Freitag, 30. Dezember 2022

Ab 5.45 Uhr wird zurückgezaubert!

von Mirjam Lübke...

Zwischen den üblichen verbalen Schlachten um die Notwendigkeit von Corona-Maßnahmen und Waffenlieferungen an die Ukraine - Frau Strack-Zimmermann kann es kaum erwarten - findet sich doch hin und wieder einmal eine Kuriosität, die zeigt, mit welchen Sorgen sich die Generation Regenbogen herumplagt. Nicht mit der Angst vor der Höhe der Gasrechnung im Frühjahr oder der Hoffnung, nun endlich die lästige Maske im Zug loszuwerden - es muss noch etwas viel Dramatischeres sein. Nun ist auch das Heraufbeschwören des vierten Reiches nichts mehr besonderes in gewissen Kreisen, aber dass nun die Gefahr ausgerechnet von Harry-Potter-Schöpferin Joanne K. Rowling ausgehen soll, verblüfft nun doch. Dabei geht die Aufregung auf ein paar Sätze zurück, die sie schon vor Monaten geäußert hatte, man könnte meinen, die Wunden der gekränkten Transpersonen seien längst verheilt. Aber einige der umtriebigen Aktivisten haben sich fest in der Wade der Schriftstellerin verbissen und lassen nicht los, bis die Beute erlegt ist. Ein Phänomen, das in diesem Jahr nicht nur Rowling betraf, denn gefühlt war 2022 das Jahr der queeren Aktivisten - auch die Ampelkoalition stellte ihr "Selbstbestimmungsgesetz" vor.


Was war geschehen? Hatte Rowling eine Autobahn nach Hogwarts gebaut oder die Akademie gar von Albert Speer neu gestalten lassen? Plante Dumbledore, mit einer Armee von Nachwuchs-Magiern in Polen einzumarschieren? Nein, weder Frau Rowling noch die von ihr erdachten Charaktere sehnen sich nach Vergleichbarem. Wir erinnern uns: Die Schriftstellerin bestand lediglich darauf, nicht als "Menstruierende" oder "Mensch mit Gebärmutter" bezeichnet zu werden - und warnte davor, das Wort "Frau" nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Wohlgemerkt als Bezeichnung für biologische Frauen. Damit zog sie sich den Zorn der bunten Gesellschaft zu, sogar die Hauptdarsteller der Harry-Potter-Filme bereuten plötzlich, an diesen mitgewirkt zu haben - es ist freilich nicht bekannt, ob sie auch ihre Gagen zurückgezahlt oder zumindest an eine Antidiskriminierungsberatung gespendet haben. Aber es gab auch viel Solidarität, vor allem von klassischen Feministinnen, die jedoch inzwischen ebenfalls unter Beschuss stehen und sich in Deutschland von Jan Böhmermann öffentlich-rechtlich als Verdauungsprodukt bezeichnen lassen müssen.
 
Doch das reicht offenbar als Verurteilung nicht, und was tut man nicht nur hierzulande, um die ultimative Vernichtung des Gegners einzuleiten? Man hitlert. Mittlerweile laufen in Deutschland mehr Hitler herum als im Film "The Boys from Brazil", was eigentlich zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen führen müsste. Schließlich wären die Trans-Hitler stetig damit beschäftigt, andere Trans-Hitler als potentielle Konkurrenz auszuschalten. Da die des Hitlerseins Bezichtigten aber in der Realität nur wenig Gemeinsamkeiten mit dem Original aufweisen, leben wir zumindest in dieser Beziehung in relativem Frieden und der Krawall wird durch eine andere Klientel verursacht.

Um erfolgreich zu hitlern oder aber zumindest dramatische Vergleiche anzustellen, muss man gar nicht viel über das Dritte Reich wissen, es reicht vollkommen, sich ein paar oberflächliche Kenntnisse anzueignen. Der Beschuldigte besitzt vielleicht einen Rehpinscher, der unvermittelt zu Schäferhund Blondi mutiert. Ist er Arzt, dann muss er ein Mengele sein - das ist tatsächlich Vera Kosova zugeschrieben worden, die im Vorstand der Juden in der AfD sitzt. Man konnte sie wegen ihres Berufes nicht als dumm abqualifizieren, also musste man sie zumindest mit einem KZ-Arzt gleichsetzen. Dabei hat sie noch nicht einmal Blinddarm-Vergleiche wie Sarah Bosetti gezogen - die als politisch korrekte "Komödiantin" natürlich keine Vorwürfe dieser Art von ihren Kollegen zu hören bekam. Joanne K. Rowling schreibt Bücher - und das sehr erfolgreich - aber hat Hitler nicht auch ein Buch geschrieben? Das muss als Parallele reichen. Dieser Logik folgend wären auch Baerbock und Habeck potentielle Hitler-Kandidaten, auch wenn ihre Werke keine Verkaufsschlager sind.
 
Man muss schon sehr mit sich selbst beschäftigt sein, wenn man so krampfhaft nach derart abstrusen Vergleichen sucht. Aber offenbar nutzen diese sich im Laufe der Zeit ab, weshalb man immer dramatischer werden muss. Das kennen wir auch aus anderen Politikfeldern - der Rechtsruck schreitet angeblich ständig voran. Wenn die Globustheorie stimmt, müsste sich die Gesellschaft mittlerweile schon wieder links von der MLPD wiederfinden. Dabei ist es die "woke" Szene, die stetig an Radikalität und Lautstärke zunimmt. Auch Schwule und Lesben werden mittlerweile bedingungslos niedergemäht, wenn sie einfach nur in Ruhe gelassen werden wollen. Biologische Frauen ohnehin - und von den Quotenfrauen in der Politik ist kein Widerstand dagegen zu erwarten, sie wissen, dass sie längst Teil des Systems sind. Es scheint, als gäbe es eine Art Schweigepakt zwischen diesen Gruppen - was mir nun wahrscheinlich den Vorwurf einbringt, Verschwörungstheorien zu verbreiten.
 
Merken diese Aktivisten - egal, ob sie sich nun für das Klima oder gegen "Transphobie" einsetzen - eigentlich nicht, dass sie sich in eine Sackgasse manövriert haben? Da stehen sie nun wie ein Verfolgter am Ende der Straße vor einer Wand und rudern wild mit den Armen. Die Bürger nehmen das längst nicht mehr ernst, aber darin liegt gerade die Gefahr: Auch sie lassen trotz aller Genervtheit die schrägen Vögel gewähren. Vielleicht, weil sie denken, noch irrer könnte es nicht werden. Da ist aber noch viel Luft nach oben, wenn wir den Lautstarken nicht endlich deutlich machen, dass Hysterie und wüste Beschimpfungen nicht zu den fairen Mitteln einer Demokratie gehören.




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