Mittwoch, 14. Dezember 2022

Israels schwerer Verdacht, dass Terroristen deutsche Steuergelder erhalten

von Thomas Heck...

Der schwere Verdacht, dass palästinensische Terroristen deutsche Steuergelder erhalten ist beileibe keine Überraschung. Wir berichten regelmäßig über einen Skandal, dass deutsche Steuergelder 70 Jahre nach dem Ende des Holocaust den Terror gegen Juden in Israel finanzieren. Hier, hier, hier und auch hier. Wer sich heute überrascht gibt, ist nicht ehrlich, sondern hat aus welchen Gründen auch immer mitgemacht.

Gaza-Stadt, Juni 2020: Teilnehmer einer von den PFLP-Terroristen organisierten Demonstration



Israel hält sechs NGOs für „terroristisch“ – mehrere davon bekommen deutsche Finanzhilfe. Ein israelischer Bericht legt nun Belege für Verbindungen zur Terrororganisation PFLP vor, die dem Auswärtigen Amt zuletzt fehlten. Wie reagiert die deutsche Politik?

Der Name klingt harmlos: Die Union of Agricultural Work Committees (UAWC, deutsch: Verband der landwirtschaftlichen Arbeitsausschüsse) ist eine Nichtregierungsorganisation (NGO) und eine der größten landwirtschaftlichen Entwicklungsinstitutionen in den palästinensischen Gebieten. Sie verfolgt nach eigenen Angaben die Vision „freier palästinensischer Landwirte, die sich für ihre nationalen, sozioökonomischen und kulturellen Rechte einsetzen, die an demokratische Praktiken glauben, in einer Gesellschaft mit gesicherter Ernährung und Souveränität über ihre Ressourcen“.

Die israelische Regierung ist von der demokratischen Verfasstheit der NGO jedoch nicht überzeugt. Im Gegenteil: Im Oktober 2021 stufte das Verteidigungsministerium Israels die Organisation und fünf weitere als terroristisch ein. Sie soll humanitäre Hilfsgelder an die Terrororganisation PFLP („Volksfront zur Befreiung Palästinas“) umgeleitet haben – eine säkulare Organisation aus dem palästinensischen Linksextremismus, die seit 2002 in der EU als Terrororganisation gelistet ist. Der Finanzdirektor sowie der Verwaltungsdirektor der UAWC stehen derzeit vor Gericht, weil sie 2019 an einem Terroranschlag der PFLP beteiligt gewesen sein sollen, bei dem die israelische Teenagerin Rina Shnerb ermordet wurde.

Trotzdem fließen deutsche Entwicklungsgelder an die UAWC. So hat die Menschenrechtsorganisation Medico International nach eigenen Angaben in den Jahren 2018 bis 2021 gemeinsam mit der UAWC Projekte durchgeführt. Für Entwicklungshilfeprojekte in den palästinensischen Gebieten wird Medico unter anderem vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und dem Auswärtigen Amt gefördert. Bereits im vergangenen Jahr teilte Medico WELT mit, dass es seine Förderpraxis „nicht aufgrund von unbewiesenen Anschuldigungen“ ändern wolle. Mit dem Terrorismusvorwurf solle die Arbeit ihrer Partner „kriminalisiert“ werden.

WELT AM SONNTAG berichtete im vergangenen Jahr, dass die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) zwischen 2015 und 2019 vom BMZ insgesamt 9,3 Millionen Euro für ein Projekt zur Förderung der technischen und beruflichen Bildung mit Beteiligung der UAWC erhielt.

Bereits im Jahr 1993 war die UAWC als „die landwirtschaftliche Organisation der PFLP“ eingestuft worden, in einer durch die US-Entwicklungsbehörde USAID in Auftrag gegebenen Prüfung. Die Niederlande kündigte in diesem Jahr einen Vertrag mit der Landwirtschaftsorganisation und begründete dies damit, dass zahlreiche UAWC-Funktionäre gleichzeitig Führungspositionen in der PFLP innehatten.

Nun zeigt die WELT vorliegende Analyse „Potenzieller Missbrauch deutscher Entwicklungsgelder durch palästinensische NGOs mit Verbindungen zu Terrorgruppen“ der israelischen Nichtregierungsorganisation NGO Monitor: Zahlreiche weitere Organisationen, die von Israel als terroristisch eingestuft wurden oder Verbindungen zur PFLP aufweisen, erhalten Mittel aus deutschen Entwicklungsgeldern.

Demnach finanziert das Bundesentwicklungsministerium aktuell etwa ein bis 2024 laufendes Projekt des Zivilen Friedensdiensts (ZFD) zur „Stärkung zivilgesellschaftlicher Kräfte“. Durchführungspartner sind unter anderem die als Menschenrechtsorganisation firmierende Al Haq und die palästinensische Sektion der Kinderrechtsorganisation Defence for Children; beide gehören zu den von Israel als „terroristisch“ eingestuften Gruppen.

Im Dezember 2021 hielt außerdem die Union of Health Workers Committees (UHWC) im Rahmen eines vom BMZ finanzierten „Integrationsprojekts für psychische Gesundheit“ eine gemeinsame Schulung mit der französischen Sektion der Ärzte der Welt ab. Die UHWC wird von der Fatah als offizielles Mitglied der PFLP bezeichnet, die USAID-Prüfung von 1993 bezeichnete sie als „die Gesundheitsorganisation der PFLP“.

