Freitag, 20. März 2020

Corona und die Bundeswehr...

von Thomas Heck...

Die Corona-Pandemie offenbart mit erschreckender Präzision, in welchem Land wir in Deutschland leben: In einer Schönwetter-Gesellschaft, die beim kleinsten Schnupfen schnell an ihre Grenzen stösst.


Deutschland hat seit Jahren seine Wirtschaft in eine global-vernetzte Wirtschaft umgebaut, was in normalen Zeiten durchaus Punkte bringt, aber in der Krise seine Schwächen offenbart. Dass es dennoch immer wieder Nachschub gibt, ist dem Wirtschaftssystem geschuldet. Wir sind noch weit von kubanischen Verhältnissen entfernt.


Doch wie steht es um die Unterstützung der Bundeswehr? Denn was in Italien selbstverständlich ist, ist in Deutschland aufgrund der Verfassungslage etwas schwieriger. Die Aufgabe der Bundeswehr ist die Gewährleistung der äußeren Sicherheit (Verteidigungsauftrag), die Gewährleistung der inneren Sicherheit obliegt hingegen der Polizei. Bei einer Verwendung der Bundeswehr außerhalb des Verteidigungsauftrags, d. h. im Landesinnern, ist zwischen einem Einsatz im Sinne des Art. 87a Abs. 2 GG und sonstigem Tätigwerden zu unterscheiden. Ein Einsatz liegt nur bei der Verwendung der Bundeswehr als vollziehende Gewalt vor, also nur dann, wenn die Bundeswehr mit Befugnissen gegenüber Dritten ausgestattet ist. Nach Art. 87a Abs. 2 GG unterliegt der Einsatz der Bundeswehr einem Verfassungsvorbehalt, d. h., der Einsatz im Inneren ist nur zulässig, wenn das Grundgesetz ihn ausdrücklich gestattet.



Das Grundgesetz lässt einen Einsatz der Bundeswehr im Inneren nur in drei Fällen zu: im Katastrophenfall (Art. 35 Abs. 2, 3 GG), im Spannungs- und Verteidigungsfall (Art. 87a Abs. 3 GG) und im Fall des inneren Notstands (Art. 87a Abs. 4 GG). Der Einsatz der Bundeswehr im Inneren bei Katastro- phen ist zulässig, wenn das betroffene Land (Art. 35 Abs. 2 S. 2 GG) oder der Bund (Art. 35 Abs. 3 GG) die Streitkräfte anfordern. Als Katastrophen werden Gefahrenzustände oder Schädigungen von erheblichem Ausmaß an- gesehen, die durch Naturereignisse (z.B. Überschwemmung, Erdbeben) oder besonders schwere Unglücksfälle (z. B. Flugzeugabsturz, Reaktorunfall) ausgelöst werden. Die in solchen Notfällen eingesetzten Streitkräfte nehmen dann Aufgaben des betroffenen Bundeslandes wahr, sind an dessen Recht gebunden und unterstehen den Weisungen dieses Landes. 

Wie sieht es nun bei der Pandemie aus? Es braucht die schnelle Hilfe, und es braucht die, die notfalls sehr, sehr lange durchhält. „Uns allen muss bewusst sein, dass dieser Kampf gegen das Virus ein Marathon ist“, sagt Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer. „Diese Aufgabe wird uns noch lange fordern.“ 


Ihre Truppe hilft im Moment hier und da, wenn Bund, Länder und Gemeinden sie anfragen. Aber Kramp-Karrenbauer und ihre Leute stellen sich auf eine andere, wichtigere Aufgabe ein. Denn die Bundeswehr sieht sich als die Reserve in der Hinterhand. Sie müsse bereitstehen, „wenn die Durchhaltefähigkeit der zivilen Kräfte erschöpft ist.“ Denn für einen Einsatz der Bundeswehr gilt der Grundsatz der Subsidiarität. Die Bundeswehr prüft daher, ob ein angeforderter Einsatz notwendig ist und die benötigte Fähigkeit nicht durch zivile Firmen oder die Gemeinden erbracht werden kann.


Die Ministerin berichtet am Donnerstag zum ersten Mal seit Beginn der Pandemie vor der Bundespressekonferenz ausführlich über den Stand der Dinge bei der Truppe. Die lange Zurückhaltung hat ihren Grund. Hinter den Kulissen hätten ihr Haus und die Truppe sich auf die neue Lage eingestellt, sagt Kramp-Karrenbauer. Das ist schon deshalb keine simple Aufgabe, weil man die rund 265.000 Männer und Frauen in Zivil oder Uniform nicht einfach zum Medizinisch-Technischen Hilfswerk umwidmen kann. 


