von Thomas Heck...
Wer heute einem weinenden oder hemmungslos schluchzenden Mitbürger begegnet, weiss, dass er es mit einem Linken zu tun hat. Denn die Linken trauern heute. Denn Dauer-Revolutionär Fidel Castro ist im Alter von 90 Jahren gestorben, neben Ernesto Che Guevara, einem homophoben Perversling, eine der Ikone der Linken.
Beides Verbrecher, die mit dem ideologischen Feind und politischen Gegner in einer inhumanen Art und Weise umgegangen sind, dass es einem gruselt. Massenmörder unter dem Jubel der Linken auch in diesem Lande. Denn Fidel war für viele der einzige, der es mit den USA aufnahm. Dass Fidel Castro die Kuba-Krise auslöste, indem er die USA mit Atomwaffen auf kürzeste Distanz bedrohte und so die Welt an den Rande eines Atomkrieges führte, wird von diesen linken Spinnern verdrängt.
Che und Castro - Massenmörder unter sich...
Kubas Máximo Líder Fidel Castro hat mehr als ein halbes Jahrhundert lang die Welt in Atem gehalten. Doch sein Traum blieb größtenteils ein Traum. Ein Nachruf von einem seiner ärgsten Gegner.
Es waren glorreiche Tage. Am 8. Januar 1959, im Alter von 32 Jahren, zog Fidel Castro triumphal in Havanna und in die Geschichte ein, an der Spitze einer kleinen, pittoresken Armee vollbärtiger Guerilleros. Nur eine Woche zuvor war der Diktator Fulgencio Batista – ein korrupter Militär, der Millionen öffentlicher Gelder beiseitegeschafft haben soll – samt Familie und seinen engsten Vertrauten aus dem Land geflohen.
Ganz Kuba strömte also an diesem Tag auf die Straßen, um jubelnd den jungen Helden zu empfangen, der das Wunder vollbracht hatte, ein konventionelles, vielfach überlegenes Heer mit seinen Aufständischen aufzureiben.
Der damals junge Fidel Castro – mit 1,91 Meter von stattlicher Statur und so eloquent, dass er seine Gegenüber oft zur Verzweiflung trieb – war ein Anwalt ohne jegliche praktische Erfahrung. Er war frisch geschieden von einer hübschen Señorita, deren Familie Verbindungen zu Batista nachgesagt wurde und mit der er einen Sohn gezeugt hatte.
Vom reichen Kind vom Lande zum Jesuiten-Schüler (1926-45)
Fidel Castro wurde am 13. August 1926 in Biran, einem Weiler im Osten Kubas geboren. Wie seine fünf Geschwister war er Kind aus zweiter Ehe eines reichen Landbesitzers, der Ende des 19. Jahrhunderts nach Kuba gekommen war, seinerzeit als einfacher Soldat der spanischen Armee, die 1898 von den Amerikanern geschlagen wurde. Es ist durchaus möglich, dass Letzteres später zur antiamerikanischen Haltung des Jungen beitragen sollte, und es ist mehr als wahrscheinlich, dass seine Gymnasialzeit (1940-45) diese Haltung verstärkte.
Castro verbrachte sie in einem Kolleg spanischer Jesuiten in Havanna, die mehrheitlich Anhänger Francisco Francos waren und ideologische Feinde jedweder demokratischer Ideen. Auf jeden Fall ist es bedeutsam, dass einige von Castros Freunden jener Zeit – der des Zweiten Weltkriegs – sich an den Mitschüler als ausgezeichneten Athleten erinnern, der voll Begeisterung anhand einer mit Hakenkreuz-Flaggen an der Wand befestigten Karte den Vormarsch der deutschen Wehrmacht verfolgte.
Der sportliche Schüler wird zum rebellischen Studenten (1945-52)
Der Name Fidel Castro sollte während dessen Studienzeit erstmals in der kubanischen Presse auftauchen – als Mitglied einer „gangsteriles“ genannten Studentenbande. Man beschuldigte Castro, ohne es indes je beweisen zu können, an den Morden an den Studentenführern Manolo Castro und Justo Fuentes beteiligt gewesen zu sein, sowie an dem Universitätspolizisten Fernández Caral. Auch warf man ihm vor, diesmal von Augenzeugen untermauert, einen Jugendlichen namens Leonel Gómez mit Schüssen verletzt zu haben.
