Dienstag, 16. August 2022

Khomeinis Gift wirkt weiter...

von Mirjam Lübke...

Das Motiv des Täters sei noch unklar, äußerte sich die Presse nach dem Attentat auf Salman Rushdie. Dem Schriftsteller wurden schwerste Verletzungen zugefügt, von denen er sich nicht mehr erholen wird. Es ist bemerkenswert, wie unwissend sich unsere Medien geben, die sonst sehr schnell bereit sind, Schuldige zu nennen, wenn es sich politisch instrumentalisieren lässt. Dabei scheuen sich im Falle Rushdie die Auftraggeber noch nicht einmal, ihre Mordaufrufe über Twitter in regelmäßigen Abständen zu erneuern - noch 2019 erklärte der iranische Staatschef Khamenei, dass die 1989 von Ayatollah Khomeini herausgegebene Fatwa nichts an ihrer Gültigkeit verloren hätte: Wegen seines Werkes "Die satanischen Verse" darf Rushdie von jedem "Gläubigen" getötet werden - die Regierung in Teheran will den Mord zudem fürstlich entlohnen. Das Kopfgeld liegt inzwischen bei etwa zwei Millionen Euro.



Schon 1989 fanden sich genügend "Intellektuelle", welche die Fatwa kleinredeten: Sie sei lediglich ein Rechtsgutachten, welches es "rein theoretisch" möglich mache, Salman Rushdie straffrei zu töten. Zu dieser Zeit tobten schon die ersten Bücherverbrennungen in der islamischen Welt. Auch wenn wohl keiner das Buch des Anstoßes gelesen hatte, allein das Gerücht, Allah sei darin beleidigt worden, brachte die Gemüter zum Brodeln. Die Wut, die auf die Straßen getragen wurde, ließ keine Zweifel offen. Hier ging es nicht um die Theorie eines ergrauten Geistlichen, sondern um handfeste Aggressionen. Salman Rushdie musste daraufhin im Untergrund leben - und wie wir nun sehen konnten, lebt der Geist der Fatwa noch immer fort, auch wenn das öffentliche Interesse daran nicht mehr bestand. Damals wie heute wird Täter-Opfer-Umkehr betrieben: Musste Rushdie denn unbedingt ein derart provokatives Buch schreiben? Es ist die selbe Argumentation, welche uns in den letzten Jahren immer wieder vorgetragen wurde, wenn es etwa um die bekannten Mohammed-Karikaturen ging, die in Dänemark zuerst gedruckt worden waren. Vor der Wut der gekränkten Muslime soll die Meinungsfreiheit zurückstehen, sonst könnte sich erweisen, dass die Religion des Friedens gar nicht so friedlich ist, wie von ihren Lobbyisten behauptet. "Wir wären ja artig, wenn ihr euch nur unseren Launen beugen würdet!"

Die "satanischen Verse" gehen auf eine ältere Version des Korans zurück, in welcher der Prophet Mohammed den Mekkanern noch gestattete, zu den "heiligen Kranichen" um Fürbitte zu beten, drei Gottheiten, die als Töchter Allahs betrachtet wurden. Moment: Töchter? Es passte nicht ins Bild, dass Allah nur Töchter haben sollte, wenn in der realen Welt Söhne als ideale Nachkommen galten. Die Erlaubnis, die Göttinnen weiter zu verehren, musste dem Propheten vom Satan eingegeben worden sein. Eine Episode im Leben des perfekten Mohammed, die ihm im Nachhinein sehr peinlich gewesen sein muss, also wurden die Verse im Koran rasch durch eine entsprechende Rüge ersetzt: Allah Töchter anzudichten, war eine Unverschämtheit, die nicht geduldet werden konnte. Wie hatte es zudem geschehen können, dass der perfekte Prophet auf die List des Satans hereingefallen war? Dieses Motiv nahm Rushdie in seinen Roman auf.
 
Wir sehen: Wieder einmal geht es nicht wirklich um Allah, sondern um Mohammed, der vielen Muslimen mehr bedeutet als ihr abstrakter Gott. Es ist ihnen offenbar unmöglich, ihre Empörung über seine Kränkung auf zivilisierte Weise zum Ausdruck zu bringen, was ihr gutes Recht wäre. Stattdessen erleben wir immer wieder brutale Strafaktionen, wenn "religiöse Gefühle verletzt werden". Dazu muss noch nicht einmal der Prophet gekränkt werden, es reicht, wenn sich der Empörte an einer Kirche oder Synagoge stört. Außerhalb des islamischen Herrschaftsbereichs muss keine Rücksicht auf Andersgläubige genommen werden - da schützt auch ein Dhimmi-Status nicht.
 
Ich erwarte nicht, dass sich der "normale" Muslim aus der Nachbarschaft dazu äußert, der einfach sein Leben dort lebt und selbst nicht zum Messer greift. Allerdings wäre es angebracht, wenn sich nun einmal all jene Lobbyistinnen - es sind überwiegend Frauen - zu Wort melden würden, die Atamans, Gümüsays und Cheblis. Aber diese sind abgetaucht - haben sie nicht den Mut, ihren eigenen Glaubensbrüdern zu sagen, "das hat nichts mit dem Islam zu tun"? Angesichts der vielen Attentate der letzten Jahre ist es zynisch, Nichtmuslimen eine "Phobie" zu attestieren. Die Bedrohung ist sehr real: Junge Männer fühlen sich berufen, in die Fußstapfen des Propheten zu treten, als großer Gotteskrieger. In den letzten Jahren kommen dabei immer häufiger Messer zum Einsatz, nachdem Terrororganisationen dazu aufgerufen haben, alles als Waffe zu benutzen, was im eigenen Umfeld verfügbar ist. Und es geht nicht nur ums Töten, sondern um größtmögliche Demütigung durch Gesichtsverletzungen. Sich davor zu fürchten, einem solchen Attentäter zu begegnen, ist keine Phobie, sondern eine berechtigte Angst. Das Sprechen darüber als "Hass und Hetze" abzutun, entbehrt nicht einer gewissen Dreistigkeit: Voller Hass und durch Hetze motiviert sind die Täter. Das ist durch kein Buch und keine Karikatur zu rechtfertigen.

Es wäre Salman Rushdie zu wünschen gewesen, dass er nun endlich zur Ruhe hätte kommen können, Bücher schreiben und ohne Angst Vorträge halten. Aber die Regierung in Teheran hielt ihren Mordaufruf aufrecht. Eine Regierung, mit der auch Deutschland ohne Not Geschäfte macht und zu der einige deutsche Politiker gute Beziehungen unterhalten. Die islamische Revolution von 1979 hat das Land in die Vormoderne zurückgeworfen und seitdem den Nahen Osten im Würgegriff. Aber dazu wird man von unseren Islam-Lobbyisten kein Wort hören.


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