Die Armee bleibt Armee: „Oberste Priorität“ behielten die Einsatzfähigkeit und die konkreten Einsätze in aller Welt, sagt die CDU-Politikerin. Die Luftraumüberwachung – auch im Nato-Auftrag im Baltikum – läuft also ebenso weiter wie Missionen in Afghanistan oder Mali. Generalinspekteur Eberhard Zorn sichert zu, dass trotz strenger Quarantäne-Vorschriften die Kontingentwechsel nicht gestoppt werden.


Priorität Nummer zwei ist der Eigenschutz. Aktuell zählt die Bundeswehr 397 Corona-Verdachtsfälle und 52 bestätigte Infektionen; zwei Personen sind in stationärer Betreuung, die übrigen sicherheitshalber daheim. Lehrgänge werden aufs Nötige beschränkt, die Grundausbildung angepasst – Vierbettzimmer werde es jetzt keine mehr geben.


Und schließlich die Amtshilfe. Die Armee habe sich ja selbst das Motto gegeben „Wir dienen Deutschland“, sagt Kramp-Karrenbauer und versichert: „Wir sind handlungsfähig.“ Ein Einsatzkontingent „Schutz vor Corona“ koordiniert alle Aktivitäten. Etwa 50 Amtshilfe-Anfragen liegen vor, in 13 Fällen ist die Truppe aktiv geworden – vorerst vor allem bei der Beschaffung von Sanitätsmaterial. 


Die Ministerin kann sich da einen kleinen Seitenhieb auf die Dauerkritiker des Beschaffungsamts BAAINBw nicht verkneifen: Seit Wochen schon seien die Koblenzer Einkäufer dabei, „rund um den Globus“ und mit Erfolg Schutzmasken, Kittel und Beatmungsgeräte zu organisieren. Verteilt wird das Material – zum Teil unter Polizeischutz – unter der Ägide des Gesundheitsministers Jens Spahn.


Beim Beitrag, den das Sanitätswesen der Armee selbst im medizinischen Kampf gegen das Virus leisten kann, bremst Kramp-Karrenbauer hohe Erwartungen. Die Bundeswehr mit ihren rund 3000 Ärzten sei im Vergleich zum Zivil-Krankensystem allenfalls „Juniorpartner“. 


Auch die Bundeswehr stockt aber ihre Bettenzahlen in den fünf Bundeswehrkrankenhäusern und den Sanitätszentren auf. Von 2336 Reservisten, die sich auf den Aufruf ihres Verbands gemeldet haben, sind 935 fachlich so fit, dass sie zügig einsetzbar sind. 


Darüber hinaus könnten etwa 75000 Reservisten anderer Fachrichtungen mobilisiert werden. Aber die braucht man erst für die Langstrecke. 7500 Lkw hat die Bundeswehr, zusammen könnten sie auf einen Schlag 43.000 Tonnen transportieren. Doch für sie gibt es derzeit keinen Bedarf. Zivile Spediteure haben krisenbedingt sogar gerade Kapazitäten frei. Auch Versorgungsengpässe meldet niemand. „Die Läger sind gut gefüllt“, sagt Kramp-Karrenbauer. Erst recht ruft keine Polizei um Hilfe. 


Bisher laufe alles unter Amtshilfe nach Art. 35 Abs. 1 des Grundgesetzes, berichtet AKK, als frühere Innenministerin und Ministerpräsidentin an der Saar mit der Rechtslage vertraut. So weit, dass die Bundeswehr hoheitliche Aufgaben nach Abs. 2 übernehmen müsse, sei man „lange nicht“. „Keiner muss sich Sorgen machen, dass die Bundeswehr Corona-Partys auflöst“, assistiert Zorn. Schade.


Auch wer auf Straßen und Autobahnen derzeit auf Militärkolonnen mit Panzerfahrzeugen trifft, kann sich beruhigt zurücklehnen. Das sind bloß die Reste des Nato-Großmanövers „Defender Europe 2020“, das Corona zum Abbruch und Rückmarsch zwang. 


Und mehr kann sich auch die Bevölkerung gar nicht vorstellen. Denn die Maxime in Deutschland scheint zu lauten, lieber später reagieren, bloss nicht agieren. Wer sich bewegt hat verloren. Merkel prägt halt. Bleibt zu hoffen, dass die Bundeswehr erst nicht dann zum Einsatz kommt, um Leichen aus den Straßen unsere Städte zu holen.



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