Doch trotz dieser langen Liste krimineller Vergehen und eher mäßiger Leistungen an der Universität schaffte Castro das Juraexamen und schloss sich danach der Orthodoxen Partei an, einer Gruppierung mit vage sozialdemokratischer Ideologie, geführt von einem populistischen Demagogen namens Eduardo Chibás. Chibás beging 1951 vor den Augen seiner Parteigenossen Selbstmord, indem er sich eine Kugel in den Bauch jagte.
Der offensichtlichen Militanz der Orthodoxen Partei zum Trotz muss es just um diese Zeit, Ende der Vierziger-, Anfang der Fünfzigerjahre gewesen sein, dass Castro erstmals mit kommunistischen Ideen in Berührung kam. Von seinem Freund und jungen Mentor Alfredo Guevara bekam Castro die ersten kommunistischen Handbücher zugesteckt, worauf er einen mehrtägigen Indoktrinierungskurs machte, den eine kommunistische Gruppe in Havanna anbot, die sich Sozialistische Volkspartei nannte.
Ausgerüstet mit einem Grundstock revolutionärer Ideen, der mutmaßlichen Analyse allen kubanischen Übels sowie drastischen Lösungen für dasselbe; mit einem wachsenden Antiamerikanismus, seinem autoritären Temperament und ständiger Gewalttätigkeitsbereitschaft, hieß es lediglich den passenden Moment abzuwarten, in dem sich Fidel Castro dem kubanischen Volk präsentieren konnte – verkleidet als neuer Messias, an dessen Gürtel zwei Pistolen hängen.
In jener Zeit erfasste den jungen Revolutionär auch der Appetit auf große internationale Abenteuer. 1948 machte er bei einer Invasion der Dominikanischen Republik mit, die den damaligen Diktator Rafael L. Trujillo stürzen sollte. Die Expedition schaffte es jedoch nicht einmal, von der Küste Kubas abzulegen. Wenige Monate später war Castro Teil einer Studentendelegation, die zu einem antiimperialistischen Kongress in Bogota eingeladen war, den Argentiniens Präsident Peron ausrichten ließ.
Der Kongress fiel zusammen mit dem Mord am liberalen Führer Jorge Eliécer Gaitán, schwere Straßenkämpfe folgten. Fidel Castro, Gewehr in der Hand und kaum 21 Jahre jung, versuchte erfolglos, eine Polizeidienststelle in seine Gewalt zu bringen und endete in der Zelle. Gemeinsam mit seinen Kommilitonen wurde er aus dem Land geworfen.
Aus dem Studentenrebell wird der Anführer des bewaffneten Kampfes (1952-56)
Die Gelegenheit, sich mit dem kubanischen Volk als Engel mit dem Schild zu präsentieren, so wie man ihn im Barock in den amerikanischen Kolonien malte, bot sich im März 1952. Kurz zuvor hatte Batista erfolgreich gegen die demokratische Regierung in Havanna geputscht und diese ins Exil getrieben. Castro formierte ein Aktionskomitee, das er mehr schlecht als recht an Waffen schulte und das am 26. Juli 1953 die Moncada-Kaserne in Santiago de Cuba, im Osten der Insel, zu stürmen versuchte.
Der vollkommen kopflose Plan war es, die landesweit zweitwichtigste Kaserne samt Waffenarsenal zu nehmen, dieses ans Volk zu verteilen und auf Havanna zu marschieren. Natürlich schlug der Angriff fehl, mehr als 50 Aufständische wurden während der Schlacht getötet oder unter der anschließenden Folter. Der Anführer bekam 15 Jahre, wurde aber bereits nach 21 Monaten und einer heftigen Pro-Castro-Kampagne der Presse entlassen. Im Sommer 1955 ging er zusammen mit einigen Kampfgefährten nach Mexiko, überzeugt, schon bald für eine neue Revolution nach Kuba zurückzukehren.
Unter Castros Getreuen befand sich auch ein junger argentinischer Arzt namens Ernesto Guevara, den bald alle nur noch „Che“ nannten. Guevara betrachtete sich selbst als Marxisten, und während der politischen Debatten, die sich zu der Zeit um den Ungarnaufstand drehten, kam seine prosowjetische Haltung klar zum Ausdruck. Castro äußerte sich nie, obwohl seine Kameraden sich erinnern wollen, dass er mit den politischen Ideen des „Che“ einverstanden zu sein schien.