Von Medico International wurde auch die Organisation Al Mezan in den Jahren 2018 bis 2021 finanziell gefördert. Laut NGO Monitor unterhalten zahlreiche Funktionäre und Mitarbeiter von Al Mezan Verbindungen zur PFLP. „Viele haben in den sozialen Medien Material gepostet, das Terrorgruppen fördert oder auf antisemitische Bilder und Rhetorik zurückgreift“, heißt es im Bericht von NGO Monitor.

Medico International weist die Vorwürfe auf WELT-Anfrage zurück. Man unterstütze Al Mezan in ihrer Arbeit „gegen Rechtsbrüche aller Autoritäten in geringfügigem Umfang aus Privatspenden“, so Riad Othman, Nahost-Referent bei Medico International. Al Mezan sei eine anerkannte Organisation, kümmere sich zur Hälfte um Vergehen palästinensischer und israelischer Institutionen. Die Vorwürfe von NGO Monitor werde man nicht kommentieren, da es sich um eine „erwiesenermaßen unseriöse Quelle“ handele.

Mit dem ebenfalls von Israel als „terroristisch“ erklärten Bisan-Zentrum für Forschung und Entwicklung kooperierte die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung in den Jahren 2019 und 2020 für das Magazin „The Progressive“, das sich mit wirtschafts- und geschlechterpolitischen Fragen beschäftigt. „Wir halten uns bis auf Weiteres an den aktuellen und vom Auswärtigen Amt bestätigten Erkenntnisstand und damit an der Kooperation mit dem Bisan Center fest“, teilte eine Sprecherin der Stiftung mit.

Danach gefragt, inwieweit die Stiftung seit 2014 mit Bisan kooperierte, erwähnte die Sprecherin mehrere auf der Homepage des Büros in Ramallah zu findende Workshops nicht. Das Budget der parteinahen Stiftungen speist sich hauptsächlich aus Mitteln des Bundes.
NGOs gelten der Regierung als „professionell“

Bei ihrem Besuch in Israel im Februar kündigte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) an, solche Geldflüsse zu prüfen. Im Juli wiesen sechs EU-Außenministerien, darunter auch Deutschland, die Einschätzungen Israels zurück – es gebe keine ausreichenden Belege. In Israel solidarisierten sich im August 53 Organisationen, darunter die von Ex-Soldaten gegründete NGO „Breaking the Silence“, mit den sechs NGOs.

„Wer Entwicklung fördern will, darf das Umfeld von Terrororganisationen nicht finanzieren“, sagte hingegen Volker Beck, Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG). Der Bericht von NGO Monitor würde die Einschätzung Israels „in weiten Teilen bestätigen“. Die Bundesregierung müsse dem nachgehen.

„Es muss klar sein: Wir finanzieren auch nicht indirekt den Terror gegen Israel“

Bei einem Treffen mit Kanzler Scholz verharmlost Palästinenserpräsident Abbas den Holocaust. „Abbas ist ein notorischer Holocaust-Leugner“, sagt Volker Beck, Präsident der Deutsch-Israelische Gesellschaft. Von der Bundesregierung fordert Beck deutliche Konsequenzen.

Eine Sprecherin des Bundesentwicklungsministeriums teilte mit, dass die Bundesregierung Hinweise zu Verbindungen von möglichen Partnern zu terroristischen Organisationen sehr ernst nehme und ihnen nachgehe. Die Partnerstruktur werde fortlaufend überprüft, um eine Förderung terroristischer Aktivitäten auszuschließen. Die von der Terror-Listung betroffenen NGOs „gelten als professionell und führend in ihren jeweiligen Arbeitsbereichen“, so die Sprecherin.

Die Bundesregierung stehe mit der israelischen Regierung weiterhin bezüglich der sechs NGOs in Kontakt, heißt es aus dem Auswärtigen Amt (AA). Das AA fördere Medico International in einem Projekt zur Landwirtschaft im Westjordanland – auch, um die Grundlagen zur Umsetzung einer Zwei-Staaten-Lösung zu bewahren.

Die FDP will die Vorwürfe prüfen. „Dass mit deutschen Entwicklungsgeldern antisemitische Bestrebungen finanziert werden, darf auf gar keinen Fall passieren“, so Till Mansmann, entwicklungspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. Es sei jedoch im Interesse Israels, dass Deutschland eine menschenrechtsbasierte und nachhaltige Entwicklung in den palästinensischen Gebieten unterstütze. Der Bericht von NGO Monitor zeige, dass die „standardmäßige Überprüfung“ der vom BMZ finanzierten Projekte auf „außenpolitische Unbedenklichkeit“ nicht ausreichend funktioniere.

Auch die Unionsfraktion im Bundestag fordert Aufklärung. Volkmar Klein (CDU), Sprecher für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, sagte: „Mittel der öffentlichen deutschen Entwicklungszusammenarbeit dürfen auf keinen Fall in die Hände von Terroristen gelangen.“





Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen