von Mirjam Lübke...
Früher dachte ich, die vehement geführte Genderdebatte sei vor allem ein Ablenkungs- und Täuschungsmanöver - eine Beschäftigungstherapie, welche hauptsächlich dem Zweck dient, uns vom immer engeren Meinungskorridor abzulenken: Gib jedem Tierchen sein Plaisierchen, einen Hauch von Freiheit, und niemand wird mehr merken, dass man über die wirklich relevanten Themen nicht mehr offen sprechen darf. Eine Tatsache, mit der eigentlich niemand ein Problem hatte, wurde zum gesamtgesellschaftlichen Ereignis aufgeblasen. Ja, es gibt Menschen, die transsexuell sind oder eben Männer, die gern in Glitzerkleidern auf der Bühne stehen und Marlene-Dietrich-Chansons singen, aber das fanden wir sogar unterhaltsam. Aber eben das ist die derzeitige Debatte eben nicht mehr, denn der Aufwand, welcher betrieben wird, damit sich sich ein paar hundert Bürger hierzulande auch wirklich wohlfühlen, wäre an anderer Stelle sinnvoller einzusetzen. Hinzu kommt eine massive Tendenz, biologische Frauen abzuwerten, die ihr Frausein als etwas Natürliches ansehen und nicht nur als "Person mit Menstruationshintergrund" bezeichnet werden möchten.
Frauenfeindlichkeit wurde noch bis vor ein paar Jahren eher im konservativen politischen Spektrum verortet: Böse, weiße alte Männer, die Frauen wahlweise als Heimchen am Herd oder Sexobjekt ausbeuten wollten. Es gab wilde Diskussionen darüber, ob ein nettes Kompliment oder das Aufhalten der Tür schon frauenfeindlich seien. Auch damals schon konnte man den Eindruck gewinnen, es handele sich um eine Ablenkungsdebatte, die mit dem realen Leben der meisten Frauen nichts zu tun hatte, denn ans Eingemachte ging auch diese Kampagne nicht. Weder thematisierte sie die zunehmende Angst von Frauen im öffentlichen Raum - wir erinnern uns alle an den "politisch korrekten" Umgang mit der Kölner Silvesternacht von 2015/16 - noch berücksichtigte sie, was Frauen in den letzten Jahrzehnten erreicht hatten. Zum Beispiel die freie Wahl, ob sie lieber ein klassisches Rollenmodell bevorzugten oder eine Karriere anstrebten.
Viele Feministinnen stiegen damals begeistert in die Diskussion ein: Wollten wir nicht schon immer über schmierige Typen reden, die uns anzügliche Dinge sagen oder ihre Hände nicht bei sich behalten können? Anstatt aber Frauen das Selbstbewusstsein an die Hand zu geben, sich selbst zur Wehr zur setzen, wurde uns gesagt, was wir als Belästigung zu empfinden hätten. Und genau das passiert jetzt wieder, allerdings in genau gegensätzlicher Weise: Mit einem Male sollen wir Männer in unseren ureigensten Schutzräumen akzeptieren. Natürlich nicht den Hetero-Mann aus der Nachbarschaft, sondern jene Männer, die beschlossen haben, ab heute eine Frau zu sein. Noch 2016 sollten wir uns bei öffentlichen Veranstaltungen dort verschanzen, um vor Übergriffen durch eine Klientel geschützt zu sein, gegen welche der Staat nicht vorgehen wollte. Da können wir von Glück reden, dass die Transphobie, die uns vorgeworfen wird, unter muslimischen Einwanderern weit verbreitet ist und sich Mohammed nicht zu Aischa erklärt. Denn wenn Paul sich spontan zu Paula macht, hat er den Schlüssel zum Paradies schon in der Hand.
Manche Feministinnen der neueren Generation, die hauptberuflich Aktivistinnen sind und wahrscheinlich noch nie ihre Frau in der Arbeitswelt standen, machen dabei noch begeistert mit und beteiligen sich an der Diffamierung von Urgesteinen des Feminismus wie Alice Schwarzer (vielleicht hatte Esther Vilar mit ihrer düsteren Einschätzung des weiblichen Geschlechts doch ein bisschen recht?). Gestandene Frauen wie die Nobelpreisträgerin Christiane Nüsslein-Volhard oder Nachwuchs-Biologinnen wie Marie-Luise Vollbrecht erfahren übelste Attacken, nur weil sie den wissenschaftlichen Ansatz der Debatte verteidigen. Letztere durfte sich nun sogar öffentlich-rechtlich als "Turd" bezeichnen lassen, als "Sch...haufen", womit der Begriff "Terf" eine weitere Steigerung erfahren hat. So wüst beschimpfen uns Frauen doch sonst nur die rechten Incels - noch so eine Abkürzung - in ihrem Frust über unfreiwillige Einsamkeit.
Was ist da los? Haben einige Männer begriffen, dass sie sich mit ihrem Einsatz für die allgegenwärtigen Quotenregelungen selbst ins Knie geschossen haben? Und die so ins Amt gehobenen Frauen ihnen noch nicht einmal dankbar sind, dafür aber eine Menge Unsinn anstellen? Da wäre es natürlich eine raffinierte Idee asymmetrischer Kriegsführung, sich durch eine verbale Änderung der Geschlechtszugehörigkeit durch die Hintertür wieder einzuschleichen. Da stehen Biologinnen oder eigentlich alle mit ein wenig gesundem Menschenverstand und Lebenserfahrung natürlich im Wege. Und da unsere Aktivisten nur noch über Beschimpfungen und Unterstellungen kommunizieren können, kommt nun ungeschminkter Frauenhass ans Tageslicht. Dass es Frauen gibt, die dabei fleißig mitziehen, ist ernüchternd. Wie sehr sie damit anderen Frauen in den Rücken fallen, umso mehr.
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