Ende November 1956 schiffte sich die 81 Mann zählende Gruppe auf der Jacht „Granma“ ein, die sie für 50.000 US-Dollar gekauft hatten. Der Plan war genauso einfach und absurd wie der Moncada-Sturm. Wieder sollte Kuba von Santiago aus eingenommen und ein Volksaufstand angezettelt werden. Kein langer Krieg, sondern eine fulminante Revolution! Doch schon der Versuch, die Stadt einzunehmen, schlug fehl. Nur 18 Guerilleros überlebten den Angriff und konnten sich vor Batistas Truppen in die Sierra Maestra flüchten. Unter ihnen Fidel, sein Bruder Raúl und „Che“.
Von der Person zur Persönlichkeit (1956-59)
In der Sierra Maestra war es, wo Castro sein eigenes Abbild erschaffen sollte, das er bis heute beibehalten hat. Das Bild des bärtigen Comandante in der ewig olivgrünen Uniform. Niemals mehr sollte er dieses Kostüm ablegen, mit dem Resultat, dass seine millionenfach reproduzierte Gestalt zu den bekanntesten aller den Planeten regierenden Politikern gehört.
25 Monate dauerte das Abenteuer in der Sierra Maestra. Batistas Militärs, korrupt bis in die höchsten Ränge, kämpften schlecht oder gar nicht gegen die in der Sierra verschanzten Rebellen, während der Widerstand gegen den Diktator ständig zunahm. Als Batista klar wurde, dass er die Unterstützung der USA verloren hatte – was ihm das 1958 von Washington erlassene Waffenembargo unzweifelhaft deutlich machte – begann er, seine Flucht zu planen.
In der Sierra Maestra feilte Castro derweil auch in anderer Hinsicht weiter an seiner Legende. Dem „New York Times“-Reporter Herbert Matthews, der ihn dort mehrfach interviewte, versicherte Castro, ein echter Demokrat zu sein, der den Kommunismus ablehne und einzig und allein dem Land die Freiheit bringen wolle. Doch in Wahrheit legte Castro während seiner Zeit in der Sierra Maestra den Grundstein dessen, was später seine Regierung und Armee wurde.
Der Comandate wird zum Präsidenten eines kommunistischen Staats (1959-70)
Einmal an der Macht, vergeudete Castro keine Zeit damit, seine wahren politischen Ziele zu offenbaren. Er begann, Ex-Militärs und ehemalige Polizisten des abgesetzten Regimes erschießen zu lassen. Nach wenigen Monaten schon bildeten sich auch in seinen eigenen Reihen Widerstände, weil sein Abdriften hin zu kommunistischen Ideologien und damit einhergehend die sowjetische Präsenz in Kuba immer stärker wurden. Einige der Sierra-Maestra-Guerilleros flüchteten ins Exil, wurden eingekerkert oder hingerichtet. Ende 1960 verstaatlichte Castro die Großunternehmen, brachte Medien und Schulen unter seine Kontrolle.
Im April 1961, unmittelbar vor der – erfolglosen – Invasion in der Schweinebucht, verkündete Castro offen und vollmundig die kommunistischen Leitlinien seiner Regierung. Das nächste historische Kapitel öffnete sich kurz darauf. Im Oktober 1962 entdeckten die US-Geheimdienste sowjetische Raketenbasen auf Kuba. John F. Kennedy, der zuvor bereits ein Wirtschaftsembargo gegen Havanna verhängt hatte, ordnete eine Seeblockade an und drohte Moskau, die Basen zu zerstören und Kuba einzunehmen, sollten die Raketen nicht abgezogen werden. Es war die gefährlichste Episode des Kalten Kriegs, die Welt stand vor dem Ausbruch eines Atomkonflikts.Nikita Chruschtschow zog die Arsenale – gegen Castros Rat – schließlich zurück, nahm Washington dafür aber die Zusage ab, Kuba niemals anzugreifen. Von diesem Moment an entwickelte sich Havanna zum aggressivsten Verteidiger des Kommunismus und Zentrum einer radikalisierten, gewaltbereiten Linken aus aller Welt. Terroristen und Guerilleros von überall her bekamen ihr Training auf Kuba.
