selbst und mit Stolz. In der Adventsgemeinde (Prenzlauer Berg) sprach DC-Glaubensgenosse Haertel am 12. Dezember 1933 über „Luther und die Juden“. Es müsse Aufgabe der DC sein, Luthers klare Stellung in der „Judenfrage“, die Hitler von neuem gelehrt habe, in der Kirche wieder voll zur Geltung zu bringen.

In der Spandauer Lutherkirchengemeinde beschloss der Gemeindekirchenrat im September 1935, parallel zur Verabschiedung der „Nürnberger Gesetze“, die sofortige kostenlose Verteilung von eintausend Stück „Luther und die Juden“ sowie die Beschaffung von Aushängekästen für Streichers Hetzblatt „Der Stürmer“. Johannes Schleuning, Superintendent im Berliner Osten, verwies im März 1937 in einem Artikel „Judentum und Christentum“ besonders auf Martin Luther und Adolf Stoecker als christliche Vorkämpfer gegen das Judentum. Er pries dabei die jüngste Sondernummer des „Stürmers“ zur „Judenfrage“ und betonte im Anschluss daran, Christus sei ein „Arier“ gewesen, ein nordischer Held, so wie ihn Houston Stewart Chamberlain geschildert habe.

Im Unterschied zu den „Nürnberger Gesetzen“, die in der DC-Publizistik weithin Zustimmung fanden, herrschte im gesamten protestantischen Milieu nach den Pogromen von 1938 eher Schweigen vor. Explizite Zustimmung zu den Exzessen war selten, aber auch das kam vor. Der Stuttgarter DC-Theologe Immanuel Schairer schrieb am 20. November 1938 einen beifälligen Kommentar zu den Ereignissen und berief sich dabei ausdrücklich auf Luthers „Von den Juden und ihren Lügen“. Der Thüringer Landesbischof Martin Sasse ließ unmittelbar nach den Pogromen eine Schrift mit Auszügen aus Luthers Judenschrift drucken und an die Thüringer Pfarrerschaft verschicken. Der kräftige protestantische Antisemitismus der Hitlerzeit speiste sich aus vielen Quellen, nicht allein aus religiösen oder theologischen, und vorwiegend aus solchen, die den Protagonisten historisch und biografisch näher lagen als Luthers „Judenschriften“. Es bedurfte ihrer also einerseits überhaupt nicht, um die massiven antisemitischen Bekenntnisse in den Kirchen der Hitlerzeit hervorzubringen. Überall dort jedoch, wo Luthers „Judenschriften“ seit 1933 ausgegraben und publizistisch Verbreitung fanden, bekräftigten sie den ohnehin schon vorhandenen protestantischen Antisemitismus und verliehen ihm zusätzliche Legitimationen.

Schon vor 1933 mussten Luthers "Judenschriften" als schlimme Entgleisung gelten

Bereits vor dem Jahr 1933 mussten Luthers „Judenschriften“ in den Augen unvoreingenommener Leser als schlimme Entgleisungen gelten. Nach Hitler und Holocaust stehen diese Schriften in einem veränderten historischen Kontext, der dieselben Texte noch einmal in ein verändertes Licht stellt und Luthers verbale Entgleisungen gravierender macht.

Das aktuelle Gedenkjahr 2017 ist das erste Luther- und Reformationsgedenken überhaupt, das die Existenz und Brisanz der „Judenschriften“ einer breiteren Öffentlichkeit bewusst gemacht hat. Das ist im Sinne historischer Aufklärung zu begrüßen. Für die evangelischen Kirchen von heute macht es allerdings den Umgang mit diesem problematischen Erbe nicht leichter. Auf Dauer werden die angestrengt euphemistischen Bewertungen wie „Antijudaismus“ oder die verharmlosende Metaphorik von den bedauerlichen „Schattenseiten“ des großen Theologen nicht hinreichen. Auch fragt man sich, was es mit der im Gedenkjahr 2017 viel beschworenen protestantischen „Lerngeschichte“ auf sich hatte, wenn man die kirchliche Performance (nach immerhin 400 Jahren Lernzeit) während des „Dritten Reiches“ betrachtet.

Der Konfessionsbegründer Luther soll besorgten kirchlichen Zeitgenossen nicht genommen werden. Der Reformator hat seine historische Bedeutung und wird sie auch in Zukunft behalten. Und doch wird sich das aktuelle Lutherbild weiter wandeln müssen. Sein Denkmal wird kleiner werden, während das mit seinem Antisemitismus verbundene Luther-Dilemma wachsen wird.

Migranten in der Polizei. Sicher kein Erfolgsmodell...

von Thomas Heck...

Ab und an dringt in schöner Regelmäßigkeit Forderung nach einer Migrantenquote in der Polizei in die Öffentlichkeit. Eine gefährliche Entwicklung, zumal die normale Integration vieler Türken und Araber bis heute nicht mal im Ansatz vollzogen ist. Doch das hat man davon, wenn man die deutsche Staatsangehörigkeit, die Voraussetzung für eine Anstellung im Polizeivollzugsdienst, nach dem Gießkannenprinzip verteilt. 

