Donnerstag, 25. August 2022

Woelki hat keine Erinnerung...

von Thomas Heck...

Manche Nachrichten lassen einen fassungslos zurück. Mit dem sexuellen Mißbrauch innerhalb der katholischen Kirche haben wir uns hier schon viel zu oft beschäftigen müssen. Wir waren immer der Meinung, die Aufarbeitung gehört in die Hände der Staatsanwaltschaften, die Täter hinter Gitter. Auf keinen Fall hätte man die "interne Aufarbeitung" der Kirchen überlassen dürfen, denn die haben die Täter geschützt. Ein Skandal. Ganze vorne dabei der Erzbischof Rainer Maria Woelki, der eine Liste mit Priestern, denen sexuelle Gewalt vorgeworfen wurde, 2015 im Erzbistum Köln schreddern ließ, aus "Datenschutzgründen". Erzbischof Rainer Maria Woelki kann sich nun an keinen der Namen auf der Liste erinnern. Spätestens jetzt sollte die Staatsanwaltschaft auf den Plan treten...


Der Kölner Erzbischof Rainer Maria Woelki steht weiter in der Kritik wegen seines Umgangs mit Missbrauchshinweisen. Konkret geht es um eine Liste aus dem Jahr 2015 mit den Namen von Priestern, denen sexuelle Gewalt vorgeworfen wurde. Diese Aufstellung sei geschreddert worden, nachdem der Kardinal sie durchgesehen habe, teilte das Erzbistum Köln am Mittwoch der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) mit. Dieser Schritt sei aus Datenschutzgründen erfolgt.

„Herr Kardinal Woelki hat keine Erinnerung daran, welche Namen überhaupt auf der vor mehr als sieben Jahren eingesehenen Liste standen“, hieß es weiter: „Er weiß auch nicht, ob die Liste hinsichtlich der Priester, denen Missbrauch vorgeworfen wurde, vollständig war.“ Es habe sich um eine Excel-Tabelle gehandelt, die die Namen der beschuldigten Geistlichen sowie die jeweilige Zahlung an Missbrauchsbetroffene auswies. Informationen zu den konkreten Vorwürfen und zum Verfahrensstand habe das Dokument nicht enthalten.

Der Erzbischof habe 2015 keine Maßnahmen gegen die auf der Liste benannten Personen unternommen, da bereits die Fachstellen des Erzbistums mit den Fällen befasst gewesen seien und die Liste abgearbeitet gewesen sei. „Kardinal Woelki vertraute auf die ordnungsgemäße Arbeit der zuständigen, unabhängigen und qualifizierten Interventionsstelle“, so das Erzbistum weiter.

Im Juli war bekannt geworden, dass das Kölner Erzbistum Missbrauchsvorwürfe gegen den früheren „Sternsinger“-Chef Winfried Pilz erst sehr spät an das Bistum Dresden-Meißen weiterleitete, wo der Priester seinen Ruhestand verbrachte. Das Erzbistum sieht darin aber keine Pflichtverletzung durch Woelki, da der Kardinal nicht gewusst habe, dass die Informationsweitergabe unter seinem Vorgänger Joachim Meisner versäumt worden sei. Ob der Name Pilz auf der Liste von 2015 stand, weiß Woelki nach Angaben des Erzbistums nicht mehr.

Die Vorwürfe gegen den mittlerweile verstorbenen „Sternsinger“-Chef kommen in anonymisierter Weise auch in einem Aufarbeitungsgutachten vor, das die Kanzlei Gercke Wollschläger im März 2021 veröffentlichte. Ebenso beschreiben die Juristen einen weiteren Fall, bei dem die Liste von 2015 ausdrücklich eine Rolle spielt. Demnach berichtete Woelki den Juristen im Februar 2021, dass er den Namen eines mit ihm befreundeten beschuldigten Priesters sowie eine relativ hohe Anerkennungszahlung in der Tabelle gelesen hatte. „Diese Feststellung habe ihm den Boden unter den Füßen weggezogen“, schrieben die Gutachter über Woelkis Aussage – und: „Dies sei für ihn ein furchtbarer Augenblick gewesen.“

Der Kardinal ließ sich laut Gercke-Report die Akten des Beschuldigten kommen. Da dieser jedoch an Demenz erkrankt und nicht mehr vernehmungsfähig gewesen sei, habe Woelki keine weiteren Schritte eingeleitet. Anders als die Gercke-Gutachter sehen einige Beobachter in diesem Verhalten einen Verstoß gegen das Kirchenrecht. Woelki bat Papst Franziskus, seinen Umgang mit dem Fall zu prüfen. Eine offizielle Antwort aus dem Vatikan ist bis heute nicht bekannt.

Den Gercke-Gutachtern lag die Liste von 2015 bei der Erstellung ihrer Untersuchung nicht vor, wie sie der KNA mitteilten. Sie stützen sich stattdessen auf die Darstellung des Kardinals. Andere Tabellen konnten sie hingegen einsehen. „Bei Durchsicht der vom Generalvikariat zur Verfügung gestellten Dokumente stießen die Gutachter auf zahlreiche Listen mit Namen, die teilweise eindeutig im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch Minderjähriger standen“, heißt es im Gercke-Report.




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