Während die Zahl politischer Gefangener in die Tausende stieg, drückte Castro mit aller Macht das Kollektivmodell durch und konfiszierte sämtliche Firmen und Geschäfte, die noch in privater Hand waren. Die mangelnde Lebensmittelversorgung, Inflation und der Zusammenbruch der gesamten Produktion stürzten das Land in eine schwere Wirtschaftskrise.Castro katapultiert sich in Moskaus Orbit (1970-92)
Angesichts des enormen wirtschaftlichen Drucks akzeptierte Castro schließlich das sowjetische Verwaltungsmodell und verbündet sich mit den UdSSR-Satelliten. Moskau verstärkte sukzessive seine Unterstützung, während Castro weiter eine wichtige Rolle im bewaffneten Kampf gegen die Interessen des Westens spielte.
Zwischen 1975 und 1989 kämpften kubanische Soldaten in Äthiopien und Angola. Castro veranstaltete 1975 den ersten Parteikongress der Kommunistischen Partei Kubas und erweckte den Anschein, dass sich die Diktatur institutionalisiere.
Eine komplette Täuschung: Der Comandante herrschte weiter ohne jegliche Einschränkung. Mit sowjetischer Unterstützung erreichte Kuba aber auch Erfolge, etwa im Bildungsbereich oder Sport. Die gesamte Bevölkerung profitierte von einer umfassenden Gesundheitsversorgung. Tausende Kubaner gingen in die DDR, nach Ungarn und andere kommunistische „Brüderstaaten“, Havanna schloss sich aber nicht dem Warschauer Pakt an, um die USA nicht unnötig zu irritieren. Anfang der Achtzigerjahre begann Castro seine „Korrektur-Politik“, warf der UdSSR Verbürgerlichung vor und fehlende Bekämpfung ideologischer Unterwanderung.
Castro war zu diesem Zeitpunkt wesentlich marxistisch-leninistischer als Moskau. 1985 kam Gorbatschow an die Macht, im Gepäck zwei Dinge, die Castro Angst machen: Glasnost und Perestroika. Erstmals zensierte Havanna sowjetische Medien, Studenten wurden nach Kuba zurückbeordert. 1989 ließ Castro seine ehemaligen Vertrauten, die Militärs Arnaldo Ochoa und Antonio de la Guardia, hinrichten. Offiziell warf man ihnen Korruption und Drogenhandel vor, doch in Wirklichkeit kostete sie ihre Begeisterung für den Wandel das Leben.
1989 fiel die Berliner Mauer, der Ostblock löste sich auf. Castro versicherte indessen, dass Kuba eher in der Karibik versinke als sich vom Kommunismus loszusagen. Boris Jelzin macht den Subventionen Havannas ein Ende. Bis zu diesem Punkt hatte die Insel nach Berechnungen der Ökonomin Irina Zorina mehr als 100 Milliarden US-Dollar von Moskau bekommen.
Der Comandante läutet die „spezielle Periode“ ein (1992-2000)
Mit dem Verschwinden des sozialistischen Blocks und der sowjetischen Subventionen fiel Kubas Konsum auf 40 Prozent zurück. Drei Jahre lang, zwischen 1992 und 1995, litten die Kubaner Hunger, die Not ging so weit, dass Tausende durch die Unterversorgung erblindeten. In dieser Situation rang sich Castro – sehr gegen seine Grundsätze – zu vereinzelten Reformen durch.
Kuba ließ ausländische Investitionen zu, kurbelte den Tourismus an, stellte den Besitz von Dollar nicht weiter unter Strafe, liberalisierte vorsichtig Produktion und Verkauf von Lebensmitteln, erlaubte selbstständige Arbeit – jedoch ohne die kleinste politische Freiheit zuzulassen. Nach einigen Jahren hatten die Kubaner den Absturz infolge der Umbrüche nach 1989 einigermaßen verkraftet. Überwunden sind sie bis heute nicht. Doch bereits 2000 nahm Castro die meisten seiner zaghaften Reformen zurück. Er verordnete dem Land die Rückkehr zum orthodoxen Kommunismus.
