Dienstag, 5. Juli 2022

"Lern Sprachen, Kind, falls du mal auswandern musst!"

von Mirjam Lübke...

Für meine Oma war es eine Katastrophe, wenn ich in Englisch mal keine Eins nach Hause brachte. Sie malte mir dann eine düstere Zukunft aus: Wenn einmal wieder ein Hitler käme und ich in die USA emigrieren müsste, dann bekäme ich dort mit einer Zwei in Englisch höchstens eine Stelle als Putzfrau in einem Schnellrestaurant. Mit anderen Worten: Ich stünde ganz unten in der Hierarchie, trotz durchaus vorhandener Fähigkeiten. Auch wenn es für einen Menschen mit enormer Prüfungsangst, wie ich einer bin, nicht gerade förderlich ist, wenn ihm bei der Klassenarbeit der große Diktator im Nacken sitzt, so hatte Oma in einem recht: Ohne gute Kenntnisse der Landessprache kommt man in anderen Ländern beruflich nicht weit - wenn man überhaupt eingelassen wird. Es gilt als selbstverständlich, dass ein Migrant seinem Gastland auch etwas zu bieten haben muss oder ihm zumindest nicht zur Last fällt. 



In Deutschland hingegen wird seit Jahrzehnten davon gesprochen, endlich einmal ein vernünftiges Einwanderungsgesetz zu schaffen. Man mag es kaum glauben, aber wer hier legal einwandern möchte oder aber für ein paar Jahre arbeiten, der hat's ziemlich schwer. Wenn eine deutsche Firma einen vielversprechenden Mitarbeiter aus dem Ausland in ihrem Stammwerk weiterbilden möchte, dann muss eine Menge Papierkram erledigt werden, wahrscheinlich wäre es einfacher, wenn derjenige seine Papiere kurz vor der Grenze "verloren" hätte. 

Angesichts des Fachkräftemangels in Deutschland denkt man allerdings darüber nach, noch einmal eine halbe Million Migranten aufzunehmen. Natürlich ohne vorher auch zu prüfen, ob diese für den deutschen Arbeitsmarkt einen Gewinn darstellen. Das ist ungefähr so effektiv, als würde man auf der Kirmes für 500 Euro Lose kaufen, um schließlich eventuell den großen Plüschelefanten zu gewinnen, der im Laden 5 Euro kosten würde. Nur sind die Folgen gravierender: Wenn es überhaupt gelingt, die Migranten in den Arbeitsmarkt zu integrieren, dann größtenteils auf dem Billiglohnsektor, wo sie dann mit deutschen Bewerbern konkurrieren, die ebenfalls am Rande des Hartz4-Niveaus dort herumkrebsen. Sprich: Diejenigen, die noch den Anstand haben, ihr Geld selbst zu verdienen, graben sich gegenseitig das Wasser ab. Für die Industrie ist das erst einmal prima - bringt es sie doch in eine bessere Verhandlungsposition. Es kommt noch hinzu, dass der Arbeitsmarkt für Niedrigqualifizierte ohnehin immer enger wird. 

Die Bezeichnung "Fachkräfte" ist daher längst zu einem Spottwort geworden, hat sie doch mit der Realität kaum etwas zu tun. Was die FDP nun damit bezwecken will, Englisch zur zweiten Amtssprache zu machen, ist mir schleierhaft, es handelt sich um reine Symbolpolitik, welche das Problem des Fachkräftemangels nicht lösen kann. Gut ausgebildete Mitarbeiter sprechen in der Regel ohnehin passabel Englisch, das dürfte auch auf die uns versprochenen Fachkräfte zutreffen. Ansonsten müssten wir wohl Arabisch, Urdu und Farsi in den Katalog unserer Amtssprachen aufnehmen - die in allerlei Broschüren schon längst in Gebrauch sind. Na das wird eine babylonische Sprachverwirrung! 

Nachdem der Corona-Lockdown viele Gastronomen in die Pleite getrieben hat und danach etliche Kunden durch die allzu bereitwillige Anwendung von 2 und 3G-Regeln vergrault wurden, läuft das Geschäft nun langsam wieder an und Arbeitsmigration soll es richten. Wo sind eigentlich alle gekündigten deutschen Köche und Kellner hin? Sie können doch unmöglich alle anderweitig untergekommen sein. Warum gewinnt man sie nicht zurück? Vielleicht, um durch Lohndumping ein wenig des erlittenen Verlusts wieder hereinzuholen? Allerdings nutzt auch hier der Vorstoß der FDP nichts, denn der Normalbürger möchte sein Essen nicht gestikulierend und auf gut Glück bestellen. 

Kein Mensch hat etwas dagegen, den deutschen Arbeitsmarkt mit ausländischen Fachkräften zu ergänzen, wenn Personalnotstand besteht. Der bessere Weg wäre, die deutsche Bildungsmisere in den Griff zu bekommen und den "schon länger hier Lebenden" eine Chance zu bieten. Aber das funktioniert nun einmal nicht von heute auf morgen. Aber was spricht eigentlich dagegen, Bewerber für den deutschen Arbeitsmarkt erst einmal auf ihre Eignung zu testen, bevor sie in unser Land kommen? In Osteuropa gibt es schließlich schon einige Pilotprojekte für die Krankenpflege: Erst nach erfolgreicher Ausbildung winkt das Ticket nach Deutschland. 

Aber Migration, wie sie derzeit in Deutschland zugelassen wird, ist ohnehin eine Lotterie, die bekanntlich nur durch die angebliche Chance auf Fachkräfte schöngeredet wird. Schon der Gedanke, einem Migranten die Einhaltung gewisser Regeln oder das Erlernen der deutschen Sprache abzuverlangen, gilt als rassistische Zumutung. Mit etwas Glück kommen einige Zuwanderer selbst auf die Idee, dass Integration der bessere Weg für sie ist - und obwohl unser Staat sich kaum ein Bein dafür ausgerissen hat, werden sie dann als Erfolgsmodell herumgereicht. Eigentlich ist das rassistisch, denn man spricht Migranten so die Fähigkeit ab, etwas aus eigener Kraft zu schaffen. 

Nur für all die anderen fällt uns nichts Gescheites ein. Mit Englisch als Amtssprache gegen die Herausbildung von Parallelgesellschaften? Oder die Verbreitung islamischer statt europäischer Werte? Da kann man auch versuchen, Suppe mit Stäbchen zu essen, das ist ähnlich effektiv.


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