Dienstag, 12. Juli 2022

„Inakzeptabel, wenn Ministerinnen sich mit diesen verklebten Leuten solidarisieren“

von Thomas Heck...

In Berlin kommt es jeden Tag zu Strassenblockaden selbsternannter Umweltschützer, denen es um vieles aber ganz sicher nicht um die Umwelt geht. Es geht letztlich darum, den Staat, seine Bürger, den Autofahrer zu erpressen und in Geiselhaft zu nehmen. Die Methoden sind dabei alles andere als friedlich und es ist nur eine Frage der Zeit, bis es auch zu Angriffen auf Autofahrer kommen wird. Denn Teile der Bewegung Extinction Rebellion haben sektenhafte Züge und sind der Gewalt nicht abgeneigt, auch wenn sie äußerlich niedlich rüberkommen... wie dieser kleine Fickfrosch hier...


Den zweiten Tag in Folge hat die „Letzte Generation“ in Berlin Straßen blockiert. Auf der Stadtautobahn 100 gab es Beeinträchtigungen an verschiedenen Ausfahrten. Mehrere Menschen hatten sich auf der Fahrbahn festgeklebt – zum Ärger der Pendler. Immer wieder werden Aktivisten der „Letzten Generation“ in Berlin von Polizisten abgeführt. Meist kommen sie jedoch gleich wieder frei. Die Hauptstadt sei „das reinste Wohlfühl-Biotop für Straßenblockierer“, klagen Polizisten. Verantwortlich sei die Regierung.

Für die Beamten der Berliner Polizei ist es das immer gleiche Katz-und-Maus-Spiel. In der Hauptstadt blockieren Aktivisten von der „Letzten Generation“ eine Straße, kleben sich fest und verursachen enorme Staus. Die Polizei rückt an, löst die Blockaden auf und nimmt die Aktivisten mit zur Gefangenensammelstelle am Tempelhofer Damm – nur um am nächsten Morgen von Neuem loslegen zu müssen.

In der Gefangenensammelstelle werden die Aktivisten von speziell geschulten Beamten einem Bereitschaftsrichter vorgeführt, der entscheiden muss, ob die Personen zur Gefahrenabwehr weiter festgehalten werden müssen. Oder ob sie die Gefangenensammelstelle wieder verlassen können. Meistens, sagt ein Beamter, dürfen sie wieder gehen. Vor dem Polizei-Gebäude würden dann oft schon Mitstreiter der Aktivisten warten, die ihre Freunde jubelnd in Empfang nehmen. „Für uns beginnt das Spiel dann von vorn“, sagt der Beamte.

Dieser Umstand sorgt nicht nur bei Polizisten für Unmut, sondern auch bei denen, die im Stau stehen. Uneins ist man sich indes in der Berliner rot-grün-roten Regierung. Während die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey und Innensenatorin Iris Spranger (beide SPD) ein konsequentes Vorgehen der Justiz fordern und die Straftaten der Blockierer verurteilen, solidarisieren sich Grüne und bringen ein erstaunliches Verständnis auf. Die grüne Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, Clara Herrmann, ging sogar so weit, dass sie eine Blockade in ihrem Bezirk besuchte und dort gleich persönlich ihre Sympathie bekundete.

Ein Aktivist in Berlin hat sich einen Sonnenschutz mitgebracht


Auf Anfrage von WELT, wie sie diese Solidarität mit den vermeintlichen Aktivisten bewertet, verwies Bettina Jarasch, Berliner Senatorin für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz, auf eine Senatspressekonferenz von Anfang Februar. Dort sagte sie, dass sie die Inhalte der Proteste von „Last Generation“ teile, insbesondere das Ziel einer schnellstmöglichen Klimaneutralität, aber auch „die Dringlichkeit, die aus dieser Protestform spricht.“

Und, einschränkend: „Allerdings würde ich mir doch sehr wünschen, dass Protestformen gewählt werden, mit denen man weder sich selbst noch andere in Gefahr bringt.“

EXTINCTION REBELLION


Dieses Lavieren haben jedoch auch die Polizisten registriert, die Tag für Tag diese von Teilen des Senats valorisierten Menschen von der Autobahn tragen müssen. Spricht man während einer Blockade mit den einfachen Polizisten, so wird recht schnell deutlich, wie frustriert diese darüber sind, wie sich der Senat mit den Anliegen der Rechtsbrecher gemein macht. Und wie stark die Verantwortung fürs Beseitigen der Blockaden an die Polizei delegiert wird, gleichzeitig aber wenig bis nichts getan wird, um ihnen den Rücken zu stärken.