Chávez tritt auf die Bühne, und Fidel Castro erneuert seine Rolle als Messias (2000-2006)
Ende 1998, während sich die kubanische Gesellschaft einigermaßen stabilisierte, gewann Hugo Chávez die Präsidentschaftswahl in Venezuela. Chávez war Freund und Schüler Castros und bot diesem sofort finanzielle Hilfen an. 2002 überstand Chávez einen Putsch seiner Militärs. Zu dieser Zeit kamen erste Gerüchte auf, der Comandante leide an Krebs. Die Beziehungen zwischen Castro und Chávez intensivierten sich.
Im Dezember 2005 verkündete Kubas Kanzler Felipe Pérez Roque in einer bedeutungsvollen Rede in Venezuelas Hauptstadt die neue Rolle der Achse Caracas-Havanna. Diese werde der UdSSR nachfolgen in der Aufgabe, der Welt des 21. Jahrhunderts den Sozialismus zu bringen. Bolivien schloss sich nach Evo Morales’ Sieg 2006 der Bewegung an. Der Ablauf orientierte sich am venezolanischen Vorbild: Mittels demokratischer Wahlen gelangt man an die Macht und beginnt dann mit der Revolution. Der Sozialismus ist nicht tot, er hat nur neue Wege gefunden. Erste Aufgabe sollte sein, Lateinamerika zu erobern. In der Folge würden die Vereinigten Staaten an ihren eigenen inneren Widersprüchen und dem Druck der revolutionären Länder fallen.
Der Comandante glaubte, dass diese Revolution ihren Gang genommen hatte, mit ihm als Messias. Ganz explizit betonte er das noch einmal am 16. Juli 2006 – doch am Tag danach erlitt er einen lebensbedrohlichen Darmdurchbruch. Die Ärzte in Havanna leiteten eine Notoperation ein und stellten dabei fest, dass sich der Krebs bereits verbreitet hatte. Anfang August 2006 wurde die Regierungsmacht „vorübergehend“ an Raúl übergeben. Castro hing aber mit solcher Verzweiflung an der Macht, dass er diese nicht permanent zu übergeben bereit war, und Raúl besaß nicht den Mut, den Bruder voll und ganz ersetzen zu wollen. Havanna ließ offiziell verkünden, der Comandante werde bald wieder bei Kräften sein.
Von diesem Moment an begann eine lange Phase der Erholung, unterbrochen von regelmäßigen frohen Botschaften, die die Rückkehr Castros an die Spitze des Landes verkündeten. Dann wieder gab es Berichte über gesundheitliche Rückfälle, die die Gerüchte nährten, der Comandante werde bald sterben. Doch die eiserne Konstitution verließ Fidel auch in diesem Alter nicht. Es ging ihm schlechter, aber er starb nicht. Erst am 24. Februar 2008 übernahm Raúl offiziell das Präsidentenamt, und Fidel zog sich von allen öffentlichen Aufgaben zurück. Nur noch selten trat Fidel Castro danach im Parlament auf.Raúl aber versicherte bei der Amtsübernahme, dass er bei allen wichtigen Entscheidungen für die Insel seinen Bruder Fidel konsultieren werde, um sich dessen Erfahrung, Intelligenz und Führerschaft zu bedienen. Tatsächlich wurde das Versprechen gehalten, zumindest in der Anfangszeit. Das Regime zog Fidel weiter zurate.
2008 dann wurde zu einem Jahr der Naturkatastrophen. Mehrere Hurricans richteten solchen Schaden an, dass sogar die Regierung von US-Präsident George W. Bush wirtschaftliche Hilfe anbot. Raúl, so berichten seine Berater, wollte das Angebot annehmen, nicht nur mit Blick auf die fatale Lage im Land, sondern auch, um die von Feindschaft geprägte Beziehung zum Nachbarn zu entspannen. Fidel aber lehnte dies kategorisch ab – und dies blieb die abschließende Haltung Havannas.