Ich kann mich noch gut an einen Vorfall beim Berliner Staatsschutz erinnern, wo es um eine Strafanzeige gegen einen Facebook-Nutzer ging, der mich im Netz antisemitisch beschimpfte und bedrohte. Die Anzeigenaufnahme erfolgt durch einen türkischstämmigen Beamten, der mich als erstes fragte, ob ich Jude sei... Vertrauen in die Polizei habe ich seitdem nicht mehr. Umso bedenklicher sind Berichte aus der Berliner Polizei über die Polizeinachwuchs, der schlimmes erahnen lässt. Im Zusammenhang mit der täglichen Migratengewalt auf Deutschlands Straßen, den Messerstechereien, den Vergewaltigungen und den Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung gehen wir unsicheren Zeiten entgegen...



Eine anonyme Wortmeldung sorgt für Aufregung in der Berliner Polizei. Angeblich gibt es Hass und Gewalt in einer von vielen Migranten besuchten Klasse der Berliner Polizeischule. Der Mann, von dem die Aufnahme stammt, bezeichnet sich als Ausbilder an der Akademie.

In Berliner Polizeikreisen sorgt eine Audio-Datei für Aufregung, in der ein anonym bleibender Mann unhaltbare Zustände an der Berliner Polizei-Akademie im Bezirk Spandau beklagt. Die Aufnahme liegt der WELT vor. Ob die Aufzeichnung echt ist oder eine Fälschung, ist vorerst unklar.

Der Mann, der sich als Ausbilder an der Akademie bezeichnet, klagt über Hass, Lernverweigerung und Gewalt in einer Klasse, in der viele Polizeischüler mit Migrationshintergrund säßen: „Ich hab Unterricht gehalten an der Polizeischule. Ich hab noch nie so was erlebt, der Klassenraum sah aus wie Sau, die Hälfte Araber und Türken, frech wie Sau. Dumm. Konnten sich nicht artikulieren.“

Deutschen Kollegen seien von Schülern „Schläge angedroht“ worden. Er habe „wirklich Angst vor denen“. Die Klage des – wirklichen oder vermeintlichen – Ausbilders gipfelt in dem Fazit: „Das wird ‘ne Zwei-Klassen-Polizei, die korrupt nur sein wird.“ Und: „Das sind keine Kollegen, das ist der Feind. Das ist der Feind in unseren Reihen.“ 

Die Berliner Polizeiführung bestätigte den Vorgang der WELT. Sie lässt ihn derzeit prüfen. Polizeipräsident Klaus Kandt sagte auf Anfrage, die anonyme Voice-Mail sei ihm in der vergangenen Woche vertraulich von einem Mitarbeiter übermittelt worden. „Der Leiter der Polizeischule wurde daraufhin gebeten, den Sachverhalt und die Situation in der Klasse aufzuklären. Ohne das Ergebnis vorwegzunehmen, ist es nach meiner festen Überzeugung Aufgabe der Polizeiakademie, die Auszubildenden so zu sozialisieren, dass sie diszipliniert, höflich und wertschätzend miteinander umgehen, genauso wie mit Vorgesetzten und den Menschen der Stadt.“

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) teilte mit, man wisse um die Probleme, könne aber ohne konkrete Hinweise nichts unternehmen. „Wir kennen diese Audiodatei und betrachten sie mit Sorge, weil es nicht die erste Äußerung über die Akademie ist, die in diese Kerbe schlägt“, sagte GdP-Sprecher Benjamin Jendro. „Unser Problem ist, dass sich bei uns noch niemand gemeldet hat.“ Es habe sich aber trotz mehrfacher Gesprächsangebote noch niemand gemeldet, der derart extreme Zustände selbst erlebt habe. „Das ist nichts Handfestes, sondern immer nur vom Hörensagen“, so Jendro gegenüber dpa. Auffällig sei jedoch, dass sich die Beschuldigungen immer gegen Menschen mit Migrationshintergrund richteten. Zudem seien von den verschiedenen Polizeibehörden in Berlin noch nie etwas Vergleichbares geäußert worden. In einem Fall habe sich auch klar herausgestellt, dass die Vorwürfe nicht stimmen konnten. Jendro forderte diejenigen auf, die etwas wissen, sich zu melden.


Marcel Luthe, innenpolitischer Sprecher der Berliner FDP, rügte eine Absenkung der Personalstandards bei Berlins Polizei: „Die völlige Ideenlosigkeit“ der für Personal zuständigen Vize-Polizeipräsidentin bei der Nachwuchsgewinnung zeige erste Ergebnisse. Ziel müsse es sein, „die besten eines Jahrgangs zur Polizei zu holen und nicht zu nehmen, wen man bekommt. Sprachliche und kulturelle Zusatzqualifikationen sind wunderbar, aber eben als Zusatz zu den Mindestanforderungen an Sprachkompetenz und Umgangsformen. Wer die nicht hat, gehört nicht zur Berliner Polizei.“