Ein Unding, findet auch Sebastian Fiedler, Bundestagsabgeordneter der SPD und Kriminalhauptkommissar: „Straßenblockaden können Straftaten sein. Mein Verständnis dafür liegt bei null. Vor allem diskreditieren diese Leute das tolle Engagement der vielen seriösen Aktivisten und zivilgesellschaftlichen Organisationen, die den Klimaschutz verbessern und den Artenschwund verhindern wollen“, sagte Fiedler WELT. Und weiter: „Ich finde es daher inakzeptabel, wenn Ministerinnen sich mit diesen verklebten Leuten solidarisieren. Die Demonstranten sollten für die Schäden, die sie bei den Autofahrern verursacht haben, in Haftung genommen werden und die Polizeikosten tragen. Das halte ich für möglich und mehr als angemessen.“

„LETZTE GENERATION“


Während in Frankreich Aktivisten von den Polizisten einfach von der Straße gezogen werden, durchaus auch robust, gehen die Berliner Beamten schon erheblich sorgsamer mit den Klimaprotestlern um. Die jungen Männer und Frauen werden erst nach mehrmaligen Ansagen von der Straße getragen, die von den Aktivisten selbst festgeklebten Hände unter medizinischer Aufsicht sanft von der Straße gelöst. Ein Vorgehen, das aber wenig Dank auslöst.

Polizeihauptkommissar Stephan Weh ist Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) – und würde sich mehr Unterstützung auch von der Justiz erwarten: „Berlin ist eine weltoffene, tolerante und vielfältige Stadt, in der jeder für alles auf die Straße gehen kann. Aktuell ist unsere Hauptstadt aber das reinste Wohlfühl-Biotop für Straßenblockierer“. Die Polizei sei momentan die einzige Institution, die ihrer Aufgabe nachkomme. „Hier ist dann auch mal die Justiz gefragt“. Die Polizisten würden sich die Finger wund schreiben und trotzdem an den Richtern scheitern, die die Blockierer nur zu schnell wieder in die Freiheit entlassen.

Regelmäßig müssen Polizisten Blockierer von der Straße tragen


Bereits von Januar bis März hatten die Demonstranten immer wieder Autobahnausfahrten blockiert und schärfe Klimaschutzmaßnahmen eingefordert. Eine Statistik der Polizei aus dieser Zeit zeigt, dass die Beamten in 129 Fällen einen Folgegewahrsam beantragt hatten. Richterlich angeordnet wurde die Maßnahme aber nur zwölf Mal, also nur in jedem zehnten Fall.

„LETZTE GENERATION“


Daran hat sich bis heute nicht viel geändert. Als die Blockaden Mitte Juni nach einer längeren Pause wieder starteten, hatte die Polizei 48 Blockierer richterlich vorgeführt und ein Folgegewahrsam beantragt. Das Gericht lehnte in allen Fällen ab.

Und das, obwohl die Blockierer immer professioneller werden, wie ein Beamter gegenüber WELT beklagte. Die Aktivisten würden immer häufiger verkabelt sein und Funkgeräte und Videokameras mit sich führen. Während es in der öffentlichen Debatte häufig um Strafrecht und mögliche Konsequenzen für die Aktivisten im Nachgang geht, will die Polizei die Protestierer vorwiegend runter von der Straße bekommen und vorerst in Gewahrsam nehmen und Folgetaten damit verhindern. Möglich wäre das auf Grundlage des Berliner Polizeigesetzes – allerdings nur mit richterlicher Anordnung und bis zum Ende des Folgetages nach der Festnahme.

Ein richterlich verordneter Präventivgewahrsam darf in manchen Bundesländern hingegen vier Tage dauern, in anderen 14, in Bayern bis zu zwei Monate. Bis Ende April zählte der „Aufstand der letzten Generation“, wie WELT berichtete, 104 Fälle, in denen Mitglieder der Gruppe festgenommen und länger als eine Nacht in Polizeigewahrsam behalten wurden. In Hessen gab es demnach 31 Fälle, bei denen Aktivisten sogar fünf Nächte lang hinter Gittern blieben. Unabhängig überprüfen lassen sich diese Zahlen nicht.

Bei der Berliner Polizei brodelt es aber nicht nur bei den Beamten auf der Straße. Unmut herrscht auch auf an der Spitze des Hauses. Polizeipräsidentin Barbara Slowik sagte WELT: „Ich kann absolut nachvollziehen, dass die Blockadeaktionen von vielen Menschen in der Hauptstadt als undemokratische Nötigung einer marginalen Minderheit erlebt werden.“ Es gebe viele unterschiedliche Möglichkeiten, gesellschaftliche und politische Debatten zu führen. „Straftaten und die Gefährdung anderer zählen ganz klar nicht dazu und fordern ein konsequentes Handeln des Rechtsstaates, damit auch von uns“, so Slowik weiter.