Castro verliert den Anschluss an die Macht (2007-09)
Viel mehr Interesse hatte Fidel an etwas anderem: den US-Wahlen. Er ging davon aus, dass ein Präsident Barack Obama Washingtons Politik gegenüber Kuba ändern könnte. Im November 2008 gewann tatsächlich der erste Afroamerikaner das amerikanische Präsidentenamt. Aber die Castros mussten bald erkennen, dass der junge Obama, der bei ihrem Machtantritt noch nicht einmal auf der Welt war, die Beziehungen nur ändern würde, wenn Havanna sich im Gegenzug Richtung Demokratie und Achtung der Menschenrechte bewegte. Kuba war für Obama keine Priorität; er würde kein politisches Kapital in Verhandlungen mit einem Regime investieren, das ohnehin bald verschwinden würde.
2009 schien sich Fidel Castro weitgehend von den schwersten Folgen seiner Operationen erholt zu haben. Sein künstlicher Darmausgang hielt ihn nicht davon ab, regelmäßig Artikel zu verfassen, die er „Reflexiones“ nannte, und in denen er der ganzen Welt Ratschläge gab, selbst den Mitgliedern der kubanischen Baseball-Mannschaft, die im selben Jahr zu allem Unglück die internationale Meisterschaft verloren und bei ihrer Rückkehr verdammt wurden, die Worte des Máximo Líder gut zu studieren.
Der Grundton der „Reflexiones“ ist katastrophisch. Fidel Castro glaubte, dass die Menschheit kurz vor ihrer Auslöschung stand, und zögerte nicht einmal, eine bevorstehende Militäroffensive der US-Amerikaner aufzumalen. Seine Annahme war, dass Washington eine Ausrede brauchte, um den Iran und Nordkorea anzugreifen. Im selben Jahr nimmt die Sicherheitspolizei in Havanna Alan Gross fest, von der US-Regierung beauftragt, der jüdischen Gemeinde zu Internetzugängen zu verhelfen. Fidel Castro empfiehlt, ihn einzusperren und als Tauschware gegen fünf in den USA zu langen Haftstrafen verurteilte kubanische Spione feilzubieten. Es gibt Gerüchte, Raúl hätte Alan Gross lieber freigelassen, aber offiziell hört man nur eine Losung: die der Standfestigkeit.
Doch das Bemerkenswerteste, das in jenem Jahr passierte, war die unehrenhafte Entlassung von Carlos Lage, einem Arzt und mutmaßlichem zweiten Mann in der Regierung, sowie von Felipe Pérez Roque, dem Kanzler. Sie waren beide Schlüsselfiguren im engsten Kreis um Fidel. Die Sicherheitspolizei hatte Gespräche der beiden abgehört, in denen sie sich über den alten Comandante lustig machten, und nutzen diese als Beweis mangelnder Loyalität.
Die Operation schien Teil eines Prozesses zu sein, mit dem unter den Fidelistas aufgeräumt und diese durch Raúlistas ersetzt werden sollten, die fast alle aus der Armee kommen. Raúl war offenbar bereit, Fidel als eine Art Königinmutter der Revolution zu akzeptieren, nicht aber die Fidelistas. Raúl will seine eigenen Leute haben, wie er fast alle Militärs. Kein Wunder, da er von 1959 bis 2006 den Posten des Verteidigungsministers innehatte.Raúls Reformen führen ins Desaster (2010-12)
2010 beschleunigten sich die Wirtschaftsreformen. Der Verkauf von Mobiltelefonen wurde endlich erlaubt, ebenso von Haushaltsgeräten, die Kubaner durften nun auch Hotels betreten, schließlich wird sogar der Kauf und Verkauf von Autos und Wohnungen freigegeben. Aber die wichtigste Maßnahme ist die Schaffung von Kleinunternehmertum. 1,5 Millionen Arbeiter, die bisher nutzlos in darbenden Staatsbetrieben ausharrten, finden eine neue Aufgabe. Eine Liste mit 181 Aktivitäten wird veröffentlicht, denen man auf eigene Rechnung nachgehen darf. Vom Clown-Spielen bei Kindergeburtstagen bis bis hin zu Elektrikerarbeiten.
Fidel Castro war mit diesen Änderungen nicht glücklich, aber er wusste, dass etwas gegen massive Unproduktivität getan werden musste und akzeptierte Raúls Reformen, allerdings unter großer Vorsicht des politischen Vokabulars. Es durfte nicht von „Reformen“ die Rede sein (das erinnerte zu sehr an Perestroika), sondern von „Anpassungen“. Die Regierung hörte nicht auf, ein System mit Einheitspartei, Planwirtschaft und Volkseigenen Betrieben zu sein. Das Ziel war lediglich, den Kommunismus zu perfektionieren.Wie bitte? Das war doch ein Zurückdrehen der Uhr. Damit kehrte Kuba nach 1968 zurück, als Castro unverantwortlich gegen den Rat vorsichtiger Kommunisten in einer „revolutionären Offensive“ 60.000 kleine Firmen konfiszieren ließ, die bis dahin das darbende Land erhalten hatten, um aus Kuba die stärkste Kollektivwirtschaft der kommunistischen Welt zu machen.
Raúls Reformen führten geradewegs ins Desaster. Er behauptete die kommunistische Diktatur zu retten, indem er ein System schaffte, in dem die typischen sozialistischen Subventionen verschwanden, während eine dünne Decke aus Privatfirmen entstand, die aber keine „kapitalistischen“ Profite machen durften. Das Schlechteste aus beiden Welten also.
Garcia Marquez verabschiedet sich, Chávez stirbt (2012-14)
2012 wurde es schließlich offensichtlich, dass Fidels Gesundheit immer schlechter wurde. Als Papst Benedikt XVI. im März des Jahres nach Havanna kam, begrüßte ihn die Familie Castro in der Botschaft des Vatikans. Fidel war ein gebeugter, sich kaum artikulierender Alter, dem man beim Aufstehen und Gehen helfen musste. Seine Freunde kamen, um ihm die letzte Ehre zu erweisen.
Gabriel García Márquez, der selber zwei Jahre später sterben sollte, kam nach Havanna. Auch der Filmemacher Saúl Landau. Hugo Chávez verabschiedete sich schon seit Jahren von seinem Mentor, und bei einem Besuch wurde Chávez’ Krebs entdeckt. Fidel aber hat sie alle begraben, er bekam sogar Kunde vom Rücktritt des Papsts – aus Altersgründen.
Fidel zählte nicht mehr viel, sein Alter hatte ihn an den Rand gedrängt, Raúl regierte allein, ohne ihn noch zu konsultieren, alle Zügel der Macht in seiner Hand. Ein weiterer Bruder Fidels, Ramón, geboren 1924, lebte auch noch, litt aber unter schwerem Alzheimer. Genau wie Angelita, die älteste unter den Geschwistern, die 2012 starb.
Zum Ende seines Lebens musste er sogar noch hinnehmen, dass das Verhältnis zum Erzfeind USA auf eine neue Basis der friedlichen Koexistens, Kooperation und ja, der persönlichen Freiheit jedes Kubaners gestellt werden solle. Im August 2015 eröffneten die USA eine neue Botschaft in Havanna. Touristen überströmen das Land.
Löst sich Castros politische Vision damit bald in Luft auf? Wie viel er von den Geschnissen der letzten Monate wirklich noch mitbekam, ist nicht ganz klar. Sein nahes Ende war ihm jedoch bewusst - im April verabschiedete er sich mit einer Redevom Kongress der Kommunistischen Partei seines Landes. Wehmut schwang mit. „Vielleicht ist es eines der letzten Male, dass ich in diesem Saal spreche“, sagte der damals 89-Jährige. „Bald werde ich sein wie der Rest. Für uns alle kommt der Zeitpunkt.“
Castros Tod erschüttert mich nicht - aber viele Reaktionen darauf in Deutschland. Sympathien für einen Diktator, vor dem die Menschen auf Schlauchboten flohen und ihr Leben riskierten. Woher kommt diese Ignoranz gegenüber den Verbrechen von Diktaturen hierzulande? Für mich ist sie ein Indiz dafür, dass die Aufarbeitung des Nationalsozialismus und der DDR-Gewaltherrschaft nicht so erfolgreich war, wie ich immer hoffte. Wer Gewaltherrschaft, egal ob von links oder rechts, schön redet, wer vor staatlichen Verbrechen die Augen verschließt oder gar Angriffskriege und Kriegsverbrechen relativiert, wie im Fall Putin, ist Komplize. Oder, wenn nur geistig überfordert, im besten Fall nützlicher Idiot, wie Lenin seine Unterstützer im Ausland nannte. (Boris Reitschuster).
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