Polizisten seien in Uniform und in Zivilkleidung berlinweit im Einsatz, um möglichst schon vor einer Blockade zu intervenieren. Man habe die Menschen, die sich an die Fahrbahnen geklebt haben, so schnell es geht abgelöst, andere weggetragen, Ermittlungsverfahren eingeleitet, Bußgelder und verursachte Kosten erhoben. Um künftige Taten zu verhindern, seien Personen auch in Gewahrsam genommen worden. „Nur in wenigen Fällen erfolgte hierzu die richterliche Bestätigung“, sagte Slowik.
73 Verfahren bei der Staatsanwaltschaft

Um die strafrechtliche Bewertung kümmert sich die Berliner Staatsanwaltschaft. Das seien bislang 73 Verfahren. Wie ein Behördensprecher Mitte vergangener Woche mitteilte, beziehen sich diese Fälle alle auf Straßenblockaden im Januar. Bei der Polizei gebe es zudem Hunderte Strafanzeigen. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft konnte jedoch noch in keinem der Verfahren eine Entscheidung darüber getroffen werden, ob Anklage erhoben wird. Voraussetzung dafür seien abgeschlossene Ermittlungen der Polizei.

Die müsse aber noch wichtige Punkte klären. Zudem wies die stellvertretende Sprecherin der Berliner Strafgerichte, Christina von Bothmer, darauf hin, dass Protestierer auch in Anschlussgewahrsam genommen werden, es dazu aber keine Statistik gibt. Laut der „Letzten Generation“ kam es in den letzten drei Wochen insgesamt zu 95 „Aktionen“, bei denen 290-mal Aktivisten in Polizeistationen mitgenommen worden sind.

Generalstaatsanwältin Margarete Koppers sagte, ihre Behörde habe der Polizei bereits im Frühjahr erläutert, woran es bei den Ermittlungen fehle und zu welchen Punkten Nachermittlungen erforderlich seien. Sie verwies auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Autobahnblockaden. „Über den Anfangsverdacht, die Notwendigkeit und Intensität von Ermittlungen sowie die Anklagereife entscheidet die Staatsanwaltschaft, und zwar nach Recht und Gesetz und nicht nach politischen Wunschvorstellungen“, betonte Koppers mit Blick auf Forderungen aus der Politik nach schnellen und härteren Strafen.

Dabei gehe es um schwierige Rechtsfragen, erläuterte Oberstaatsanwalt Holger Brocke, zuständiger Abteilungsleiter für die Verfahren. Von Bedeutung sei etwa, wie viele Menschen sich beteiligt hätten, wie lange die Aktionen gedauert hätten und ob es Ausweichmöglichkeiten für Autofahrer gegeben habe. Relevant sei aber auch, wann und wie festgeklebte Personen von der Straße gelöst worden seien. Insbesondere in den Anfangszeiten seien derartige Details von den Polizisten vor Ort noch nicht erfasst worden. „Ihnen ging es zunächst darum, die Leute von der Straße zu holen.“

„Den fossilen Wahnsinn stoppen“: So lautet das Motto der Aktivisten


Ein Zustand, der von den bürgerlichen Oppositionsparteien hart kritisiert wird. Joe Chialo, einer der Hoffnungsträger der Berliner CDU, der seit Anfang des Jahres auch dem Bundesvorstand der CDU angehört, beklagte gegenüber WELT, dass Proteste und Klimaschutz zwar wichtig seien, „wer aber das Recht auf Protest und den Klimaschutz missbraucht, um eine Stadtgesellschaft wie Berlin zu erpressen, der schadet unserer Demokratie genauso wie den eigenen Zielen.“

Und weiter: „Wenn Rettungskräfte blockiert werden, wenn Handwerker nicht mehr durchkommen, wenn Arbeiter und Angestellte nicht pünktlich auf der Arbeit sind, dann zahlen genau diejenigen Menschen den Preis für diesen Protest, die das Rückgrat unserer Gesellschaft sind und schon jetzt unter den Folgen der Energieknappheit und der steigenden Preise mit am meisten leiden. Ich erwarte von unserem Rechtsstaat, dass er jetzt handelt, dass er unsere Rechte und Normen schützt. Und dass er dafür sorgt, dass unsere Gesellschaft nicht durch eine Handvoll Aktivisten noch tiefer gespalten wird.“



 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen